Leinöl
Leinöl ist ein Pflanzenöl, das aus Leinsamen, den reifen Samen von Flachs (Linum usitatissimum L.), gewonnen wird. Als Rohleinöl (rohes Leinöl) bezeichnet man Leinöl, dem keine anderen Öle oder sonstige Stoffe zugesetzt sind.
Nahrungs- und Heilmittel
Leinöl war früher ein beliebtes Hausmittel gegen Husten, Verbrennungen und Magenbeschwerden. Seine heutige geringe Verbreitung hängt wohl mit dem gewöhnungsbedürftigen Geschmack zusammen. Leinöl ist sehr gesund und enthält fast ausschließlich ungesättigte Fettsäuren und einen hohen Anteil an dreifach ungesättigter Alpha-Linolsäure, die positiv auf Blut und Gefäße auswirkt. Vor allem in der Lausitz wird Leinöl als würzige Soße für Quark und Kartoffeln verwendet.
Herstellung
Leinöl wird ähnlich wie Kürbiskernöl hergestellt. Die getrockneten Leinsamen werden zu Mehl gewalzt, mit heißem Wasser vermengt und in einer Knetmaschine solange bearbeitet, bis eine feste, bröselige Masse entsteht, die unter Rühren geröstet wird. Anschließend wird das Öl in einer hydraulischen Presse von den Feststoffen separiert. Aus vier Kilogramm Leinsamen kann ein Liter Öl gewonnen werden.
Eine andere Form der Leinölgewinnung ist die Pressung durch eine Schneckenpresse. Hierbei wird der Leinsamen im schonenden Kaltpressverfahren mit Hilfe einer Schneckenwalze bei geringem Druck durch den Presszylinder gedrückt. Verschiedene Düsen am Ende des Auslaufs wie auch eine Veränderung der Pressgeschwindigkeit haben Einfluss auf den Ölertrag. Bei der Kaltpressung werden Öltemperaturen von maximal 40 °C erreicht.
Farb- und Anstrichmittel
In der Malerei wird Leinöl neben anderen trocknenden Ölen (Mohnöl, Walnussöl) als Bindemittel verwendet. Leinöl war und ist noch immer das wichtigste Bindemittel für Ölfarben. Aufgrund des hohen Gehalts an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren (ca. 17 bis 23,5% Ölsäure, 13,8 bis 17,5% Linolsäure und 50 bis 60% Linolensäuren) trocknen Leinöle sehr gut auf und sind für die Zwecke der Malerei hervorragend geeignet. Die Trocknung ist ein oxidativer Polymerisationsprozess, der sich in Abhängigkeit von Sauerstoff, Licht, Temperatur und Zuschlagstoffen mit katalytischen Eigenschaften (Sikkative) über Jahre bis Jahrzehnte hinziehen kann. Dabei lagert sich an die Doppelbindung der ungesättigten Säuren Luftsauerstoff an und es kommt im Weiteren zu einem komplexen Ablauf chemischer Reaktionen, der die Vernetzung der einzelnen Moleküle zur Folge hat. Das polymere Endprodukt heißt Linoxyn und ist vielen auch als wesentlicher Bestandteil des Linoleums bekannt.
Über den chemischen Prozess hinaus ist für den (Öl-)Maler noch von Bedeutung, dass das Volumen von Ölfarbe zunimmt durch die Oxydation (Aufnahme von Sauerstoff), in Gegensatz zu trocknender Acryl-Farbe, die von Volumen her abnimmt beim Trocknen. Das macht sich insofern bemerkbar, als bindemittelreiche Farbschichten darüber liegende bindemittelarme Farbschichten 'sprengen' können. Es kommt dann zu typischer Rissbildung. Man kann sie daran erkennen,dass nur jeweils die obere Farbschicht gerissen und die darunterliegene unversehrt zu sehen ist. Das sind so genannte 'Schwundrisse' im Gegensatz zu 'Altersrissen', die bis zum Malgrund (Holzplatten oder Leinwand) durchgehen. Oft ist auch bei allzu hohem Bindemittelanteil ein 'Speckigwerden' zu beobachten. Gemeint ist, dass sich die Malschicht auf Grund ihrer Ausdehnung in Falten aufwirft, also 'Runzeln' bildet. Dies ist zumeist in den dunkleren Partien von Bildern zu beobachten, da die gebräuchlichen dunklen Farbpigmente (braune Erden, Ruß oder Kohle) eine relativ geringe Teilchengröße aufweisen und dadurch einen höheren Bindemittelbedarf haben. Der Bindemittelbedarf eines Pigments wird durch die Ölzahl ausgedrückt. Die Ölzahl ist eine genormte Kennziffer, die beschreibt, wieviel Gramm Lackleinöl benötigt werden, um 100 g eines Pigments zu einer zusammenhaltenden, kittartigen Substanz anzuteigen.
Korrosionsschutzmittel
Schon im Mittelalter wurde Leinöl als Korrosionsschutzmittel für Rüstungen und Waffen verwendet (Brünieren). Wann verwendete es auch früher im Fahrzeugbau und kehrt heute in Oldtimerkreisen wieder zu dieser ungiftigen und Lösungsmittel freien Art der Konservierung zurück. Das Öl bildet nach dem Abbinden einen wachsartigen, rißfreien Überzug. Dies macht Leinöl seit je her geeignet für die Imprägnierung von Holzmöbeln und Außenfassaden. Zu beachten: Leinöl neigt bei einem hohen Zerstäubungsgrad zu Selbstentzündung bei Raumtemperatur! Es kam schon öfters in Schreinereien zu Bränden aufgrund unsachgemäßer Handhabung der mit Leinöl getränkten Lappen und Pinsel. Beim Fahrzeugkorrosionsschutz sind solche Vorfälle bis jetzt noch nicht bekannt geworden. Dies liegt vermutlich an der relativ geringen Luftkontaktfläche der glatten Bleche (im Vergleich zu ölgetränkten Baumwollappen in einer staubigen Schreinerei).
Sonneneingedicktes Leinöl
Eine besondere Form ist das sonneneingedickte Leinöl. Es wird der Sonne über mehrere Monate ausgesetzt und dabei immer wieder umgerührt, damit sich kein Film bildet. Um für die Oxidation eine große Oberfläche zu haben, werden entweder flache Wannen benutzt oder ein Belüfter, wie er für Aquarien Verwendung findet, der durch das ständige Umwälzen auch die Filmbildung verhindert.
Diese Behandlung hat vier Ziele. Erstens wird die Konsistenz dadurch zähflüssiger, zweitens wird das Leinöl dabei gebleicht (also heller), drittens die Trockenzeit verkürzt und viertens die Volumenzunahme beim Trocknen verringert, was die Gefahr der Runzel- und Rissbildung vermindert. Verwendung findet das sonneneingedickte Leinöl in erster Linie im Geigenbau und der flämischen Barock-Malerei. Beim Geigenbau wird das Leinöl so stark eingedickt, dass die Masse zur Homogenisierung durch einen Fleischwolf gedreht werden muss.