Chiropraktik
Die Chiropraktik (griechisch χειροπρακτική [τέχνη] - die hand-werkliche Tätigkeit ), auch Manuelle Medizin oder Manualtherapie ist eine komplementärmedizinische, biomechanische Behandlungsmethode mit Techniken, die die normale Beweglichkeit der Gelenke - besonders an der Wirbelsäule - wiederherstellt. Dabei berücksichtigt sie sowohl das gestörte Gelenkspiel (joint play) als auch die Verschiebung (Subluxation).
Geschichte
Es existieren zahlreiche chiropraktische Richtungen - vor allem in den USA - die untereinander verfeindet sind. Begründer war der Osteopath David Daniel Palmer, USA (1845-1913).
Den Entdeckungstag der Chiropraktik, es war der 18. September 1885, beschreibt Palmer so: "Harvey Lillard, der Pförtner des Rayan-Blockhauses, in dem ich meine Praxis hatte, war schwerhörig. Er hörte nicht mehr das Gerattere eines Pferdefuhrwerks auf der Straße und nicht mehr das Ticken seines Weckers. Ich wollte wissen, woher diese "Taubheit" kam, da sagte er zu mir, dass er etwas Schweres gehoben habe, in einer verkrampften, gebeugten Haltung. Er hätte dann das Gefühl gehabt, dass etwas abgedrückt worden sei in seinem Rücken, und unmittelbar danach sei er taub geworden.
Die Untersuchung ergab: Ein Wirbel war abgedrängt aus seiner normalen Lage. Ich dachte mir, wenn der Wirbel wieder richtig sitzen würde, dann müßte das Gehör des Mannes wieder funktionieren. Mit diesem Ziel vor Augen, versuchte ich - in einem halbstündigen Gespräch -, Herrn Lillard davon zu überzeugen, dass er erlauben sollte, die Rückplatzierung vorzunehmen. Ich brachte den Wirbel in seine richtige Position, indem ich den Dornfortsatz (Proc. spin.) des Wirbels als Hebel verwendete, und kurz darauf konnte der Mann wie vorher hören. Daran war nichts Zufälliges, sondern es war die Vollendung eines bewussten Zieles, und das Resultat entsprach den Erwartungen."
Die ältesten Zeugnisse aus diesem Bereich stammen von den Ägyptern. Genaue wissenschaftliche Beschreibungen dieser Heilmethode wurden uns in Europa durch den griechischen Arzt Hippokrates (460-377 v.Chr.) überliefert.
D.D. Palmer erklärte das Besondere seiner Behandlungsmethode: "Die Grundprinzipien und die Prinzipien der Chiropraktik, die sich daraus entwickelt haben, sind nicht neu. Ich beanspruche dennoch, der Erste zu sein, der einen verschobenen Wirbel unter Verwendung der Dorn- und Querfortsätze (Proc. spin. u. trans.) als Hebel benutzt, wodurch der ausgerenkte Wirbel wieder seine normale Position erlangt. Von dieser Grundtatsache ausgehend, wurde eine Wissenschaft geschaffen, die dazu bestimmt ist, die Theorie und Praxis der Heilkunst zu revolutionieren." (Übersetzungen: D. Oesch)
Welche Krankheiten lassen sich erfolgreich mit Chiropraktik behandeln?
Kopfschmerzen - Migräne - Spannungskopfschmerz
Muskuläre Verspannungen an der Halswirbelsäule können die Ursache für Kopfschmerzen sein. Oft sind diese Kopfschmerzen dem Patienten seit langem bekannt. Auslösende Faktoren sind häufig Infekte mit längerer Bettlägerigkeit, Fehlbelastungen am Arbeitsplatz (Computerarbeit) oder in der Freizeit, Unfallfolgen (z. B. Schleudertrauma). Diese Faktoren liegen oft Jahre zurück. Plötzlich auftretende starke Kopfschmerzen sind ein Notfall und müssen schnellstens einem Neurologen vorgeführt werden. Kopfschmerzen können auch oft durch versteckte Ängste auftreten, an die sich die Patienten nicht mehr erinnern können wie zum Beispiel einen Sturz von einer Treppe. Dadurch kann es geschehen dass sich immer wieder beim Treppen laufen auch eine Schutzhaltung einschleicht, da der Pat. unbewusst starke Angst vor dem Treppengang hat und sich dadurch wieder auf muskuläre Verspannungen einlässt.
Armschmerzen (Brachialgie)
Diese Beschwerden entstehen häufig durch Subluxationen im Halswirbelbereich. Bei gleichzeitigen Vitamin B-Gaben lassen sich schnelle Erfolge erzielen. Sollte allerdings ein Bandscheibenvorfall (Discus Prolaps) die Ursache sein, so muss abgeklärt werden (mit Computer-Tomographie oder Kernspin-Tomographie), ob der Vorfall so groß ist, dass eine konservative Behandlung nicht mehr ausreicht und eine operative notwendig ist. Durch neurologische Untersuchungen muss diese Prognose dann entsprechend gestützt sein.
Organbelastungen
Der ganze Körper ist über die Nerven - in einem Netzwerk - mit dem Gehirn verbunden. Das Rückenmark bildet die Verteilstation für das Muskel-Skelettsystem und die inneren Organe. Kleinste Beeinträchtigungen der Rückenmarksnerven können folgenreich sein für innere Organe. Dies wird oft nicht genügend berücksichtigt, so können z.B. Schmerzen im Herzbereich auftreten, die nicht vom Herzmuskel oder den Herzkranzgefäßen ausgehen - muss aber abgeklärt werden durch kardiologische Untersuchungen. Die Chiropraktik kann dann im Brustwirbelbereich eine entsprechende Subluxation beheben und damit die Schmerzen beseitigen.
Hexenschuss (Lumbago)
Auch bei einem so genannten Hexenschuss kann eine gezielte chiropraktische Anwendung einen Erfolg bringen.
Bandscheibenschaden (Ischias)
Ein Schaden an einer Bandscheibe (Discus interv.) verursacht häufig Rückenschmerzen, meist im Lendenwirbelbereich. Zwei Faktoren sind dabei ausschlaggebend:
- Bindegewebsschwäche (genetisch)
- Vorschädigungen: Beinverkürzung, Skoliose (seitliche Verbiegung der Wirbelsäule), Beckenschiefstand, Abnutzungen (Spondylarthrose, Osteochondrose) Haltungsfehler.
Zwei Schweregrade einer Bandscheibenschädigung lassen sich unterscheiden: 1. Vorwölbung (Protrusion) Dementsprechend sind auch die ausstrahlenden Schmerzen meist nicht so stark, wie bei einem echten Vorfall. 2. Bandscheibenvorfall (Discus Prolaps) Symptome sind: stärkere Schmerzen, Taubheitsgefühle, Missempfindungen, die in ein Bein (selten beide) ausstrahlen (Reizung des Ischiasnerven) oder an der Wirbelsäule selbst, bzw. in näherer Umgebung, z.B. Gesäß. Behandlung durch sehr vorsichtige chiropraktische Anwendungen ist nur möglich, wenn ein chirurgischer Eingriff röntgenologisch nicht empfohlen wird. Sie kann dann als Ergänzung der Krankengymnastik angesehen werden.
Beckenverschiebung
Das Skelett ist symmetrisch aufgebaut. Auch das Becken besteht aus zwei gleichen Beckenschaufeln. Was geschieht aber, wenn durch einen Unfall eine Verschiebung dieser Hälften eintritt? Diese wirkt sich auf die gesamte Statik der Wirbelsäule aus und bedeutet eine hohe Belastung z.B. für die Bandscheiben. Anatomische Beckenverschiebungen durch ungleiche Beinlängen müssen ausgeglichen werden, aber funktionelle Beckenschiefstände können durch chiropraktische Manipulation beseitigt werden.
Diese Theorien werden meist von Fachleuten herangezogen, die wenig Wissen von aktuellen Studien besitzen, um eine Legitimation zu bekommen eine Therapie durchzuführen. Funktionelle Beinlängendifferenzen bis zu 1,5 cm sind in großen Literaturstudien als unrelevant für folgende Probleme erkannt worden (Mc Cowen). Dies führt häufig dazu, dass Personen als behandlungsbedürftig (Manipulation, Einlage, etc.) bezeichnet werden, ohne dass ein echter Behandlungsbedarf besteht.
Die Grenzen der Chiropraktik
Jede Behandlungsmethode hat natürliche, schöpfungsgemäße Grenzen. Diese lassen sich nur mit Schädigungen überschreiten. So gibt es generelle und teilweise Anwendungsverbote: Dazu gehören z.B. Tumoren, akutes Rheuma, schwere Entkalkungszustände der Knochen (Osteoporose), Wirbelbrüche, schwere Bandscheibenvorfälle. Zu einer soliden Behandlung gehört, wie immer im Bereich der Medizin, eine exakte Diagnostik. Das umfasst neben dem klinischen Befund auch eine bildgebende Diagnostik, mit der krankhafte Veränderungen der zu behandelnden Skelettanteile festgestellt werden können.
Können die Bänder durch Chiropraktik geschädigt werden?
Die Techniken der Chiropraktik sind nicht ohne Gefahren – aber das trifft auf jede Behandlung, auch auf «Bagatell-Behandlungen» zu, auf Blinddarmoperationen genau so wie auf Grippe-Impfungen. Das weiß jeder seriöse Behandler und deshalb wird er alle nur möglichen Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um einer Schädigung vorzubeugen. Bei einer sachgemäßen Anwendung kommt es nicht zur Schädigung der Bänder, sondern zu deren Entlastung (Beseitigung der Subluxation) und zu deren Regeneration. In allen Staaten der Welt wird heute mehr oder weniger - auch unter anderen Namen, Chiropraktik angewendet, in Amerika sind es z.Z. ca. 50 000 Therapeuten.
Eine Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Chiropraktik ist eine Notwendigkeit und diese gibt es unter den Heilpraktikern und Ärzten in großer Zahl und diese werden auch vielfältig genutzt. Masseuren und Physiotherapeuten ist es verboten, Chiropraktik anzuwenden. Physiotherapeuten, die eine Fortbildung in Manueller Medizin abgeschlossen haben, dürfen nur mobilisierend arbeiten, aber keine "Wirbel einrenken"!
In Deutschland git es unterschiedliche Berufsbezeichnungen: Doctor of Chiropractic: Absolvent eines 4-7 jährigen Hochschulstudiums der Chiropraktik an einer Universität im Ausland. Heilpraktiker: Verbandlich organisierte Zusatzqualifikation. Chirotherapeut: Mediziner mit Zusatzausbildung in Manueller Medizin.
Zwei Jahrzehnte existierte eine ärztliche "Forschungs- und Arbeitsgemeinschaft für Chiropraktik". Die Zusatzbezeichnung "Chirotherapie" wurde auf dem Deutschen Ärztetag 1976 festgelegt. Die vorhergehende Arbeitsgemeinschaft hat man so zur "Deutschen Gesellschaft für Manuelle Medizin" umgewandelt. Das neue Etikett hatte mehr oder weniger die gleichen Inhalte. Dass die wissenschaftlichen Forschungen, die meist nur an Universiäten durchgeführt werden können, hinzu kamen, ist positiv zu bewerten.
Können Schlaganfälle durch Chiropraktik ausgelöst werden?
Von aufgetretenen Schlaganfällen als Folgen der Behandlungen im Halswirbelbereich wurde in Fernseh-Reportagen mehrfach berichtet. Auch eine ganze Reihe medizinischer Untersuchungen deuten an, dass es hier Zusammenhänge geben könnte, es gibt aber auch gute Argumente gegen einen solchen Zusammenhang. Eine entsprechende Vorsicht ist also durchaus angebracht. In das Gehirn führen vier Schlagadern. Rechts und links jeweils die im Weichgewebe eingebettete Arteria carotis und die in einem engen Knochenkanal der Halswirbel laufende Arteria vertebralis. Während die meisten Schlaganfälle im Versorgungsgebiet der A. carotis erfolgen, wird der chirotherapeutischen/chiropraktischen/... Manipulation eine gehäufte Verletzung der A. vertebralis nachgesagt. Diese Verletzung (sog. Dissektion) führt meist rasch zu Nackenschmerzen und erst nach Stunden oder Tagen zu Schlaganfallbeschwerden. Es ist also bestimmt nicht selten, dass entsprechende Patienten erst wegen der Nackenbeschwerden zum Chirotherapeuten / Chiropraktiker / Osteopathen gehen, "eingerenkt" werden und später die Schlaganfallsymptome verspüren. In der Statistik fallen sie alle unter die Patienten, bei denen nach "Einrenken" ein Schlaganfall aufgefallen ist. Insgesamt müssen Schlaganfälle nach Einrenken als sehr selten angesehen werden. Jede Operation hat ein Restrisiko, jede Einnahme von Medikamenten. Um das Risiko zu senken, sollte ein "Einrenken" an der Halswirbelsäule nur von solchen Therapeuten durchgeführt werden, die nicht nur ihre Einrenk-Fertigkeiten gründlich und nachweisbar erlernt haben, sondern die auch die Krankheiten der Wirbelsäule kennen, die man nicht "einrenken" kann. Eine Behandlung durch Laien ist mindestens im Bereich der Halswirbelsäule daher strikt abzulehnen. Es bleibt zu erwähnen, dass Chirotherapie, Chiropraktik und Osteopathie auch über Techniken ohne "Ruck" verfügen, bei denen durch langsames Dehnen ähnliche, oft sogar gleiche, Erfolge erzielt werden können und denen bisher kein Schlaganfallrisiko nachgesagt wird. Eine dieser Techniken ist die PIR (Post- Isometrische Relaxation), ein sehr elegantes, schädigungsfreies Verfahren, das allerdings Geduld voraussetzt.
Siehe auch: Dorn-Therapie,