Blutzuckermessgerät
Ein Blutzuckermessgerät ist ein elektronisches Gerät zur Bestimmung des Glucose-Gehaltes von Blut (Blutzucker). Hierzu wird eine Blutprobe venös, arteriell bzw. kapillär entnommen und auf einen Blutteststreifen aufgebracht und dann mit Hilfe des Messgerätes untersucht. Im Handel findet sich eine Vielzahl von Geräten mit unterschiedlichen Ausstattungsmerkmalen.[1] Blutzuckermessgeräte und zugehörige Teststreifen sind Medizinprodukte i.S. des Medizinproduktegesetzes (MPG) und Hilfsmittel (§ 33 SGB V) bzw. Hilfsmittelzubehör im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 31 Abs.1 SGB V, § 2 Satz 4 Hilfsmittel-Richtlinie).
Technik

Die ersten Geräte für den Hausgebrauch bestimmten den Zuckergehalt photometrisch. Dazu wurde ein Blutstropfen auf einem Probenstreifen in einen Strahlengang im Geräteinneren eingebracht. Der Zuckergehalt wurde dann anhand der charakteristischen Lichtabsorption der mit der Glucose reagierenden Teststreifenchemie ermittelt. Diese Lichtabsorption ist von der Glukosekonzentration abhängig.
Bei der heute üblichen amperometrischen Messung wird das Blut auf einen kleinen Teststreifen aufgebracht und= im Teststreifen über eine Kapillare zu einem von außen nicht sichtbaren Testfeld eingesaugt. Dort reagiert es mit Glucose-Oxidase und schließt den Kontakt zwischen verschiedenen Elektroden. Das Blutzuckermessgerät legt an diese Kontakte eine definierte elektrische Spannung und misst im Zeitverlauf die Stromstärke, die durch das Blut geleitet wird. Aus dem Stromstärkenverlauf bestimmt das Gerät dann den Blutzuckerwert. Es gibt in Deutschland zurzeit unterschiedlich kalibrierte Blutzuckermessgeräte: die plasmakalibrierten Messgeräte weisen den Blutzuckergehalt im Plasma aus, die Vollblut-kalibrierten Messgeräte entsprechend im Vollblut. Die im Plasma ermittelten Werte liegen etwa 10 % höher. Die meisten Labor-Messgeräte messen den Blutzucker im Plasma, da diese Werte genauer sind. Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft empfiehlt daher auch eine Umstellung der Blutzuckermessgeräte auf die Plasma-Messung.[2]
Funktionen
Wie alle Geräte der Elektronik werden auch BZ-Messgeräte kontinuierlich weiterentwickelt: Die Geräte sind kleiner, preiswerter, schneller (Messdauer zwischen 5 und 8 sec.) und insgesamt leistungsfähiger geworden; neben der eigentlichen Blutzuckerbestimmung verfügen moderne Messgeräte über eine Reihe von Sonderfunktionen, die die Handhabung für den Patienten erleichtern sollen. Dazu gehört z.B. eine Beleuchtung der Einführöffnung für die Blutzuckerteststreifen oder des Displays, damit die Messung auch bei schlechten Lichtverhältnissen durchgeführt werden kann. Speziell für sehbehinderte Diabetiker gibt es entweder Geräte mit einer kurzzeitig extragroßen Anzeige der Werte oder aber der Darstellung in Warnfarben bei erhöhtem oder zu niedrigem Blutzucker sowie Geräte mit Voice-Funktion, die die gemessenen Werte zusätzlich zur Anzeige im Display ansagen, entweder in deutscher oder türkischer Sprache.
Viele Geräte verfügen außerdem über eine individuell einstellbare Erinnerungsfunktion, die mittels eines Signaltons auf eine ausstehende Messung hinweist. Einzelne Geräte besitzen darüber hinaus eine Vorrichtung, die es ermöglicht, mehrere Teststreifen im Verbund einzulegen, so dass für mehrere aufeinander folgende Messungen (beispielsweise auf Reisen) kein Teststreifenwechsel erforderlich ist. Auch ist heute eine Codierung bei neu angebrochenen Teststreifenpackungen bei den meisten Geräten nicht mehr nötig (. Vor allem aber bieten neuere Geräte diverse Möglichkeiten der Protokollierung, Verarbeitung und Verknüpfung der gemessenen Blutzuckerwerte beispielsweise mit Angaben zur Medikation sowie mit persönlichen Ernährungs- und Bewegungsdaten, die dem Patienten das handschriftliche Führen eines Diabetes-Tagebuches abnehmen und ihm so größere Mobilität und Flexibilität ermöglichen. Es können hunderte einzelner Blutzuckerwerte gespeichert, Durchschnittswerte über mehrere Wochen errechnet und Maximal- bzw. Minimalwerte ausgewiesen werden. Darüber hinaus bieten zahlreiche Messgeräte den Patienten die Möglichkeit, im Rahmen bestimmter Voreinstellungen Angaben zu Mahlzeiten, sportlicher Betätigung oder Informationen zum subjektiven Befinden ("fühle mich unwohl", "Stress") einzugeben.

Eine Vielzahl gängiger Geräte kann inzwischen diese Daten mittels spezieller Medizinsoftware auch über eine USB- oder Infrarotschnittstelle an einen Rechner übertragen; die protokollierten Werte können so beispielsweise in der diabetologischen Praxis oder am heimischen PC ausgelesen werden oder in einem Internetportal in eine vorinstallierte Patientenakte übertragen werden, die auch der behandelnde Arzt einsehen kann. Neben dieser Direktübertragung, bei der das Blutzuckermessgerät unmittelbar an einen Rechner angeschlossen wird, gibt es auch die Möglichkeit, die entsprechenden Werte durch eine zwischengeschaltete Sendevorrichtung vom Messgerät an ein Online-Portal zu übermitteln; seit wenigen Jahren ist dies auch per Handy möglich: ursprünglich in einer 3-Komponenten-Kommunikation vom Messgerät via Bluetooth zu einem mit spezieller Software ausgestatteten Handy und von dort aus an ein Online-Diabetes-Tagebuch. Dies ermöglicht eine unmittelbare Kommunikation zwischen Patient und Arzt und z.B. auch eine automatische Alarmmeldung an das medizinische Fachpersonal bei drohenden Stoffwechselentgleisungen. Neuerdings ermöglicht eine extra kleine Geräteart, die zum Andocken speziell an ein iPhone entwickelt wurde, mittels einer speziellen App die unmittelbare Online-Bearbeitung der gemessenen Werte sowie deren Weiterleitung per E-Mail.
Sicherheit und Zuverlässigkeit der Geräte ist im Patientenalltag weitgehend gewährleistet,[3] wenngleich „die Güte der Messqualität von Geräten verschiedener Hersteller ... eine beachtliche Bandbreite“ aufweise.[4]
Genauigkeit
Die zulässige Genauigkeit von Blutzuckermessgeräten ist in der DIN EN ISO 15197 geregelt.[5] Vereinfacht ausgedrückt darf bei 95% der Glucosemesswerte die Abweichung zum Referenzmesswert 15 mg/dl (0,83 mmol/l) bzw. 20% nicht überschreiten. Die 15 mg/dl (0,83 mmol/l) gelten dabei für Glucosemesswerte <75 mg/dl (<4,2 mmol/l), für Messwerte ≥75 mg/dl (≥4,2 mmol/l) gelten die 20%. Soll ein Blutzuckermessgerät eine CE-Kennzeichnung erhalten, muss der Nachweis erbracht werden, dass diese Vorgabe eingehalten wird.
Nach den Richtlinien der deutschen Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung labormedizinischer Untersuchungen (RiLiBAEK) liegt die „zulässige relative Abweichung des Einzelwertes“ bei 11%, die „zulässige relative Abweichung beim Ringversuch“ bei 15%.[6] Zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 1, beim Insulin-behandelten Typ-2-Diabetiker und auch bei der Behandlung des Schwangerschaftsdiabetes sind die Blutzuckerselbstkontrollen unverzichtbar geworden.
Fehlerhafte Messergebnisse resultieren in aller Regel aus falscher Handhabung, sei es, dass die Hände vor der Messung nicht gründlich gewaschen wurden und z.B. an der Blutentnahmestelle noch Zuckerreste anhafteten, die Fingerbeere sehr „ausgemolken“ wurde und mehr oder weniger Wundwasser hinzukommt oder die Teststreifen nicht sachgemäß verschlossen und aufbewahrt wurden.
Kosten und Bedeutung der Blutzuckerselbstkontrolle

Die Kosten für Blutzuckerselbstkontrollen durch den Patienten werden bei insulinpflichtigen Diabetikern von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet und zwar ohne Zuzahlung, soweit die Teststreifen wirtschaftlich sind (§ 31 Abs. 3 SGB V, § 33 Abs. 1 Satz 5 SGB V).[7] Bei Diabetikern mit einer intensivierten Insulintherapie und einem Bedarf von 5-6 Messungen pro Tag, d.h. 140 Teststreifen pro Monat, entstehen Kosten von etwa 84 Euro pro Monat, im Jahr etwa 1000 Euro. Die Teststreifen wirtschaftlicher Anbieter sind um bis zu 35 % günstiger, z.B. auch im Diabetes Fachversand.
Zur Kostensenkung hat der Verband der Ersatzkassen mit dem Deutschen Apothekerverband zum 1.10.2010 vertraglich vereinbart, dass die Apotheken zukünftig 10% der gesamten Verordnungen von Blutzuckerteststreifen auf Produkte der günstigeren Preisgruppe (B)umstellen, da die teurere Preisgruppe (A) i.d.R. unwirtschaftlich ist. Die Unterteilung des Vertrages nach Preisgruppe B (günstig) und A (teuer)betrifft nämlich nur Preisunterschiede, nicht aber quantifizierbare Qualitätsunterschiede. [8]
Das Blutmessgerät wird nicht vom Arzt sondern von den Leistungserbringern, also den Sanitätshäusern und Apotheken, im Auftrag der Krankenkasse nach Wirtschaftlichkeitskriterien ausgesucht (§ 7 Abs.3 Satz 2 der verbindlichen Hilfsmittel-Richtlinie). Hält der Arzt ein ganz bestimmtes Messgerät bzw. Teststreifen als Zubehör für notwendig, darf er es ausnahmsweise namentlich verordnen, wenn er auf dem Rezept eine medizinische Begründung dafür angibt (§ 7 Abs. 3 Satz 3 und 4 Hilfsmittelrichtlinie). Dies ist ein Ausnahmefall, da alle Messgeräte, die eine Hilfsmittelnummer besitzen, die Qualitätskriterien für eine Selbstmessung erfüllen (§ 139 SBG V).Im übrigen kann auch das beste Gerät keine genauen Ergebnisse liefern, da z.B. durch die Beimengung von mehr oder weniger Wundwasser Toleranzen bis zu 20 % möglich sind (so auch nach dem Hilfsmittel-Katalog, Hinweise zu Produktgruppe 21).
Bei nicht insulinpflichtigen Patienten sollen die Kosten nach Beschluss des G-BA vom 17. März 2011 künftig nicht mehr übernommen werden[9]; nur noch in Ausnahmefällen bei instabiler Stoffwechsellage, z.B. bei Ersteinstellung oder Therapieumstellung bei hohem Hypoglykämierisiko, sollen pro Behandlungssituation maximal 50 Teststreifen von dieser Verordnungseinschränkung ausgenommen werden können.[10] Die Bewertung durch das IQWiG im Jahr 2009,[11] auf die sich der Gemeinsame Bundesausschuss beruft, "ergab weder für die Blutzuckerselbstmessung noch für die Urinzuckerselbstmessung einen Beleg für einen Nutzen bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, die nicht mit Insulin behandelt werden.(...) Aus den epidemiologischen Studien zur Thematik ergab sich kein Nachweis einer Assoziation der Blutzuckerselbstmessung mit Morbidität und Mortalität."
Die deutschen Diabetesverbände diabetesDE, DDG, VDBD, BVND und DDS kritisieren diese Bewertung und fordern eine Beibehaltung der Verordnungsfähigkeit von Blutzuckerteststreifen.[12] Laut dem Gesundheitsbericht Diabetes von 2011 wird die Selbstmessung sowohl für insulinpflichtige als auch für nichtinsulinpflichtige Diabetiker als „wichtiges Element der Diabetestherapie“ in allen anerkannten Schulungsprogrammen empfohlen. Laut einer dort zitierten Stellungnahme der Deutschen Diabetes-Gesellschaft und weiterer Verbände sei die Blutzuckerselbstkontrolle auch bei nichtinsulinpflichtigen Typ-2-Diabetikern eine „entscheidende Voraussetzung für die Motivation, Schulung und Therapie des Patienten“.[13]
Einzelnachweise
- ↑ Diabetes Netzwerk Deutschland in Diabetes-News.de
- ↑ Pressemeldung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (vom 6. Januar 2010)
- ↑ Stiftung Warentest - Blutzuckermessgeräte in Test 04/2007
- ↑ diabetesDE: Stellungnahme von diabetesDE zum Arzneiversorgungsvertrag zwischen Apothekerverband und Verband der Ersatzkassen. Anl. 4: Preisregelung für Teststreifen, gültig ab 01. Oktober 2010. 15. Dezember 2010, abgerufen am 3. Februar 2011.
- ↑ Testsysteme für die In-vitro-Diagnostik – Anforderungen an Blutzuckermesssysteme zur Eigenanwendung beim Diabetes mellitus (DIN EN ISO 15197, 2003). Abgerufen am 25. Februar 2011.
- ↑ 2008.pdf Richtlinien der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung labormedizinischer Untersuchungen 2008
- ↑ Zum grundsätzlichen Versorgungsanspruch vgl. SGB V. Abgerufen am 28. Januar 2011. Die Verordnungspraxis differiert je nach KV, vgl. beta-institut gemeinnützige GmbH: Verordnung von Blutzuckerteststreifen. 19. Februar 2010, abgerufen am 28. Januar 2011.
- ↑ vdek und DAV: Arzneiversorgungsvertrag zwischen vdek und DAV. 1. Oktober 2010, abgerufen am 7. Februar 2011.
- ↑ G-BA: Verordnungseinschränkung bei Blutzuckerteststreifen. 17. März 2011, abgerufen am 17. März 2011.
- ↑ Vgl. hierzu die Begründung des G-BA: Tragende Gründe. zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Änderung der Arzneimittel-Richtlinie. 17. März 2011, archiviert vom am 28. März 2011; abgerufen am 28. März 2011.
- ↑ [1] Abschlussbericht Zuckerselbstmessung bei Diabetes mellitus Typ 2, IQWiG, 14.Oktober 2009
- ↑ diabetes DE, DDG, VDBD, BVND und DDS: Gemeinsame Stellungnahme von diabetes DE, DDG, VDBD, BVND und DDS zur Änderung der Arzneimittelrichtlinie und der Anlage III "Harn- und Blutzuckerteststreifen bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2". 19. April 2010, abgerufen am 31. Januar 2011.
- ↑ Bernhard Kulzer: Die psychologische Dimension des Diabetes mellitus. In: Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2011, hrsg. von diabetesDE, ISSN 1614-824X, S. 44–47, hier 43f.