Grundherrschaft
Grundherr ist ein Begriff aus der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rechts- und Sozialgeschichte. Der Grundherr hat die Herrschaft über Grund und Boden; er ist entweder der Besitzer (vgl. dazu Allod) oder er hat als Inhaber eines Lehens die Verfügungsgewalt über das Land. An das Eigentum oder die Verfügungsgewalt über das Land waren zumeist noch weitere Rechte geknüpft (z.B. die Niedergerichtsbarkeit über die Bewohner).
Die herrschaftliche Organisationsform der Grundherrschaft stammte aus dem Mittelalter und dauerte bis ins 19. Jahrhundert an. Der Begriff Grundherr umfasst nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die rechtliche Verwaltung von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen, die dieser zur Nutzung vergeben hat.
Das Verhältnis zwischen Grundherren und Nutzer war unterschiedlich. Es reichte von einem reinen Pachtverhältnis über die Hörigkeit bis zur Leibeigenschaft.
Wohlhabendere Grundherren besaßen in der Regel keine einzelnen Gehöfte, sondern ganze Dörfer. Häufig teilten sich aber auch verschiedene Grundherren Rechte an einem Dorf, so dass die tatsächlichen Rechtsverhältnisse äußerst kompliziert waren.
Die Pflichten der Abhängigen waren ebenfalls sehr verschieden, sie bestanden in Naturalleistungen, Dienstpflichten (Hand- und Spanndienste) und vielen anderen Abgaben, die bei bestimmten Ereignissen (gewöhnlich im Erbfall) zu zahlen waren. In manchen Fällen bestand auch die Pflicht, die Mühle gegen Gebühr zu nutzen, wenngleich es in solchen Fällen immer schon vor der Grundherrschaft bereits einen Zwang seitens der Dorfgemeinschaft dazu gab, vor allem, wenn sie ein Gemeinschaftsbetrieb (Allmende) war.
Aber auch der Grundherr hatte Pflichten zu erfüllen. Er musste den Abhängigen bei Krankheit oder Mangel an Getreide wegen einer Mißernte oder Katastrophe Schutz und Unterstützung gewähren. Innerhalb seiner Herrschaft hatte er für den Frieden zu sorgen und Streit unter den Hörigen verhindern oder den Friedensbrecher bestrafen evtl. mit Hilfe eines Schiedsgerichtes.
Der Grundherr konnte den Priester des Herrschaftsbereiches bestimmen, die oft aus seiner nächsten Verwandtschaft stammten. Für seine Kirchen hatte er oft eine Reliquie beschafft. Diese wurde auf dem Altar aufgestellt, der über den Toten der Familie des Herren stand. Hiermit hatten die Ahnen des Grundherren einen wesentlichen Vorteil: Im Mittelalter ging man davon aus, dass die Gebeine der Heiligen am jüngsten Tag zum Himmel aufsteigen würden und die Überreste der Toten, die in der Nähe lagen, mit ihnen.
Feudallasten wurden in langsamen Prozessen verändert und meist schrittweise bis ins Unerträgliche erhöht. Als die Leibeigenen im späten Mittelalter zunehmend durch den Verkauf ihrer Waren an Geld kamen, wuchs mit dem auch das Interesse des Grundherren, die alten Sachabgaben in Geldzahlungen umzuwanden, insbesondere, als der lokale Handel allmählich immer umfangreicher wurde. Obwohl die Inflation den realen Wert der festgesetzen Zahlungen nach und nach verminderte, wurden diese von den Grundherren laufend erhöht. Naturalabgaben spielten bis zum Ende der Grundherrschaft weiterhin eine wichtige Rolle.
Die Verteilung der Feudallasten war extrem verschieden und variierte von Dorf zu Dorf und teilweise von Person zu Person. Das machte sie extrem unbeliebt.
In Frankreich wurde die Grundherrschaft im Laufe der Französischen Revolution abgeschafft. In Deutschland erst 1848 (in einigen Ländern allerdings auch wesentlich früher).
Grundherrschaften hat es vermutlich schon sehr lange vor der Entstehung der Schrift gegeben. Das Entstehen der Institution "Grundherrschaft" abendländischer Prägung muß allerdings gesehen werden im Zusammenhang mit der Taufe und Christianisierung der europäischen Bevölkerung. Im Zusammenspiel zwischen Adel, Kirche und Bauernschaft entstanden neue Formen des Wirtschaftens, der Landbearbeitung (Dreifelderwirtschaft) und der gesellschaftlichen Organisation. Sie organisierten die Verteilung von Überschüssen, die dem von Adel und Kirche organisierten Ausbau der Infrastruktur (Mühlen, Straßen, Kirchen...), der besseren Vrsorgung der Bevölkerung und generell der Herrschaftsausübung von Adel und der Kirche dienten.
Siehe auch: Forstwirtschaft, Landwirtschaft