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Rasse (Züchtung)

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Vorlage:Doppeleintrag Rassen oder Unterarten sind in der biologischen Systematik Populationen einer Art, bei denen der Genaustausch mit anderen Populationen vermindert ist. Dadurch kann es zu einer verstärkten Herausbildung von gemeinsamen phänotypischen Merkmalen kommen, die die Individuen der Rasse von anderen Populationen der gleichen Art unterscheiden (Merkmalsdivergenz). Andere Begriffe, die vergleichbare Beobachtungen ausdrücken, sind Unterart (Subspezies), Zuchtform oder Varietät. Im Pflanzenreich sprechen Biologen auch von Sorten.
Im laxeren Sprachgebrauch des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (vgl. das englische race) war "Rasse" eher ein kultureller, an Sprachgruppen angelehnter Terminus. Als soziologischen Begriff hat ihn vor allem der frühe Klassiker Ludwig Gumplowicz verwandt (Der Rassenkampf, 1909).

Nachdem der Begriff "Rasse" in Bezug auf den Menschen allzu leicht einen ideologischen Charakter annimmt (To most people, a race is any group of people whom they choose to describe as a race. Zitat aus dem UNESCO-Bericht The race concept. Results of an inquiry, 1952, Seite 99), hat die UNESCO ebenda empfohlen, den Begriff "Rasse" ("race") durch den rein deskriptiven (beschreibenden) Begriff Ethnische Gruppe (ethnic group) zu ersetzen.

Klassifizierung von Populationen in Evolutionsprozessen

Alle Mitglieder einer biologischen Art haben normalerweise an einem gemeinsamen Genpool teil. Innerhalb einer Art bilden sich jedoch weite Variationen in der phänotypischen Kombination bestimmter Merkmale. Bestehen zwischen verschiedenen Populationen oder Populationsgruppen der Art Barrieren für den Genaustausch - seien es räumliche (Gebirge, Landmassen, Meere), zeitliche (Entwicklungszeiten, etwa bei Maikäfern) oder vom Menschen induzierte (Zuchtwahl bei Hunden, Pferden etc) - so prägen sich diejenigen Merkmale heraus, die in hoher Frequenz bereits vorhanden sind (Genetische Drift), manchmal verstärkt durch spezifische Umweltbedingungen, die einen Selektionsdruck ausüben. Wenn es im Laufe der Evolution in bestimmten Populationsgruppen gehäuft zu einer einheitlichen Veränderung bestimmter Merkmale kommt, die die Angehörigen einer Gruppe von anderen unterscheidet, so liegt eine Unterteilung in Untergruppen nahe, die als Rassen, Unterarten, Sorten etc. bezeichnet werden. Diese Unterarten können sich zu neuen Arten entwickeln, wenn sie so weit auseinander driften, dass sich Fortpflanzungsbarrieren ausbilden, die den freien Genaustausch zwischen den Gruppen dauerhaft, d.h. selbst bei wieder etabliertem z.B. geografischem Kontakt, einschränken und dadurch die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Fortpflanzung zwischen Individuen verschiedener Untergruppen stark herabsetzen. Es finden sich dann oft evolutionäre Zwischenstadien, bei denen zwar eine Kreuzung möglich ist, der Nachwuchs aber eine herabgesetzte evolutionäre Fitness zeigt, was sich u. a. in verminderter Fortpflanzungsfähigkeit wie beispielsweise zwischen Pferden und Eseln zeigen kann.

Da eine Rasse immer über eine ganze Reihe von Eigenschaften, Merkmalen oder Attributen definiert wird, können durch die Kreuzung von Individuen mit heterozygoten Merkmalen beliebige Zwischenstufen zwischen den Rassen entstehen. Die Rasse ist also nur in einer geografisch und zeitlich fest umrissenen Situation eine naturgegebene Kategorie; in vielen Fällen ist sie ein vom Menschen geschaffenes Abstraktum. Realität kommt dann nur den einzelnen genotypischen und phänotypischen Unterschieden selbst zu - es existiert also keine von der historischen Situation unabhängige "Summe" dieser Unterschiede.

Rassen in Bezug auf Tiere

Rassen sind heute insbesondere in der Tierzucht (Hunde, Pferde, Kühe und andere Haustiere) von Bedeutung, wo oft die Reinrassigkeit den Wert eines Tieres mitbestimmt: Die Tiere sollen den definierten Eigenschaften des Zuchtideals entsprechen. Die Art der Hunde wurde z. B. als Ganze vom Menschen aus der differierenden Art des Wolfes herausgezüchtet. Nicht nur verantwortungslose Züchtung, sondern die ganz normale so genannte "Rasse-Hunde-Zucht" führt zwangsläufig zu Schädigungen des Haplotypus. Hellmuth Wachtel (Hundezucht 2000, Gollwitzer Verlag 1997) weist zu Recht darauf hin, dass als Population nur die effektiv an der Fortpflanzung teilnehmenden Haplotypen bezeichnet und gezählt werden können. Die zum Standard gewordene so genannte "Championzucht" verstärkt dies dramatisch. Habe ich z. B. 3000 Zuchthündinnen einer "Hunderasse" und lasse sie von 50 "Champions" decken, beträgt die Populationsgrösse effektiv nur 200! Womit der Tatbestand der "heimlichen" Engzucht mit entsprechender Allelverarmung durch Gendrift schon erfüllt ist. Wachtel nannte dies treffend "Genetischer Genozid".

Die Folge ist, dass es immer mehr Rassehunde gibt, die Erbkrankheiten und krankes Erbgut tragen. Folgt man Wachtel so dürfte es mit der Vitalität der europäischen "Rassehunde" (Fruchtbarkeit, Anpassungsfähigkeit an wechselnde Umweltreize, Widerstandskraft gegen Krankheitserreger, mittlere Lebenserwartung, Inzidenz von Erbkrankheiten) in ca. dreißig Jahren endgültig zu Ende gehen. Wobei heute schon einige Rassen ohne Kaiserschnittentbindungen ausgestorben wären.

Zusätzlich und verstärkend gibt es Überzüchtungen auf Schönheitsideale der Wohlstandsgesellschaft, die zu weiteren Inzucht-Effekten führen können. In der Zucht von Nutztieren und Nutzpflanzen dienen reinrassige Ur-Zuchtlinien zur Produktion von hybriden neuen Rassen.

"Rassen" in Bezug auf Menschen

Hinter dem Interesse, Menschen in "Rassen" einzuteilen, verbarg sich in jedem Fall ein Herrschaftsinteresse im Sinne von "divide et impera". Heute, nach der Erfahrung mit der "Herrenrasse" und der Apartheid, gilt solch ein Interesse als Zeichen eines sehr rückständigen Menschenbilds. Die mannigfachen Versuche, Menschen nach äußeren Merkmalen (wie Hautfarbe, Haarfarbe, Körperbau usw.) in "Rassen" zu klassifizieren, sind allenfalls noch von historischem Interesse.

Die Zahl der aufgestellten Gruppen schwankte sehr stark, wobei sich die bereits von Linné angenommenen vier Urtypen (s.u. Exkurs über die Geschichte der Rassenforschung) oder dreier großer Rassenkreise - Europide (Europa, Naher Osten, Nordafrika, Indien), Mongolide (Ostasien und Ureinwohner Amerikas) und Negride (Afrika) - besonderer Beliebtheit erfreuten. Dies wurde häufig weiter ausdifferenziert in zahlreiche Mischformen (z.B. Turanide, Australide, Mestizen, Mulatten) und Unterteilungen. So wurden beispielsweise die Europiden nochmals aufgefächert in Nordide, Osteuropide, Dinaride, Dalo-Fälide, Alpinide, Mediterranide, Armenide, Orientalide, Indide.

Zwar sind diese Klassifikationen durch die Erkenntnisse der modernen Genetik überholt, aber im alltäglichen Denken der meisten Menschen als Altlast präsent. Humangenetiker wie Luigi Cavalli-Sforza argumentieren, dass äußerliche Unterschiede wie Haut- und Haarfarbe, Haarstruktur und Nasenform lediglich eine Anpassung an unterschiedliche Klima- und Ernährungsbedingungen sind, die nur von einer kleinen Untergruppe von Genen bestimmt werden. Im Prinzip ist jede beliebige Untergruppe - theoretisch auch die Bewohner eines einzelnen Dorfes - durchschnittlich von anderen unterscheidbar. Anders ausgedrückt ist beim Menschen die Vielfalt so groß, dass es unzweckmäßig ist, diesen als Art zoologisch zu untergliedern. Dieses Argument hat bereits 1871 Charles Darwin in seinem Buch über die Abstammung des Menschen benutzt.

Cavalli-Sforza und andere Wissenschaftler sprechen von Populationen (Gruppen, die einen präzise bestimmten Raum bewohnen) - ein Begriff, der nicht biologisch, sondern statistisch definiert ist. Genetische Unterschiede zwischen Populationen lassen sich anhand einzelner Merkmale (z.B. Blutgruppen) erfassen. Dabei liegt etwa 85% der bei Menschen erkennbaren genetischen Variabilität innerhalb einer Population vor; etwa 8% betreffen Unterschiede zwischen benachbarten Gruppen und nur 7% gehen auf Unterschiede zwischen den typologisch definierten "Rassen" zurück. Genetisch betrachtet können zwei Menschen aus verschiedenen Kontinenten näher miteinander verwandt sein als Individuen einer spezifischen Gruppe, auch wenn sie z.B. eine unterschiedliche Hautfarbe haben.

Populationen sind, in gewissem Sinn, einfach statistische Blöcke, die von der Wahl der jeweiligen Variablen abhängen, wobei es keinen bevorzugten Satz von Variablen gibt. Die "populationistische" Ansicht leugnet nicht, dass es Unterschiede zwischen Menschen gibt; sie behauptet einfach, dass die historischen Rassekonzepte nicht besonders nützlich sind, um diese Unterschiede wissenschaftlich zu analysieren.

Im Vergleich mit vielen anderen Tierarten (etwa Primaten) zeigen Menschen eine sehr hohe genetische Ähnlichkeit. Daraus schließt man, dass vor etwa 100.000 Jahren die Menschheit nur eine geringe Populationsstärke besaß (neuere wissenschaftliche Erkenntnisse besagen, dass es um das Jahr 68.000 v.Chr. nur 2.000 Menschen gegeben hat, von denen demzufolge alle heutigen Menschen abstammen). Die geringe genetische Variabilität dieser Ausgangspopulation spiegelt sich in der genetischen Ähnlichkeit aller Menschen wider - die DNA zweier beliebiger Menschen ist sich zu 99,9% gleich.

Dass "Rasse" ein soziales, kein naturwissenschaftliches Konzept sei, sagt auch der amerikanische Genomforscher Craig Venter. Ob sich allerdings seine damit verbundene Hoffnung "ohne Rassen kein Rassismus" erfüllt, ist äußerst zweifelhaft (vgl. Rassismus ohne Rassen).

Es gibt jedoch immer wieder Versuche, den Biologismus der Rassen wissenschaftlich hoffähig zu machen. Z.B. behauptete der englische Biologe John Baker in seinem umstrittenen Werk "Race" von 1974, gehirnmorphologische, Intelligenz- und Charakterunterschiede zwischen den Ethnien gefunden zu haben, und leitet daraus die Überlegenheit bestimmter "Zivilisationen" ab. Er beruft sich dabei explizit auf überholte anthropologische Theorien der biologischen Determination.

Heute wird die Menscheit nicht mehr in Rassen unterteilt, man kann aber durch genetische Studien seine Auswanderung aus Afrika vor etwa 65 000 Jahren studieren und verschiedene genetische Gruppen voneinander trennen. Das Genographic Project untersucht mit Hilfe moderner Methoden, wie sich die Menschheit, als sie von Afrika den Rest der Welt besiedelte, in immer mehr Gruppen aufspaltete. Dabei kann jeder an dem Projekt teilnehmen, indem er seine DNA Probe untersuchen lässt. Auf diese Weise kann man herausfinden, woher die eigenen Vorfahren stammen.

"Rasse" in der frühen Soziologie

Wie heute noch race im Englischen, war in Deutschland noch über das 19. Jahrhundert hinaus "Rasse" in der Umgangs- und politischen Sprache eine diffuse Bezeichnung, die biologische und kulturelle Merkmale mischte (und nicht selten die kulturellen auf die biologischen Merkmale zurück führte - vgl. Ideologie). Daher haben frühe Soziologen versucht, einen sozialwissenschaftlichen "Rasse"-Begriff heraus zu arbeiten. Bemerkenswert ist hier vor allem Ludwig Gumplovicz, der sich dabei des Konzeptes der "Gruppe" bediente. Diese Ansätze fanden sich bis in die 1960er Jahre (vgl. W. E. Mühlmann, Chiliasmus und Nativismus, 1961) und erloschen dann gänzlich.

Eine Zeit lang verbreitet war im angelsächsischen Raum die Theorie, es gäbe 5 Rassen von Menschen: die weißen (Europäer oder "Caucasians"), die gelben (Ostasiaten oder "Mongolen"), die roten (Ureinwohner der Neuen Welt oder "Indianer"), die braunen (Araber und/oder Südasiaten -- hier war die Theorie ein bißchen vage), und die schwarzen (Afrikaner). Diese Theorie war aber wenig nützlich, um vermeintliche Unterschiede zwischen Juden und "Ariern" festzustellen, noch hielt es einer kritischeren Beleuchtung von Inselbevölkerungen (Pazifik, australische Ureinwohner) oder des Mittelmeerraums stand.

Verwendung von Rassemerkmalen in der Strafverfolgung

In manchen Ländern wie z. B. den Vereinigten Staaten wird der Begriff der Rasse zur Beschreibung von Personenmerkmalen verwendet. Das FBI verwendet zum Beispiel eine Klassifiaktion nach Rassen um das allgemeine Erscheinungsbild (wie zum Beispiel Hautfarbe, Form der Augen, Lippen, etc.) zur generischen Personenbeschreibung bei der Suche von Verdächtigen zusammenzufassen. Eine grobe Einteilung erfolgt hierbei in die vier Gruppen 'Whites', 'Blacks', 'White (Hispanic)' und 'Asian'. Bei der Einreise in die Vereinigten Staaten wird gelegentlich auch eine Klassifikation des Antragsstellers auf z.B. Visaformularen erwartet.

Scotland Yard verwendet ebenfalls "Rassemerkmale" zur Personenbeschreibung. Dabei wird folgendermaßen unterteilt: W1 (White-British), W2 (White-Irish), W9 (Any other white background); M1 (White and black Caribbean), M2 (White and black African), M3 (White and Asian), M9 (Any other mixed background); A1 (Asian-Indian), A2 (Asian-Pakistani), A3 (Asian-Blangladeshi), A9 (Any other Asian background); B1 (Black Caribbean), B2 (Black African), B3 (Any other black background); O1 (Chinese), O9 (Any other).

In vielen Ländern ist der Exekutive eine derartige Klassifikation gesetzlich untersagt.

Aufgrund von Forschungsergebnissen (Human Genetic Diversity: Lewontin's Fallacy), welche die umstrittene Hypothese stützen, dass eine Rassenklassifikation aufgrund von DNA-Tests mit geringer Fehlerwahrscheinlichkeit möglich ist, werden in den Vereinigten Staaten auch sogenannte "biogeografische Abstammungsprofile" (biogeographical ancestry - BGA) aus DNA Proben zur Strafverfolgung eingesetzt (siehe auch Lynn Peavey Company - Forensic Analysis for Law Enforcement and Laboratories).

Exkurs über die Geschichte der "Rassenforschung"

Der französische Arzt und Forschungsreisende François Bernier (1620-1688) publizierte 1684 einen Aufsatz mit dem Titel: "Nouvelle division de la Terre, par les differentes Espèces ou Races d'hommes qui l'habitent" (Neue Einteilung der Erde nach den verschiedenen Arten oder Rassen, die sie bewohnen) und schrieb damit die "Geburtsurkunde der Rassenforschung" (Eickstedt). Bernier unterschied schon drei Rassenkreise, die später Europide, Negride und Mongolide genannt wurden, verband aber mit seiner Klassifikation keine Wertung.

Carl von Linné verknüpfte seine biologischen Systematik mit subjektiven Werturteilen. Er unterschied vier Rassen:

  • Europaeus: regitur ritibus - albus, sanguineus, torosus (vom Gesetz regiert, weiß, sanguinisch, muskulös)
  • Americanus : regitur consuetudine - rufus, cholericus, rectus (von Gebräuchen regiert, rot, cholerisch, aufrecht)
  • Asiaticus : regitur opinionibus - luridus, melancholicus, rigidus (von Ansichten regiert, blassgelb, melancholisch, steif)
  • Africanus : regitur arbitrio - niger, phlegmaticus, laxus (von der Willkür regiert, schwarz, phlegmatisch, schlaff)

Unter den Naturwissenschaftlern des 19. Jahrhunderts, die sich mit der Materie befassten, waren Georges Cuvier, James Cowles Pritchard, Louis Agassiz, Charles Pickering (Races of Man and Their Geographical Distribution, 1848) und Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840). Cuvier zählte drei Rassen, Pritchard sieben, Agassiz acht und Pickering elf. Blumenbachs Einteilung, der Linnés Urtypen um eine fünfte Rasse (die braune oder malaische) erweiterte, wurde Mitte des 19. Jahrhunderts weitgehend akzeptiert. Blumenbach prägte auch den Begriff der kaukasischen oder weißen Rasse, die als Stammrasse anzusehen sei.

Rassenforscher der folgenden Jahrzehnte ordneten die malaische und die amerikanische Rasse wieder der mongolischen zu und kehrten somit zur 'klassischen' Dreiteilung zurück. Die Blütezeit der Rassenklassifikation begann Ende des 19. Jahrhunderts und erreichte ihren Höhepunkt in der Systematik Egon von Eickstedts (1934), die etwa 30 - 40 Rassen unterschied, die in 3 Rassenkreise sowie Alt- und Kontaktrassen eingeteilt wurden. Eickstedt verband mit den unterschiedlichen Rassen nicht nur verschiedene körperliche, sondern auch psychische Eigenschaften und meinte mit Hilfe von Rasseformeln den Anteil einzelner Rassen bei einem Menschen prozentgenau bestimmen zu können. Andere Anthropologen bauten auf der Klassifikation Eickstedts auf oder kamen wie der Amerikaner Carleton S. Coon wieder auf eine grobe Gliederung in drei Primärrassen oder Rassenkreise (Negroide, Kaukasoide, Sinoide) zurück.

In Blumenbachs Tagen ging die Beschreibung körperlicher Eigenschaften wie Hautfarbe, Schädelprofil, usw. wie selbstverständlich Hand in Hand mit der Deutung charakterlicher Eigenschaften und intellektueller Fähigkeiten. So wurden etwa die "helle Farbe" und die verhältnismäßig hohe Stirn "der Kaukasier" als körperlicher Ausdruck eines hochfliegenden Geistes und großzügigen Temperamentes gewertet. Die dunkle Haut und die leicht fliehende Stirn "der Äthiopier" galten als Pauschalbeweis einer größeren genetischen Nähe zu den Primaten, obwohl die Haut von Schimpansen und Gorillas unter dem Haar weißer ist als die durchschnittlichen "Kaukasier".

Aus Verschiedenartigkeit wurde Verschiedenwertigkeit. Höhere, kulturschöpferische Rassen standen niederen, kulturzerstörerischen Rassen gegenüber.

Von größtem Einfluss war in diesem Zusammenhang Joseph Arthur Graf de Gobineau mit seinem "Essai sur l'inégalité des races humaines" (Versuch über die Ungleichheit der menschlichen Rassen) 1853/55, in dem er behauptete, die treibende Kraft der menschlichen Geschichte sei die "Rassenfrage". Rassenvermischung, insbesondere mit "minderwertigen Rassen" führe zu Degeneration und Untergang von Völkern und Nationen.

Seine Theorien der rassischen Überlegenheit der Arier wirkten nachhaltig auf Richard Wagner und dessen Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain, der sie in seinem Buch "Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts" (1899) weiter ausbaute. Chamberlain stilisierte den Juden zum rassischen Antitypus des Ariers und postulierte einen historischen Endkampf, in dem es nur Sieg oder Vernichtung geben könnte.

Diese (Mach-)Werke fielen in vielfach popularisierter Form gerade im deutschsprachigen Raum auf fruchtbaren Boden. So ließ etwa der verkrachte Zisterziensermönch Adolf Lanz (alias "Jörg" Lanz "von Liebenfels") in seinen Ostara-Heftchen "blond-blaue" asische oder arische Herrenmenschen gegen "Sodoms-Äfflinge" antreten. Er erklärte die "Versklavung der Rassenminderwertigen" sei eine "ethisch und wirtschaftlich berechtigte Forderung". Diese Rassefantastereien spielten bei der Genese des nationalsozialistischen Ideenkonglomerats eine entscheidende Rolle. Millionenfacher Mord war damit vorgedacht und "wissenschaftlich" begründet.

Literatur

  • Luigi Luca Cavalli-Sforza: Gene, Völker und Sprachen. Die biologischen Grundlagen unserer Zivilisation. Darmstadt: WBG 1999
  • G. Çağlar: Der Mythos vom Krieg der Zivilisationen. Der Westen gegen den Rest der Welt. Eine Replik auf Samuel P. Huntingtons »Kampf der Kulturen«, Münster 2003, ISBN 3-89771-414-0
  • Christian Schüller/Petrus van der Let: Rasse Mensch, Jeder Mensch ein Mischling, Aschaffenburg 1999
  • Stephen Jay Gould: Der falsch vermessene Mensch. Suhrkamp 1999
  • Michael J. Bamshad/Steve E. Olson: Menschenrassen - eine Fiktion?, Spektrum der Wissenschaft Mai 2005