Soziale Arbeit
Soziale Arbeit dient als Überbegriff für Sozialpädagogik und Sozialarbeit. Soziale Arbeit versteht sich als Profession, Disziplin, Handlungswissenschaft, Lehrfeld und Forschungsfeld. Ziel der Sozialen Arbeit ist die Reduktion oder die Verhinderung sozialer Probleme. Sie ist damit eine Form der Sozialpolitik.
Allgemein
Soziale Probleme entstehen dann, wenn die Bedürfnisse von Individuen aufgrund ihrer unzureichenden Einbindung in soziale Strukturen (Gruppen, Familien, Organisationen, Gesellschaften) verletzt sind. Im Wesentlichen können gemäß der schweizer Sozialarbeits-Theoretikerin Silvia Staub-Bernasconi vier verschiedene Arten sozialer Probleme benannt werden:
- Ausstattungsprobleme: Menschen haben zu wenig oder keinen Zugang zu bedürfnisrelevanten Ressourcen.
- Austauschprobleme: Menschen leben in Verhältnissen, die von asymmetrischen Austauschverhältnissen gekennzeichnet sind, die nicht auf Gegenseitigkeit beruhen.
- Machtprobleme: Menschen werden durch Machtverhältnisse daran gehindert, ihre Bedürfnisse zu befriedigen.
- Kriterien- und Wertprobleme: Menschen leben in Verhältnissen, in denen Normen und Werte (z. B. Gerechtigkeit, Transparenz, Wahrheit ...) nicht oder nur willkürlich vertreten werden.
Soziale Arbeit als Disziplin erforscht die Zusammenhänge der Problementstehung und Problemlösung. Soziale Arbeit als Profession arbeitet an der Lösung und der möglichen Prävention dieser Probleme. Soziale Arbeit als Handlungswissenschaft forscht, aufgrund in der Praxis bestehender oder entstandener Probleme, nach neuen Lösungsansätzen. Soziale Arbeit als Lehrfach leitet zukünftige Professionelle anhand der in der Disziplin gemachten Erkenntnisse an. Soziale Arbeit als Forschungsfeld erforscht die verschiedenen Zusammenhänge der Sozialen Arbeit in ihrem sozialen, persönlichen und gesellschaftlichen Umfeld.
Die Vertretung der Sozialen Arbeit gegenüber den Tarifparteien, Regierung und Parteien wird gewährleistet durch den DBSH, den Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit. Eine fachlich-berufspolitische Vertretung wird auch von der Deutschen Gesellschaft für Sozialarbeit DGS und der Sektion Sozialpädagogik in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft DGfE geleistet.
Silvia Staub-Bernasconi betont den fachlichen Auftrag einer Sozialen Arbeit als (eine) Menschenrechtsprofession, die die Verletzung von Menschenrechten lokal, national und global erkennen und benennen soll und sich als wert- und bedürfnisorientierte Disziplin und Profession an der Minimierung von Menschenrechtsverletzungen beteiligen soll. Vgl. auch: Menschenrechte und Kinderrechte.
Die drei klassischen Methoden der Sozialen Arbeit
Die Einzelfallhilfe, soziale Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit gelten als die klassischen Methoden der Sozialen Arbeit.
- Einzelfallhilfe: Die soziale Einzelfallhilfe ist die älteste Methode der Sozialen Arbeit. Alle Konzepte der Einzelfallhilfe gehen davon aus, dass in einer Stärkung des Individuums die erfolgreichste Strategie zur Lösung seiner Probleme zu suchen ist.
- Soziale Gruppenarbeit: Grundlegendes Prinzip bei der sozialen Gruppenarbeit sind die in jeder Gruppe innewohnenden gruppendynamischen Prozesse. Das heißt, es werden mehrere Individuen zu einer Gruppe zusammengefasst, weil bestimmte Lernziele besser und nachhaltiger in einer Gruppe erlernt werden können.
- Gemeinwesenarbeit: Die Gemeinwesenarbeit macht ganze Nachbarschaften, Stadtteile und Gemeinden zum Ausgangspunkt sozialpädagogischer Intervention. Die tätigen Sozialarbeiter oder Fachkräfte verstehen sich entweder in der Rolle eines außenstehenden, neutralen Mediators oder der eines aktiven Initiators, der Änderungen im Sozialgefüge oder konkrete Verbesserungen von Lebenslagen gemeinsam mit den Bewohnern anstrebt.
Fundamentalkritik
In den 1970er Jahren kam es in Deutschland zur so genannten Fundamentalkritik an den klassischen Methoden der Sozialen Arbeit.
- Der Einzelfallhilfe wurde ein fehlende wissenschaftliche und theoretische Fundierung vorgeworfen. Weiter würde die Einzelfallhilfe nur an den Symptomen, jedoch nicht an den Ursachen. Der "Klient" würde der Gesellschaft wieder angepasst, statt auf seine wahren Probleme einzugehen und diese aufzuheben.
- Die soziale Gruppenarbeit hätte sich zu einer therapiegleichen Behandlungsform einzelner Personen entwickelt, welches mit einem Menschenbild arbeiten würde, das nicht der Realität entsprechen würde. Soziale Unterschiede würden ausgeblendet und nicht berücksichtigt.
- Der Gemeinwesenarbeit wurde vorgeworfen, dass diese von einer idealtypischen Gesellschaftsstruktur ausgehen würde, welche so nicht bestehen würde. Weiter würde sie keinen Beitrag zur realen Verbesserung oder Veränderung der Verhältnisse leisten.
Heute
Die drei klassischen Methoden der Sozialen Arbeit bilden heute nur noch das Fundament für das sozialarbeiterische Handeln. In den letzten Jahren und Jahrzehnten ist ein großes Feld neuer Methoden und Handlungskonzepte entstanden, welche nur noch auf den Grundzügen der klassischen Methoden basieren. Die Pathologisierung des "Klienten" ("der Klient hat ein Problem") wird vermieden und die vielschichtigen und wechselseitigen Verknüpfungen zwischen Individuum, sozialen und kulturellen Bedingungen und Ursachen werden mehr berücksichtigt. Sozialarbeiterisches Handeln setzt an allen drei Faktoren an, unter der so genannten "ganzheitlichen Betrachtung".
Weiterhin ist die Prävention, nach der Fundamentalkritik, erneut in den Vordergrund getreten. Sozialarbeiterisches Handeln sieht sich nicht nur zur Bearbeitung und bestenfalls Lösung von sozialen Problemen aufgerufen, sondern will auch vorbeugend arbeiten.
Ebenso wurde versucht für das sozialarbeiterische Handeln, nicht nur eine fundierte Methodenlehre, sondern auch eine wissenschaftliche, theoretische Fundierung und einheitliche Vorgehenssystematik zu entwickeln. Sozialarbeiterisches Handeln soll in den folgenden sechs einzelnen und voneinander abgegrenzten Schritten vollzogen werden:
- Beschreibung des Problems;
- Analyse des Problems (unter Zuhilfenahme verschiedener Verfahren, etwa die Systemische Denkfigur nach Kaspar Geiser);
- Zielsetzung;
- Mittel zur Erreichung des Ziels;
- Durchführung;
- Evaluation.
Handlungstheorien
In der Sozialen Arbeit wird das vielfältige Sozialarbeitstheoriewissen in verschiedenen Handlungstheorien strukturiert. Unterschiedliche Ansätze sind beispielsweise:
- Die Systemische Sozialarbeit
- Der Empowerment-Ansatz
- Das Life-Model
Aktuelle Entwicklungen
Die vergangenen Jahre brachten vermehrt eine an betriebswirtschaftlichen Prinzipien orientierte Strömung in der sozialen Arbeit. Neben pädagogischen Erwägungen gewinnen Überlegungen zur Qualitätsprüfung, -maximierung, Effizienzsteigerung, Standardisierung, etc. mehr und mehr an Bedeutung, dies insbesondere durch Spardruck (Mittelkürzungen) und auch seit gesteigerter Pflicht zum Nachweis der wirtschaftlichkeit der Dienstleistugen z.B. durch die Einführung des §93 BSHG. Die Zunahme äußeren Drucks durch Sparmaßnahmen sowohl der kirchlichen als insbesondere der öffentlichen Finanzierungsträgern führte zwar auch zu einer begrüßenswerten Qualitätsdiskussion und hierdurch fundierteren Begründung sozialarbeiterischen Handelns, die politische Dimension wurde im Gegenzug wieder mehr und mehr aus begreiflichen Gründen zurückgestellt.
Die Profession der Sozialen Arbeit ist noch und wieder durch die akutellen Entwicklungen im Spannungsfeld zwischen Gesellschaft - Individuum - SozialarbeiterIn zu verorten, wobei insbesondere durch die Gesellschaft, die sowohl als Auftraggeber, Problemursache und Problemlösungsteil/-in-haber betrachtet werden muß, das realmögliche Handlungsfeld der Professionellen definiert.
Auch die anhaltende Informatisierung hat die Soziale Arbeit erfasst. Einerseits sind die Klienten und Klientinnen der Sozialen Arbeit davon betroffen, anderseits verändern sich im Zuge dieser Entwicklung auch die Arbeitsweisen in der Sozialen Arbeit selbst. Als Antwort auf diese Entwicklung hat sich der Fachbereich Sozialinformatik herausgebildet, der an verschiedenen Hochschulen inzwischen fester Bestandteil des Vorlesungsverzeichnisses ist.
Literatur
- Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.) 2002: Fachlexikon der sozialen Arbeit, 5. Aufl., Frankfurt: Eigenverlag des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge.
- Engelke, Ernst 2002: Theorien der Sozialen Arbeit. Eine Einführung, 3. Aufl., Freiburg im Breisgau: Lambertus Verlag.
- Galuske, Michael 2001: Methoden der Sozialen Arbeit, 3. überarb. u. erw. Aufl., Weinheim, München: Juventa Verlag.
- Hering, Sabine/Münchmeier, Richard 2003: Geschichte der Sozialen Arbeit. Eine Einführung, 2. Aufl., Weinheim, München: Juventa Verlag
- Kreft, Dieter/Mielenz, Ingrid (Hrsg.) 1996: Wörterbuch Soziale Arbeit. Aufgaben, Praxisfelder, Begriffe und Methoden der Sozialarbeit und Sozialpädagogik, 4. vollst. überarb. und erw. Aufl., Weinheim, Basel: Beltz.
- Otto, Hans-Uwe/Thiersch, Hans (Hrsg.) 2001: Handbuch Sozialarbeit/Sozialpädagogik, 2. völlig neu überarb. und aktual. Aufl., Neuwied: Luchterhand.
- Schilling, Johannes 1997: Soziale Arbeit, München: Reinhardt.
- Staub-Bernasconi, Silvia 1995: Systemtheorie, soziale Probleme und Soziale Arbeit: lokal, national, international. Haupt, Bern.
- Thole, Werner (Hrsg.) 2002: Grundriss Soziale Arbeit - Ein einführendes Handbuch, Opladen: Leske + Budrich.
Siehe auch
Weblinks
- INFO SOZIAL Archiv, Adressen, Nachrichten und Links zum Thema Soziale Arbeit
- sozialarbeit.de Archiv und Adressen zum Thema Sozialarbeit
- One World Working Sozialarbeit im Ausland: Sozialarbeit als Praktikum im Waisenhaus und mit Straßenkindern in Lateinamerika, Asien und Osteuropa
- http://www.sozialarbeit.ch Sozialarbeit und Systemtheorie
- http://www.sicsw.org Society for International Cooperation in Social Work
- http://www.socialwork.de English information about social work in Germany
- http://www.sozial.de/
- http://www.sozialwesen.de/
- http://buecher.sozialarbeit-info.de/
- http://www.sozialarbeitswissenschaften.de/
- http://www.soziales-netz.de/home.htm
Zeitschriften im Bereich der Sozialen Arbeit
deutsche Zeitschriften
- Sozial Extra Zeitschrift für Soziale Arbeit und Sozialpolitik (VS Verlag)
- Sozialmagazin Die Zeitschrift für Soziale Arbeit (Juventa Verlag)
- ZfE Zeitschrift für Erziehungswissenschaft (VS Verlag)
- Neue Praxis Zeitschrift für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Sozialpolitik (Luchterhand Verlag)
internationale Zeitschriften
- http://www.socwork.net Online-Only Journal for Social Work & Social Policy (Open Access and Non Profit)