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Gothic (Kultur)

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Der folgende Artikel ist ein Versuch den Begriff "Gothic" für die Gesellschaft verständlicher zu machen. Wenn man einen Gothic auf gewisse Dinge anspricht und er anders antwortet als es im Artikel steht, braucht man sich nicht wundern, denn man wird nie eine einheitliche Definition finden, da diese Szene zu individuell ist.


Die Gothic-Szene ist eine Subkultur, die Anfang der 1980er Jahre aus dem Punk- und New Wave-Umfeld hervorging. Sie ist Hauptbestandteil der so genannten Schwarzen Szene und untrennbar mit der Gothic-Musik verbunden.

Die Anhänger der Gothic-Kultur werden meist als Goths, Gothics oder auch Grufties bezeichnet, wobei man sagen muss, dass viele die Bezeichnung "Gruftie" als Schimpfwort ansehen. Denn einige verstehen unter Gothic sein nicht den Hang zum Tod, sondern die Auseinandersetzung mit eben diesem, im Gegensatz dazu werden Grufties als Todverehrer gesehen, aber immer noch auf andere Art und Weise als es im Satanismus üblich ist. Hin und wieder wird der ursprünglich negativ behaftete Begriff Gruftie heute als Selbstbezeichnung verwendet, konträr dazu wurde er jedoch größtenteils aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verdrängt.

Werte

Die Gothic-Szene gilt als sehr ästhetische, introvertierte und ausgesprochen friedliche Kultur mit meist sensiblen, wenn auch mitunter etwas wirklichkeitsfremden Mitgliedern, die meist der Mittelschicht entstammen.

Die Durchschnittsbevölkerung wird vom Goth zum Teil negativ wahrgenommen, etwa als konservativ, konsumorientiert, intolerant, egoistisch und vom Gesetz der sozialen Bewährtheit geleitet. Aus der Ablehnung dieser Werte resultiert eine demonstrative Distanzierung zur Gesellschaft. Aus dem Versuch der Bewältigung der Zwänge, der emotionalen Kälte und der Vereinheitlichung des Individuums in der heutigen Gesellschaft treten wiederum die zelebrierte Melancholie und die Ideale des Individualismus und der Toleranz hervor, das was die Szene größtenteils ausmacht. Die im Kontrast zum gesellschaftlichen „Jugendwahn“, sprich der förmlichen Sucht nach ewiger Jugend, stehende Akzeptanz des Todes als natürlichen Bestandteil des Lebens, wird häufig nach außen getragen und ist u. a. eine Ursache für die scheinbare „Todessehnsucht“ der Szene-Anhänger. Diese so genannte „Todessehnsucht“, kann man also sagen, ist ein Aufschrei gegen diesen allgemeinen Zwang zur unnötigen Erhaltung der Jugend. „Egal in welchem Alter man sich befindet, man sollte es in vollen Zügen genießen.“ (Zitat R. St.)

Der Drang zum Individualismus innerhalb der Gothic-Szene, wobei die Dunkelheit und die Unfarbe schwarz eine besondere Rolle bei fast alle Gothics spielen, erschwert eine eindeutige Definition dieser, sowie die Zuordnung ihrer Mitglieder. Religiöse und politische Fragen werden unter Gothics durchaus thematisiert, allerdings nicht einheitlich beantwortet. Eine gewisse Sehnsucht nach dem Mittelalter und seiner Mythen und Sagen ist bei einigen Mitgliedern der Szene anzutreffen. Dabei handelt es sich jedoch häufig um ein romantisiertes Bild des Mittelalters, das viele Gothics vor Augen haben und das in manchen Fällen eine Flucht vor der realen Welt ermöglichen soll, jedoch auch teilweise einfach genossen wird wie etwa durch mittelalterliche Musik.

Die Dunkelheit wird gelegentlich als ein schützender Mantel oder Zufluchtsort empfunden. Woraus man beispielsweise den Hang zur hauptsächlich schwarzen Kleidung ableiten kann.

Religion

Die Zugehörigkeit einer Person zur Gothic-Kultur ist unabhängig vom Glauben und Religionszugehörigkeit. Gothics beschäftigen sich intensiv mit dem Thema Religion und ziehen individuelle Schlüsse, weshalb eine eindeutige Zuordnung nicht möglich ist. Einige Teile der Szene lehnen die Institution Kirche, z.B. aufgrund ihrer Kritik an deren Verfehlungen im Laufe der Geschichte, allerdings völlig ab.

Es lässt sich ein überdurchschnittliches Interesse an okkulten oder neuheidnischen Inhalten feststellen. Damit einher geht eine Tendenz zum Synkretismus (auch „Patchworkreligion“).

Obwohl sich etliche Anhänger der Gothic-Bewegung ganz klar vom Satanismus distanzieren und ein völlig anderes Lebensgefühl auszudrücken versuchen, werden sie auf Grund ihrer äußeren Erscheinung oft mit diesem in Verbindung gebracht und von Außenstehenden belächelt oder gar als potentiell gefährlich eingestuft. Häufig wird mit okkulten Symbolen, z. B. dem vorchristlichen Pentagramm oder dem Petruskreuz, zum Zwecke der Provokation gespielt. Oft ist es jedoch nur die in der Szene verbreitete Faszination an Mystik, die Gothics zum Tragen okkulter Symbole bewegt. Die gesellschaftlichen Vorurteile treffen allerdings die in sich uneinheitliche Szene in ihrer Gesamtheit. Sie mögen gerade bei jüngeren Personen, die in diese Subkultur hineinwachsen, den Glauben verstärken, eine Ablehnung des christlichen Glaubens oder gar eine Hinwendung zum Satanismus sei Voraussetzung, um als Szeneangehöriger anerkannt zu werden. Dies ist jedoch absolut nicht der Fall. Die Szene honoriert eher Individualismus, als Zugehörigkeit zu einer bestimmten, dogmatisch geprägten Glaubensgemeinschaft. Insofern gehört die Gothic-Kultur zu den aufgeschlossenen und toleranten Subkulturen unserer Gesellschaft.

Ein kleiner Teil der Szene ist christlich geprägt. Ein Beispiel hierfür liefert das jährlich am Vorabend des Wave-Gotik-Treffen stattfindende „spirituelle Warm-up“.

Politik

Eine eindeutige politische Ausrichtung der Gothic-Szene ist nicht feststellbar. Allerdings sind konservative oder rechtslastige Ideologien eher selten anzutreffen. Auf Grund ihrer Wurzeln im Punk interessieren sich einige Gothics für linksalternative Politikansätze, andere wiederum vertreten gänzlich unpolitische Ansichten. Dies machte sich u. a. in den frühen 90er Jahren bemerkbar. Zeitschriften wie das Bonner Szene-Magazin „Gothic Press“ wiesen 1992 auf die Gefahr von Rechts hin und sprachen sich klar gegen rechte Gewalt aus. Gleichzeitig distanzierte sich ein Großteil der Szene von jeglichen politischen Ideologien und sah Aktionen gegen Rechtsradikalismus und Rassenhass als selbstverständlich an. Man könnte die Gothic-Kultur insofern als politisch bezeichnen, dass sie sehr stark auf Grundsätze des Humanismus baut.

Geschichtliche Entwicklung

Vorläufer und vergleichbare Bewegungen

Im angelsächsischen Sprachraum wird der Begriff Gothic erstmals in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verwendet. Vor allem die so genannten Gothic Novels mit schaurigen Handlungsplätzen wie Friedhöfen, Spukschlössern, Ruinen und anderen Orten erfreuten sich großer Beliebtheit. Der große Erfolg dieser Gothic Novels und die gleichzeitig aufkommende Romantik-Bewegung im 18. und 19. Jahrhundert war auch eine Gegenreaktion auf die rationale entmystifizierende Sicht der Aufklärung. Ähnliche Motivationen liegen den verschiedenen Reformbewegungen (wie z.B. Wandervogel, FKK-Bewegung) Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts zugrunde, die sich gegen die Technisierung und Industrialisierung der Lebensumwelt wandten. Im Rückzug in eine idealisierte naturgemäße bzw. menschlichere Lebensweise findet sich sowohl bei den Romantikern und Lebensreformern als auch bei Anhängern der Jugendkultur Gothic eine Tendenz zur Weltflucht.

Die Anfänge in den 1980ern

Die Gothic-Szene wie wir sie heute kennen entstand Anfang der 80er aus den Trümmern der Punk- und New Romantic-Bewegung in Großbritannien. Gothic, anfangs nur für die düstere Spielweise des Punk verwendet, wurde ab 1982/1983 auf die Anhänger dieser Kultur übertragen.

In der Subkultur trat in der Folge eine Vermischung mit den Anhängern der New Wave Musik auf. Die dort gebildete Wave-Subkultur veränderte sich. Gothic wurde ein Stil innerhalb der sich nun bildenden schwarzen Szene. Zugleich vermischten einige Bands Gothic Rock mit New Wave (Gothic Wave). Auch war Gothic Rock eine beliebte Musikrichtung bei vielen Wavern. Dark Wave und Gothic wurden bis in die frühen 90er beinahe synonyme Begriffe, weil sich einerseits der Begriff Wave vom New Wave ablöste, andererseits auch der Begriff Gothic wieder ursprünglicher verstanden wurde und man sich wieder auf das Mittelalter oder die Romantik mit ihren Folgeströmungen verstand.

Die 1990er

Mit nachkommenden Generationen erfolgte ab Mitte der 1990er eine Ära, die durch eine zunehmende Abkehr von den ursprünglichen Wurzeln und eine Öffnung hin zu anderen Szenen (vor allem Metal, Electro, Mittelalter) gekennzeichnet ist. Fremde Musikstile wurden dabei einverleibt und fusionierten mit Einflüssen der bestehenden Gothic-Musik zu neuen Subgenres. Beispielsweise entstanden so Gothic Metal oder Electro-Goth.

Durch diese neue Vielfalt der Szene entstanden neue „Subkulturen innerhalb der Subkultur“. Obwohl sie sich derselben Szene zugehörig fühlen unterscheiden sich nun z.B. Gothics die zum Punk neigen von solchen die sich vom Mittelalter angezogen fühlen sehr stark, sowohl was ihre Optik, ihr Musikgeschmack als auch teilweise ihre Lebensansichten angeht.

Gothic heute

Seit Ende der 1990er ist eine zunehmende Kommerzialisierung der Szene zu beobachten. Ein Phänomen, das nicht zuletzt auf die relative Langlebigkeit und hohe Kontinuität der Szene zurückzuführen sein dürfte. Viele Gothics behalten ihren Lebensstil oder die damit verbundenen Vorlieben bis weit ins Erwachsenenalter und länger bei. Im Unterschied zu klassischen Jugendkulturen entsteht so ein altersübergreifender Dialog. Dieser wiederum führt - bedingt durch die vielfältigeren Kontakte berufstätiger Gothics - dazu, dass sich Gothic im allgemeinen Bewusstsein zunehmend von der Subkultur zu einem Breitenphänomen wandelt und damit auch als Konsumentenzielgruppe zunehmend erfassbar und kommerziell interessant wird.

Erscheinungsbilder

Datei:Goths.jpg
Goths in Biberach/Riß

In der Gothic-Kultur zeichnen sich keine einheitlichen Merkmale bezüglich Kleidung und Aussehen ab. Goths, die ihre Lebenseinstellung auch durch ihr äußeres Erscheinungsbild auszudrücken versuchen, bevorzugen im Allgemeinen die Farbe Schwarz. In Anlehnung an die Wurzeln des Punk werden Strumpfhosen oder Netzhemden absichtlich mit Rissen oder Löchern versehen. Ebenso erinnern manche Frisuren an die Punk-Kultur. Jedoch legen Gothics sehr großen Wert auf ein sauberes, gepflegtes und stilvolles Äußeres. Mittelalterliche Kleidungsstile sind ebenso präsent wie ein an das viktorianische Zeitalter erinnerndes Outfit. Hierbei handelt es sich vorrangig um ein Relikt der New Romantic-Szene. Zudem gibt es vereinzelt Stile, die sich stark am amerikanischen Cyberpunk orientieren. Lackkleidung sowie (augenscheinlich) eine mit reflektierenden Formen beschlagene Kleidung wird hierbei favorisiert. Die Haare werden oftmals mit Clips verlängert und auffällig gefärbtes Fremd-/Kunsthaar wird eingearbeitet.

Insgesamt gesehen gibt es allerdings zu viele Splittergruppen, im Kleidungsstil sowie auch in Fragen Einstellung, das man nicht allzu konkrete Angaben machen kann.

Markante Merkmale KÖNNEN sein:

  • Blasse, meist geschminkte Gesichtsfarbe (Viktorianische Ästhetik), häufig hervorgehoben durch dunkle Schminke an Augen und Mund
  • ungewöhnliche Frisuren: Irokesenschnitt (seitlich ausrasierte Haare), Undercut (zusätzlich Hinterkopf), teilweise sehr hoch toupiert, meist schwarz oder auffällig gefärbt. Bei Frauen teilweise eine Seite des Schädels kahl rasiert oder zu „Barock“-Frisuren frisiert.
  • Piercings und Tätowierungen
  • Nieten und Sicherheitsnadeln
  • religiöse, okkulte oder esoterische Symbole als Schmuck, meist aus Silber
  • androgyn gekleidete Männer
  • Lederhosen und Netzhemden, teils zerrissene Kleidung (ursprünglicher Gothic Punk- bzw. Death Rock-Look)
  • Lange Kleider und Röcke (oft aus Samt) sowie Rüschenhemden, Bundfaltenhosen und Pikes
  • Korsetts und Corsagen bei Frauen
  • Herrenröcke
  • Lederhosen und -mäntel (End-80er Gothic Rock-Stil)
  • Lack- und LatexKleidung (seit Mitte der 90er Jahre durch Einflüsse aus der Fetisch- und SM-Szene)
  • Schnür- & Kampfstiefel (Rangers), Pickers (ähnlich Stiefeletten für Motorradfahrer), Stiefel mit sehr hohen Absätzen („Transformerboots“)

Diese Liste bietet allerdings nur eine kurze Übersicht der Vielfalt der Stile, die in der Gothic-Szene verbreitet sind. Für eine genaue Stilbeschreibung gibt es zu viele Splittergruppen, die sich allerdings nicht ausschließlich durch einen spezielleren Kleidungsstil kennzeichnen lassen.

Philosophie

Zur Philosophie von Gothic kann man nicht viel sagen, denn wie beim Rest der Gesellschaft, denkt jeder anders. Man kann eventuell sagen, dass Gothics sich mit gewissen Themen mehr auseinander setzten wie z. B. mit dem Thema Tod oder dergleichen. Nur gibt es auch genug Menschen, die dasselbe tun, sich aber nicht als Gothic bezeichnen. Jeder philosophiert anders, ob er sich zu einer Szene hinzuzählt oder sein Leben nach den Vorstellungen des Alltags der Gesellschaft lebt. Um sich ein Bild davon zu machen, wie ein Gothic philosophieren könnte, sollte man so eine Person einfach mal ansprechen und nachfragen.

Literatur

  • Klaus Farin & Kirsten Wallraff: Die Gothics - Weiß wie Schnee, Rot wie Blut und Schwarz wie Ebenholz, 1999, ISBN 3-933773-09-1
    (siehe auch Archiv der Jugendkulturen)
  • Volkmar Kuhnle: Gothic-Lexikon, 1999, ISBN 3-89602-203-2
  • Peter Matzke & Tobias Seeliger: Gothic! - Die Szene in Deutschland aus Sicht ihrer Macher, 2000, ISBN 3-896023-32-2
  • Peter Matzke & Tobias Seeliger: Gothic II - Die internationale Szene aus Sicht ihrer Macher, 2002, ISBN 3-89602-396-9
  • Peter Matzke & Tobias Seeliger: Das Gothic- und Dark Wave-Lexikon, 2002, ISBN 3-89602-277-6
  • Roman Rutkowski: Das Charisma des Grabes - Stereotyp und Vorurteile in Bezug auf jugendliche Subkulturen am Beispiel der Schwarzen Szene, 2004, ISBN 3-8334-1351-4
  • Axel Schmidt & Klaus Neumann-Braun: Die Welt der Gothics - Spielräume düster konnotierter Transzendenz, 2005, ISBN 3-531-14353-0

Veranstaltungen

Abschließend

Man kann Gothic nicht einheitlich definieren, denn jeder Gothic hat seine eigenen Vorstellungen, Erwartungen, etc. vom Gothic sein. Letztendlich ist es ein Lebensgefühl und die Gesellschaft sollte es als einen Teil von sich anerkennen. Denn man kann sagen, dass in jedem ein Gothic stecken kann. Mal mehr, mal weniger. Es ist keine Schande oder derartiges, wenn man genau dieses auslebt.

Siehe auch: Gothic Lolita, Mittelalter-Szene

Verwandte Szenen & Begriffe: Punk, Vampirismus


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