Der Schuh des Manitu
Der Schuh des Manitu (Deutschland 2001)
Über 12 Millionen Deutsche haben den den Film "Der Schuh des Manitu" gesehen. Fast exakt ein Jahr nach seinem Erststart kam Michael "Bully" Herbigs Westernparodie - angeblich der erfolgreichste deutsche Film seit 1945 - noch ein zweites Mal in einer etwas verlängerten Version in die Kinos. Wieso war dieser Film so erfolgreich?
Zunächst in aller Kürze die Story: Die Blutsbrüder Abahachi (Michael "Bully" Herbig) und Ranger (Christian Tramitz) wurden zu Unrecht beschuldigt, den Häuptlingssohn Falscher Hase ermordet zu haben, konnten aber dem Marterpfahl entkommen. Die Schoschonen sind deswegen auf dem Kriegspfad. Um sich freikaufen zu können, suchen die Flüchtigen nach Teilen einer Schatzkarte, die ihnen den Weg zu einem versteckten Edelstein weisen soll. Der wahre Mörder, Gangsterboss Santa Maria (Sky Dumont), hat davon Wind bekommen hat und ist auch hinter den Flüchtigen her.
Für den kritischen Kinobesucher ist der Film nicht mehr als eine mittelmäßige Westernparodie mit teilweise sehr abgestandenen Witzen, die ins Alberne abgleiten. Vor allem der Winnetou-Mythos, wie ihn der deutsche Film in den 60er Jahren auf die Kinoleinwand brachte, wird aufs Korn genommen. Michael "Bully" Herbig scheint darauf vertraut zu haben, dass die Sketche seiner TV-Show "Bullyparade" auch auf der großen Leinwand zünden, was aber nicht immer der Fall ist. Für etliche Lacher ist der Film aber gut. Die herausragendste Leistung bietet Sky Dumont, der ein erstaunliches komödiantisches Talent beweist. Die anderen Mimen mühen sich redlich, schaffen es aber nicht, ihre eher unterdurchschnittlichen schauspielerischen Fähigkeiten durch ihr komödiantisches Spiel zu kaschieren. Autor und Hauptdarsteller Herbig macht da keine Ausnahme. Eines allerdings hat er geschafft: den Film sehr professionell zu inszenieren. Die Originalkulissen und die Ausstattung sorgen dafür, dass man sich an die Westernatmosphäre des deutschen und italienischen Films der 60er Jahre erinnert fühlt.
Die Kritiken zum Film reichen von...
"Irrsinnig komisch, frech, rasant und obendrein noch fulminant gefilmt – 'Der Schuh des Manitu' schafft das, was man kaum zu sagen wagt: Er ist in seiner Originalität und Frische den meisten Hollywood-Komödien um Längen voraus."
...bis...
"Ich gehe oft und gerne ins Kino, doch selten (ich kann mich nicht mehr erinnern) bin ich so enttäuscht aus dem Kino gekommen. Der Film war einfach schlecht. Schlechte Witz-, Schauspieler- und Bildqualität machen den Schuh des Manitu teilweise zur Qual. Ab und zu konnte man sich ein Lächeln abzwingen, Winnetouch ist lustig, Saloon-Girl Uschi (Marie Bäumer) ist schön, Santa Maria (Sky Dumont) ist sehr gut gespielt, doch alles andere ist Krampf. Wenn Comedy zu diesen Tagen, dann kann ich euch nur Shrek empfehlen!"
Was genau den Witz des Films ausmachen soll, geht aus solchen Statements leider nicht eindeutig hervor. Schauen wir uns daher einige seriösere Filmkritiken an, um zu erfahren, was an dem Film witzig, komödiantisch brillant oder parodistisch gelungen ist:
Horst Peter Koll schreibt im 'Film-Dienst':
"Nahezu 40 Jahre später genießen allenfalls noch Nostalgiker die opulenten Breitwand-Bilder ihrer Jugend, wenn Winnetou und Shatterhand in den Sonnenuntergang reiten oder Seite an Seite gegen Mörderbanden kämpfen, Ehre und Gerechtigkeit verteidigend. Ob sie indes Michael "Bully" Herbigs stilechte Klamauk-Parodie zu würdigen wissen oder nicht doch eher als Sakrileg empfinden, sei ebenso dahingestellt wie die Frage, welcher Vertreter einer jüngeren Generation überhaupt noch die stilistische wie narrative Mechanik der Karl-May-Filme kennt, um zu verstehen, wie genau Herbig hingeschaut hat: Die unverwechselbare Farbigkeit der Rialto-Produktionen der 60er-Jahre kopiert er ebenso geschickt wie die behäbige Scope-Kamera und die zwischen Pathos und Aufgeregtheit changierende Musik; vor allem aber reproduziert er stilgerecht die gedankliche Schlichtheit, mit der damals die mangelnde naturalistische 'Glaubwürdigkeit' der Bilder und Geschichten überspielt werden sollte. Doch warum das alles, wenn das Objekt der Parodie in solch weiter Ferne liegt? Wohl in erster Linie, um eine Plattform für permanent mit den Anachronismus operierende Gags, Kalauer und Sprüche zu schaffen, bei der keine Albernheit zu peinlich ist, solange sie der absolut sinnfreien Unterhaltung dient. Die Mechanik der alten Klischees wird nur decouvriert, um gnadenlos die neuen Klischees der aktuellen Gag-Kultur präsentieren können: Nichts ist blöd genug, um breit ausgewalzt zu werden, Subtilität ist Feindesland. ... Unübersehbar ist, mit welch großem handwerklichen Geschick die Parodie gestrickt wurde: Das Timing ist professionell, die Dialoge sitzen, selbst die Gesangseinlagen sind nicht ohne Pfiff; und doch macht sich angesichts dieser verspottenden, verzerrenden und übertreibenden Nachahmung schnell Langeweile, ja Teilnahmslosigkeit breit, weil der Film nie ein eigenes erzählerisches Zentrum anstrebt, sondern sich lediglich als triviale Revue des Unverbindlichen gefällt. Wenn die May-Bezüge allzu dünn geraten, wird auch schon mal eine Italo-Western-Satire bemüht, doch viel zu selten scheint etwas von jener sardonischen Grimmigkeit auf, die einen Tex-Avery-Cartoon oder eine Mel-Brooks-Geschmacklosigkeit auszeichnet. Widerstandslos versandet der Film in den Untiefen boulevardesker Nichtigkeiten, die man sich eigentlich nur im Mitternachtsprogramm des Kommerzfernsehens gefallen lässt. Dies hat absolut nichts mit der ausgelassenen Rezitationsfreude jener ausufernd langen Hörfunkproduktion zu tun, die Rüdiger Hoffmann mit dem legendären Satz bereicherte: "Ja uff erstmal..."
In dieser Besprechung finden sich bereits einige gute Hinweise darauf, wie der Film insgesamt gestrickt ist: Handelt es sich um eine ernst zu nehmende Parodie oder um eine Aneinanderreihung von billigen Kalauern? Weiter wird die Frage aufgeworfen, inwieweit er professionell gedreht wurde oder nicht, wie er an bestimmte Vorbilder anknüpft etc.
In einer anderen Online-Kritik heißt es:
"Die (natürlich völlig belanglose) Story des Films ist mehr oder weniger eine Eins-zu-eins-Kopie des "Schatzes im Silbersee", der damals das Grundkonstrukt für praktisch alle folgenden Karl-May-Filme lieferte. Gute Weiße werden von bösen Weißen übers Ohr gehauen, und eigentlich gute Indianer halten die Guten für böse und graben das Kriegsbeil aus, in diesem Fall in Ermangelung einer solchen Waffe auch mal zur Abwechselung einen Klappstuhl. Irgendwo in einer tiefen Höhle liegt auch noch ein Schatz herum, um den es eine Menge Keilerei gibt. Alles zum Guten wenden können letztendlich nur die beiden legendären Blutsbrüder, die damals Winnetou und Old Shatterhand hießen. Heute heißen sie Abahachi und Ranger, brabbeln Schwabinger Dialekt und zanken sich meistens wie ein altes Ehepaar. Abahachis rosagewandeter Zwillingsbruder Winnetouch (Herbig in einer Doppelrolle) darf als tuntiger Chef der Schönheitsfarm Puder Rosa die Fingernägel harter Westernmänner maniküren und Cocktails mit einen Tomahawks darauf servieren. Auf Seiten der Bösen im Land, wo die Schoschonen schön wohnen, setzt vor allen anderen der wunderbare Sky Dumont Glanznoten gehobenen Blödsinns. Die Überfall der Banditen auf eine Farm, die betörende Salonschönheit (die hier Uschi heißt), der mondäne Banditenchef, der seine Truppe wie ein Grundschullehrer befehligt ("Jetzt gehen wir alle noch einmal aufs Klo, und dann reiten wir los.") - kein Klischee, kein Pathos der Harald-Reinl-Filme wird ausgelassen, um es genüsslich in den Schokoladentrunk zu dippen. Die Zitate anderer Filmklassiker machen genauso viel Spaß, ob James Bond (da hat der Schoschonenhäuptling Listiger Lurch doch tatsächlich wie einst Ernst Stavro Blofeld seine Katze ein Kaninchen auf dem Arm!), Sergio Leone, Kevin Costner oder Indiana Jones."
Wenn wir einige Motive aus dem Film als echte Parodien werten, dann könnte sich einem die Frage stellen, ob mit dem Kaninchen auf dem Arm des Schoschonenhäuptlings nicht vielleicht auch Joseph Beuys gemeint sein könnte, wie er dem toten Hasen die Bilder erklärt. Auch sonst gibt es offenbar eine Reihe von Hinweisen auf Vorbilder, die aufs Korn genommen werden: vom "Schatz im Silbersee" bis hin zu "Indiana Jones". Stilecht ist der Film also nicht im Wildwest-Milieu angesiedelt. Er nutzt stattdessen Versatzstücke aus unterschiedlichen Genre-Bereichen. Macht dieses bunte Allerlei an Anspielungen seine Qualität aus? Nehmen wir einmal die Hauptpersonen unter die Lupe:
Abahachi, der Apachenhäuptling, das dürfte nicht nur eine Verballhornung von "aber hatschi" (ein reichlich platter Wortwitz), sondern vom Namen her vor allem eine Anspielung auf "Winnetou und das Halbblut Apanatschi", einen Original-Karl-May-Film, sein. Mit dem Geschäftsmann Santa Maria ist sicher der Bösewicht Santer aus "Winnetou I" gemeint. Ob der Blutsbruder Ranger auf irgendwelche amerikanischen Westernserien abzielt, in denen Texasranger eine Rolle spielen, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls scheint der Name keine direkte Anspielung auf Old Shatterhand zu sein. Winnetouch ist Abahachis Zwillingsbruder. Und der ist schwul. Aber wieso ist gerade er schwul und sein Name die Verballhornung von Winnetou? Soll das ein versteckter Hinweis auf einige homoerotisch wirkende Szenen der Blutsbrüderschaft zwischen Winnetou und Old Shatterhand in den Original-Karl-May-Filmen sein? Winnetouch ist außerdem Besitzer der zur Beauty-Farm umgebauten "Puder Rosa Ranch". Das ist nicht nur ein Hinweis auf die Homosexualität der Figur, sondern mit Sicherheit auch eine Anspielung auf die Ponderosa-Ranch der Familie Cartwright aus der TV-Western-Serie "Bonanza". Aber was hat das mit dem Karl-May-Winnetou zu tun? Immerhin stammt die Bonanza-Serie auch aus den sechziger Jahren wie die Winnetou-Filme und ist im moralisierenden Western-Milieu angesiedelt. Aber reicht das für eine Erklärung des gewählten Ranch-Namens? Unter den Hauptpersonen haben wir noch die verführerische Uschi: sicher eine Anspielung auf Uschi Glas, die mal in einem Original-Film ein Indianermädchen gespielt hat. War dieser Film etwa "Winnetou und das Halbblut Apanatschi"? Dann hätten wir einen Bezug zu Abahachi. (Die Beantwortung dieser Frage bleibe dem findigen Leser überlassen.) Der Indianer-Großvater heißt "Grauer Star" - nun ja, es gibt sicher bessere Wortwitze. Die Schatzkarte ist wohl eindeutig ein Hinweis auf den "Schatz im Silbersee" - oder etwa auch auf jene Karte, die im Vorspann der "Bonanza"-Serie immer in Flammen aufging? Und was ist mir Santa Marias Handlanger Hombre? Sollte das eine Anspielung auf den US-Western "Sie nannten ihn Hombre" sein? Übrigens auch ein Film aus den späten 60er Jahren, allerdings mit einem hochkarätigen amerikanischen Mimen besetzt, der auch eine der Titelrollen in "Butch Cassidy and Sundance Kid" spielte. Dann haben wir noch den Restaurantführer Dimitri. Was soll ein Grieche in diesem Western? Stilecht ist er jedenfalls nicht. Fungiert er als billiger Ersatz für einen Mexikaner? Die Taverna liegt ja auch mitten in Mexiko. Wer weiß, wer weiß... Da liegt doch wohl eher die Vermutung auf der Hand, dass einige aus der TV-"Bullyparade" bekannte Charaktere im Film untergebracht werden mussten. Alles in allem: nicht alle Charaktere scheinen gelungene Parodien auf bekannte Vorbilder zu sein.
Welche der folgenden Stimmen zum Film stimmt also:
film-dienst 2001-15:
"Stilechte, bis in technische Details aufmerksam nachempfundene Parodie auf die Karl May-Filme der 60er-Jahre, die sich als absolut sinnfreie Nummernrevue gefällt und vor keiner Plattheit und Zote zurückschreckt, um oberflächlich-albern zu unterhalten. Die Mechanik der alten Kino-Klischees wird nur decouvriert, um die neuen Klischees der aktuellen Gag-Kultur auszubreiten."
Eric Stahl (TV-Today) 2001-15:
"Wenn das 'Die nackte Kanone'-Team in Deutschland Filme drehen würde, käme so was wie 'Der Schuh des Manitu' dabei heraus."
Cinema 2001-07:
"Eine Parodie, die ihre Fans finden wird. Indianerehrenwort."
HörZu:
"In Michael 'Bully' Herbig hat May seinen Meister gefunden ... Kultverdächtig!"
Weitere Stimmen:
"Kulturkritiker werden sich zwar sicherlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wieso ausgerechnet noch eine vollkommen alberne Blödelkomödie mit insgesamt mehr als 10 Millionen Zuschauern "Otto - Der Film" als erfolgreichsten deutschen Film aller Zeiten ablöste, doch alle anderen, die über Bullys Gags lachen können, sollten sich den Spaß nicht verderben lassen, der mit gerade einmal rund achtzig Minuten lediglich etwas kurz ausfällt."
"Hier ist ihm eine Parodie gelungen, die diesen Namen verdient, die mit ebenso viel Liebe zu den Originalen wie zum anarchischen Klamauk unterhält und dabei ausnehmend wohltuend die unsäglichen Rektalregionen zeitgenössischen Filmhumors ausspart."
"Die Story des Filmes spielt eigentlich eine stark untergeordnete Rolle, was nicht heißen soll, daß der Film platt ist. Allerdings sollte jeder seine Tauglichkeit für diesen Film und seinen speziellen Humor doch erst bei einer Sendung der „Bullyparade" testen, aus welcher der Film hervorgegangen ist."
Spiegel Online 2001:
"Der Schuh des Manitu" versteht sich als durchgeknallte Hommage aufs Indianer-Genre, zitiert unbekümmert aus Italo-Western von Sergio Leone und Abenteuer-Schinken à la "Indiana Jones" und feiert ansonsten die deutschen "Winnetou"-Filme. Schließlich ist Pierre Brice, deren Titelheld, für Herbig "immer noch die Mutter aller Blutsbrüder"... Michael Herbig, den sie "Bully" nennen, weil er als Zwölfjähriger ein T-Shirt trug mit der Aufschrift "Die Bullen kommen" - vom damaligen FC-Bayern-Sponsor Magirus-Deutz -, freut sich, dass es ihm in "aller kindlichen Naivität" gelungen ist, den "Nerv der Zeit zu treffen". Bei manchen Zeitgenossen sind es allerdings nur die Nerven.
Rhein-Zeitung, 16. 07. 2001:
Einerseits wendet sich die Komödie an Menschen, die das genügsame TV-Zeitalter mit drei Programm erlebt haben und die mit Geschichten von Karl May (auch er hat einen kurzen Auftritt) und Serien wie "Shiloh Ranch" und "Rauchende Colts" sozialisiert wurden. Wie in Spaghetti-Western wurde auch hier im spanischen Almeria gedreht, und es gibt jede Menge stoppelige Männergesichter mit Kippen oder Mundharmonika im Mund, die a la Clint Eastwood und Charles Bronson posieren. Gerade in den vielen witzigen Details, Zitaten und Kalauern fühlt man sich gar an Asterix-Comics erinnert. Andererseits geht es für die "bullyparade"-Fans um den Wiedererkennungseffekt bei den Hauptfiguren. Das Ergebnis ist ein meist entspanntes, oft ins Absurde driftendes Geblödel, das sich fast nie zum üblich gewordenen Latrinen-Humor hinreißen lässt. Zumindest zirka jeder zweite Witz zündet. Wenn aber wieder mal Szenen a la "Jäger des verlorenen Schatzes" für Spannung sorgen sollen, erweist sich leider doch die Einfallslosigkeit der Filmemacher.
Andere Kritiker meinen:
"Regie zu führen und die Hauptrolle zu übernehmen ist eine Aufgabe, an der schon Männer von wenn nicht herkulischen, so doch dionysischen Ausmaßen (William Shatner) bitter gescheitert sind. Dabei ein totgeglaubtes Genre zu reaktivieren, eine weitere Rolle zu übernehmen, einen Semi-Weltstar und eine schöne Frau gekonnt zu dirigieren und nebenbei noch den erfolgreichsten deutschen Film der letzten Jahre zu drehen, das klingt nach einer Sisyphos-Prüfung, mindestens aber nach einem direkten Weg ins Heart of Darkness. Seltsam nur, daß Michael "Bully" Herbig, Regisseur, Hauptdarsteller, Coautor und treibende Kraft hinter Der Schuh des Manitu, weder 50 Kilo abgenommen hat noch an Wahnvorstellungen oder Zwangshandlungen zu leiden scheint. War der Dreh vielleicht gar keine unmenschliche Strapaze, sondern eine freudige Kostümparade an authentischen Schauplätzen, ist Herbig vielleicht gar kein frustrierter Fließbandkomödiant, sondern ein sympathischer Filmfreund mit sichtlichem Spaß an der Sache, und ist der Erfolg von Der Schuh des Manitu vielleicht darauf zurückzuführen, daß man diesen Spaß an der Sache noch auf dem Gesicht des kleinsten Nebendarstellers sehen kann...? ... Natürlich ist mancher Scherz arg angestaubt oder kindlich, aber die herrlich klischeehaft an alte Westernklassiker erinnernden Bilder und der blendend aufgelegte Apachen- und Cowboycast ... machen das genauso vergessen wie den zwar stimmigen, aber konventionelle Schatzkartenfilmpfade nicht verlassenden Plot sowie die kuriose Leistung Marie Bäumers, deren Overacting mitunter etwas forciert wirkt - Komödien scheinen nicht ganz ihr Fach zu sein, aber als Halbblut Uschi sorgt sie dennoch für einige Schmunzelmomente ("Jetzt schreibt jeder auf, was ihm am Anderen nicht gefällt!"). So stellt sich Der Schuh des Manitu als familienfreundlich-liebenswerter und stimmungsvoll inszenierter Westernspaß dar, dessen leichte Schwächen ihm jedoch den Weg in den Komödienolymp versperren."
"Die Ausflüge deutscher Fernsehkomiker auf die Kinoleinwand haben eine lange, aber nicht allzu ruhmreiche Tradition. Von Otto über Hallervorden bis zu Mike Krüger und Tom Gerhardt reicht die Sünderkartei. Deren Werke waren meist kommerziell recht erfolgreich, künstlerisch unter aller Kanone und mit der Halbwertzeit eines "Lambada" oder "Macarena"- Sommerhits vergleichbar. Von den beiden Loriot-Filmen einmal abgesehen, aber der stand schon in der Flimmerkiste meilenweit über den oben Genannten. Auch der Humor, den Michael Herbig in seiner "Bullyparade" präsentiert, gehört wieder eher zur rustikaleren Sorte. Aber die Sendung läuft seit einigen Jahren recht erfolgreich, Herr "Bully" ist ein recht sympathisches Kerlchen und auch allemal origineller und facettenreicher als der manche Kollegen. Da kommt dann irgendwann wohl fast zwangsläufig der Traum vom großen Spielfilm auf, und genau den hat "Bully" sich nun (nach "Erkan und Stefan" im Grunde schon zum zweiten Mal) erfüllt. Bleibt die Frage: Größenwahn, Mut zur Blamage oder etwa doch eine gute Idee? Nach Betrachten von "Der Schuh des Manitu" lautet die Antwort: Erstaunlicherweise letzteres.
Daß dieses Nichts von einer Geschichte funktioniert, liegt natürlich daran, daß es auf die Handlung hier nicht ankommt. Wie nicht anders zu erwarten, verfährt "Der Schuh des Manitu" nach dem Motto "mindestens alle 10 Sekunden ein Brüller". Und erfreulicherweise sitzen die Gags und sind auch tatsächlich zum Brüllen komisch. Das beginnt beim hemmungslosen urbayrischen Dialekt von Ranger, führt über den geradezu unverschämt klischeehaften Homo Winnetouch und hört beim eigentlich gar nicht so bösen Santa Maria noch lange nicht auf, der seine Bande eher wie eine Schulklasse leitet ("Jetzt geht noch mal jeder aufs Klo und dann reiten wir los").
Man sitzt im Kinosessel und weiß, daß das ganz großer Blödsinn ist, was einem da vorgesetzt wird. Daß diese Leute auf der Leinwand gar nicht erst versuchen, ernsthaft zu schauspielern, und beim Dreh wahrscheinlich die beste Zeit ihres Lebens hatten anstatt hart zu arbeiten. Man sollte so einen Schmarrn eigentlich nicht komisch finden dürfen und kann sich doch von Anfang an das Schmunzeln einfach nicht verkneifen. Und wenn man dann sieht, wie hemmungslos sich gestandene Filmkritiker nebenan die Tränen aus den Augen wischen, ist es einem nach wenigen Minuten auch schon egal. Aus dem Schmunzeln wird ein ehrliches, herzhaftes Lachen. Man gibt allen geplanten Widerstand auf, lehnt sich zurück oder prustet los und hat einfach nur Spaß.
Nein, "Der Schuh des Manitu" hat keine wirkliche Dramaturgie, die besten Freunde des Regisseurs als Darsteller und dem Film geht auch nach gut 60 Minuten etwas die Puste aus, so daß sich die letzte halbe Stunde dann doch ein wenig zieht. Aber bis dahin hat der Film erstaunlich lange Witz und Tempo gehalten und kann eigentlich sowieso nicht mit den sonst üblichen Maßstäben bewertet werden. Dem Charme dieses höheren Blödsinns kann man sich nun mal nicht entziehen. Widerstand ist zwecklos."
"Natürlich Sketche am Fließband, rosa Tunten und eine absolut inhaltsleere Geschichte. ... Nicht die echten Indianer, nicht die Dreharbeiten im spanischen Almeria, vor allem aber nicht Herbigs Humor können "Der Schuh des Manitu" vor sich selbst bewahren. Zu dumm-dusselig kommt dieser Film daher. Zudem wollte Herbig zuviel. Während im seine Sketche Fernsehen von ihrer trashigen Machart leben, wollte der TV-Mann hier beweisen, dass er in großen Kinobildern erzählen kann. Das kleine Problem dabei, er hat leider nichts mitzuteilen. Seine Story, seine Figuren bedienen nicht mehr als bloßes Klischee. Und dennoch wird dieser Film funktionieren, denn "Bully" Herbig gibt dem jungen deutschen Kinopublikum wonach es derzeit verlangt: Brot und Spiele. ... Eine Einstellung in Herbigs Film ist allerdings von metaphorischer Kraft. Am Ende des Films rasen Bully und seine Freunde in einer atemberaubenden Schussfahrt auf einer Lore in den Abgrund. Sind es die Niederungen der Filmkunst, in die die TV-Leute da rasen? Man darf sich eigene Gedanken darüber machen. Vorausgesetzt man kommt unter all den grölenden Kinozuschauer dazu."
Und was sagt der Autor und Hauptdarsteller des Films selber zu seinem Werk?
Aus einem Interview mit Bully:
"Unser Film sieht ganz einfach so aus, wie ich mir einen Western vorstelle. Das heißt: eine schöne, breite Cinemascope-Leinwand, die richtigen Motive und Farben, die richtige Musik. Und die richtigen Figuren - ganz klassisch: gut, böse, Blutsbruderschaft, Freundschaft und was halt sonst noch so wichtig ist für einen Western. Außerdem wird auch mit Vorurteilen aufgeräumt, das ist ausschlaggebend."
"Es gibt sehr viele Irrtümer, was beispielsweise die Blutsbruderschaft angeht. Winnetou und Old Shatterhand waren nicht die einzigen, die das praktiziert haben. Deshalb wird hier - quasi parallel zu Winnetou und Old Shatterhand - die Geschichte von Abahachi und Ranger erzählt. Schade eigentlich, dass die beiden Duos nie aufeinander getroffen sind. Es wäre bestimmt eine nette Begegnung gewesen. Dass Blutsbruderschaft damals gang und gäbe war, will ich mit Der Schuh des Manitu beweisen. Dieses Ritual war gewissermaßen der Vorreiter von Piercing und Branding."
Könnten Sie kurz den Plot von Der Schuh des Manitu skizzieren?
"Sehr einfach und sehr klassisch, wie das Genre eben so ist. Es gibt diesen großen Traum von einem Indianerhäuptling, der seinem Volk etwas Gutes tun möchte und ihm ein Stammlokal hinstellen will. Er glaubt so sehr an diesen Traum, dass er dafür Schulden bei den Schoschonen macht. Dann gerät er an einen miesen Geschäftsmann, der ihn übers Ohr haut und den Sohn der Schoschonen erschießt, der das Geld überbracht hat. Und plötzlich sind alle hinter Abahachi her. Es entsteht ein Wettlauf um einen Schatz. Sowohl die Bande als auch die Schoschonen sind hinter unseren beiden Helden her. Dann kommt auch noch eine Frau ins Spiel, die die Blutsbrüderschaft gefährdet. Und es stellt sich heraus, dass nicht nur Ranger in sie verliebt ist, sondern dass auch Abahachi seit 25 Jahren glaubt, sie sei seine große Liebe, was er aber nie zugegeben hat. Und alles bricht auseinander ..."
Also alles andere als ein lupenreiner Western?
"Richtig. Eher schon eine Mischung aus einem Shakespeare-Drama und einem Autorenfilm. Der Schuh des Manitu ist aber auch ein Mädchenfilm, weil Pferde darin vorkommen. Letztendlich werden ganz simple Sehnsüchte bedient."
Bei welchem Film haben Sie besonders viel geklaut?
"Klauen ist so ein gemeines Wort. Ich würde lieber fragen: Wo habe ich mich inspirieren lassen? Ich habe versucht, alles zu zitieren, was irgendetwas mit Indianern zu tun hat. Dazu gehört natürlich auch Indiana Jones. Karl May - und da insbesondere Der Schatz im Silbersee, aber auch Italo-Western und Der mit dem Wolf tanzt gehören dazu. Mir war es auch sehr wichtig, dass wir richtige Indianer besetzen. Das zeigt gerade in punkto Seriosität und Ernsthaftigkeit enorme Wirkung."
Welche Maßstäbe setzen Sie sich als Regisseur?
"Ich finde es sehr schwierig, Kommerz, Unterhaltung und Kunst auseinander zu halten. Denn für mich ist Unterhaltung sehr wohl eine Kunst. Und ich glaube, dass dies sehr oft falsch verstanden wird. Jedes Genre und jede Art von Film haben ihre Berechtigung und ihre Zuschauer. Deshalb würde ich mich nie abwertend über ein Genre äußern. Und wenn du ein Genre gut bedienst und die Leute damit unterhältst, dann ist auch dies eine Form von Kunst."
Sie kennen vielleicht den Vorwurf, dass Komiker vor lauter Gags gerne die eigentliche Geschichte vergessen, wenn Sie einen Kinofilm inszenieren.
"Das kann schon schnell passieren. Deswegen spielt das Buch eine sehr wichtige Rolle. Ich persönlich finde es keine Schande, mit der achten, neunten oder gar zehnten Fassung ans Set zu gehen. Das hat auch nichts mit fehlendem Talent zu tun. Das kostet ja schließlich alles Geld. Und du willst das Beste rausholen. Man sollte so lange am Buch herumfeilen, bis man wirklich ein gutes Gefühl dabei hat. Ich vergleiche den Filmemacher immer mit einem Maler. Er fängt an, ein Bild zu malen und dann merkt er plötzlich, dass ihm die Farben ausgehen. Er wird deshalb nicht das halb fertige Bild verkaufen, sondern in einen Laden gehen und sich neue Farben kaufen, um das Bild fertig zu stellen, das er sich vorgestellt hat."
(Ende des bulligen Interviews...)
Fazit: Der Film wird sicher nicht in die Annalen der besten Filme aller Zeiten eingereiht. Ob amerikanische Top-Regisseure, darunter die Nachfolger des "Nackte-Kanone"-Teams, schon wegen der Filmrechte für eine US-Version angeklopft haben? Wohl kaum... Da das Feeling für die Atmosphäre der Original-Karl-May-Filme der 60er Jahre beim fremdländischen Publikum nicht so ausgeprägt ist wie beim deutschen Kinobesucher, ist der Film allenfalls dafür gut, in einer synchronisierten Fassung für einige verstohlene Lacher beim ausländischen Zuschauer zu sorgen, mehr nicht.