Geschichte des Motorfluges
Unter Motorflug wird meist der motorisch angetriebene Flug mit einem Gerät verstanden, das schwerer ist als Luft.
- Häufig meint das Wort auch den Gegensatz zum Segelflug.
- Eigentlich bedeutet es Fliegen mit Motor und schließt die Luftschiffe (Zeppelin) ein.
Der erste Motorflug überhaupt gelang Henri Giffard mit seinem dampfgetriebenen Luftschiff am 24. September 1852 und führte von Paris nach Trappes.
Der erste Motorflug mit einem "Schwerer-Als-Luft-Fluggerät" wird den Brüdern Wilbur und Orville Wright am 17. Dezember 1903 zugeschrieben. Sie waren aber nicht die ersten, jedoch die erfolgreichsten, weil sie ihr Produkt am besten vermarkten konnten, denn es gelang Ihnen zunächst, das US-Militär für ihre Erfindung zu interessieren. Vor ihnen erhob sich schon Wilhelm Kress am 1. Oktober 1901 mit einem Wasserflugzeug am Wienerwaldsee kurz in die Luft, ehe es infolge einer Windbö das Ufer touchierte. Karl Jatho aus Hannover machte im August 1903 mehrere meterhohe kurze Flüge. Sein Flug mit einem selbstgebauten Fluggerät vom 18.08.1903 über eine Weite von 80 Metern und eine Höhe von 3 Metern auf der Vahrenwalder Heide bei Hannover wurde in notariell beurkundeten Augenzeugenberichten dokumentiert. Doch viele halten den Deutschamerikaner Gustav Weißkopf 1901 für denjenigen, dem der Ruhm des Erstflugs gebühre. Allerdings wurde er schon zu Lebzeiten als Aufschneider bezeichnet.
Zu erwähnen sind auch der französische Elektriker Clément Ader (9. Oktober 1890, 14. Oktober 1897), Alexander Moshaiski in Petersburg (1882) sowie die Engländer Sir Hiram Maxim (1893) und Percy Pilcher. Die Wright-Brüder 1903 waren die ersten, die flugfähige Maschinen bauten und den industriellen Prozess in Gang brachten.
Zunächst glaubte jedoch kaum jemand daran, dass der Mensch wirklich fliegen kann. So zeigte zum Beispiel auch die Armee der USA kein Interesse für die ersten Vorschläge der Wrights, das Flugzeug für Luftspähzwecke zu verwenden. So gingen die Wrights ab 1907 zunächst nach Europa. Nach der überwältigenden Resonanz in der Alten Welt interessierte sich dann auch das offizielle Amerika für das Flugzeug.
In Deutschland konzentrierte sich das Interesse mehr auf den Motorflug mit starren Luftschiffen, insbesondere auf die Entwicklungen des Grafen Zeppelin, dessen LZ 1 am 2. Juli 1900 zum ersten Mal fuhr. Basis für die Erfolge des Zeppelins und der späteren motorischen Luftfahrt war die Entwicklung des leichten Benzinmotors. Frankreich war das erste europäische Land, in dem sich die Fliegerei mit Motor am dynamischsten entwickelte. Die wichtigsten Impulse gingen dabei von Hauptmann Ferdinand Ferber aus, der die Arbeiten von Lilienthal und der Wrights verfolgte. Ferber gelang es allerdings erst am 25. Juni 1908 selbst zu fliegen.
Am 12. November 1906 "Bird of Prey" flog Alberto Santos-Dumont mit seiner „14-bis“ die ersten öffentlichen und beglaubigten Motorflüge. Er gewann den Archdeancon-Preis und das Preisgeld von 1.500 Franc für den ersten Motorflug der Welt über 100 Meter. Vorher war der Öffentlichkeit kein Motorflug mit dieser Flugweite bekannt. Im Jahr 1907 schrieb Captain Ferber in seinem Buch "Aviation": "Der brasilianische Erfinder hat gezeigt das Motorflugzeug kann fliegen."
Chronologie der ersten Motorflüge
Eine Expertenkommission im amerikanischen Magazin National Aeronautics Ausgabe Dezember 1939 sowie die Denkmäler und Denkstätten zu Ehren des ersten Motorflieger der Welt, wie beispielsweise in Bagatelle, Cabangu, Saint Cloud, Rio de Janeiro, Petropolis, etc. und der unten genannten Daten kommen einige Fachleute zu einem anderen Ergebnis:
- Bis 1906 kamen nur vereinzelte Berichte über erfolgreiche Motorflüge in lokalen Zeitungen, die sich nicht ernsthaft wiederholten. Es ist nicht bekannt, dass Fotos dazu veröffentlicht wurden.
- November 1881 - erstes Patent wurde eingereicht für ein Motorfluggerät durch Alexander Fjodorowitsch Moshaiski,
- Im "Bridgeport Herald" (einem Sonntagsblatt) wurde am 18. August 1901 von einem Flug ("Nr.21") vom 14. August berichtet, der sich über eine "ganze" halbe Meile erstreckte. In dem Bericht heißt es, dass Richard Howell, der Herausgeber der Zeitung, James Dickie und Andrew Celli, Weißkopfs Assistenten und der Erfinder Gustav Weißkopf selbst vor Ort in Fairfield anwesend waren. Gustav Weißkopf hat im November 1908 auf der Ausstellung der New York Aeronautic Society den Beach/Whitehead-Doppeldecker vorgestellt, der keinen erfolgreichen und keinen dokumentierten Flug unternahm.
- Jathos Erstflug am 18. August 1903 hatte immerhin vier Zeugen, die eidesstattlich versicherten: Jatho sei zunächst 18 Meter weit und knapp 1 Meter hoch geflogen. Beim 3. oder 4. Versuch sei er 60 m weit und 3 m hoch geflogen. Karl Jatho wiederholte seine Flüge mit einem verbesserten Flugmodell 1909 und gründete 1913 eine Flugzeugfirma.
- Oktober 1903 - Amerikanische Zeitungen berichteten von einem missglückten Motorflugversuch durch Samuel Langley,
- 18. Dezember 1903 - 3 Zeitungsblätter veröffentlichten ein Telegramm des Telegraph Operator Alpheus W. Drinkwater, in dem enthielt, dass die Gebrüder Wright Motorflüge absolvierten. Genaue Angaben gab es scheinbar nicht und keine Fotos. Ein Zeitungsblatt gab sogar die Überschrift: "Die Gebrüder Wright fordern den großen Santos-Dumont heraus". Später gab Alpheus W. Drinkwater in der New York Times bekannt, dass die Motorflüge der Gebrüder Wright am 17.12.1903 Gleitflüge waren und dass der erste erfolgreiche Motorflug am 6.5.1908 war.
- September 1904 - Die Gebrüder Wright wollten ihren "Flyer II" einem Journalisten Namens Amos Root vorführen. Wegen fehlendem Wind und schlechtem Wetter konnte der "Flyer II" nicht fliegen.
- 1904 - das Gleitflugpatent US821,393 vom 23. März 1903 der Gebrüder Wright wurde unter GB6732/1904 registriert. Die Pro-Gebrüder Wright-Fachleute sahen und sehen noch heute dieses Patent als das Ur-Patent in dem Bereich Motorflug an. Nur der Motor und der Propeller fehlten und fehlen noch heute gänzlich im Patent.
- Mitte Oktober 1905 schrieb das Magazin "Scientific American" und wunderte sich über Aussagen von Augenzeugen, die Fluggebilde am Himmel sahen: "Der unternehmungslustige amerikanische Reporter, der bekanntlich durch den Kamin kommt, wenn ihm die Türe vor der Nase zugeschlagen worden ist, hätte sonst bereits alles über sie in Erfahrung gebracht..."
- Daraufhin schrieb das "The Herald" am 10.02.1906: "fliers or liars".
- Die Gebrüder Wright schrieben an das US-Militär 1905 und an die französische Regierung 1906, dass sie im Geheimen, ein erfolgreiches Flugmodell haben, aber ohne eine praktische Demonstration, ohne Fotos und ohne Resultate. Ebenfalls waren sie in der Folgezeit auch mit den Kriegsministerien Großbritanniens, Deutschlands, Osterreichs und Russlands in ergebnislose Verhandlungen getreten.
- 1906 schrieb Sir Stanley Mosely: "Es ist kompletter Nonsens zu glauben, Motorflugzeuge können jemals fliegen."
- 18. März 1906 Traian Vuia - erfolgreicher Motorflug über 12 Meter mit 50 Meter Startanlauf. Mehrere Zeitungen berichteten später über den Flug.
- 12. November 1906 "Bird of Prey" Alberto Santos-Dumont - erster beglaubigter und öffentlicher Motorflug der Welt über 100 Meter mit der "14-bis" mit einem 50 PS Motor und gewann dafür den Archdeancon-Preis,
- Nach der Veröffentlichung des "Bird of Prey" (erster Motorflug der Welt über 100 Meter) im "New York Herald" schrieben die Gebrüder Wright in einem Brief an Captain Ferber, um unter anderem Informationen über die Maschine von Santos Dumont zu erfragen, die in der amerikanischen Zeitung veröffentlicht wurde,
- 13.Januar 1908 Henri Farman - erster Motorflug der Welt über 1 km und gewann dafür den Grand Prix d´Aviation Preis von Archdeancon und Deutsch,
- 1907 - Der Motorflug von Jacob Christian Hansen Ellehammer vom 12. September 1906 über 42 Meter wurde nachträglich bekannt.
- 1907 schrieb Captain Ferber in seinem Buch "Aviation": "Der brasilianische Erfinder hat gezeigt das Motorflugzeug kann fliegen."
- 1907 stiegen die Gebrüder Wright für mehrere Monate im Hotel Meurice Zimmer 516 in Frankreich ab und erwerben bei ihrem Besuch einen französischen Motor. Von eventuellen Motorflügen seit 1903 war bei ihrem Besuch keine Rede.
- Bei ihrer Rückkehr Ende 1907 versuchten die Gebrüder Wright in den USA Motorflüge mit dem französischen Motor. Die Gebrüder Wright waren sicherlich die besten Gleiter ihrer Zeit, aber bis jetzt hatten sie scheinbar nicht den richtigen Motor. Jetzt erst werden die Leute in den USA aufmerksam auf die Motorflugversuche der Gebrüder Wright. Scientific American befragte 17 Zeugen, um die Flüge von 1903/1905 in North Carolina und Ohio. Erst als die Gebrüder Wright wirklich Motorflugversuche Ende 1907 nachweisen konnten, wurden die Augenzeugen ernsthaft befragt. Vorige Befragungen schenkte das Magazin Scientific American den Augenzeugen keinen Glauben. Es gibt immer noch Fragen, die nicht geklärt wurden, wie beispielsweise mit oder ohne Hilfsmittel (Katapulttechnik, Gegenwind, vom Hügel aus). Auf diese 17 Zeugen berufen sich die Nordamerikaner und die meisten Europäer, dass die Gebrüder Wright die ersten Motorflieger der Welt sind.
- Am 13. Januar 1908 schrieb Flugpionier Gabriel Voisin: "Ich habe noch keinen Motorflug der Wrights gesehen und noch keine Dokumente konnten bisher geliefert werden."
- Das erste Pressephoto am 14.05.1908 im New York Herald von einem Motorflug der Gebrüder Wright wurde in der Colliers´ am 30.05.08 und in der L´illustration am 6.6.08 als Trick bezeichnet.
- Ende Mai 1908 - Erste Europatournee der Gebrüder Wright begann mit einem zehnwöchentlichen Fiasko und die Gebrüder Wright wurden in der französischen Presse ab sofort als die "Bluffeurs" genannt.
- 8. August 1908 Wilbur Wright - erster öffentlicher Motorflug in Le Mans der Gebrüder Wright (offizielle Version) mit dem französischen Motor "Barriquand et Marre" von 30 hp, der erst 1907 in Frankreich erworben wurde. Nach 10 Wochen Spott in Frankreich war der Flug für die Wrights eine Genugtuung. Wilbur Wright schrieb nach Hause: "Blériot und Delagrange waren so überwältigt, dass sie kaum sprechen konnten." Delagrange soll dann noch gesprochen haben nach dem Schreiben von Wilbur Wright: "Wir sind geschlagen. Wir existieren nicht einmal." Die französische Seite konnten Wilbur Wrights starke Worte nicht bestätigen. Wilbur Wright schrieb scheinbar aus einer überglücklichen Haltung über seine ersten öffentlichen Motorflüge. Wilbur Wright flog noch 1908 mit Katapultsystem.
- Nach der Rückkehr der Gebrüder Wright in den USA nach der zweiten Augustwoche 1908 schließen sie einen Vertrag mit dem US-Militär ab.
- 4. September 1908 Gebrüder Wright - Veröffentlichung der Motorflüge der Gebrüder Wright vor 1908 durch Fort Myer, durch das US-Militär, inklusive der Fotos vor 1908. Im Umlauf sind aber derzeit 3 verschiedene Versionen mit mindestens 2 widersprüchlichen Augenzeugenaussagen. In den Unterlagen der Gebrüder Wright wurden 104 bzw. 105 bzw. 109 Flüge nur im Jahr 1904 gezählt und weitere Flüge fanden die Leser unter dem Jahr 1905. Darunter stand auch der Flug am 5.10.1905 mit 39 Minuten Flugdauer und 24,5 Meilen Flugstrecke. Nach Einsicht der Unterlagen befanden einige Pro-Gebrüder Wright-Fachleute 1908 und später den Flug am 5.10.1905 nachträglich als den ersten öffentlichen und wirklichen Motorflug (beides inoffiziell). Die Öffentlichkeit und die Experten blieben von diesen Flügen von 1903, 1904 und 1905 bis 1908 völlig unberührt. Die Flüge, ob Motorflüge oder Gleitflüge oder mit oder ohne Katapult, konnten nie unabhängig überprüft werden. Jeden 3. Tag im Jahr 1904 sind die Wrights geflogen und niemand von der Presse konnte jemals ein Foto machen. Nach der Veröffentlichung hielten und halten noch heute viele Fachleute die Tagebücher der Wrights nicht für wahrheitsgetreu (angefangen von dem Amerikaner Archdeacon und dem Franzosen Voisin).
- Die französische Presse schrieb nach der Veröffentlichung der Wrights im September 1908 nüchtern und gelassen: "Die kleinen Details vom Leben der Gebrüder Wright scheinen letzt endlich wenig faszinierend."
- 1908 und später - Die Details der Motorflüge wurden neben den Wrights öffentlich von verschiedenen Pioniere aus der Vergangenheit bekannt und diskutiert, wie Moshaiski 1884, Ader 1890/1897, Sir Maxim 1893, Kress 1901, Weißkopf 1901, Gilmor 1902, Pearse 1903, Jatho 1903.
- September und Dezember 1908 flogen die Gebrüder Wright 70 Minuten bzw. 2 Stunden und 18 Minuten und sie waren die Attraktion für eine gewisse Zeit.
- Für die Welt waren die Gebrüder Wright knapp ein Jahr (Herbst 1908 - Mitte 1909) die Meister der Lüfte. Sie waren in ihrer Zeit die besten Gleiter und verstanden die Flugkonstruktion am ehesten, aber scheinbar nur durch einen französischen Motor konnten die Gebrüder Wright ein Jahr in der Welt glänzen. Für die Welt glänzte Alberto Santos Dumont 11 Jahre (1898-1909) als Meister der Lüfte.
- 25. Juli 1909 Louis Bleriot - erste Ärmelkanalüberquerung,
- 1909 Voisin, Santos Dumont, Léon Levavasseur und Farman und noch ein paar Franzosen flogen den Gebrüder Wright davon. Blériot, Santos Dumont und Léon Levavasseur (Erbauer der Antoinette) bauten den Flugzeugtypen der Zukunft: Eindecker, Motor und Propeller vorn, Höhen- und Seitensteuer hinten.
- September 1909 Alberto Santos Dumont - erstes Sportmotorflugzeug der Welt mit einem Geschwindigkeitsrekord 55,8 mph (18 km in 16 Minuten). Das Flugmodell wurde in den USA und in Europa kopiert.
- 1928, 10x 1953 und 2003 vergebliche Flüge des "Flyer-I" aus unterschiedlichen Gründen. Der "Flyer-I" hatte nur 12 PS bei 330kg Gewicht und bei einer Geschwindigkeit von 50 Km/h. Die "14-bis" hatte 50 PS bei 290 Kg Gewicht und bei einer Geschwindigkeit von 41,7 Km/h.
- Der amerikanische Spezialist in Sachen Flyer I Ken Hyde sagte im The News Observer am 15.12.2002: "Wir wissen wie wir einen Mann zum Mond bringen, aber wir können kein erfolgreiches Flugzeug bauen nach dem wahren Flugplan der Wrights." Der wahre "Wright-Flyer-I" hat bis jetzt nicht den Beweis erbracht, dass er fliegen kann.
Literatur
Andreas Venzke: Pioniere des Himmels. Verlag Artemis & Winkler. Düsseldorf und Zürich 2002 ISBN ?
Captain Ferber: Aviation. 1907