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Völkermord an den Herero und Nama

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Der Aufstand der Herero und Nama von 1904 in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, kostete durch Kampfhandlungen, Krankheit oder Vertreibung 1.365-1.441 weißen Einwohnern und deutschen Soldaten, 123 davon in den ersten Tagen ermordete Siedler, mindestens 24.000 Herero und etwa 10.000 Nama das Leben.

Herero

Am 12. Januar 1904 erhoben sich die Herero zu einem Aufstand gegen die deutsche Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika. 123 deutsche Siedler wurden getötet; die schwache Schutztruppe der Kolonie von 766 Mann war den Aufständischen anfänglich nicht gewachsen.

Unter dem Druck aus Deutschland wurde ein Marine-Expeditionskorps unter Generalleutnant Lothar von Trotha mit etwa 15.000 Mann aus Deutschland entsandt. Die dilletantische Kriegführung Trothas führte zu vielen Toten auf beiden Seiten und herben wirtschaftlichen Verlusten.

Gründe des Aufstands

Nach der erfolgreichen Befriedung der Herero in den 1890ern kam es 1897 zu einer Rinderpest, die das Sozialgefüge und das Selbstbewusstsein dieses Hirtenvolks schwer erschütterten. Das Massensterben der Rinder führte zu einem starken Preisanstieg für Fleisch, der die Rinderzucht in den bislang den Herero vorbehaltenen Gebieten für deutsche Siedler attraktiv machte. Diese kaufen von einzelnen, geldgierigen Hererohäuptlingen Land, so dass für die übrigen immer weniger Weidegrund zur Verfügung stand.

Auf den weißen Farmen erlebten die Herero einen bis dahin nicht gekannten Rassismus. Misshandlungen und Vergewaltigungen von Herero wurden von der deutschen Obrigkeit nicht geahndet. Wuchermethoden der Händler aus Deutschland, die den Hereros Kredite zu horrenden Zinsen gewährten und sie damit ihrer Habe beraubten, stachelten den Hass der Herero zusätzlich an.

Militärische Schwierigkeiten auf Seiten der Deutschen

Das Deutsche Reich war auf einen Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika völlig unvorbereitet. Zu Beginn des Kriegs gegen die Herero im Januar 1904 bestand die Schutztruppe aus vier Kompanien, einer Geschützbatterie und einer Reihe zumeist kleinerer Stationsbesatzungen mit insgesamt 769 deutschen und 132 eingeborenen Soldaten. Verstärkung aus dem Schutzgebiet erhielt die Schutztruppe durch 1.141 Reservisten, Angehörige der Landwehr, Landsturmpflichtige und Kriegsfreiwillige. Des Weiteren konnten noch die Hilfstruppen der Baster, Witbois und Bethanier aufgeboten werden. Mit diesen Kräften war es nicht möglich, den Aufstand der Hereros niederzuwerfen, trotz einer technisch ungleich besseren Bewaffnung (Maxim-Maschinengewehr).

Die Herero konnten nach Schätzungen etwa 5.000 bis 7.000 Krieger ins Feld führen. Die erfolgreiche Verteidigung aller größeren Stationen wie Okahandja und Omaruru und deren Entsetzung aus eigener Kraft war daher schon ein großer Erfolg für die Deutschen und für den weiteren Verlauf des Krieges von entscheidender Bedeutung.

Auch nach dem Eintreffen von Verstärkungen aus Deutschland reichten die zur Verfügung stehenden Kräfte für einen vollständigen militärischen Erfolg nicht aus, zumal starke Kräfte bei der Sicherung der deutschen Stationen und Siedlungen sowie der Verkehrswege gebunden waren. Es zeigte sich als besonderer Nachteil, dass Deutschland, anders als etwa England und Frankreich, nicht über eine ständige Eingreiftruppe verfügte, welche für einen Einsatz in Übersee ausgebildet und ausgerüstet war. So bestanden die aus der Heimat per Schiff eintreffenden Verstärkungen großenteils aus schnell aufgestellten Verbänden von Freiwilligen der verschiedensten Truppenteile, welche völlig unvorbereitet nach Afrika in Marsch gesetzt werden mussten. Die Leistungsfähigkeit der neu eintreffenden Verbände war daher begrenzt. Fehlende Ausbildung (zum Beispiel bezüglich der besonderen Anforderungen an die Gesundheitsvorsorge auf einem afrikanischen Kriegsschauplatz) und mangelnde Erfahrung führten zu teilweise schweren Verlusten, sowohl im Gefecht als auch durch Krankheiten wie beispielsweise Typhus.

Der deutsche Gouverneur Theodor von Leutwein, der bis zu seiner Ablösung durch den Generalleutnant von Trotha auch Befehlshaber der Schutztruppe war, war sich der begrenzten eigenen Möglichkeiten bewusst. Zudem waren ihm als Landeskenner die fast unüberwindlichen Schwierigkeiten für den Einsatz ausreichender Kräfte in dem weiten, nahezu unerschlossenen Land bekannt. In richtiger Einschätzung der Lage plante Leutwein eine politische Lösung des Konflikts, welche durch militärische Mittel vorzubereiten war. Dagegen forderte die deutsche Öffentlichkeit, in völliger Verkennung der schwierigen Situation vor Ort, eine rasche und gründliche Niederwerfung der Hereros. General Lothar von Trotha war gewillt, der öffentlichen Forderung nachzukommen. Dabei unterlief ihm eine verhängnisvolle Fehleinschätzung der Lage. Von Trotha war der Überzeugung, mittels eines konzentrischen Angriffes aller verfügbaren Truppen die Hereros zu einer Entscheidungsschlacht stellen und den Aufstand mit einem Schlag militärisch beenden zu können. Von Trotha unterschätzte die örtlichen Schwierigkeiten für eine solch umfassende Bewegung, die militärischen Fähigkeiten der Hereros und die Bedeutung der auf deutscher Seite kämpfenden eingeborenen Hilfstruppen.

Die deutsche Führung

Mit der Führung der deutschen Schutztruppe waren 1905 folgende Personen im Hauptquartier Okahandja betraut: Die Adjudanten Hauptmann Maximilian Bayer (Maximilian Gustav Stephan Bayer, 1872 - 1917) und Oberleutnant Starck, der Gouverneur und Kommandeur Generalleutnant Adrian Dietrich Lothar von Trotha sowie Major von Redern.

Der Aufstand der Herero

Ausbruch des Aufstandes

Unmittelbar vor dem Aufstand massierten sich die Herero um Waterberg, offiziell wegen Erbschaftsstreitigkeiten um den Tod von Waterberg-Herero-Häuptling Kambazembi. Die Herero kauften in den letzten Wochen vor dem Aufstand von deutschen Händlern ohne Rücksicht auf Verschuldung in einer "allgemeinen Kaufwut" alles nützliche ein. Hererodiener wurden gegenüber ihren Herren häufig ausfallend.

"Ich kämpfe, tötet alle Deutschen"

Am 11. Januar 1904 verabschiedete Samuel Maharero in Osona diesen Befehl, mit folgender Resolution als Zusatz:

Okahandja, den 11. Januar
An alle Großleute meines Landes. Ich bin Samuel Maharero, Oberhäuptling der Herero. Ich habe einen Befehl für alle meine Leute angefertigt, daß sie nicht weiter ihre Hände legen an folgende: Engländer, Bastands, Bergdamara, Nama, Buren. Alle diese rühren wir nich an. Tut dies nicht! Ich habe einen Eid geschworen, daß dieser Beschluß nicht bekannt werden darf, auch nicht den Missionaren. Genug.

Häuptling Daniel Kariko sagte eidesstattlich aus, daß die Hererogroßleute auch vereinbarten, alle deutschen Frauen und Kinder sowie Missionare und ihre Familien zu verschonen.

Die Verschonungsbefehle Mahareros und der Großleute wurden - bis auf sehr wenige Ausnahmen - streng eingehalten und Frauen und Kinder, die aufgegriffen wurden, zu deutschen Siedlungen geleitet. Dort waren sie willkommene Kundschafter für den deutschen Stab. Damit ist der Hereroaufstand einer der ganz wenigen Fälle, wo Frauen und Kinder nicht verfolgt wurden; Männer wurden allerdings unterschiedslos getötet.

Die Hereros und ihre Taktik

Wie professionell und überlegt die Hereros bei ihrem Aufstand 1904 vorgingen, zeigten ihre ersten Maßnahmen. Man kann daraus ersehen, daß der Aufstand keine unausgegorene und unvorbreitete Sache war, sondern von langer Hand vorbereitete stategische Planungen vorausgegangen waren. Was bei diesen Planspielen übersehen wurde, war die Tatsache, daß Deutschland aufgrund seiner technischen Überlegenheit große Truppenkontigente rasch und zügig nach Afrika einschiffen konnte. Die Hereros hatten nur die Möglichkeit, schnell, entschlossen und ohne Nachsicht die Deutschen zu besiegen, bevor deren Nachschub eintreffen konnte.

Schon Ende des Jahre 1903 hatten sich die Zeichen für einen baldigen Aufstand vermehrt. Augenzeugen berichteten, daß Hereros immer öfter bewaffnet durch das Land zogen. Außerdem versuchten sie in großangelegtem Stil, Waffen und Munition ins Land zu schmuggeln. Ferner berichteten Händler, daß die Hereros verschiedenste Waren kauften und horteten, die auf eine größere Aktion schließen ließen. Fragen nach der Absicht dieser Großkäufe beantworteten die Nama-Großleute ausweichend. Auch deutsche Farmer meldeten besorgt, daß sich etwas „zusammenbraue“.

Optimistische deutsche Meldungen sprachen anfangs noch von einer lokalen Erhebung der Hererobevölkerung. Doch schon am 11. Januar gab Samuel Maharero allen Ovahereroführern den Befehl, die Waffen gegen die Deutschen zu erheben. Und schon am 12. Januar 1904, mußten die Deutschen entsetzt erleben, daß die Herero unter ihrem Kapitän Samuel Maharero Okahandja eingeschlossen hatten, die Eisenbahnbrücke bei Osona zerstört und die so wichtige Telegraphenverbindungen in die Landeshauptstadt Windhuk gekappt worden war. Auch ein von Swakopmund kommender Zug konnte die Hauptstadt nicht mehr erreichen.

Im Laufe der kommenden Tage versuchte Samuel Maharero, die Baster unter Kapitän Hermanus van Wyk und die Nama unter Kapitän Hendrik Witbooi in den Kampf einzubeziehen. Er schrieb aus diesem Grund zwei Briefe an Witbooi, die diesen jedoch niemals erreichten. Van Wyk weigerte sich indes, Samuel Maharero zu unterstützen, und übergab die an Hendrik Witbooi adressierten Briefe den Deutschen.

Die Hereros gingen von Anfang an gegen die deutschen Siedler vor. Sie brannten deren Höfe nieder und töteten zumeist die Männer, aber auch Frauen und Kinder. Damit trafen sie aber auch die unschuldigsten Neuankömmlinge in Südwestafrika - vielfach arme Menschen, die aus Not in das Land gekommen waren - und ernteten den Zorn der Deutschen in der Heimat. Den Hereros kam zugute, daß sich der Hauptteil der deutschen Schutztruppe und Gouverneur Leutwein im Süden befanden, um einen lokalen Aufstand der Bondelzwart niederzuschlagen. Dadurch befanden sich nur schwache deutsche Kräfte im Kampfraum. Neben Angriffen gegen Farmen wurden die ersten Schläge der Hereros gegen Depots, Eisenbahnlinien und Handelsstationen geführt. Dabei kamen rund 140 Deutsche und sieben Buren ums Leben, darunter wurden in Okahandja auch Frauen umgebracht, die durch einen Befehl Samuel Mahareros an seine Leute eigentlich geschützt waren. An anderen Orten wurde den deutschen Frauen und Kindern freies Geleit zur nächsten Schutzstation gewährt. Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit der Deutschen – im Aufstandsgebiet lagen nur zwei Ersatzkompanien – gelang es ihnen mit zähem Überlebenswillen, die Städte und letztendlich auch die Telegraphenlinie zu halten.

Weiterer Verlauf des Aufstands bis zum Sieg über die Hereros

Januar 1904

Strategisch wichtig für die Deutschen in dieser ersten Kriegsphase war ein schon am 12. Januar aus Swakopmund abgefahrener improvisierter Panzerzug unter dem Befehl von Leutnant Theodor Kurt Hartwig von Zülow, der die Trupps sichern konnte, welche die an mehreren Stellen von den Hereros unterbrochene Schmalspurbahnstecke nach Okahandja reparierten. Letztendliches Ziel war, den Belagerungsring um Okahandja zu durchbrechen. Durch diesen Panzerzug war wieder eine rasche Truppenverschiebung gewährleistet. Am 13. Januar erreicht der Zug den Bahnhof Waldau. Dieser Panzerzug, der aus zwei als Doppellok gespannten Feldbahnlokomotiven 104 bestand, war der erste Panzerzug Deutschlands überhaupt. Die vom Chef des Generalstabes, Graf von Schlieffen, eingeleitete Beschaffung professioneller Panzerzüge, wurde von seinem Nachfolger ab 1905, Helmuth v. Moltke, weiterverfolgt.

Am 14. Januar wurden die Postämter von Waldau und Waterberg von den Eingeborenen zerstört. Gewalt bricht auch in Omarasa, nördlich vom Waterberg, aus. Der Militärposten Waterberg wird von den Ovaherero erobert. Auf den Panzerzug haben diese Gefechte keinen Einfluß; er rollt weiter Richtung Okahandja. Dieser Vormarsch auf Schienen war ein erster Schritt zur Stabilisierung der deutschen Lage, doch für entscheidende Vorstöße mußten neue Truppen herangezogen werden. Dazu wurde der am weitesten nördlich bei Gibeon stehenden 2. Feldkompanie unter Hauptmann Victor Franke Order erteilt nach Norden abzurücken. Leutwein übergab Victor Franke, da er selbst erst den Aufstand der Bondelzwaart niederschlagen mußte, für die Zeit seiner Abwesenheit das Kommando. Mit einer Gewaltanstrengung schaffte es Franke auch, die 380 Kilometer nach Windhuk, wo der nächsten Schag der Hereros erwartet wurde, binnen fünf Tagen zurückzulegen.

Am 15. Januar wurde Kurt Streitwolf in ein Gefecht in Oparakane verwickelt und von Zülow erreichte, nachdem die teilweise zerstörte Bahnstecke zwischen Waldau und Okahandja notdürftig instandgesetzt worden war, mit seinem Panzerzug Okahandja.

Franke hielt sich nicht lange in Windhuk auf, sondern zog nach Okahandja, wo er gemeinsam mit dem Panzerzug die Hereros in Schach hielt und sie in den Kaiser-Wilhelm-Bergen in einem Gefecht schlug. Damit war Okahandja am 27. Januar endgültig befreit. Weiter nach Norden marschierend konnte Franke auch die Städte Karibib und das belagerte Omaruru am 4. Februar entsetzen. Durch Frankes militärisches Können hatte der Generalstab jetzt entgültig Luft, um weiteren Nachschub heranzuführen. Fast alle Geländegewinne der Hereros waren nun wieder zunichtegemacht; die Bahnlinie war offen und die Hauptorte waren befreit.

Am 16. Januar begann die Belagerung von Gobabis und eine deutsche Kompagnie aus Outjo geriet in Okanjande, nahe dem heutigen Otjiwarongo, in einen Hinterhalt.

Am 12. Januar traf eine telegraphische Meldung auf S.M.S Kleine Kreuzer Habicht ein, der seit dem 10. Januar aufgrund seiner jährlichen Instandsetzungsarbeiten in Kapstadt vor Anker lag: „Okahandja belagert. Eisenbahn-Telegraphenunterbrechung. Erbitten gemäß militärischen Auftrages schleunigst Kriegsschiff Habicht". Der sogleich von Berlin erbetene Befehl zur Abfahrt nach Swakopmund traf am 14. vormittags gegen 11 Uhr ein, so daß das Schiff am Abend desselben Tages auslaufen konnte. Die englischen Hafenbehörden unterstützen die übereilte Abfahrt mit allen Kräften. Uniformen befanden sich jedoch nicht an Bord und so wurden die weißen Bord-Arbeitsanzüge dazu erklärt. Um wenigstens in den Genuß einer notdürftigen Tarnung zu kommen, wurden dieser Arbeitsanzüge in einer Lauge aus Kaffee und Tabak gekocht und erhielten dadurch eine haltbare schmutzigbraune Färbung.

Unmittelbar nach der Landung in Swakopmund am 18. Januar, kam der zur Zeit am Platz höchstkommandierende Bezirksamtmann, Dr. Fuchs, an Bord und erstattete Bericht.

Laut diesem Bericht waren am 12. Januar alle Hererostämme - ausgenommen der der Otjimbinguer - aufgestanden und hatten Farmer unter Beraubung ihres Viehes ermordet. Windhuk, Okahandja, Omaruru hatten sie eingeschlossen, die Bahnlinie von Okahandja bedroht, Karibib und die Verbindung mit Swakopmund beunruhigt. Hieraufhin war Oberleutnant von Zülow mit sämtlichen felddienstfähigen Mannschaften - Reserven und Landwehr, zusammen 60 Mann - von Swakopmund abgerückt, hatte seine Truppe in Karibib durch Einziehen aller Wehrfähigen auf 110 Mann gebracht und diesen Ort, unter Mitnahme von Proviant für drei Tage, zum Entsatz Okahandjas verlassen. Von Zülows letzte Nachricht war die Meldung von seinem Eintreffen in Okasise am 13. Januar. Seitdem fehlte jede Nachricht über seinen Verbleib. Zur Verstärkung Karibibs war noch ein rund 20-köpfiger Trupp unter Baumeister Laubschat hinaufgesandt worden. Die Verbindung mit Karibib war noch sichergestellt; doch wurde die Lage dort mit jedem Tage bedrohlicher. Die Hereros hatten bereits mehrere Patrouillen abgeschossen und die schwache Besatzung war kaum imstande, den Ort für den Fall eines Angriffs zu halten. Völlig ausgeschlossen, daß diese Männer auch noch die Bahn- und Telegraphenverbindung mit Swakopmund beschützen könnten. Auch aus dem Süden fehlte jede Nachricht, nur Gerüchte, die 2. Feldkompagnie unter Victor Franke sei auf dem Rückmarsch nach Windhuk. Auch mit dem Norden, wo Hauptmann Kliefoth mit seiner Kompagnie noch bei Outjo stehen sollte, fehlte jegliche Verbindung.

Den Oberbefehl über das Schutzgebiet übernahm jetzt an Stelle des abwesenden Gouverneurs Korvettenkapitän Gudewill. Sofort wurde die Ausschiffung des Landungskorps in Stärke von 2 Offizieren, 1 Arzt, 52 Mann befohlen. Der Führer, Kapitänleutnant Hans Gygas, 1. Offizier der S.M.S. "Habicht" erhielt Befehl, nach Karibib zu marschieren und diesen Ort zu sichern, die Verbindung mit Swakopmund unter allen Umständen aufrecht zu erhalten, weitere Unternehmungen jedoch, wenn nicht dringend geboten, in Anbetracht der geringen Stärke des Landungskorps zu unterlassen. In Karibib per Bahn angekommen, meldete der Oberleutnant der bayerischen Landwehr, Distriktchef Kuhn, den Oberbefehl vor Ort bisher gehabt zu haben. Neues war über die Lage im Lande nicht bekannt. Von den in Karibib befindlichen Männern waren höchstens 40 imstande, ein Gewehr zu bedienen. Der durch das Bahnhofsgebäude, die Restauration Rösemann, Wohnhäuser sowie das Rubiensche Hotel nebst Kegelbahn umschlossene Platz war durch eilig errichtete Barrikaden in eine Art Festung umgewandelt worden. Mit dem Eintreffen des Marinekorps in Karibib war die Sicherheit dieses Platzes gewährleistet. Sobald Korvettenkapitän Gudewill das Kommando übernahm, trat eine wesentliche Beruhigung der verängstigen weißen Bevölkerung ein.

Die Nachricht vom Aufstand war zwischenzeitlich auch im Reich eingetroffen. Die Regierung befahl, Marineinfanterieeinheiten in Marsch zu setzen, die in einer Stärke von 2 Seebataillonen (500 Mann) am 21. Januar eingeschifft wurden. Desweiteren wurde eine Freiwilligentruppe aus Heeresangehörigen aufgestellt, die ebenfalls Ende Januar/Anfang Februar ihren Marschbefehl erhielten. Die dafür benötigten Gelder wurden im Reichstag nach eingehender und kontroverser Debatte bei Stimmenthaltung der SPD bewilligt.

Februar 1904

Am 12. Februar traf Leutwein aus dem Süden kommend ein und übernahm das Oberkommando. Samuel Maharero hatte in der Zwischenzeit um Waffenhilfe bei dem Nama-Kapitän Hendrik Witbooi vorgesprochen, was dieser, in Treue zu seinem 1894 mit Leutwein geschlossenen Vertrag, ablehnte. Seine Namas kämpften noch bis zum September 1904 auf deutscher Seite. Außerdem hatte er Schwierigkeiten, die eigenen Truppen, bei denen auch die Frauen und Kinder waren, zu verpflegen und zu führen. Die Verhandlungen, die Leutwein im folgenden wie einst mit Witbooi nun auch mit Maharero führte, sah Berlin als Zeichen der Schwäche des Gouverneurs. Auch kamen sie zu keinem Ergebnis. Doch Leutwein hatte nun erfahren, wo sich der Herero-Kapitän aufhielt.

Für das kommende Vorgehen wurden die Kampfverbände der Deutschen in drei Abteilungen gegliedert:

a) Westabteilung unter Major von Estorff (2. und 4. Feldkompanie, eine Kompanie des Seebataillons, einige Geschütze verschiedenen Kalibers). Ihre Ziel: Befriedung des Distrikts Omaruru

b) Hauptabteilung unter Gouverneur Leutwein (eine Kompanie des Seebataillons, 2 Maschinenkanonen, 500 Mann Freiwilligentruppe, welche in die 5., 6., 7. Kompanie sowie eine Feldbatterie eingeteilt wurden). Ihr Ziel bis zu entgültigen Formierung, die frühestens nach einem Monat erwartet wurde: Halten von Okahandja, Verunsicherung des Gegners. Nach der Formierung: Auskundschaften der feindlichen Hauptstreitmacht und anschließender Angriff.

c) Ostabteilung unter Major von Glasenapp (Kompanie von Winkler, Kompanie Eggers, zwei Kompanien des Seebataillons, einige Geschütze verschiedenen Kalibers). Ihr Ziel: Befriedung des Distrikts Gobabis, Abschotten der Ostgrenze um eine Flucht der Hereros zu verhindern.

Die Westabteilung marschierte von Omaruru aus dem Feind entgegen. Am 25. Februar erreichte die rund 100 Mann starke deutsche Truppe den Otjihanamaparero-Berg, an dem sich rund 1.000 Mann der Herero-Armee um ein Wasserloch verschanzt hatten. Die Stellung war sehr gut gewählt und konnte von den unterlegenen Deutschen nur sehr schlecht angegriffen werden. Da ein Frontalangriff für Major von Estorff ausschied, versuchte er die Flanken des Gegners „aufzurollen“. Dies gelang aber erst, nachdem Teile des rechten Flügels (2. Feldkompanie) dem linken (4. Feldkompanie) beistanden. Neun Stunden tobte der Kampf, dann konnten die Deutschen das Wasserloch in Besitz nehmen und der geschlagene Hereroverband zog sich in Richtung Waterberg zurück. Nur die Erfahrung der eingesetzten bewährten Schutztruppensoldaten, speziell die Kompanie des exzellenten Führers Franke hat diesen gewagten Kampf zum Erfolg geführt. Mit kampfunerprobten Soldaten wäre daraus sicher eine Katastrophe geworden. Nach dem Sieg marschierte die Westabteilung nach Okahandja, um sich mit der Hauptabteilung zu vereinigen. Am 24. März erreichte sie die Stadt und wurde in Leutweins Abteilung eingegliedert.

Die 412 Mann starke Ostabteilung stand mit den meist unerfahrenen Männern vor wesentlich größeren Schwierigkeiten, zumal sie die schwierigere Aufgabe hatte. Der Auftrag, ein Gebiet in der Größe Bayerns zu sichern, war für diese winzige Truppe fast nicht zu bewältigen. Am 14. Februar marschierten die Einheiten aus Windhuk ab, um an den Feind zu kommen. Doch der schlaue Gegner war ihnen immer einen Schritt voraus und ließ sie immer wieder gerade verlassene Siedlungen erreichen. Kein Feind kam den Deutschen zu Gesicht. Schließlich entschloß sich von Glasenapp gegen den erhaltenen Befehl, den Spuren der Tetjo-Herero, Richtung Westen zu folgen und nicht die Ostgrenze zu abzusperren. Da das Versorgungslager der Ostabteilung aber Gobabis war, wurden die Nachschubwege immer länger. Bei einem Versuch, die Rinderherden der Tetjo-Hereros für sich zu requirieren, geriet ein Kundschaftertrupp unter von Glasenapp in einen Hinterhalt. 70 Prozent der Patrouille (18 Mann) wurden getötet. Dies war ein schwerer Schlag für die Moral der Truppe. Leutwein befahl die Abteilung am 11. März nach Okahandja, damit sie die Hauptabteilung beim Kampf gegen Samuel Maharero unterstützen könne. Später wurde der Befehl wieder geändert. Nun sollte die Ostabteilung Fühlung zu den Tetjos halten und dem ursprünglichen Befehl nachkommen, die Ostgrenze abzuriegeln.

April 1904

Eine größere Schlacht fand am 9. April statt, als Oberst Leutwein die rund 3.000 Mann starke Hauptmacht des Feindes bei Onganjira angriff und nach achtstündigem Gefecht bei Einbruch der Dunkelheit die feindlichen Stellungen durchbrach. Es fielen auf deutscher Seite 2 Offiziere und 2 Mann, daneben waren zahlreiche schwere Verwundungen zu verzeichnen. Auch Hauptmann Maximilian Bayer vom Oberkommando der Schutztruppe nimmt an der Schlacht teil. Am 9. April ist Maximilian Bayer auch am Gefecht von Onganjira beteiligt und ebenfalls am 12. April beim Gefecht bei Oviumbo. Nach dem für sie verlorenen Gefecht ziehen die Hereros in Richtung Waterberg ab. Am 13. April mußten Leutweins Männer bei Okatumba ein schweres zehnstündiges Gefecht bestehen, wobei auf deutscher Seite 2 Offiziere und 7 Reiter fielen. Ende April brachen bei der Kolonne Glasenapp Typhuserkrankungen aus, die fast mehr Opfer forderten als die Kugeln der Hereros.

August 1904

Ein konzentrischer Angriff auf die im Raum Waterberg lagernden Herero führte am 11. August 1904 zur Schlacht am Waterberg, bei der von Trotha sein Ziel, die Vernichtung der waffentragenden Hereros, jedoch nicht erreichte. Es gelang einem Großteil des Hererovolkes zunächst, nach Osten ins wasserarme Sandfeld (Omaheke-Steppe) zu entkommen.

September 1904

Die Verfolgung der Hereros nach der Schlacht am Waterberg ins Sandfeld führte, da die deutschen Schutztruppen die umliegenden Wasserstellen besetzt hielten, zum Tod durch Verdursten tausender Hereros.

Die gescheiterte Proklamation des Generals von Trotha

Am 2. Oktober 1904 erließ General von Trotha folgende Proklamation an das Volk der Herero:

"Ich, der große General der Deutschen Soldaten, sende diesen Brief an das Volk der Herero. Die Herero sind nicht mehr deutsche Untertanen. Sie haben gemordet und gestohlen, haben verwundeten Soldaten Ohren und Nasen und andere Körperteile abgeschnitten, und wollen jetzt aus Feigheit nicht mehr kämpfen. Ich sage dem Volk: Jeder, der einen der Kapitäne an eine meiner Stationen als Gefangenen abliefert, erhält tausend Mark, wer Samuel Maharero bringt, erhält fünftausend Mark. Das Volk der Herero muss jedoch das Land verlassen. Wenn das Volk dies nicht tut, so werde ich es mit dem Groot Rohr dazu zwingen. Innerhalb der Deutschen Grenzen wird jeder Herero mit und ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber oder Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück, oder lasse auf sie schießen. Dies sind meine Worte an das Volk der Herero. Der große General des mächtigen Deutschen Kaisers."
(Quelle: Bundesarchiv Potsdam, Akten des Reichskolonialamtes, 10.01 2089 Bl.7, Abschrift Kommando Schutztruppe 1 Nr. 3737, Osombo-Windhuk, 2.10.1904; zitiert nach: Gunter Spraul: Der Völkermord an den Herero. Untersuchungen zu einer neuen Kontinuitätsthese; in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 12/1988, S. 713-739, hier S. 728. Zum Volltext des Erlasses siehe hier.)

Der in diesem Zusammenhang an die Schutztruppe ergangene Befehl wird heute allgemein als Vernichtungsbefehl bezeichnet. Tatsächlich konnte dieser Befehl, welcher im Widerspruch zu der Tradition deutscher Streitkräfte stand und sowohl in der Schutztruppe als auch in der deutschen Öffentlichkeit zu Recht kritisiert wurde, zu keiner Zeit vollständig umgesetzt werden. Der Schutztruppe fehlte es infolge des Anfang Oktober 1904 erfolgten Ausbruches des Namaaufstandes an hierfür erforderlichen Truppen. Die im Raum Omaheke eingesetzten deutschen Einheiten waren zu diesem Zeitpunkt teilweise einsatzunfähig. Folgerichtig meldete der Chef des deutschen Generalstabes v. Schlieffen am 23. November 1904 an Reichskanzler v. Bülow, dass eine Vernichtung der Hereros nicht möglich sei. "Es wird daher kaum etwas anderes übrig bleiben, als zu versuchen, die Hereros zur Übergabe zu veranlassen." Dabei seien die Maßnahmen des Generals v. Trotha kontraproduktiv und sollten daher aufgehoben werden.

Das Deutsche Reich nimmt das Verhalten von Trothas nicht hin

Die Reaktionen auf die Proklamation von Trothas, vor allem im Deutschen Reich, zwangen von Trotha, daß er seinen Kurs ändern mußte. Im Reichstag wurde die Kriegführung des Generals von Trotha u.a. von dem SPD-Führer August Bebel angeprangert " Einen derartigen Krieg wie Herr von Trotha kann jeder Metzgerknecht führen."

Auf Druck der Öffentlichkeit, besonderes der evangelischen Missionskirchen, mußte von Trotha letztendlich reagieren, wollte er nicht alles für sich verspielen. Am 12. Dezember 1904 nahm er auf ausdrücklichen Befehl des Generalstabes aus Berlin seine menschenunwürdige Proklamation zurück.

Als Dr. Friedrich von Lindequist, zum neuen Gouverneur des Schutzgebietes ernannt wurde, legte er Wert darauf festzustellen, daß er diesen Posten nur unter der Bedingung annehmen würde, wenn von Trotha als Truppenbefehlshaber abgelöst wird. So geschah es auch. Trotha mußte die Kolonie für immer verlassen.

Nach Rückkehr von Trothas weigerte sich Kaiser Wilhelm II. mehrfach, diesen zu empfangen.

Das Schicksal der Herero

Mittlerweile hatte die Flucht in die Omaheke während der Trockenzeit zu einer Tragödie geführt. Nahezu das gesamte Vieh der Hereros war verendet. Nach für realistisch befundenen Schätzungen des Missionars Irle vielen etwa 14.000 Hereros Durst, Hunger und Krankheiten zum Opfer. Nach Aufhebung des "Vernichtungsbefehles" durch den Generalstab in Berlin am 12. Dezember 1904 wurden zahlreiche Überlebende von der Schutztruppe aufgegriffen.

Der Gefreite Paul Haberland berichtet:

„Hunger und abermals Hunger! Bedauert haben wir die Kinder, die für alles nichts können. Nur den stolzen ›Großmännern‹ war keine Not anzusehen. Unter allen erregte ein junges, bis zum Skelett abgemagertes Weib das Mitleid aller Kameraden. Mit kindlicher Liebe führte sie ihre alte, erblindete Mutter an einem Ochsenriemen nach. Hier zeigte sich wieder der durchweg gutmütige Zug der deutschen Soldaten, die den armen Teufeln alles Entbehrliche gaben und mit ihnen teilten.“

Einen Tag bevor von Trotha auf Druck der entsetzten Öffentlichkeit, der Kirchen, des Reichstags und des Generalstabes seinen Vernichtungsbefehl zurücknehmen mußte, bekam er ein wichtiges Telegramm von Reichkanzler von Bülow. Denn von Trotha war nicht gewillt, von seinem Vorhaben abzurücken und hatte dafür gesorgt unter Umgehung der Öffentlichkeit, des Reichstags und der Generalität in einem neuen Anlauf mit der Reichsregierung persönlich über seine Absichten zu sprechen. Er hatte den Plan offeriert, die Hereros zur Arbeit einzusetzten und hierfür Konzentrationslager zu errichten. Von Bülow hat dieses Vorgehen mit einem Telegramm vom 11. Dezember 1904 ausdrücklich unterstützt. Mit diesem Telegramm in der Tasche sah von Trotha gelassen zu, als am nächsten Tag sein "Vernichtungsbefehles" von Deutschland rundweg abgeschmettert wurde.

Die gefangen genommenen Hereros wurden, ähnlich dem britischen Vorgehen gegen Nichtkombattanten im Burenkrieg, in Konzentrationslagern interniert und teilweise zu Zwangsarbeit eingesetzt. Die Zustände in den Konzentrationslagern waren von Anfang an menschenunwürdig und auf eine weitere Dezimierung der Gefangenen ausgelegt. Hinzu kommt, daß Deutschland während des Krieges noch nicht einmal in der Lage war, seine eigenen Soldaten ausreichend zu versorgen. So berichteten beispielsweise Beamte von 1.000 Kriegsgefangenen in Swakopmund. Sie betrachteten dies offensichtlich als eine viel zu hohe Zahl, verlangten sofortige Abhilfe und Lieferung von Nahrung und Kleidung, um das Leben der Gefangenen nicht zu gefährden. Diesem Bericht zufolge starben zahlreiche Hereros infolge Feuchtigkeit und Kälte. Zudem waren sie in ihrem geschwächten Zustand nicht in der Lage, die einzige Nahrung zu verdauen, die die Beamten anbieten konnten, nämlich Reis. Ausreichende Vorräte an Milchprodukten, Gemüse oder auch nur Mais fehlten demnach. Die Lager waren aber von Anfang an konzeptionell so angelegt, daß sie klimatisch ungünstig waren und die Nahrung auch gezielt nicht auf die Gewöhnung der Herero abgestimmt war; die Haifischinsel vor Swakopmund war beispielsweise eine Insel im Meer, an dessen Klima die die Steppen des Landesinneren gewöhnten Herero zum größten Teil starben. Auch Protestschreiben von niederen Beamten, Privatpersonen und Pfarrern änderten an diesem Zustand nichts, als die Vernichtung der Herero zu dokumentieren.

Die Situation der Hereros besserte sich erst, als Ende 1905 Dr. Friedrich von Lindequist Gouverneur des Schutzgebietes Deutsch-Südwestafrika wurde. Er hatte den Posten nur unter der Bedingung angenommen, daß der von ihm aufgrund seiner Unmenschlichkeit abgelehnte von Trotha als Truppenbefehlshaber abgelöst würde. Dies geschah. Von Trotha verließ daraufhin am 18. November 1905 für immer Deutsch-Südwest.

Der Aufstand der Nama

Hendrik Witboi

Der Aufstand der Nama ist nicht so genau dokumentiert wie der Aufstand der Herero. Es fehlt noch ein Übersichtswerk mit genaueren Angaben.

Oktober 1904

Im Oktober 1904, kurz vor Niederschlagung der Revolte der Herero, griffen auch die Nama, unter ihren Anführern Hendrik Witboi und Jakob Morenga, in die Kämpfe mit der Kolonialmacht ein. Völlig überraschend meldete Leutwein am 8. Oktober, die Witboois, auf deren Treue vor allem der Gouverneur selbst gebaut hatte, wären in feindlicher Absicht aus Gibeon abmarschiert und hätten benachbarte Stationen angegriffen. Zusätzlich liefen Meldungen ein, daß Morenga weiterhin starken Zulauf erhielt. Der Nama-Kapitän Hendrik Witbooi verschonte in Gibeon weder den ihm allzeit überaus freundlich gesinnten Bezirksamtmann von Burgsdorff, noch Missionare, noch Farmer. Auch Frauen wurden umgebracht. Mit den Witboois, welche die Schutztruppe bei der Bekämpfung der Herero aktiv unterstützt hatte, war ein Bundesgenosse verlorengegangen. Die Kriegführung von Herero und Nama unterschied sich grundlegend. Während die Herero die offene Feldschlacht suchten, operierten die Nama in Form einer Guerillataktik aus dem Hinterhalt heraus.

Januar 1905

Die Schlacht von Stamprietfontein am 1. Januar 1905 zwischen Hendrik Witbooi und den Deutschen unter Major Meister endet unentschieden.

Eine friedliche Gruppe von Ovambo-Arbeitern in Etaneno, südlich von Outjo, wurde von den Deutschen angegriffen. Dies führte zum fast völligen Stillstand der Zuwanderung von Ovambo-Arbeitern. Der finnische Missionar Martti Rautanen schaffte es trotz des deutschen Mißgeschicks, den Ovambo-König vom Ondongagebiet zu überreden, nicht den König Nehale zu unterstützen, der unter Ovaherero-Einfluß bereit war, wie 1904 die Deutschen wieder anzugreifen.

Februar 1905

Gefecht und Überfall bei Kalkfontein N. Neuformierung des Feldlazaretts Nr. 13 und Stationierung in Kalkfontein am Auob.

Mai 1905

Im Gefecht von Leukop nahe der britischen Grenze wird Jakob Marengoam 19. Mai von den Deutschen unter dem Befehl von Hauptmann Franz Siebert geschlagen. Viele Nama flüchten daraufhin auf britisches Gebiet, kehren jedoch einzeln wieder zurück.

Juni 1905

Die Schlacht von Narus am Karebfluß tobte vom 15. bis 17. Juni. Der Kampf zwischen den vereinten Truppen von Jakob Marengo und Jan Hendrik gegen die deutschen Truppe endete mit Verlusten für die Deutschen. Erneute Friedensverhandlungen zwischen der Schutztruppe und Marengo sowie Cornelius Frederiks scheitern erneut, da die Deutschen, verursacht durch Fehlkoordination, die Namatruppen während des Waffenstillstandes angriffen.

Juli 1905

Jakob Marengo verwickelte die Deutschen am 3. Juli in ein Gefecht bei Wasserfall. Der Witbooi-Kapitän Sebulon wird verfolgt.

August 1905

Am 1. August besetzte der Nama-Kapitän Hendrik Witbooi mit seinen Truppen das Felsengebirge westlich von Gibeon. Am 5. August griff Abraham Morris die Schutztruppen in Wortel (Nomaos) an.

September 1905 Cornelius Frederiks wurde am 3. September in der Schlacht von Ai-Ais geschlagen. Er zog daraufhin den Fischfluß hinab zum Oranje und von dort in die Großen Karasberge, wo er sich mit Marengos Truppen vereinigte. In der Schlacht von Nubib, am 13. September in den Zarisbergen kämpften die vereinigten Ovaherero- und Namatruppen unter dem Oberbefehl des Ovahereroführers Andreas gegen die Schutztruppe unter Georg Maercker. Am gleichen Tag kam es in Guigatsis zu einem Gefecht zwischen Abraham Morris und den Deutschen. In Nochas fand am 15. September eine Schlacht zwischen Jakob Marengo und Johannes Christian gegen die Deutschen unter von Erckert statt. Nach dieser Schlacht zogen Marengo und Christian weiter gen Süden. Auf ihrem Weg zum Oranje griffen sie eine deutsche Nachschubkolonne in Naruchas, südwestlich von Kalkfontein-Süd (Karasburg), an.

Oktober 1905

Marengo und Christian zerstörten am 6. Oktober den deutschen Beobachtungsposten auf Jerusalem, südlich von Heirachabis. Von dort zogen sie zum Oranje, wo sie am 10. Oktober den Grenzposten Schuitdrift überfielen. In der Schlacht von Hartebeestmund nahe Pelladrift am Oranje gegen Jakob Marengo und Johannes Christian erleiden die Deutschen am 24. und 25. Oktober Verluste. Je drei Offiziere starben und waren verwundet bei den Mannschaftsdienstgraden lagen die Verluste bei 14 Toten und35 Verwundeten. Am 29. Oktober 1905 starb Hendrik Witbooi im Kampf in Vaalgras (Koichas) als er und seine Männer versuchten, eine deutsche Transportkolonne zu überfallen. 15 Minuten, nachdem er auf einem Pferd reitend angeschossen worden war, war er tot. Mit ihm fiel auch ein Mitglied seiner Familie, Petrus Jod.

Die Witboois wurden durch den Tod ihres Kapitäns so geschockt, daß sie sich Anfang 1906 geschlossen ergaben. Damit war die größte Gruppe der rebellierenden Namas aus dem Kampf geschieden.

November 1905

Verlegung des 13. Feldlazarett nach Kub in Bereitschaft.

Dezember 1905

Am 7. Dezember wird das 13. Feldlazarett in Kub aufgelöst.

März 1906

Im März wurde Cornelius mit 200 Mann gestellt und aufgerieben. In der zweiten Jahreshälfte konnten auch die Bondelzwarts zum Aufgeben gebracht werden. Damit war bis auf den Franzmann-Kapitän Simon Kopper, der noch bis Anfang 1908 von englischem Gebiet aus weiterkämpfte, die vollständige Befriedung des Südens gelungen.

Dezember 1906

Im Dezember wird mit Unterstützung von Missionaren, die bereits während des Hereroaufstands helfend und vermittelnd tätig waren, ein Friedensschluß mit den letzten auf Südwester Gebiet aufständischen Bondelzwarts vereinbart.

Januar 1907

Die Probleme der Schutztruppe bei der Bekämpfung des Aufstands führte zu einer Regierungskrise in Berlin und erzwungenen Neuwahlen des Reichstags (sog. Hottentottenwahlen am 25. Januar 1907).

März 1907

Am 31. März 1907 wurde das offizielle Ende des Kriegszustandes bekanntgegeben.

Morenga führte den Guerillakrieg weiter, bevor er bei einem Gefecht mit Einheiten der britischen Kappolizei getötet wurde und die Nama am 17. März 1908 endgültig kapitulierten.

Tote durch den Aufstand

Auf deutscher Seite sind die Verluste sehr genau dokumentiert. Es fielen 676 Menschen, 76 gelten als vermißt. Die meisten dürften beim Hereroaufstand umgekommen sein. Zusätzlich verstarben 689 Soldaten des Marine-Expeditionskorps, vor allem an Typhus. Bis auf wenige, wahrscheinlich auf Unkenntnis beruhende Ausnahmen wurden der Erlaß Mahareros und die Vereinbarung der Hererokapitäne, keine Frauen und Kinder zu töten, sehr streng eingehalten. Einige Quellen berichten, außer dem Tod des Ehepaars Dieckmann bei Okahandja zu Beginn des Aufstandes sei keine Frau von Herero getötet worden.

Die genaue Zahl der getöteten Herero ist unbekannt. Bereits die Angaben über die Zahl der Herero vor dem Krieg beruhten ausschießlich auf Schätzungen. Der deutsche Missionar Jakob Irle schätzte ihre Zahl auf insgesamt 80.000 Menschen, 1975 schätzte Gerd Sudholt die Zahl auf 40.000. Walther Nuhn errechnete ca. 23.000-24.000 überlebende Herero, von denen 21.000 in deutscher Gefangenschaft waren. Unter Zugrundelegung der sehr niedrig angesetzten Schätzung Sudholts kommt Nuhn auf eine wahrscheinliche Zahl von 16.000-17.000 Toten duch den Krieg selbst, was sich mit der Schätzung Irles auf 14.000 im Sandfeld verdursteten deckt. (Vor dem Krieg konnte nur vage geschätzt werden, da die Herero über ein großes Gebiet verteilt waren; die Schätzungen im und nach dem Krieg dürften genauer sein, da die Herero sich zum Orlog massierten.) Von den 21.000 Gefangenen waren 15.000 Kriegsgefangene (der Rest, alte und schwache Leute und Kinder, wurde in Hospitälern und unbewachten Lagern der Rheinischen Mission untergebracht, die besser geführt wurden). Von den Kriegsgefangenen kamen nach Aufstellung des Oberkommandos der Schutztruppen 45,2 Prozent um, was etwa 7.000 ausmacht. Damit ergibt sich nach Nuhn eine Gesamtzahl von 16.000-17.000 überlebenden Herero, 14.000 in deutscher Gefangenschaft. 1911 wurde die Zahl der Herero in Deutsch-Südwestafrika bei einer offiziellen Volkszählung mit 15.130 festgestellt. Damit starben nach Nuhn etwa 24.000 Herero durch Krieg, Vertreibung und die Bedingungen in den deutschen Konzentrationslagern. Legt man anstelle der niedrig angesetzten Sudholt-Schätzung Irles sehr hoch gegriffene Schätzung an, kommt man entsprechend auf 64.000 Herero; die wahre Zahl ist nicht mehr feststellbar, liegt aber entsprechend zwischen 24.000 und 64.000. Zahlen zwischen 37.000 und 40.000 sind noch gut möglich. Welche Zahl zitiert wird, kommt auf den politischen Standpunkt an.

Manchmal wird von einschlägigen Kreisen auch eine falsche Zahl von 4.000 angegeben. Die Aufstellung des Oberkommandos meldet von ca. 15.000 gefangenen Hereros und 2.000 Namas 7.682 Tote. Alleine die Toten in den Gefangenenlagern, selbst wenn alle 2.000 Nama überlebt hätten, ergeben schon mindestens 5.000 Tote ohne Berücksichtigung der Toten durch den Aufstand selbst und im Sandfeld.

Von den 20.000 Hottentotten oder Nama, die sich im Herbst 1904 unter ihren Anführern Hendrik Witbooi und Jakob Morenga gegen die Kolonialmacht erhoben, überlebten weniger als die Hälfte. 2.000 Nama kamen in deutsche Gefangenschaft.

Völkerrechtliche Situation

1904 gab es noch kein internationales Gesetz oder eine Vereinbarung bezüglich kolonisierter Nationen. Ehemalige Kolonialregierungen, wie Großbritannien, die USA, Frankreich oder Portugal, sind auch heute nicht an der Etablierung solcher Standards interessiert, da auch sie vermeiden wollen alte historische Schulden aufzuarbeiten. Im Zusammenhang mit dem Herero- und Hottentottenaufstand in Deutsch-Südwestafrika sei auf eine finsteres Kapitel englischer Kolonialgeschichte hingewiesen, das kurz zuvor die Menschen im damaligen Deutschland genauso erschütterte, wie die Taten eines von Trotha: den 1899 Burenkrieg (1899-1902), den einschlägige britische Medien bis heute heldenhaft verklären (z.B. Belagerung der Stadt Mafeking). Dort ließ Lord Kitchener seine Truppen das Land durchkämmen, welche die Farmen der Buren niederbrannten, die Männer töteten und rund 120.000 burische Frauen und Kinder in Konzentrationslager verschleppten, wo mindestens 20.000 an Hunger und Krankheit starben. Dies kann man als ersten Genozid des Jahrhunderts bezeichnen.

Schadensersatzklagen

Im Jahr 2002 wurde vor einem US-Gericht Klage von US-Anwälten der Kanzlei Musolino & Dessel im Auftrag der Herero People`s Reparations des Hereoführers Kuaima Riruako in Gesamthöhe von ca. zwei Milliarden Dollar eingereicht, da man hoffte, in den USA höhere Entschädigungen einklagen zu können als in Deutschland. Zwei Klagen vor dem District Court in Washington, D.C. gegen die Bundesrepublik Deutschland, als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs, nach dem Alien Tort Claims Act und eine gegen die Deutsche Bank, die Terex-Corperation und die Woermann-Linie, wurden bisher abgewiesen. (Quellen: [1] [2], [FAZ am Sonntag Nr. 33]

Politischer Umgang und Rechtsposition der Bundesrepublik Deutschland

Bundeskanzler Helmut Kohl besuchte Namibia als erster deutscher Kanzler nach 1904. Dabei verweigerte er ein Zusammentreffen mit Herero-Abgesandten. Dagegen argumentieren Repräsentanten der Herero, nach der vierten Haager Konvention von 1899 seien Repressalien gegen die Zivilbevölkerung der Verlierer schon damals untersagt gewesen.

Die deutsche Regierung verweigert Ansprüche und verweist darauf, dass sie seit 1990 500 Millionen Euro Entwicklungshilfe für Namibia geleistet habe. Namibia sei damit bei weitem der größte Empfänger der deutschen Entwicklungshilfe.

Laut Arte-TV vom 3. August 2004 verlangt ein Sprecher der Hereros in Berlin das Eingeständnis der Schuld der Deutschen und ein Bekenntnis zu ihrer kolonialen Vergangenheit. Er verweist auf die Mahnmale des Holocaust und sieht sein Volk benachteiligt, da nirgends die Schlacht am Waterberg erwähnt werde. Die Tatsache, dass auch andere Nationen keinerlei Schuld für ihre mitunter weitaus blutigere koloniale Vergangenheit empfänden, spiele dabei keine Rolle. Das Außenministerium unter Minister Joschka Fischer bedauert zwar das Geschehene, aber eine formal-juristische Verantwortung wird abgelehnt. Als Begründung wird angegeben, die Geschehnisse von damals hätten nicht im Widerspruch zu damals geltendem Völkerrecht gestanden und seien im übrigen bereits verjährt.

Historiker wie Medarus Brehl interpretieren die militärischen Maßnahmen zur Niederschlagung des Herero-Aufstands dagegen als ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts, der sich in eine Reihe von weiteren Völkermorden kontinentaler Großmächte einreiht. Diese gingen mit dem Völkermord an den Armeniern 1915 weiter und erreichten ihren Höhepunkt 1941-45 mit dem Holocaust an europäischen Juden sowie Sinti und Roma.

Zum 100. Jahrestag des Völkermordes wurden in der Presse mehrere Stimmen laut, Deutschland solle die Verantwortung für diese Taten übernehmen und damit beweisen, daß seine historische Verantwortung sich nicht auf prestigeträchtige Projekte wie der Shoah an den Juden erschöpft.

Deutschland bekennt sich zur Schuld

Am 14. August 2004 nahm die deutsche Bundesentwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul an einer Gedenkfeier zum 100. Jahrestag in Okakarara am Waterberg teil, bei der u.a. Szenen des Aufstands von Angehörigen der Hereros nachgespielt wurden. Die Ministerin war die erste offizielle Vertreterin einer deutschen Regierung, die an einer Gedenkfeier zu den Ereignissen teilnahm. In einer Rede bekannte sie sich zur politischen und moralischen Verantwortung Deutschlands für das damalige Vorgehen der deutschen Kolonial-Truppen. Hierauf gegründete Entschädigungszahlungen schloss sie jedoch aus, allerdings will die Bundesregierung die Entwicklungshilfe für Namibia in Höhe von jährlich 11,5 Millionen Euro fortsetzen. Die Entwicklungshilfe Deutschlands an Namibia war immer schon auf diesem relativ hohen Niveau. Allerdings wird diese vor allem durch die regierende SWAPO der Ovambo verwaltet und gelangt daher kaum zu den Herero, die eine materielle Wiedergutmachung Deutschlands speziell für ihre Volksgruppe einfordern.

Literatur

Fachliteratur

  • Walter Nuhn: Sturm über Südwest. Der Hereroaufstand von 1904, Bernhard & Graefe-Verlag, Koblenz 1989. ISBN 3-76375-852-6
  • Jürgen Zimmerer [Hrsg.]: Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904-1908) in Namibia und seine Folgen, Links Verlag, Berlin 2003. ISBN 3-86153-303-0
    Als Literaturtipp gefunden bei SWR2
  • Sudholt, Gert: Die deutsche Engeborenenpolitik in Südwestafrika - Historische Texte - Studien. Heldesheim, 1975.
  • Toubab Pippa: Die Bosheit im Herzen der Menschen - Hendrik Witbooi und die schwarz-weiße Geschichte Namibias, Grüne Kraft Verlag, Löhrbach 2003. ISBN 3-922708-31-5
  • Uschi Eid: An den deutschen Völkermord in Afrika denken, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 32/2004, Seite 2. online

Belletristik

  • Uwe Timm, Morenga, Kiepenheuer & Witsch 1983. Timm läßt in dieser ersten Novellisierung des Namaaufstandes allerlei stilisierte Anekdoten und phantastische Elemente einfließen und idealisiert seine Protagonisten, was zu einer Darstellung im Sinne der Romantik führt. Dabei charakterisiert er die Pioniere der Kolonisation des südlichen Afrika als die Glücksritter, die sie waren.
  • Gerhard Seyfried: Herero, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2003. ISBN 3-8218-0873-X (Roman) Im Gegensatz zu Timm schreibt Seyfried dieses Prequel, das zeitlich vor Morenga liegt, im Stil des Naturalismus, in dem seine Protagonisten in den Strudel der Ereignisse geraten und überleben müssen.

Siehe auch

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