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Mathilde von Rohr

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Mathilde von Rohr

Mathilde von Rohr (* 9. Juli 1810 in Trieplatz; † 16. September 1889 in Dobbertin) war eine Freundin und vertraute Briefpartnerin Theodor Fontanes.

Leben in der Grafschaft Ruppin

Mathilde von Rohr war eine Tochter des Hauptmanns Georg Moritz von Rohr. Dessen Gattin Antoinette Charlotte Friederike Henriette war eine geborene Baronesse von Hünecke. Mathilde wuchs als sechstes von acht Kindern in Trieplatz und Brunn auf. Gut Trieplatz war 1752 von Verwandten an Georg Moritz von Rohr verkauft worden und bis 1888 der Stammsitz des Hauses.

Acht Jahre nach Mathildes Geburt, und damit unüblich verzögert, nahm Hauptmann von Rohr die Einschreibung seiner Tochter in das Kloster Dobbertin als adliges Damenstift vor.[1] Die späte Registrierung seiner Tochter könnte durch die Kriegszeiten bedingt gewesen sein; auch der Trieplatzer von Rohr mag in diesen Jahren häufiger beim Militär als auf seinem recht kleinen Gut gewesen sein. Zur Aufnahme in das Dobbertiner Damenstift war eigentlich die schnelle Anmeldung der erstgeborenen Tochter innerhalb von zwei bis drei Tagen, die nachgewiesene adlige Herkunft von väterlicher und mütterlicher Seite und die schriftliche Erklärung zur inländischen Abstammung der Anwärterin sehr wichtig. Die preußische Familie von Rohr konnte diese Voraussetzungen der Besitzungen im Land Mecklenburg mit einem Stammgut in Speck bei Waren und in Tramnitz, der mecklenburgischen Enklave auf preußischem Gebiet bis 1937, erfüllen. Auf der Ahnentafel zur Einschreibung vom 19. Juli 1818 vermerkt Mathildes Vater Georg Moritz von Rohr mit eigenhändiger Unterschrift und Siegel, dass meine Vorfahren aus dem Mecklenburgischen und zwar zuletzt aus Speck weiter hinauf aus Priborn abstammen.[1]

Nach dem Tode des Vaters im Jahre 1832 zog die Mutter mit ihren Töchtern nach Berlin. In ihren dortigen literarischen Salon in der Behrenstraße 70 wurde Fontane durch Bernhard von Lepel eingeführt. Mathilde erhielt bereits in diesem Jahr aus Dobbertin die erste volle Hebung, mit der ihre finanzielle Versorgung gesichert war. In den Berliner Jahren engagierte sie sich besonders in den Vorständen der Kleinkinderschulen, den Kindergärten am dortigen Dönhoffplatz und in der Luisenstraße.

Als im Jahre 1853 die Mutter starb, wohnte Mathilde mit ihrer Schwester Antoinette noch in der Berliner Behrenstraße 70. In den Adressbüchern ist ihr Name bereits mit dem Zusatz Konventualin versehen - einem Titel, der seiner Trägerin hohes Ansehen und ein beträchtliches Maß an gesellschaftlicher Selbstständigkeit verschaffte. Die Geldzahlung für Konventualinnen war gestaffelt und wurde nach längerer Anwartschaft in voller Höhe und lebenslang gezahlt. Nach dem Einzug in das mecklenburgische Damenstift wurde die Hebung durch festgelegte Naturalzuwendungen erweitert.

Der Ruf aus Dobbertin erreichte Mathilde von Rohr im Januar 1869.[1]

Das Leben im Damenstift

In Dobbertin wohnten in der Regel 32 Konventualinnen, von denen zwei bis drei vom bürgerlichen Stande sein sollten. Wenn ein Klosterplatz durch Abgang frei wurde, durfte nach der Einschreibeliste das nächste Fräulein einrücken.

Das Leben im Damenstift bedeutete nicht nur eine gesicherte Versorgung im Alter. Die Damen lebten in einer geordneten Gemeinschaft. Die Wohnungen waren sehr geräumig, sie umfassten zumeist sechs bis acht Zimmer, eine Küche mit Vorratskammer, dazu noch zwei bis drei Dachkammern, einen Keller und einen Holzschuppen. Auch ein Vorgarten und beträchtliches Gartenland auf dem Klostergelände gehörten dazu. Jeder Damenhaushalt verfügte über ein bis zwei Bedienstete. Die Dienstmädchen der Konventualinnen hatten zu putzen, oft auch für ihre Herrschaft zu kochen. Botengänge waren zu erledigen, und pünktlich mussten Brot, Fleisch, Fisch und Korn für die Damen abgeholt werden. Auch der „Damendiener“ half bei schwerer Arbeit im Hause. „Bei Aufwartungen“ hatte er in einem geeigneten Anzug zu erscheinen. Doch auch in vielfältiger anderer Weise war bestens für die Damen gesorgt.

Das ehemalige Refektorium im Kloster Dobbertin mit neuem Tulpenbaum

Im Frühsommer 1869 konnte Mathilde von Rohr eine der schönsten Klosterwohnungen des Konvents im Südflügel der früheren Klausur beziehen. Zur großen, auf zwei Etagen gelegenen Wohnung gehörten insgesamt sieben Zimmer, eine Küche und eine Kammer. Das alte Refektorium, einst Speisesaal der Nonnen, war nun ihr Wohn- und Empfangsbereich. Durch die altertümlichen spitzbogigen Holzfenster war der prächtige Tulpenbaum zu sehen. Von Mathilde von Rohrs Flur führte eine Tür zum Kreuzgang; von dort konnte sie in die Klosterkirche und zur Wohnung der Domina, der Vorsteherin des Konvents, gelangen.

Domina Hedwig von Quitzow war zu dieser Zeit bereits 90 Jahre alt. Selbst Preußin von Geburt, hatte sie nun mit Mathilde von Rohr wieder eine Landsmännin an ihrer Seite, die sogleich in den Freundeskreis aufgenommen wurde.

Mathilde von Rohr im Dobbertiner Kloster

Bis alle Formalitäten zum Einrücken Mathilde von Rohr als Konventualin durch das Dobbertiner Klosteramt bearbeitet waren, vergingen Monate. Erst im Frühsommer 1869 konnte sie ihre Klosterwohnung beziehen. Theodor Fontane adressierte seine Geburtstagsglückwünsche an Mathilde zum 9. Juli 1869 bereits nach Dobbertin.[2]

Auf dem Landtag zu Sternberg wurde am 2. Dezember 1869 der erst 35-jährige Christian Joachim Hugo Graf von Bernstorff auf Wahrensdorf bei Grevesmühlen zum neuen Klosterhauptmann gewählt. Bernstorff war seit sechs Jahren mit Freiin Adelheid von dem Busche-Ippenburg verheiratet, die bisher Hofdame bei der Königin Marie von Hannover gewesen war. Bald sollte sich zeigen, dass diese Wahl auch das Leben der Preußin Mathilde in Dobbertin beeinflussen würde, die 1869 weit weg von Berlin ihr erstes Weihnachtsfest im Damenstift feierte.

Am 7. Februar 1870 erfolgte die feierliche Amtseinführung des neuen Klosterhauptmanns Graf von Bernstorff vor den versammelten Damen im Konventsaal des Klosters. Zu den Klosterdamen oder schlicht Fräuleins genannt, gehörten neben der inzwischen 91-jährigen Domina Hedwig von Quitzow und der 69-jährigen Priorin Helene von Lützow als ihre Stellvertreterin noch Ilsabe Sophia von Stralendorff, Louise Friderike von Lützow, Lousia Friderica von Holstein, Wilhelmine Caroline von Preen, Sophia Ida von Weltzien, Anne Elisabeth von Graevenitz, Sophia Wilhelmina von Schack, Johanna Wilhelmine von Bülow, Georgine Marie von Plessen, Ida Dorothea von Pentz, Amalie Friederike von der Lancken und drei bürgerliche Damen, "Demoiselles" genannt.

Die Gemeinschaft dieser überwiegend recht betagten Damen lebte in Dobbertin durchaus nicht immer in Eintracht und Frömmigkeit. Manche Rivalität und Streitigkeit wurde ausgetragen, unter denen besonders Mathilde von Rohr als Ausländerin zu leiden hatte. Erwähnenswert seien hier nur zwei seltsam anmutende Konflikte:

  • Der nicht vorschriftsmäßige Verkauf von ungenießbarem Fleisch einer kranken Kuh an Mathilde von Rohr und
  • Der Verstoß des Klosterhauptmanns Graf von Bernstorff gegen die Klosterordnung bei seiner willkürlichen Zuteilung der Rehziemer (als Rückenstück ein begehrtes zartes Muskelfleisch des Rehs) aus einer turnusmäigen Wildlieferung zur Versorgung der Klosterdamen.

Seit Mathilde von Rohrs Einzug in Dobbertin hatte der Landbriefträger Albert Nebe mehr Post zum Kloster zu tragen, denn Theodor Fontane setzte die langen, freundschaftlichen Berliner Gespräche nun schriftlich fort.

Am 1. August 1870 besuchte der märkische Dichter erstmals seine Freundin im Kloster Dobbertin. Von seiner Urlaubsreise aus Warnemünde kommend, blieb er eine Woche dort. Bei seiner Abreise schickte Mathilde noch eine großzügige Spende für verwundete Soldaten des 1870er Krieges gegen Frankreich mit ihm nach Berlin.

Im Sommer 1871 kam die 47 jährige Wilhelmine Louise Janette von Bülow, Tochter des Königlich-Preußischen Oberforstmeisters aus Thale im Harz nach Dobbertin. Als Konventualin wurde sie sogleich in den engeren Freundeskreis Mathilde von Rohrs aufgenommen und sollte dieser bis zu deren Tod eine sehr gute Freundin bleiben.

Am 25. August 1871 kamen Theodor und Emilie Fontane von Berlin über Güstrow mit der Postkutsche nach Dobbertin. In diesen Tagen machte der Dichter wohl auch seine ersten Aufzeichnungen zum Dobbertiner Kloster und seiner Geschichte. Theodor Fontane reiste erst am 11. September weiter nach Warnemünde, wo er wieder im Hotel Hübner[1] an der Strandpromenade logierte. Für Janette von Bülow war dies die erste Begegnung mit Fontane. Diese Bekanntschaft sollte bis über Mathildes Tod hinaus gepflegt werden. Während ihrer Klosterjahre pflegte Mathilde von Rohr auch weiter die alten Kontakte nach Berlin. Ab 20. November 1871 war sie wieder dort, und gleich am nächsten Tag schrieb Fontane: Mein gnädiges Fräulein. Zuerst 10000mal willkommen in der Heimat. (2)

Kontakt mit Fontane

Der erste erhaltene Brief Fontanes an Fräulein von Rohr stammt von Silvester 1859. Insgesamt sind 230 dieser Briefe überliefert und in der Berliner Staatsbibliothek archiviert. Es scheint, dass die andere Hälfte der Korrespondenz nicht erhalten geblieben ist. Mathilde von Rohr lieferte Fontane zahlreiche Anekdoten und Details, die dieser in seinen literarischen Arbeiten verwendete.

1892 veröffentlichte Fontane einen biographischen Essay über Mathilde von Rohr in der Familienzeitschrift Daheim unter dem Titel Mathilde von Rohr, Konventualin zu Kloster Dobbertin. Dieser Text wurde erstmals 1903 in die 8. Auflage von Die Grafschaft Ruppin (Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Teil 1) eingefügt.

Literatur

  • Theodor Fontane: Sie hatte nur Liebe und Güte für mich. Briefe an Mathilde von Rohr. Hrsg. von Gotthard Erler, Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-7466-5287-1.
  • Horst Alsleben (unter Mitarbeit von Gabriele Liebenow): Mathilde von Rohr und das Kloster Dobbertin. Festschrift zum 200. Geburtstag einer Freundin Theodor Fontanes. Dobbertin 2010.

Einzelnachweise

  1. a b c d Horst Alsleben (unter Mitarbeit von Gabriele Liebenow): Mathilde von Rohr und das Kloster Dobbertin. Festschrift zum 200. Geburtstag einer Freundin Theodor Fontanes, Dobbertin 2010, S. 20ff
  2. Theodor Fontane: Sie hatte nur Liebe und Güte für mich. Briefe an Mathilde von Rohr. Hrsg. Gotthard Erler, Berlin 2000. S. 132