Geschichte Polens
Frühgeschichte
Die frühe Geschichte im Gebiet des späteren Polens sowie die Herkunft der Volksgruppen, die Polen später ausmachen sollten, ist von vielen Unsicherheiten bestimmt, da die Quellenlage mager und/oder widersprüchlich ist.
Über die frühesten Bewohner, die der Bronzezeit, und vorher der Steinzeit angehörten, ist wenig bekannt. Man ist sich allerdings sicher, dass zur Zeitwende germanische Stämme das Gebiet bewohnten, und seit dem 2. Jahrhundert nach Süden oder Osten zogen. Dieses relativ verlassenen Gebiete wurden dann im 4. oder 5. Jahrhundert von slawischen Stämmen, die wahrscheinlich den vordringenden Hunnen wichen, besiedelt.
Es gibt vereinzelte Hinweise auf danach entstehende Staatsgebilde. Der Slawenapostel Methodios schreibt in seiner Vita vom Staat der Wislanen, der 840 der orthodoxen Kirche angeschlossen gewesen sei.
In den folgenden Jahren fand sich diese Gegend im Kreuzungspunkt dreier Reiche: Im Westen das deutsche Heilige Römische Reich, im Süden Ungarn (Madjaren) und im Osten der Kiewer Rus, welche eine eigenständige Entwicklung Polens erschwerten. Diese Lage zwischen übermächtigen Nachbarn sollte sich auch in der Zukunft wiederholen, und Polen periodisch aufreiben oder als eigenständige politische Einheit zulassen. Zu dieser Zeit brachte erst der Sieg Otto I. über die Madjaren, sowie eine Orientierung Deutschlands gen Italien, Ruhe ins Land, und erlaubten den Aufbau des ersten (bekannten) eigenständigen Staatswesens.
Die Piasten: Erste politische Einheit
Der erste geschichtlich bezeugte Fürst ist Herzog Mieszko I., der die polnischen Stämme (u.a. die Polanen) militärisch einte.
Die Vorgeschichte dieses ersten polnischen Staatswesens ist sicher unvollständig, da Chroniken aus dieser Zeit (etwa Widukind von Corvey) ein etabliertes Staatswesen beschreiben. Daher muss man von eine der Geschichtsforschung bislang unbekannten früheren Entwicklung ausgehen. Auf jeden Fall findet sich im 10. Jahrhundert in der Gegend von Posen und Gnesen ein Polen genanntes Herzogtum.
Die legendären Piastenfiguren (Piast, Siemowit, Leszek, Siemomysl) überspringend, findet man Mieszko I. 960 als straffen Führer der polnischen Stämme. Er erweist sich als kompetenter Staatsmann, indem er 966 sich und sein Reich der römisch-katholischen Kirche anschließt. Hierdurch entgeht er der militärischen Missionierung durch Kreuzzüge, kann aber gleichzeitig die Unterstützung von Papst und Kaiser für eigene Erwerbe in 'heidnischen' Gebieten sicherstellen. Die Einrichtung eigenständiger polnischer Bistümer macht Polen weiter von äußeren Einflüssen unabhängig.
Mieszko I. erkannte die Überlegenheit des Deutschen Kaisers, und leistete Tributzahlungen, um einer formalen Lehenspflichtigkeit auszuweichen. Er erkannte später Otto III. als seinen Lehensherrn an, und erreichte dadurch dessen Unterstützung bei der Inbesitznahme Schlesiens.
Mieszko's Sohn Boleslaw I. Chrobry (der Tapfere) verfolgte eine gleichermassen aggressive Expansionspolitik, und stabilisierte seine Macht in Schlesien und Kleinpolen. Der Höhepunkt piastischer Macht war erreicht, als nach langen Kriegen gegen Kaiser Heinrich II., dem er den Lehnseid verweigert hatte, und gegen die Przemysliden die Lausitz, Mähren, die Slowakei und Pommern (als deutsches Lehen) unter polnische Herrschaft fielen. 1024 wurde Boleslaw I., mit dem Segen des Papstes Johannes XIX. zum König gekrönt, starb aber schon einige Monate später.
Zerfall des Piastenreiches in Teilfürstentümer
König Kasimir I. verlegte die Hauptstadt nach Krakau. Unter Kasimir erlangten die Adeligen immer mehr Mitspracherechte, die polnischen Teilfürstentümer verlangten immer mehr Selbständigkeit. Pommern und Schlesien verselbständigten sich im 12. Jh. wieder und gingen schließlich für Polen verloren. Hinzu kamen Überfälle der baltischen Altpreußen oder auch Pruzzen. Diese waren dabei, ein Teil ihres Landes zurückzuerobern, welches vor ein paar Jahren von Konrad von Masowien den Pruzzen entrissen worden war.
Der Fürst Konrad I. von Masowien rief den deutschen Orden ins Land, um sich für die Sicherung des von den Pruzzen eroberten Landes Hilfe zu holen. Im Laufe der darauffolgenden Zeit kam es zu wachsenden Gegensätzen zwischen Polen und dem deutschen Orden, der inzwischen in Ostpreußen einen eigenen Staat etabliert hatte.
Die Jagiellonen
Mit dem Tod König Kasimirs erlosch das Herrscherhaus der Piasten. 1385/86 wurde Polen mit dem damals nicht christianisierten Litauen vereinigt. Der dortige König Jagiello ließ sich taufen und begründete das Herrscherhaus der Jagiellonen. Die Herrscher von Polen-Litauen, verheiratet mit Habsburgtöchtern, ließen im 16. Jahrhundert den Staat zu einer der führenden Kontinentalmacht Europas aufsteigen, der zeitweise der größte Staat Europas war. Er umfasste das heutige Zentral- und Ostpolen, Litauen, Weißrussland und die Ukraine. Hinzu kam eine Blüte von Literatur und Kunst, wobei die polnische Sprache seit 1500 mit benutzt wurde.
Die Erste Republik: Herrschaft des Adels
1572 starben die Großfürsten von Litauen und ebenfalls Könige von Polen, die Jagiellonen ebenfalls aus und Polen wurde zur Adelsrepublik und Wahlmonarchie. D.h. dass nach dem Tod eines Königs die Adeligen sich trafen und einen König wählten, der jedoch nur repräsentative Bedeutung behielt. Kaiser Maximilian wurde gewählt, starb aber und der Schwede Sigismund III. Wasa wurde König. Die Macht hatten die Adeligen im Land. Die Beteiligung im Dreißigjährigen Krieg überforderte die polnische Adelsrepublik, so dass viele Gebiete an der Ostsee an Schweden und weite Teile Osteuropas an Russland verlorengingen.
Die Zeit der Teilungen
Unter König Jan Sobieski kam es Ende des 17. Jh. noch einmal zu einer kurzen Blütezeit, die unter dem sächsischen und polnischen König August der Starke zu Ende ging. 1772 kam es dann zur 'ersten polnischen Teilung' unter Stanislaus II. August, in der sich Preußen Pommerellen einverleibte, Russland nahm sich Teile Weißrusslands und Österreich nahm sich Galizien, die heutige Westukraine.
1791 gab sich Polen die 'erste geschriebene Verfassung' Europas, die für die damalige Zeit als revolutionär galt. Durch von außen geschürte Instabilität wurde dann die 'zweite polnische Teilung' begünstigt, in deren Verlauf Preußen das polnische Kernland um Posen als gleichnamige Provinz zugeteilt bekam, während Russland weitere Teile Weißrusslands und der Ukraine bekam. Der darauffolgende Aufstand unter T. Kosciuszko bot den Anlass, den Reststaat vollends zu liquidieren ('dritte polnische Teilung').
1807 errichtete Napoleon zwar ein Herzogtum Warschau, das aber nach den napoleonischen Kriegen als "Kongresspolen" zu einem russischen Satellitenstaat wurde, der immer mehr Einschränkungen hinnehmen musste.
In den drei Landesteilen fanden 1830/31, 1846 und 1863 Aufstände statt. Vor allem in Preußen und Russland wurde eine radikale Germanisierungs- bzw. Russifizierungspolitik durchgeführt. Im 1. Weltkrieg versuchte das Deutsche Reich die polnische Bevölkerung für sich zu gewinnen, indem es ein unabhängiges Königreich Polen auf russisch beherrschten Landesteilen in Aussicht stellte und 1916 proklamierte.
Piłsudski zog mit seiner Armee zusammen mit Österreich und Deutschland gegen die russische Armee.
Die Zweite Republik: Zwischen Demokratie und Diktatur
Anfang des Jahres 1918 gewann Polen zusammen mit anderen Ländern durch den Friedensvertrag von Brest-Litowsk seine Unabhängigkeit von Russland.
Durch Eintritt der USA verlor Deutschland den Krieg. Polen wurde Republik und bekam die preußische Provinz Posen und einen Zugang zur Ostsee bei Gdingen (Gdynia) ("polnischer Korridor").
1918 wurde J. Piłsudski Staatspräsident des wiederentstandenen Polen. Polen versuchte, die alten Grenzen unter Einschluss Litauens, Weißrusslands und der Ukraine, die damals von Millionen von Polen bewohnt wurden, wiederherzustellen, was zum Krieg mit Russland führte. Die litauische Hauptstadt Vilnius wurde besetzt, ebenso wie (vorübergehend) Kiew.
1921 wurde ein Friedensvertrag geschlossen und der Aufbau des Landes im Inneren in Angriff genommen. Polen entwickelte hierbei insbesondere gute Beziehungen zu Großbritannien und Frankreich - welche den Bau eines neuen Hafens in Gdynia finanzierten. Aus dem preussischen Fischerdorf mit 1000 Einwohnern wurde in wenigen Jahren ein polnischer Gross- und Militärhafen mit über 100 000 polnischen Einwohnern. Ebenso wurde aus dem Danziger Hafen Westerplatte ein polnisches Munitionslager. Der Zugang zu Ostpreussen vom restlichen Deutschen Reich war nur noch per Korridorzug auf der Ostbahn oder per Schiff (Seedienst Ostpreußen) möglich.
1935 starb Piłsudski, was Polen schwächte. Parallel dazu wuchs die Bedrohung aus Deutschland, das die Abtretung von Posen und dem polnischen Korridor nicht akzeptieren wollte. Nach Kündigung des deutsch-polnischen Nichtangriffspaktes 1939 folgte der Überfall Deutschlands auf Polen am 1.9.1939, was den Kriegseintritt Großbritanniens und Frankreichs und damit den Zweiten Weltkrieg zur Folge hatte. Ebenso wurde Polen von der Sowjetunion angegriffen.
Zweiter Weltkrieg: Das besetzte Polen
Polen wurde 1939 zwischen Deutschland und der Sowjetunion aufgeteilt, die polnische Regierung von Präsident Sikorski ging zuerst nach Paris, später nach London ins Exil und organisierte von dort aus die Streitkräfte neu.
Die Besatzungszeit hatte für große Teile der polnischen Zivilbevölkerung katastrophale Folgen. Die deutsche Besatzungsmacht errichtete ein Generalgouvernement Polen, in dem Polen den Status von Arbeitssklaven erhielten. Langfristig sollte der gesamte polnische Raum germanisiert werden, was in der Konsequenz die Vernichtung des polnischen Volkes einschloss. Die Namen von Vernichtungslagern, wie Auschwitz, Majdanek oder Sobibor, stehen für unzählige Morde an Polen durch Deutsche.
Bis 1941 waren auch die Polen, die in Ostpolen unter sowjetische Herrschaft geraten waren, von Menschenrechtsverletzungen betroffen. Viele Menschen wurden nach Sibirien deportiert; ein eklatantes Verbrechen war die Massenerschießung von polnischen Offizieren durch sowjetische Truppen bei Katyn 1940.
Während des Krieges und der Besatzungszeit kamen über 6 Mio. Polen, davon 3 Mio. jüdische Einwohner, ums Leben.
Durch Bildung von Partisanengruppen versuchten Polen auch nach der militärischen Niederlage Widerstand zu leisten. 1943 wurde ein Aufstand im jüdischen Ghetto von Warschau niedergeschlagen. 1944 scheiterte ebenfalls in Warschau ein Befreiungsversuch nationaler polnischer Verbände, da die Sowjetunion kein Interesse hatte, diese Einheiten zu unterstützen. Warschau wurde von deutschen Truppen dem Erdboden gleichgemacht.
Angesichts der ganz offenbaren Leiden der polnischen Bevölkerung wurde lange die Tatsache verdeckt, dass Polen auch zu Tätern geworden waren. Angestoßen wurde eine Debatte über polnische Täter durch die Geschehnisse im Ort Jedwabne, wo sich polnische Nachbarn an der Ermordung ihrer jüdischen Mitbürger beteiligt hatten.
Nach Ende des Krieges 1945 wurde Polen mit der Vertreibung polnischer Bürger aus der Ukraine, Litauen und Weißrussland und deren Ansiedlung in den ehemals deutschen Ostgebieten gewaltsam nach Westen verschoben, in die Grenzen des mittelalterlichen Piastenreiches. Dies ging mit hohen Verlusten an Menschenleben und viel menschlichem Leid unter Polen und Deutschen, die ihrerseits aus ihrer Heimat vertrieben wurden, vonstatten.
Die Volksrepublik Polen: Herrschaft der Kommunistischen Partei
Die Ostgrenze Polens wurde 1945 von der kommunistischen Regierung anerkannt. Gleichzeitig fanden Verstaatlichungen und Kollektivierungen statt. 1950 wurde die Oder-Neisse-Linie als polnische Westgrenze auch von der DDR anerkannt.
1956, 1970 und 1980 kam es in Industriebetrieben (v.a. an der Küste) zu Streiks gegen die kommunistische Regierung, die gewaltsam niedergeschlagen wurden. Parallel wurde in den siebziger Jahren unter dem deutschen Kanzler Brandt eine Entspannung im westdeutsch-polnischen Verhältnis eingeleitet (Warschauer Kniefall).
Wendezeit: 1980-1990: Kampf um Demokratie und Unabhängigkeit
Während des Streiks 1980 wurde die unabhängige Gewerkschaft Solidarność unter Wałęsa gegründet und gerichtlich bestätigt. 1981 wurde General Jaruzelski Präsident und verhängte das Kriegsrecht, um mehr Vollmachten im Kampf gegen Solidarność zu haben. Mehr als 1000 Personen wurden interniert. Ende der 80er Jahre wurde der Druck durch immer neue (von der katholischen Kirche unter Papst Johannes Paul II. moralisch unterstützte) Streiks so groß, dass in Runden-Tisch-Gesprächen für 1989 freie Wahlen angesetzt wurden. Die Zahl der Abgeordnetenmandate, die für die Opposition erreichbar waren, wurde allerdings beschränkt. Als Solidarność jedoch die volle Zahl der erreichbaren Mandate errang, bedeutete dies das Ende der kommunistischen Herrschaft. Wałęsa wurde Staatspräsident und Polen ein freier, marktwirtschaftlicher Staat. Diese Ereignisse trugen maßgeblich zum Fall der Mauer in Deutschland und zum Niedergang des Kommunismus im östlichen Europa bei.
Die Dritte Republik: Anschluss an den Westen
1990 wurde die Westgrenze Polens durch das wiedervereinigte Deutschland bestätigt. Die Kontakte Polens zu seinem westlichen Nachbarn entwickeln sich seitdem sehr vertrauensvoll und eng. Auch zwischen ehemaligen deutschen Bewohnern der damaligen Ostgebiete und den heutigen polnischen Einwohnern sind inzwischen viele Freundschaften entstanden. Polen gilt heute als wirtschaftlich aufstrebender, stabiler und demokratischer Staat, was in seiner Aufnahme in die NATO (12.03.1999) und seiner voraussichtlichen Aufnahme in die EU (2004; Beitritt abhängig von einer Volksabstimmung im Juni 2003) Ausdruck findet.
Externe Links
- http://freepages.history.rootsweb.com/~koby/political/chapter_02/0205pol992.html - Karte Polens von 922