Zum Inhalt springen

Beginen und Begarden

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 25. August 2005 um 12:02 Uhr durch HaeB (Diskussion | Beiträge) (Änderungen von Benutzer:84.170.135.92 rückgängig gemacht und letzte Version von Benutzer:134.109.132.160 wiederhergestellt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Beginen und Begarden heißen in den Quellen des 12.-14. Jahrhunderts die Mitglieder der Collegia Beguinarum, bzw. Beguinorum, religiöser Gemeinschaften, die zwischen Ordensgemeinschaften und Laien angesiedelt waren.

Name

Beginenhof in Brügge von außen.

Andere Schreibweisen sind Beguinen, Beginen oder Begutten, Beguinae, beziehungsweise Beghardi, Beguini, Beckarden, weitere Bezeichnungen Polternonnen, Seelschwestern, Matemans (= Genossen'), Lollarden, Zellenbrüder oder Celliten.

Der Name Beginen wird erst im 15. Jahrhundert von den Insassen dieser Stifte selbst gebraucht, in der früheren Zeit ist es ein Schelt- und Sektenname, welcher von den "Brüdern" und "Schwestern" (denn so pflegten sie sich einfach zu nennen) zurückgewiesen wurde.

Die Herkunft des Namens Beginen oder Begarden ist bis heute nicht geklärt. Es gibt verschiedene Deutungsansätze. So wird der Name einmal auf den Lütticher Priester Lambert de Beghe (=Stammler) zurückgeführt. Auf einer Legende scheint die Verbindung mit dem Namen der Hl. Begga zu beruhen. Die Ableitung von dem Namen Lambert le Bègues, der 1180 in Lüttich ein Beginenhaus stiftete, hat einige Wahrscheinlichkeit für sich; dagegen scheint die Erzählung von der heiligen Begha, welche in einer späteren Epoche zur Schutzpatronin der Beginenhäuser gemacht wurde, auf einer Legende zu beruhen.

Organisation

Beginenhofe in Brügge, Innenansicht

Allein stehende Frauen und Witwen, die meist begütert waren, schlossen sich zu religiösen Gemeinschaften zusammen, ohne jedoch einer Ordensgemeinschaft anzugehören. Die Beginen legten nur ein Gelübde auf Zeit ab, das in der Regel jährlich erneuert wurde. Im Gegensatz zu den Ordensschwestern in den Klöstern war es den Beginen gestattet, wieder aus der Gemeinschaft auszuscheiden, ihr Vermögen mitzunehmen, zu heiraten und ein bürgerliches Leben zu führen.

Die Beginen lebten in so genannten Beginenhöfen. Jede Gemeinschaft war souverän und selbständig. Sie besaß eine Grande Dame oder Meisterin, die aus ihrer Mitte, meist für ein Jahr gewählt wurde. Die unterschiedlichen Beginenhöfe hatten unterschiedliche Zielsetzungen.

Auch wenn die meisten Beginen wohlhabend waren, sorgten sie doch auch durch Tätigkeiten für ihren Lebensunterhalt. Sie pflegten Kranke, betätigten sich als Leichenwäscherinnen oder übten das Textilhandwerk aus.

Beginen widmeten sich aber auch dem Gebet und der Kontemplation. Aus der Gemeinschaft der Beginen sind einige bekannte Mystikerinnen hervorgegangen, beispielsweise Juliana von Liège, auf deren Anregung das Fronleichnamsfest zurückgeht.

Beispiellos ist daraus hergehend ein umfassendes Archiv von Schriften der Selbstanalyse.

Nach dem Vorbild der Beginen wurde die männliche Gemeinschaft der Begarden gebildet.

Geschichte

Beginenkloster in Stuttgart-Bad Cannstatt

Die Bewegung der Beginen entstand im 12. Jahrhundert in Belgien und Flandern.

Auf dem vierten Laterankonzil wurde die Gründung neuer Gemeinschaften verboten, ein Jahr später erhielten sie jedoch auf Ersuchen Jakob von Vitrys mündliche Bewilligungen vom Papst. Darauf folgte die Zeit der größten Ausbreitung des Beghinenwesens im das 13. und 14. Jahrhundert. Damals gab es Konvente in fast ganz Westeuropa, besonders in Oberitalien, Südfrankreich, Deutschland, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz. In Köln gab es im Jahre 1240 etwa 2.000 Beginen.

Die Beginengemeinschaften standen zu den katholischen Orden, von welchen sie sich prinzipiell unterschieden, in Opposition und wurden vom Klerus nicht gerne gesehen.

Neben den seßhaften Beginen entstanden in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts auch wandernde Beginengemeinschaften, die vom Bettel lebten, oft extreme religiöse Vorstellungen vertraten und nicht nur von der Kirche, sondern auch von den Städten ungern gesehen wurden. Insbesondere die deutschen Bischöfe bekämpften die Bewegung und setzten 1311 auf dem Konzil von Vienne eine Verurteilung durch, von der der Papst nur die südlichen Niederlande ausnahm. Die deutschen Beginenhöfe wurden in der Folge aufgelöst.

Während noch die Inquisition von Toulouse vom Jahr 1307 ab zahlreiche Beginen und Begarden als Ketzer zur Einmauerung und Verbrennung verurteilt hatte, erließ Papst Johannes XXII. am 7. März 1319 eine Bulle, in welcher allen denjenigen Beginen und Begarden, welche die Regel der Franziskaner-Tertiarier annehmen wollten, Gnade zugesichert wurde. Viele Gemeinschaften stellten sich unter den Schutz des Franziskaner- oder Dominikanerordens. Die Bulle Papst Nikolaus V. vom 12. Februar 1453 nahm alle damals noch bestehenden Konvente in den Schoß der Kirche auf und verlieh ihnen die Rechte der Tertiarier.

Innerhalb des Reichsgebiets verschwanden sie mit dem 16. Jahrhundert. In Norddeutschland nahmen sie meist die Reformation an.

In Belgien, wo sie kirchlich organisiert wurden, existieren sie noch heute (20 Beghinenhäuser mit etwa 1.500 Insassen), beispielsweise in St. Amandsberg bei Gent. Die UNESCO hat 13 der 26 existierenden flandrischen Beghinenhöfe, darunter den in Brügge, in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.

Sie hatten große Ähnlichkeit mit den heutigen evangelischen Frauenstiften und Diakonissen-Häusern. Die Geistlichen der Brüdergemeinden waren auch ihre Patrone.

Literatur

Gertrud Hofmann / Werner Krebber. Die Beginen. Geschichte und Gegenwart. Topos plus 530. Mainz/Kevelaer 2004. ISBN 3-7867-8530-9 /

Umfangreiche Datenbank zum Beginenwesen: Vgl.Reichstein, Frank-Michael, Das Beginenwesen in Deutschland. Studien und Katalog, Berlin 2001.