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Europäische Holocaustgedenkstätte in Landsberg

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Erdhütten in einem KZ-Außenlager bei Kaufering. Aufnahme vom 29. April 1945 nach der Befreiung durch die US-Armee.

Die Europäische Holocaustgedenkstätte in Landsberg am Lech birgt die letzten Überreste des größten Konzentrationslagerkomplexes auf dem Boden des deutschen Reichs: unter anderem fünf Ruinen von KZ-Erdbunkern und die letzten Spuren von KZ-Erdhütten. Es gehörte verwaltungstechnisch zu den Außenlagern des KZ Dachau bei München. Der Lagerkommandant für den Konzentrationslagerkomplex von Landsberg/Kaufering (11 Konzentrationslager) wurde direkt in Berlin eingesetzt. Die „Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert“ konnte einen Teil des ehemaligen KZ-Geländes des KZ-Kommandos Kaufering VII erwerben und in einen würdigen Zustand versetzen. Der andere, verwilderte und verwahrloste Teil des Geländes befindet sich im Besitz der Stadt Landsberg. Er wurde eingeebnet und verfüllt.

Juden aus ganz Europa wurden zwischen dem 18. Juni 1944 und dem 9. März 1945 in die elf Lager des KZ-Kommandos Kaufering deportiert. Ziel war ihr Einsatz beim Rüstungsprojekt Ringeltaube – in drei gigantischen unterirdischen Bunkern die Flugzeugproduktion des Düsenstrahljägers Messerschmitt Me 262 im Frauenwald in Landsberg. In nur zehn Monaten wurden nach offiziellen Schätzungen mindestens 14.500 Menschen ermordet.

Die Außenlager des KZ Dachau unter dem Namen Kommando Kaufering

Kaufering war der namensgebende Bahnhof der Lechfeldbahn von München her.

Teil der kriegswichtigen Flugzeugproduktion

Der Einsatz der Gefangenen beim Rüstungsprojekt Ringeltaube zur Flugzeugproduktion des Düsenstrahljägers Me 262 wurde nach der Zerstörung Augsburgs und seiner Flugzeugwerke durch alliierte Bomberverbände geplant. Etwa 40 km entfernt wurde mit dem Bau von halb unterirdischen, bombenfesten Großbunkern begonnen. Dies war nicht nur in Augsburg die Behelfslösung sondern nach den schweren Verlusten durch alliierte Bomberangriffe an zahlreichen Orten des Reiches hatte Hitler 1944 die Verlegung der gesamten Rüstungsindustrie unter die Erde angeordnet. Um Landsberg sollte der neu entwickelte Typ des strahlgetriebenen Messerschmitt-Jägers Me 262 montiert werden, der den alliierten Flugzeugen um zweihundert Kilometer pro Stunde überlegen war. Es waren drei identische Bauwerke geplant, von denen aber nur noch der Bunker mit dem Codenamen Weingut II in Igling realisiert werden konnte. Das Gewölbe war als bombensichere Schutzkuppel für die eigentliche Montagehallen konzipiert und hatte eine Länge von 240 m, eine Breite von 83 m und eine Höhe von 30 Metern. Seine Kuppel bestand aus drei Meter dickem Stahlbeton. Darunter kam ein fünfstöckiges Stahlbetongebäude für die Fabrik. Beim Bau wurde eine Aufschüttung von 210.000 Kubikmetern Kies anstelle der üblichen Schalung aus Holz und Metall verwendet. Nach dem Gießen der Betondecke wurde dieser Kies wieder mittels Handarbeit und Kipploren abgebaut (48° 4′ 11,8″ N, 10° 49′ 34,8″ O).

Die Gefangenen wurden ohne Rücksicht auf Leib und Leben eingesetzt. Die Zuteilung von Lebensmitteln war mangelhaft. Nach dem Bericht der Kriegsverbrecheruntersuchungskommission unter Captain Barnet und den Prozeßunterlagen aus dem großen Dachauprozeß waren die 11 Konzentrationslager von Landsberg/Kaufering in Bezug auf die menschenunwürdige Unterbringung, die Verpflegung und die hohe Todesrate die schlimmsten in Bayern. Die Häftlinge nannten diese Lager „Kalte Krematorien“.

Die umstrittene Zahl der Opfer

Wieviele der jüdischen KZ-Häftlinge um Landsberg und Kaufering ermordet wurden, ist nicht bekannt im Sinn von aktenkundig und dort belegt. Es gibt zwei kontroverse Zahlen. Im April 1949 versuchte der Generalanwalt des Bayerischen Landesamts für Wiedergutmachung, Dr. Auerbach, die Zahl der in den KZ-Kommandos von Kaufering und Landsberg ermordeten jüdischen KZ-Häftlinge zu ermitteln. Im „Landsberger Amtsblatt" und in den „Landsberger Nachrichten" wurden Bürger der Stadt und des Landkreises Landsberg und ehemalige KZ-Häftlinge aufgerufen, Angaben „betreffs der im Kreis Landsberg gestorbenen KZ-Insassen zu machen". Danach erstellte Dr. Auerbach einen Bericht, der am 23. April 1949 an die Stadt Landsberg ging: „Zusammenstellung der Lagerstärken und Todesziffern der Lager um Landsberg". Demzufolge wurden in den 11 Konzentrationslagern von Landsberg und Kaufering in zehn Monaten 44.457 KZ-Häftlinge ermordet. Darunter sind „4000 Tote, die auf den Todesmarsch in Stadt und Landkreis erschossen, erschlagen und vor Schwäche gestorben" waren. Diese Zahlen erzeugten angeblich eine Woge der Entrüstung und des Entsetzens in Landsberg. Es kam zu einer Gegenschätzung durch eine Kommission mit dem damaligen Oberbürgermeister Ludwig Thoma, dem Landrat Dr. Otto Gerbl, dem Vertreter des jüdischen Komitees Abraham Pelmann, dem Vertreter des Bayerischen Hilfswerks Curt Klemann und dem Redakteur und ehemaligen NSDAP-Mitgliedes Paul Winkelmayer. Sie einigte sich auf die oben genannte Zahl 14.500 Tote. Nach dieser quasi „amtlichen Schätzung", die bis heute immer noch Gültigkeit hat, wäre zum Beispiel kein einziger KZ-Häftling bei der Räumung der Außenlager und auf den Todesmärschen umgekommen.

Die heutige Anlage

Die Europäische Holocaustgedenkstätte in Landsberg am Lech.

Jeder einzelne der Gedenksteine, die von europäischen Staatsoberhäuptern den deportierten und ermordeten Juden aus ihren Ländern gestiftet worden waren, beschreibt auf seine Weise die Bedeutung der Erinnerung an den Verlust des jüdischen Teils der jeweiligen Nation. Sie stehen an zentraler Stelle – dem ehemaligen Appellplatz – 12 Granitstelen stehen denen gegenüber, die für die 11 Konzentrationslager des KZ-Kommandos Kaufering und das KZ-Lager Landsberg auf dem Fliegerhorst Penzing stehen. Gleichzeitig symbolisieren sie die 12 Stämme Israels. Im Osten dieses Ensembles mahnt ein Gedenkstein der amerikanischen und französischen Befreier „Niemals wieder“. Im Westen hat die Bürgervereinigung im Gedenken der jüdischen Opfer einen Stein errichtet, da weder Bundespräsident Herzog noch sein Nachfolger Rau bereit waren, einen deutschen Gedenkstein zu stiften.

Vervollständigt wird der zentrale Gedenkplatz durch drei kleine Steine, die namentlich bekannten Opfern des KZ-Lagers Kaufering gewidmet sind. Diese Elemente stehen nicht nur zueinander in Bezug, sondern auch im historischen Kontext der baulichen Überreste der KZ-Erdbunker, der im Boden freigelegten Fundamente von Funktionsbaracken und den sich im Untergrund abzeichnenden Formationen der früheren KZ-Erdhütten.

Am Eingang zum ehemaligen Konzentrationslager zeigt eine Informationstafel den geschichtlichen Kontext des Lagers im gesamten KZ-Kommando Kaufering auf. Eine historische Kipp-Lore steht für die entmenschlichende Fronarbeit, die die jüdischen Gefangenen als Arbeitssklaven leisten mussten.

Hier zur Karte Europäische Holocaustgedenkstätte

Das Ziel: ein Stein aus jedem Land

Die Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert ist an alle europäischen Staatspräsidenten mit der Bitte herangetreten, im Gedenken an die Opfer aus dem jeweiligen Land einen Gedenkstein zu stiften. Entstanden ist diese Idee bereits im Jahr 1993. Die Bürgervereinigung schrieb an insgesamt 15 europäische Staatspräsidenten. Im Laufe der Zeit sollte so ein Europäische Denkmal gegen Totalitarismus und Gewalt entstehen, das die europäische Dimension des Holocaust deutlich macht. Absagen erhielt die Bürgervereinigung – mit Ausnahme von den deutschen Bundespräsidenten Herzog und Rau – bislang keine. Im Gegenteil: die angeschriebenen Staatspräsidenten, Königs- und Fürstenhäuser reagierten durchweg positiv. Eine Antwort aus Italien und Griechenland fehlt bisher. Elf Staatsoberhäupter haben den Bitten entsprochen.

Friedhöfe überall in einer Region

Der KZ-Friedhof an der Bahnstrecke Schwabhausen – einer von drei Gedenksteinen für die 130 Opfer der NS-Herrschaft.

Noch bestehen Begräbnisstellen und Friedhöfe der Opfer als (in).... :

  • KZ-Friedhof für das KZ-Außenlager Kaufering I (Industriegebiet Landsberg)
  • KZ-Friedhof für das KZ-Außenlager Kaufering II (beim Aussiedlerhof angelegt durch das KZ-Kommando von Otto Moll, dem Gaskammerkommandanten von Auschwitz)
  • KZ-Friedhof für die KZ-Außenlager Kaufering II und XI (Kreuzung Landsberg/Holzhausen)
  • KZ-Friedhof für das KZ-Außenlager Kaufering III (Staustufe)
  • KZ-Friedhof für das KZ-Außenlager Schwabmünchen/Kaufering IV (Staustufe)
  • Kaufering IV Friedhof des Holocaust vom 27. April 1945 direkt im ehemaligen KZ-Lagerbereich, angelegt durch die amerikanischen Befreier
  • KZ-Friedhof für Verstorbene nach der Befreiung in Holzhausen/Buchloe
  • KZ-Friedhof für das KZ-Außenlager Kaufering VI (an der Staustufe am Lech in Seestall)
  • KZ-Friedhof für das KZ-Außenlager Kaufering VII (Nähe der Maria-Eichkapelle, an der Abzweigung Stadtteil Landsberg – Erpfting)
  • KZ-Friedhof für das KZ-Außenlager Kaufering IX
  • KZ-Friedhof für das KZ-Außenlager Kaufering X (in der Nähe der Firmen Dyckerhoff und Widmann, an der Verbindungstrasse von Utting nach Holzhausen)
  • KZ-Friedhof in St. Ottilien für Überlebende des Transportzuges nach Dachau vom 27. April 1945 neben dem christlichen Friedhof der Mönche des Klosters St. Ottilien
  • KZ-Friedhof an der Bahnstrecke Schwabhausen, drei KZ-Gedenksteine mit hebräischer Inschrift weisen auf: „Tote jüdische Opfer eines Fliegerangriffes auf den Transportzug mit jüdischen KZ-Häftlingen des KZ-Kommandos Kaufering vom 27. April 1945“ hin.

Siehe auch

Literatur und andere Quellen

  • N.N.: Die Vernichtung der Juden im Rüstungsprojekt „Ringeltaube“. Das KZ-Kommando Kaufering/Landsberg 1944/1945. Themenhefte Landsberger Zeitgeschichte Nr. 4. 56 S. ISBN 3-9803775-3-9 (Broschüre o. D.)
  • Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert: Todesmarsch und Befreiung – Landsberg im April 1945: Das Ende des Holocaust in Bayern ISBN 3-9803775-1-2
  • Alois Epple.: KZ Türkheim. Das Dachauer Außenlager Kaufering VI. Lorbeer Verlag. Bielefeld 2009 ISBN 978-3-938969-07-6
  • Edith Raim: Die Dachauer KZ-Außenkommandos Kaufering und Mühldorf – Rüstungsbauten und Zwangsarbeit im letzten Kriegsjahr 1944-45. Dissertation, Landsberg, 1992.

Berichte und Aufsätze zu den geschichtlichen Hintergründen

  • Berichte von Zeitzeugen aus dem KZ-Kommando Kaufering
  • Ladislaus Ervin-Deutsch: Sklavenarbeit in Kaufering. In: Dachauer Hefte 2 (1986), S. 109–111.
  • Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert: Von Hitlers Festungshaft zum Kriegsverbrecher-Gefängnis N° 1: Die Landsberger Haftanstalt im Spiegel der Geschichte ISBN 3-9803775-0-4
  • Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert: Todesmarsch und Befreiung – Landsberg im April 1945: Das Ende des Holocaust in Bayern ISBN 3-9803775-1-2
  • Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert: Der nationalsozialistische Wallfahrtsort" Landsberg: 1933–1937: Die „Hitlerstadt“ wird zur „Stadt der Jugend“ ISBN 3-9803775-2-0
  • Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert:Das KZ-Kommando Kaufering 1944/45: Die Vernichtung der Juden im Rüstungsprojekt „Ringeltaube“ ISBN 3-9803775-3-9
  • Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert: Das SS-Arbeitslager Landsberg 1944/45: Französische Widerstandskämpfer im deutschen KZ ISBN 3-9803775-4-7
  • Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert: Landsberg 1945–1950: Der jüdische Neubeginn nach der Shoa – Vom DP-Lager Landsberg ging die Zukunft aus ISBN 3-9803775-5-5
  • Barbara Fenner: Es konnte überall geschehen. Landsbergs schwierige Zeitgeschichte. Landsberg 1995. ISBN 3-9804362-0-9
  • Barbara Fenner: Wir machen ein KZ sichtbar. Katalog zur Schülerausstellung über das Lager XI des größten Außenkommandos des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau im Bunker der Welfenkaserne Landsberg, Hofstetten 2000.
  • Annette Brinkmann u.a., (Hg.): Lernen aus der Geschichte. Projekte zu Nationalsozialismus und Holocaust in Schule und Jugendarbeit, Bonn 2000. Multimediapaket, auch für Unterrichtsvorbereitung. Die CD-ROM ist vergriffen. Die meisten Informationen finden sich auf dieser Website.

Manfred Deiler:

Anton Posset:

Michael Strasas:

Dr. phil. Hermann Kriegl

Film

Koordinaten: 48° 1′ 48,5″ N, 10° 51′ 9″ O