Zum Inhalt springen

Windchill

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 26. August 2005 um 16:25 Uhr durch RobotQuistnix (Diskussion | Beiträge) (Bot: Ergänze: ca, es). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der Windchill (v. engl. wind chill) beschreibt den Unterschied zwischen der gemessenen Lufttemperatur und der gefühlter Temperatur in Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit und ist damit ein Maß für die windbedingte Abkühlung des eines Objektes und dabei speziell des menschlichen Organismus. Solange man als Bezug eine totale Windstille veranschlagt ist die Windchill-Temperatur, also die gefühlte Temperatur unter alleiniger Berücksichtigung des Windes, immer geringer als die tatsächlich messbare Temperatur.

Dieser Effekt liegt in der konvektiven Abführung (erzwungene Konvektion) hautnaher und damit relativ warmer Luft sowie einer damit einhergehenden Erhöhung der Verdunstungsrate durch den Wind begründet. Die für den Phasenübergang des Wassers notwendige Energie wird dabei durch Wärmeleitung aus der Körperoberfläche abgezogen und kühlt diese dementsprechend. Der Wind hat daher die Wirkung die Angleichung der Oberflächentemperatur mit der Umgebungstemperatur der Luft zu beschleungigen, was Menschen als kühlenden Windchill empfinden.

Zwar gilt der Effekt des Windchill für jedwedes Objekt, dass dem Wind ausgesetzt ist (also auch Pflanzen, andere Tiere, Gegenstände usw.), jedoch würden für diese andere Formeln als für den Menschen gelten. Bei hohen Temperaturen zeigt sich kein Windchill-Effekt, er wird daher nur für Temperaturen nahe oder unterhalb von 0 °C bestimmt.

Geschichte

Die Entwicklung der ersten empirischen Formeln und Tabellen geht auf die Bemühungen der US-Armee zurück, ihre Soldaten für die Härten der europäischen Winter des zweiten Weltkrieges adequat auszurüsten. Sie beautragte die amerikanischen Polarforschers Paul Siple und Charles F. Passel, welche während der zweiten Antarktisexpedition Richard E. Byrds im Jahr 1941 für bestimmte Temperatur- und Windverhältnisse einen „Abkühlungsfaktor“ (Chillfaktor oder Windchill-Faktor) in Watt pro Quadratmeter bestimmten. Ihre Messungen basierten dabei jedoch nicht auf einem Menschen, sondern auf einen mit 250 Gramm Wasser gefüllten Kunststoffzylinder. Dieser bestand aus Celluloseacetat, war 14,9 cm lang, 5,7 cm im Durchmesser und hatte eine Dicke von 0,3 cm. Sie nutzten ein Thermoelement und ein Schalenkreuzanemometer zur Messung von Temperatur und Windgeschwindigkeit, wodurch sie über die Zeitdauer des Gefriervorganges den Wärmeverlust des Zylinders in Kilokalorien pro Stunde (siehe Wärmestrom) und damit schließlich auch den Wärmeübergangskoeffizient in Kilokalorien pro Stunde und Quadratmeter ermitteln konnten. Die Lufttemperaturen bewegten sich während ihrer Messungen dabei im Bereich zwischen -56 °C und -9 °C, die Windgeschwindigkeiten von Windstille bis 12 m/s. Ihre leztendlichen Ergebnisse erhielten Siple und Passel durch eine Interpolation der grafischen Aufragung ihrer gemessenen Windgeschwindigkeiten über den bestimmten Wärmeübergangskoeffizienten. Die entsprechenden Gleichungen lauteten:

  • α - Wärmeübergangskoeffizient
  • v- Windgeschwidigkeit
  • - Wärmestrom (Wärmemenge pro Zeit)
  • A - Flächeninhalt der Oberfläche
  • TO - Oberflächentemperatur
  • TL - Lufttemperatur

In den Siebziger Jahren wurden diese Daten schließlich dem National Weather Service zur Vefügung gestellt und durch seine 1971 und 1984 erschienenen Arbeiten passte der australische Forscher Robert G. Steadman diese Formel auf einen „Durchschnittsmenschen“ an. Das Ergebnis wurde vom U.S. National Bureau of Standards als offizielle Formel übernommen und vom National Weather Service von 1973 bis 2001 angewandt. Die letzte Umstellung der Formel auf Basis genauerer Untersuchungen und nach einer beständigen Kritik an den älteren Formeln erfolgte im November 2001. Diese aktuelle Berechnungsgrundlage wird seitdem vorwiegend in den USA und Kanada genutzt. Sie ist spezifisch auf den Menschen und speziell dessen Gesicht eingestellt und wird im Abschnitt Berechnung erläutert.

Bedeutung und Anwendung

Eine besondere Bedeutung besitzt der Windchill in sehr kalten und windigen Regionen der Erde, also insbesondere in Arktis, Antarktis und in den Hochgebirgen, also für Bergsteiger. Auch eine schnelle Bewegung des Menschen entspricht dabei einer hohen Windgeschwindigkeit, wovon bestimmte Wintersportarten betroffen sind. Der Effekt kann dabei auch die Einsatzfähigkeit von Maschinen beeinträchtigen, insbesondere von Fahrzeugen. Er spielt eine grundlegende Bedeutung für alles Leben in entsprechenden Extremklimaten und beinflusst somit auch die Verbreitung von biologischen Arten.

Hauptanwendungsgebiet des Windchill sind die USA und Kanada, weshalb die meisten Definitionen auch von hier bzw. dem US National Weather Service und Environment Canada stammen. Beide nutzen hierbei derzeit vorgefertigte Tabellen zur Auswertung der Messdaten. Zusätzlich zu Anstrengungen in europäischen Staaten und Israel ergeben sich durch diese Vielfallt je nach verwendeter Fachliteratur bzw. Berechnungsverfahren, deren Aktualität und der eventuellen regionalen Anpassung teils erhebliche Unterschiede, sowohl in der grundsätzlichen Herangehensweise wie auch in Bezug auf das letztendliche Ergebnis.

Berechnung

Die seit November 2001 gültige empirische Formel zur Berechnung des Windchill lautet mit SI-Einheiten (für 10 Meter Höhe über dem Erdboden):

  • - Windchill-Temperature in Grad Celsius
  • - Lufttemperatur in in Grad Celsius
  • - Windgeschwindigkeit in Kilometern pro Stunde.

und mit Einheiten des angloamerikanischen Masssystems (für 33 Fuß Höhe über dem Erdboden):

  • - Windchill-Temperature in Grad Fahrenheit
  • - Lufttemperatur in in Grad Fahrenheit
  • - Windgeschwindigkeit in Meilen pro Stunde.
Windchill-Temperatur
10 °C 5 °C 0 °C -5 °C -10 °C -15 °C -20 °C -25 °C -30 °C -35 °C -40 °C -45 °C -50 °C
10 km/h 8,6 2,7 -3,3 -9,3 -15,3 -21,1 -27,2 -33,2 -39,2 -45,1 -51,1 -57,1 -63,0
15 km/h 7,9 1,7 -4,4 -10,6 -16,7 -22,9 -29,1 -35,2 -41,4 -47,6 -51,1 -59,9 -66,1
20 km/h 7,4 -1,1 -5,2 -11,6 -17,9 -24,2 -30,5 -36,8 -43,1 -49,4 -55,7 -62,0 -69,3
25 km/h 6,9 0,5 -5,9 -12,3 -18,8 -25,2 -31,6 -38,0 -44,5 -50,9 -57,3 -63,7 -70,2
30 km/h 6,6 0,1 -6,5 -13,0 -19,5 -26,0 -32,6 -39,1 -45,6 -52,1 -58,7 -65,2 -71,7
35 km/h 6,3 -0,4 -7,0 -13,6 -20,2 -26,8 -33,4 -40,0 -46,6 -53,2 -59,8 -66,4 -73,1
40 km/h 6,0 -0,7 -7,4 -14,1 -20,8 -27,4 -34,1 -40,8 -47,5 -54,2 -60,9 -67,6 -74,2
45 km/h 5,7 -1,0 -7,8 -14,5 -21,3 -28,0 -34,8 -41,5 -48,3 -55,1 -61,8 -68,6 -75,3
50 km/h 5,5 -1,3 -8,1 -15,0 -21,8 -28,6 -35,4 -42,2 -49,0 -55,8 -62,7 -69,5 -76,3
55 km/h 5,3 -1,6 -8,5 -15,3 -22,2 -29,1 -36,0 -42,8 -49,7 -56,6 -63,4 -70,3 -77,2
60 km/h 5,1 -1,8 -8,8 -15,7 -22,6 -29,5 -36,5 -43,4 -50,3 -57,2 -64,2 -71,1 -78,0
Daten nach Holton et. al. 2002: Wind Chill Temperature (WCT) Index Chart. Bei blauen Feldern besteht die Möglichkeit, dass es innerhalb von 30 Minuten oder weniger zu Erfrierungen kommt.

In Deutschland ist noch die ältere Formel nach Paul Siple und Charles F. Passel weit verbreitet:

  • T - Thermometertemperatur (in °C)
  • vw - Windgeschwindigkeit (in km/h)

In der Formel werden nur die tatsächliche Temperatur und die Windgeschwindigkeit als Variablen verwendet. Sie ist im eigentlichen Sinne nur unter extremen Bedingungen wie windstarken Bergkuppen mit niedriger Lufttemperatur gültig, denn zusätzlich zum Wind beeinflussen auch noch andere Parameter die gefühlte Temperatur, etwa die Luftfeuchtigkeit (siehe Humidex, Schwüle), Körpergröße und -gewicht, die Bekleidung, die Sonneneinstrahlung (Grad der Beschattung, Sonnenstand) und die Hautfeuchte. Es ist dabei zu beachten, dass es durch den Effekt des Windchill unter derlei Extrembedingungen sehr leicht und auch bei eigentlich positiven Lufttemperaturen zu Erfrierungen an den unbedeckten Hautpartien kommen kann, insbesondere im Gesicht. Der Effekt hat daher ach eine hohe Bedeutung für Wintersportler und Bergsteiger.

Kritik

Es gibt verschiedene Wege den Effekt des Windchill quantitativ zu bestimmen. Meist werden hierzu einfache Näherungsformeln mit stark eingeschränkter Gültigkeit, vorgefertigte Tabellen oder auch Nomogramme verwendet. Alle Methoden ist jedoch gemein, dass der durch sie bestimmte Wert idealerweise nur unter Berücksichtigung seines Zustandekommens verwandt werden sollte, denn weder ergeben die verschiedenen Berechnungsmethoden einheitliche Ergebnisse, noch muss der berechnete Wert besonders viel mit der Realität des konkreten Einzelfalles zu tun haben.

Literatur

  • Holton J. R. et. al. (2002): Encyplopedia of Atmospheric Sciences. San Diego, London, Academic Press. ISBN 0122270908