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Geschichte Emdens

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Die Geschichte Emdens beginnt um zirka 800, als friesische Kaufleute an der Emsmündung eine Handelsniederlassung anlegten. Die Geschichte der Stadt ist untrennbar mit dem Emder Hafen verbunden, der seit Gründung der Siedlung die wirtschaftliche Grundlage des Gemeinwesens war und dessen Auf und Ab mit der wirtschaftlichen Situation der Stadt verknüpft war und ist. Oft waren politische Entscheidungen, die anderenorts gefällt wurden, der Auslöser für Aufstieg oder Niedergang des Emder Handels. Geprägt wurde Emden durch den Calvinismus. Zur Zeit des Achtzigjährigen Krieges strömten viele niederländische Glaubensflüchtlinge in die Stadt und machten aus Emden eine Hochburg des nordwesteuropäischen Calvinismus. Mit ihren Handelsverbindungen bescherten sie der Stadt zeitweilig großen Wohlstand. Die politischen Verbindungen mit den Niederlanden endeten erst mit dem Anfall Ostfrieslands an Preußen 1744, die kulturellen Verbindungen dauerten noch mehr als ein Jahrhundert länger fort. Ab dem späten 19. Jahrhundert erfolgte eine Industrialisierung. Emden ist seit Jahrhunderten der wirtschaftliche Mittelpunkt Ostfrieslands und die größte Stadt der Region. In vergangenen Jahrhunderten hat sich dadurch eine gewisse Sonderrolle Emdens innerhalb Ostfrieslands entwickelt, die teils bis heute nachwirkt. So ist die Stadt seit der preußischen Kreisreform von 1885 als einzige in Ostfriesland kreisfrei.

Ur- und Frühgeschichte bis zur Landnahme durch die Friesen

Durch mehrfache Küstenverlagerungen sind Funde aus der Frühzeit auf dem heutigen Stadtgebiet von Emden spärlich. Dies macht eine genauere Untersuchung der Fundorte, die vor allem im Berich des Emder Hafens oder im heutigen Dollart liegen, schwierig.

Frühester Beleg für die Anwesenheit von Menschen sind zwei Scheiben- oder Kernbeile, die bei Baggerarbeiten im Emder Hafen gefunden wurden und auf das Proto-Neolithikum datiert werden.[1] Für die nächsten 1.000 Jahre fehlen Funde, was auf eine Transgression zurückgeführt wird. Weitere Funde liegen erst wieder aus der Trichterbecherkultur vor, als eine Regression die Anwesenheit von Menschen auf dem heutigen Stadtgebiet wieder ermöglichte.[2]

Zu einer dauerhaften Niederlassung von Menschen kam es hingegen offenbar nicht. Während etwa das linke (gegenüberliegende) Emsufer im Zeitraum vom 7. bis zum 3./2. Jahrhundert v. Chr. schon dicht besiedelt war, fehlen solche Nachweise auf dem rechten Ufer bisher. Diese frühen Siedlungen wurden aufgrund von Überflutungen im 3./2. Jahrhundert wieder aufgegeben.[3]

Um Christi Geburt erfolgte eine erneuerte Landnahme durch die Chauken. Im Bereich der Stadt Emden sind bisher ein Wohnplatz im Bereich der Altstadt sowie vier Siedlungen auf Wurten am ehemaligen Emsufer am östlichen Stadtrand nachgewiesen worden.[4] Auch diese Siedlungen wurden offenbar nach einer weiteren Periode der Zunahme von Überflutungen im 2. oder zu Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr. aufgegeben, wie auch das Küstenland beiderseits der Ems im 4./5. Jahrhundert vom Menschen weitgehend verlassen wurde. Im 7. Jahrhundert und hier verstärkt in der zweiten Hälfte begann eine Wiederbesiedelung der Flussmarschen durch die Friesen, nachdem die Überflutungen nachgelassen hatten. Die Friesen nutzten zum Teil die brach liegenden Wurten aus vorigen Siedlungsperioden, teilweise legten sie auch neue an. Dabei entstand ein neuer Typus von hauptsächlich auf den Handel ausgerichteten Siedlungen, der nach der Eroberung Frieslands durch die Franken von diesen übernommen wurde.

Entwicklung des Handelsortes (um 800 bis 13. Jh.)

Karte der Krummhörn um das Jahr 800

Nach der Integration in das Fränkische Reich wurde Emden im 8./9. Jahrhundert als friesische Handelsniederlassung an der Mündung der Aa (Ehe) in die Eemese (Ems) gegründet und erhielt den Namen Amuthon. Während ältere Handelsplätze in der näheren Umgebung Gründungen der einheimischen Bevölkerung waren, verdankt sich die Entstehung Emden offenbar dem allgemeinen Ausbau von Handelsplätzen unter fränkischer Herrschaft an der Nordsee. Für Emden bedeutete dies eine Anbindung an Westfalen, da Kaiser Karl der Große das Gebiet um die Siedlung dem neuen Bistum Münster zuordnete und die Grafschaft im Emsgau den westfälischen Cobbonen als Lehen auftrug. Es gibt nur spärliche Hinweise auf gräfliche Aktivitäten der Cobbonen in Emden. Möglicherweise ist das Patrozinium Cosmas und Damians über die heutige Große Kirche, deren Vorgängerbau als älteste Kirche der Stadt gilt, auf sie zurückzuführen, denn Essen und Werden lagen als damals wichtige Zentren der Verehrung dieser beiden Heiligen im Machtbereich der Cobbonen.[5]

Emden wurde am damaligen rechten Ufer der Ems, nahe der Einmündung eines Priels als Siedlung gegründet, aus der sich die Stadt Emden entwickelte. Dazu wurde eine Wurt aufgeschüttet, die im Laufe der Jahrhunderte immer weiter erhöht wurde und heute eine Größe von 250 x 300 m aufweist.[6] Dieser älteste Siedlungskern von Emden lag parallel zum alten Flussufer. Es handelte sich dabei um eine Langwarf, auf der eine Einstraßensiedlung lag und die einen Hafen in einem Priel besaß, dessen Rest heute der Ratsdelft darstellt. Die auf der Wurt stehenden Häuser waren in Stabbautechnik (vgl. Stabkirche) errichtet worden und wurden in ihrer überwiegenden Mehrzahl als Wohn- und Werkraum genutzt, nur einige wenige landwirtschaftlich.

Nachfolger der Grafenwürde im Emsgau waren um das Jahr 900 die Grafen von Werl. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Emder Wurtsiedlung großzügig erweitert. Der durch das fränkische Reich geschützte Handelsplatz und Warenumschlagsort steigerte seine Bedeutung um Mitte des 11. Jahrhunderts als Münzstätte erheblich. Wie groß der Einfluss der Grafen von Werl darauf war, ist unklar. Sicher ist hingegen die Nutzung des Münzregals durch die Grafen von Werl. Ab dem 11. Jahrhundert tauchen Pfennige auf, die als Münzstätte AMVTHON und HERIMAN (der dritte Graf von Werl) nennen.[7] Im Jahre 1063 wurden Bernhard II. von Werl die Grafenrechte im Emsgau entzogen und zunächst dem Bischof Adalbert von Bremen übertragen. Später bemühten sich die Grafen von Werl den Besitz durch einen Feldzug gegen die Friesen neu zu erlangen. Dabei fanden aber Bernhard II. und sein Sohn Hermann den Tod. Die Grafschaftsverfassung löste sich danach allmählich auf und die friesischen Landesgemeiden erstarkten, auch wenn in Emden weiterhin Münzen geprägt wurden und Emden 1244 als Zollstätte erstmals urkundlich erwähnt wird. Über verschiedene Herren gelangte die Grafschaft dann schließlich im Jahre 1252 durch Kauf an die Bischöfe von Münster, die sich ständigen Auseinandersetzungen mit den Friesen ausgesetzt sahen. Diese mündeten schließlich in einem Vertrag, der so genannten Bischofsühne von Faldern, in der Fragen des Kirchenrechts und des Handels geregelt wurden. Gräfliche Rechte und Ansprüche auf den Emsgau wurden hier nicht mehr erwähnt, auch wenn sie noch bis in die Neuzeit eine Rolle spielten und erst 1497 durch Graf Edzard I. durch Zahlungen und die Gewährung von Privilegien abgegolten wurden.[8]

Zeit der Häuptlinge (13. bis frühes 15. Jh.)

Nach der Bischofssühne beschränkte sich die Macht der Münsteraner nur auf die Siedlung Emden, während parallel die Landesgemeinde weiter erstarkte und im damals noch nicht zu Emden gehörenden Larrelt zusammenkam. Die Bischöfe nahmen in der Folgezeit ihre Rechte in der Stadt nicht mehr selbst wahr, sondern griffen auf das einheimische Geschlecht der Abdena zurück, das sie zu ihren Vertretern in der Stadt machten. Deren erster namentlich bekannter Vertreter, Wiard Droste tho Emetha, ließ in dem Ort um 1300 erstmalig eine Burg errichten. Unter der Herrschaft der Häuptlingsfamilie der Abdenas entwickelte sich Emden bis kurz nach 1400 zu einer städtischen Siedlung im engeren Sinn und wurde erstmals 1390 von den Abdena selbst und 1392 von den Holländern als solche bezeichnet.[9]

Den Abdenas gelang es dabei immer mehr, sich von den Bischöfen von Münster zu emanzipieren. Dies drückte sich auch in den Münzen aus, die sie in deren Auftrag prägten. Waren diese noch in der Mitte des 14. Jahrhunderts mit einem segnenden Bischof und einem Kopf des heiligen Paulus versehen, so zeigten die Emder Pfennige des späten 14. Jahrhunderts nun einen rechts aufsteigenden Löwen, das Wappentier der Abdena und die Initiale W. des Münzherren Wiard (III.). Dessen Sohn Hisko prägte schließlich als nova moneta de Emeda bezeichnete Witten mit dem Wappenlöwen und der Angabe seines vollständigen Namens und Titels eines Probstes und Häuptlings zu Emden.[10] Auch die Zollrechte fielen spätestens 1362 an die Abdena. Ab diesem Zeitpunkt liegen auch erste Belege für weitreichende Handelsbeziehnungen des Ortes vor, nach denen Emder Schiffe und Kaufleute die Märkte von Lübeck, Hamburg, Haren, Friesoythe und Harderwijk besuchten und dabei ab 1390 von Hisko mit einem Geleitbrief unterstützt wurden. Von größter Bedeutung für die weitere wirtschaftliche Entwicklung Emdens war der Stapelzwang, der um 1400 von den Abdena eingeführt wurde.[11]

Das Franziskanerkloster in Faldern (Ausschnitt aus einer Stadtansicht von Braun Hogenberg aus dem Jahr 1575).

Der Niedergang der genossenschaftsähnlichen Landesgemeinden und das darauf folgende Erstarken anderer ostfriesischer Häuptlingsfamilien führte zu einer lang anhaltenden Periode von Fehden wechselseitiger Bündnisse, bei denen auch auf die Hilfe der Vitalienbrüder zurückgegriffen wurde. Häuptling Hisko gewährte den Seeräubern in seinem Gebiet Unterkunft und einen Handelsplatz. Die davon besonders betroffene Hanse entsandte daraufhin eine Strafexpedition nach Ostfriesland, woraufhin Hisko die Seiten wechselte und den Hanseschen Truppen am 6. Mai 1400 die Stadt und die Burg Emden übergab, auf diese Weise aber seinen Häuptlingstitel retten konnte. Nach Abschluss der Strafexpedition und eines Vergleichs im Kloster Faldern wurde die Burg wieder an Hisko zurückgegeben.

In den Auseinandersetzungen der Ostfriesischen Häuptlinge gelang es Keno II. tom Brok 1414 die Burg in Emden zu erobern. Hisko musste in das Gebiet der heutigen Niederlande fliehen und konnte erst nach dem Sturz des letzten tom Brok, Ocko II., in seine Heimatstadt zurückkehren, wo er kurz darauf verstarb. Nachfolger wurde sein Sohn Imel. Auch nach dem Sturz der tom Brok gingen die Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in Ostfriesland weiter. Dabei etablierten sich zwei Parteien, der Freiheitsbund der Sieben Ostfrieslande unter der Führung der späteren Grafen- und Fürstenfamilie Cirksena und die Partei Focko Ukenas. Dieser gehörte auch Imel an, der zur Sicherung seiner Position abermals die Vitalienbrüder nach Emden rief. Die aufstrebenden Cirksena witterten ihre Chance und verbanden sich 1433 selbstständig mit der Stadt Hamburg. Diese wollte der ostfriesischen Duldung der Seeräuber ein für alle Mal ein Ende bereiten und setzte daher auf einen starken Souverän in Ostfriesland. Mit Hilfe der Hanse eroberten die Cirksena 1433 Stadt und Burg Emden, wo eine Hansesche Garnison eingerichtet wurde. Die Hamburger ließen die Stadt mit einer stärkeren Befestigung versehen und richteten einen Rat der Bürger ein, indem sie das Kollegium von vermutlich vier Richtern, das dem eines Landesviertels vergleichbar war, aufwerteten. Auch die Entwässerung des Umlandes wurde neu geregelt und auf Emden konzentriert. Die Stadt, die durch die Auseinandersetzungen der Häuptlinge lange Zeit von ihrem Umland abgeschnitten war, konnte in dieser Zeit wirtschaftlich wieder erblühen, da ihr der Handel mit der Hanse offenstand.

Das erste Rathaus in Emden (Ausschnitt aus einer Stadtansicht von Braun Hogenberg aus dem Jahr 1575)

1439 zog diese Garnison wieder ab und die Stadt wurde auf Treu und Glauben an die Cirksena übergeben, was bedeutete, dass die Stadt formal im Besitz der Hamburger blieb und die Cirksena sie zunächst nur verwahren und auf Wunsch an Hamburg zurückgeben sollten. Hierbei spielten wohl taktische Überlegungen im Zusammenhang mit dem Hansisch-niederländischen Krieg eine Rolle, der von 1438–1441 tobte.[12] Unter den Cirksena wurde die Stadtbildung formalrechtlich abgeschlossen, denn ab 1442 hatte die Stadt Bürgermeister. Ein regelrechtes Stadtrecht hatte Emden hingegen nicht. An seiner Stelle standen eine Reihe von bis ins 14. Jahrhundert zurückzuverfolgende Bestimmungen, die vor allem den Emder Handel betrafen und den Zugang fremder Kaufleute regelten. Tagte der Rat der Stadt noch bis mindestens 1453 up der koplude hus, so ist ab 1459 erstmals ein eigenes Rathaus über dem Brückentor am Delft nachzuweisen.[13] 1458 ließ Ulrich Cirksena die Burg erheblich ausbauen.

Erste Residenz der Cirksena (1464 bis 1565)

Ulrich Cirksena wurde 1464 von Kaiser Friedrich III. mit der Grafenwürde über Ostfriesland belehnt. Die feierliche Zeremonie fand im inzwischen nicht mehr existierenden Franziskanerkloster in Emden statt. Ulrich I. von Ostfriesland, wie er fortan hieß, machte die Emder Burg im Anschluss zu seiner Hauptresidenz. Unter den Cirksena wurde die Stadtbefestigung stark ausgebaut. Durch die Anlage eines neuen Siels wurden Hinte, Osterhusen und Westerhusen vom Meer abgeschnitten und verloren somit ihre Funktion als Hafenorte. Die Stadt wuchs in dieser Zeit weiter an und dehnte sich seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts immer weiter in Richtung Norden aus, wo schließlich ein zweiter, der Neue Markt angelegt wurde, der den alten ergänzte und erweiterte.[13] Wegen des Stapelzwanges kam es zu einem lang anhaltenden Wirtschaftskrieg mit Groningen und Münster, der erst endete, als der römisch-deutsche König und spätere Kaiser Maximilian I dieses Privileg im November des Jahres 1494 bestätigte und festlegte, dass alle Schiffe, die auf der Ems aufwärts oder abwärts bei der Stadt Emden dort die Niederlage halten müssen. Inzwischen hatten sich die die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Staat und Stadt so weit gefestigt, dass der Kaiser der Stadt nach langem Bitten und Zahlung der sehr hohen Gebühren[14] 1495 das heute noch genutzte Wappen verlieh, in dessen Gestaltung sich die damals noch enge Beziehung der Stadt zum Grafenhaus zeigt. Um 1500 hatte Emden etwa 3.000 Einwohner und war damit die bei Weiten größte städtische Siedlung Ostfrieslands. Auch im Wirtschaftsleben der Region spielte die Stadt eine führende Rolle. Emden war der Umschlagplatz von der See- auf die Binnenschifffahrt. Vor allem die Verbindung emsauffwährts nach Westfalen spielte hierbei eine große Rolle. Emsabwärts wurde das Handlungsgebiet Emdens in der Nordsee von Amsterdam, Hamburg und Dithmarschen begrenzt und ging kaum über das Wattenmeer hinaus; am Hochseehandel hingegen hatte die Stadt noch keinen aktiven Anteil. Auch der Schiffbau war noch nicht stark ausgeprägt und man war darauf angewiesen, auswärts die Schiffe zu kaufen.[15]

Die Reformation hielt um 1520 Einzug in Emden. Federführend war dabei Georg Aportanus, der von Graf Edzard I. nach Emden gerufen wurde, wo er dessen Söhne Enno und Johann erziehen sollte und an der Großen Kirche in Emden eine Vikarie hatte. Spätestens ab 1524 begann er im evangelischen Sinne öffentlich hervorzutreten. Unter dem gräflichen Schutz trat er der altgläubigen Priesterschaft entgegen und es entstand ein starker Gegensatz, so dass ihm das Predigen auf der Kanzel verboten wurde. Von der Richtigkeit seines Glaubens überzeugt, predigte er folgend vor den Toren der Stadt. Die Bürger Emdens forderten daraufhin wieder seine Einsetzung in der Kirche, dem die Anhänger der alten Lehre schlussendlich folgen mussten. Die folgende Zeit war von religiöser Liberalität und politischer Neutralität geprägt, auch weil die regierenden Grafen und späteren Fürsten von Ostfriesland zu schwach waren, um ein bestimmtes Bekenntnis durchzusetzen. Durch die Reformation wurde Emden zu einem bedeutenden Ort für den Buchdruck. Die Wiedertaufe von 300 Erwachsenen in einem Vorraum der großen Kirche 1530 ist der Beginn der Täuferbewegung in Nordwestdeutschland und den Niederlanden. In dieser Zeit siedelten sich auch die ersten Juden in Emden an. Erstmals erwähnt werden sie in den Jahren 1558 und 1571. Ab 1589 führte die Stadt Emden ein Schutzgeldverzeichnis mit den Namen der Emder Juden.

1543 setzte die ostfriesische Gräfin Anna den europäischen Reformator Johannes a Lasco als ersten Superintendenten in Emden ein. Lasco hielt dieses Amt bis 1549 inne und war 1554/55 wieder in Emden.[16] Er bildete in der Emder Gemeinde ein Presbyterium aus Predigern und Ältesten, gründete 1544 den Coetus der reformierten Prediger Ostfrieslands, war 1546 Mitverfasser des „Großen Emder Katechimus“ und schrieb 1554 den „Kleinen Emder Katechismus“, der in Ostfriesland bis ins 20. Jahrhundert hinein verwendet wurde.

Das „Goldene Zeitalter“ (1565 bis 1611)

Zeitweise sah es so aus, als ob Emden neben Genf und Wittenberg ein drittes reformatorisches Zentrum werden könnte.[17] Nach a Lasco wirkten in der Stadt Reformatoren wie Albert Hardenberg und Johannes Ligarius. Der Prediger Menso Alting förderte ab 1575 die Durchsetzung des Calvinismus in Emden.

Das Schepken Christi.

Bereits ab Mitte der 1540er Jahre hatten erste Religionsflüchtlinge und ihre Sympathisanten die Niederlande verlassen, als die spanischen Könige Karl V. und Philipp II. die Reformierten gewaltsam unterdrückten. Einen wesentlichen Schub in ihrer Entwicklung erhielt die Stadt durch die Freiheitskämpfe in den Niederlanden. Dadurch strömten zwischen 1570 und 1600 bis zu 6.000 reformierte niederländische Flüchtlinge nach Emden. Die Kaufleute und Handwerker suchten Zuflucht in der calvinistischen Stadt, die sich politische Neutralität und wirtschaftliche Unabhängigkeit bewahrt hatte. In der Duldung der mennonitischen Minderheit kam zudem eine gewisse religiöse Toleranz zum Ausdruck. Gräfin Anna unterstützte die Ansiedlung der Flüchtlinge. Ihre große Zahl führte zwar zu logistischen Problemen, trug aber mittelfristig erheblich zur Prosperität der Stadt bei. Durch die Aufnahme dieser Exilanten wurde Ostfriesland, insbesondere aber Emden, in dieser Zeit politisch, wirtschaftlich und religiös stark geprägt. Dankbare Nachkommen der Flüchtlingsfamilien stifteten 1660 am Ostportal der Großen Kirche, die als „moederkerk“ („Mutterkirche“) bezeichnet wurde, ein Relief mit dem „Schepken Christy“ („Schiffchen Christi“) und der Inschrift: „Godts kerck, vervolgt, verdreven, heft Godt hyr trost gegeven“ („Der Kirche Gottes, verfolgt, vertrieben, hat Gott hier Trost gegeben.“).[18] Das Portal überstand 1943 die Bombenangriffe unbeschadet. Heute ist das Segelschiff mit der Inschrift das Siegel der Evangelisch-reformierten Kirche. Aufgrund der gemeinsamen niederländischen Sprache waren die Flüchtlinge in der großen reformierte Gemeinde integriert und prägten diese.[19] Daneben entstand eine französische reformierte Gemeinde, die bis ins 19. Jahrhundert ihre Selbstständigkeit bewahrte.

Um den weit zertreuten niederländischen Flüchtlingsgemeinden eine Kirchenordnung zu verleihen, wurde 1571 die Emder Synode einberufen. Sie war die erste Nationalsynode der niederländischen Reformierten, die eine dreistufige Synodalstruktur nach dem Prinzip der Subsidiarität entwickelten. Ohne öffentliches Aufsehen und ohne Beteiligung der Stadt wurde die Synode vom 4. bis 13. Oktober 1571 durchgeführt. Tagungsort war das vormalige Zeughaus am Falderntor, die spätere alte Stadthalle, die im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört wurde.[20] Die Emder Synode war wichtige Station in der Konstituierung der niederländischen reformierte Kirche, hier der Niederdeutsch-Reformierte Kirche, dem Vorläufer der Protestantischen Kirche in den Niederlanden. Im Frühjahr 1578 fand mit dem Emder Religionsgespräch eine bedeutende Disputation zwischen den Reformierten und Mennoniten statt.

Das 1574 errichtete Rathaus

Die Blockade der niederländischen Häfen durch die Spanier ließ zudem Reeder und Kaufleute in den nächsten sicheren Ort ausweichen. Als neutraler Hafen konnte Emden große Teile seines Handels an sich ziehen und durch fachliche Kenntnisse, sein Kapital und seine Handelsverbindungen zeitweise zum größten Hafen Europas aufsteigen.[21] Die Stadt unterhielt nun Handelsverbindungen von Westfalen über England bis Skandinavien. 1564 verlegten auch die Merchant Adventurer ihren Tuchstapelplatz vorübergehend von Antwerpen nach Emden, später nach Hamburg.

Emden um 1575. Gut zu erkennen sind die Stadterweiterung in Richtung Faldern und die ersten Bastionen des Stadtwalls.

Die Einwohnerzahl der Stadt schwoll durch die vielen Flüchtlinge, aber auch durch den Wirtschaftsboom, der durch sie ausgelöst wurde, stark an. Zählte Emden 1550 noch etwa 5.000 Einwohner, so hatte sich die Zahl 20 Jahre später vervierfacht. Dies machte eine Erweiterung des Stadtgebietes um die Dörfer Groß- und Kleinfaldern erforderlich.

Die Stadt wurde in dieser Zeit sehr wohlhabend, was sich unter anderem am Rathaus ausdrückt, das 1574–1576 nach Plänen des Antwerpener Stadtbaumeisters Laurens van Steenwinckel errichtet wurde. In jener Phase wurde zudem der noch heute in großen Teilen erhaltene Emder Wall angelegt.

Nach mehreren Steuererhöhungen setzten die Emder Bürger im Zuge der Emder Revolution den von dem Grafen Edzard II. eingesetzten Rat der Stadt im Jahr 1595 ab und nahmen die gräfliche Burg ein. Edzard II. sah sich gezwungen, seine Residenz nach Aurich zu verlegen. Mit dem Vertrag von Delfzijl vom 15. Juli 1595 musste sich der Graf verpflichten, auf den Großteil seiner Rechte in Emden zu verzichten.

Die Niederlande unterstützten dieses Unternehmen, indem sie eine Schutztruppe nach Emden schickten, die erst 1744 nach dem Tod des letzten Cirksena und dem folgenden Übergang von Ostfriesland an Preußen wieder abzog. Emden erreichte als „Satellit” der Niederlande de facto die Stellung einer freien Reichsstadt und schloss sich mit dem reformierten Südwesten immer enger an die calvinistische Kirche der Niederlande an. Dadurch wurde im Laufe des 17. Jahrhunderts niederländisch zur Standardsprache des gehobenen Bürgertums in Emden.

Vom Osterhusischen Akkord zum westfälischen Frieden (1611 bis 1648)

In dieser Zeit wurden die Wurzeln für den späteren Niedergang der Stadt gelegt. Im Vertrag von Greetsiel wurde 1595 festgeschrieben, dass in Emden offiziell nur noch die reformierte Religion gelehrt werden durfte.[22]

Innenpolitische Gegensätze zwischen dem Grafen Enno III. und der Stadt Emden entluden sich trotz wiederholter Einigungsversuche wie dem Vergleich von Delfzijl von 1595, der Emder Konkordate von 1599 und dem Haager Vergleich von 1603 seit 1609 in militärischen Aktionen der Emder ständischen Garnison gegen den Grafen. So kam es unter anderem zur Besetzung von Aurich und Greetsiel durch die ständischen Truppen. Unter dem Druck und der Vermittlung der niederländischen Generalstaaten als Garantiemacht wurde auf einem allgemeinen Landtag in Osterhusen am 24. Mai 1611 ein Vertrag zwischen dem Grafen und den Ständen geschlossen, der das beiderseitige Verhältnis in 91 Artikeln regelte. Die Stände setzten darin eine weitgehende Beschränkung der gräflichen Befugnisse durch, vor allem auf finanziellem Gebiet, insbesondere der Steuererhebung.

Emden und die Ems mit dem Nesserlander Höft um 1600

1509 wurde die Stadt zudem von seiner Lebensader abgeschnitten. Als Folge des Dollarteinbruches verlagerte sich die Ems, die vorher unmittelbar unter den Wällen der Stadt Emden floss. Bei Nesserland durchbrach der Fluss eine Schleife und der nunmehr von der Hauptströmung verlassene Bogen verschlickte immer mehr, wodurch die Zufahrt zum Emder Hafen immer schwieriger wurde. Um die Ems wieder in ihr altes Bett zu zwingen, ließ die Stadt ab 1581 eine etwa 4,5 km lange Spundwand aus Eichenstämmen, den sogenannten Nesserlander Höft, errichten. 1616 war dieses Bauwerk fertiggestellt.

Emden um 1640
Gut erkennbar die 1606 bis 1616 errichteten Festungsanlagen

Von 1606 bis 1616 hatte der niederländische Festungsbaumeister Johan van Valckenburgh die Stadt auf den neuesten Stand der Verteidigungstechnik gebracht. Dadurch war die Stadt im Dreißigjährigen Krieg vor dem Zugriff auswärtiger Heerführer geschützt, während der Rest der Grafschaft große Not zu leiden hatte. Als Truppen des protestantischen Heerführers Ernst von Mansfeld 1621 auf die Stadt vorrückten und einige Dörfer in der Umgebung besetzten, hofften die Emder zunächst dennoch auf Hilfe aus den Niederlanden. Als diese ausblieb, ließ Emden die Umgebung gezielt unter Wasser setzen und den Vorort Barenburg abreißen, um freies Schussfeld zu haben. Mansfeld unterließ es daraufhin, die Stadt anzugreifen.

In der Folgezeit litt Emden immer stärker unter den Belastungen des Krieges. Immer mehr Flüchtlinge aus der Grafschaft drängten sich in ihren Mauern; der wirtschaftlichen Verfall des Hinterlandes belastete die Stadt zusätzlich. Zudem hatte sie immense Ausgaben. Zeitweilig musste Emden die Finanzierung der sechs städtische Kompanien alleine tragen. Auch der Unterhalt der Stadtbefestigung und des Nesserlander Höfts verschlangen Unsummen, weshalb die Spundwand im Dollart 1631 aufgegeben wurde.

Emder Kaufleute gründeten 1633 eine Fehnkolonie im Zentrum Ostfrieslands, Großefehn, um die Versorgung der Stadt mit dem Brennstoff Torf zu sichern, von dessen bisherigen Haupterzeugergebieten, dem niederländischen Oldambt oder dem Saterland, Emden aufgrund der Wirren des Krieges abgeschnitten war. Die Stadt ist damit nach Papenburg die zweitälteste Fehnsiedlung Deutschlands. Von Großefehn aus wurde mit kleinen Schiffen Torf als Brennmaterial nach Emden transportiert.

Die Stadt hatte zu dieser Zeit schätzungsweise 20.000 Einwohner, darunter zwischen 5.000 und 6.000 niederländische Flüchtlinge. Längst reichten die Kirchen der Stadt dafür nicht mehr aus. Als erster nachreformatorischer Kirchenbau wurde so die Neue Kirche in den Jahren von 1643-48 nach Plänen des Emder Ratsbaumeisters Martin Faber errichtet.

Niedergang nach dem Dreißigjährigen Krieg (1648 bis 1744)

Emden um 1730

Nach dem dreißigjährigen Krieg begann der Verfall der Stadt. Die meisten niederländischen Flüchtlinge kehrten nach dem Westfälischen Frieden und der damit verbundenen Unabhängigkeit der Republik der Sieben Vereinigten Provinzen mitsamt ihren Unternehmungen wieder in ihre Heimat zurück. Zudem begannen die Niederländer das Interesse an Emden zu verlieren und verlegten ihr Engagement auf den Überseehandel. In Ostfriesland und hier vor allem in Emden waren sie fortan vor allem daran interessiert, unliebsame Konkurrenz auszuschalten.[23] Das Engagement des Kurfürstentums Brandenburg, das an der Hafenstadt als Basis für überseeische Expeditionen ein reges Interesse hatte, änderte daran nicht viel.

Die Stadt war auf der Suche nach einem neuen Verbündeten und fand diesen in Brandenburg-Preußen, das seinerseits Interesse hatte, dem Vorbild der Niederlande zu folgen und zu einer dominierenden Handels- und Wirtschaftsmacht aufzusteigen. Dafür brauchten die Brandenburger einen Hafen an der Nordsee. Am 22. April 1683 konnten die Brandenburger einen Handels- und Schifffahrtsvertrag mit Emden aushandeln und verlegten daraufhin ihre Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie von Königsberg in die Stadt, die an den Gewinnen der Kompanie beteiligt werden sollte. Ein wirtschaftlicher Erfolg der Gesellschaft blieb jedoch aus, sodass sie 1711 aufgelöst wurde.

Seuchen und Naturkatastrophen beschleunigten schließlich den Niedergang. 1665 starben bei einer großen Pestepidemie 6.000 Einwohner von Emden. Viehseuchen und Ungezieferplagen ließen auch das Umland verarmen.[23] Die Weihnachtsflut von 1717 verwüstete das Land schließlich vollends.

Im Konflikt zwischen dem Fürsten und den Ständen um die Steuerhoheit zettelte die Stadt 1724 den sogenannten Appell-Krieg an, bei dem sie letztlich unterlag. Dadurch war sie politisch isoliert und wirtschaftlich stark geschwächt. In dieser Situation setzte die Stadt auf brandenburgische Hilfe, um ihre wirtschaftliche Position und die bestehenden Privilegien wiederzuerlangen. Im Gegenzug sollten dafür die Ostfriesischen Stände die preußische Anwartschaft in Ostfriesland anerkennen. Am 14. März 1744 wurden mit dem Abschluss der Emder Konvention vornehmlich wirtschaftliche Regelungen vereinbart. Des Weiteren stützte sich Preußen auf das von Kaiser Leopold I. 1694 ausgestellte Recht auf Belehnung des Fürstentums Ostfriesland für den Fall fehlender männlicher Erben. Trotz des Widerstands des Königreichs Hannover sollte sich Preußen im Bemühen um Ostfriesland durchsetzen.

Preußen, Niederlande und Frankreich (1744 bis 1815)

Nach dem Tod des letzten Fürsten von Ostfriesland, Carl Edzard aus dem Hause Cirksena (Regierungszeit 1734–1744), fiel Ostfriesland im Zuge einer Exspektanz an Preußen. Bereits wenige Tage nach dem Tode des Grafen marschierten 80 preußische Grenadiere von Emden nach Aurich und besetzten das gräfliche Schloss.[24] Der Einzug der preußischen Verwaltung bedeutete für Emden schnell das Ende des Daseins als „Staat im Staate“.

1751 gründete der preußische König Friedrich der Große die Emder Ostasiatische Handelskompanie, deren Schiffe überseeische Waren (vor allem Tee und Porzellan) aus dem chinesischen Kanton nach Emden brachten. Zu diesem Zweck wurde der Emder Hafen zum Freihafen erklärt und war damit einer der ältesten Europas. Der Ausbruch des Siebenjährigen Krieges im Jahre 1756 führte allerdings schon nach kurzer Zeit den Niedergang der Handelskompanie herbei, so dass sie 1765 aufgelöst wurde.

In den Jahren 1798/99 wurde zwischen Emden und Aurich der Treckschuitenfahrtskanal angelegt, der durch die heutige Gemeinde Ihlow führte. Mit Schuten, die von Pferden getreidelt wurden, beförderte die Treckfahrtsgesellschaft Post, Stückgut und Passagiere, woher der Kanal seinen Namen erhalten hat.[25] Beim Mittelhaus nahe Riepe wurden die Pferde gewechselt. Die Gesellschaft litt in den Folgejahren unter den ständig wechselnden Herrschaften: 1806 kam Ostfriesland ans Königreich Holland, 1810 an Frankreich und 1815 schließlich an das Königreich Hannover. Sie konnte sich auch später nicht langfristig etablieren, da der Plan, den Kanal durch die gesamte ostfriesiche Halbinsel zu führen, nicht zuletzt an Finanzierungsmängeln scheiterte.[26] Erst in den Jahren 1880 bis 1888 wurde der Plan aus dem Beginn jenes Jahrhunderts umgesetzt, den Kanal weiter fortzuführen. Er wurde bis Wilhelmshaven verlängert und fortan Ems-Jade-Kanal genannt. Für die Treckfahrtsgesellschaft kam dies zu spät: Der Bau von Chausseen und Bahnlinien in Ostfriesland bedeutete in den 1860er-Jahren das Aus für den regelmäßigen Schiffsverkehr nach Aurich.

Karte des Königsreichs Holland mit Ostfriesland (rechts oben)

Bereits 1806 wurde Emden von niederländischen Truppen besetzt. Im Frieden von Tilsit 1807 wurde Ostfriesland auch formell an das Königreich Holland abgetreten. Die neuen Landesherren beendeten die Monopolstellung Emdens in der Emsschiffahrt, was noch Jahrzehnte nachwirkte: Das „Portofrancorecht“ (also der Freihafen) fiel, ebenso der Emder Schiffszoll auf der Ems und das Stapelrecht. Der Stadt gingen damit erhebliche Einnahmen verloren. In der Reichenbacher Konvention wurde 1813 festgelegt, dass Ostfriesland nach dem Ende des Krieges gegen Napoleon an das Königreich Hannover fallen sollte. Der Wiener Kongress bestätigte dies. Federführend war dabei das mit Hannover in Personalunion verbundene Großbritannien. Die Briten verhinderten somit zunächst die neuerliche Etablierung Preußens in Emden und damit an der Nordseeküste.

Die Hannoversche Zeit (1815 bis 1866)

Die Februarflut 1825, die am 3. und 4. Februar dieses Jahres wütete, zeigte noch einmal auf, wie gefährdet Emden weiterhin durch Sturmfluten war. Sie kostete zwar nur ein Menschenleben, was im Vergleich zu früheren Sturmfluten äußerst wenig war. Bis auf wenige höher gelegene Straßen auf der alten Warft stand allerdings die ganze Stadt unter Wasser. Der materielle Schaden war beträchtlich. Die Februarflut war die letzte schwere Sturmflut, die auf die Emder Kernstadt übergriff.

Der Hafenumschlag litt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht nur unter dem zunehmenden Verschlickungsproblem. Durch den Wegfall der Emder Vorrechte beim Handel sah sich die Stadt auch zunehmender Konkurrenz durch Leer und Papenburg gegenüber. Im Jahr 1840 übertraf Leer einmal den Emder Hafenumschlag, was davor oder danach nicht vorkam. Allerdings befand sich der gesamte ostfriesische Seehandel während dieser Zeit auf einem niedrigen Niveau.[27] Die Agrarkrise in mehreren Jahren hatte auch Auswirkungen auf einen der Hauptumschlagszweige des Hafens, nämlich den Export der landwirtschaftlichen Produkte der Region.

Casino-Fraktion des Parlaments

Die Revolution von 1848/49 fand auch in Emden tiefen Widerhall. Links- und Rechtsliberale wie auch Konservative diskutierten in neu gegründeten Zeitungen über das „Ob“ und „Wie“ einer deutschen Einigung. In das Frankfurter Paulskirchenparlament wurde der rechtsliberale Emder Reeder und Kaufmann Ysaac Brons entsandt. Er gehörte dort der Casino-Fraktion an.

Auf lokaler Ebene verlangten Liberale die Auflösung des Stadtrats und des Magistrats und die Neubestimmung nach allgemeinem und gleichem Wahlrecht, konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Am 5. März 1849 gründete sich in Emden ein Allgemeiner Arbeiter-Verein.[28] Für den Februar 1850 wird von der Einrichtung einer „Krankenlade“, einer Art Krankenversicherung, berichtet. Im selben Jahr folgte ein Arbeiter-Gesangverein. Im April des Jahres liegt die Mitgliederzahl des Allgemeinen Arbeiter-Vereins bei 145, bei einer Gesamteinwohnerzahl von ungefähr 12.000. Von durchschlagender politischer Wirkmächtigkeit war der erste Emder Arbeiterverein nicht: Er löste sich am 21. Mai 1851 auf.[29] Mit ihm verschwanden Krankenlade und Gesangverein.

Einpolderungen am Dollart und in Emden

Seit den 1840er-Jahren wurde die Infrastruktur Emdens ausgebaut. Mit finanzieller Unterstützung des Königreichs gingen die Emder vor allem das Problem der zunehmenden Verschlickung des Hafens an. Zwischen 1845 und 1849 wurde das Emder Fahrwasser ausgehoben, das den Hafen der Stadt wieder mit der Ems verband. Abgeschlossen wurde es durch ein neues Siel, das auch als Schleuse nutzbar war. Das Problem der Entwässerung des Hinterlandes war damit jedoch noch nicht behoben. Weiterhin musste zwischen den Interessen der Stadt, die vor allem in einem starken Sielzug des Wassers zur natürlichen Entschlickung des Hafens bestand, und einer möglichst kontinuierlichen Entwässerung des Hinterlandes, was Anliegen der Landwirte war, entschieden werden.[30] Die Entscheidung fiel im Großen und Ganzen zugunsten der Hafenwirtschaft aus. Im Zuge der Anlegung des Fahrwassers wurden zugleich der Stadtpolder und der Königspolder eingedeicht, der die spätere Süderweiterung des Hafens möglich machte.

Die Ostfriesische Landschaft, damals noch die Ständevertretung mit politischem Charakter, engagierte sich in den Jahren ab 1840 finanziell im Straßenbau. 1842 wurde ein Chaussee von Emden nach Aurich angelegt, die aus Klinkersteinen gebaut wurde. Es handelte sich um die erste Steinstraße Ostfrieslands. Ein Anschluss an Norden kam zwei Jahre später hinzu. Pewsum wurde über Hinte 1859 an das Straßennetz angeschlossen, die Strecke ist Vorläufer der heutigen Landesstraße 3. Gleichwohl waren noch über weitere Jahrzehnte die Kanäle zu den umliegenden Dörfern die primären Verkehrswege.

In diese Zeit fiel der Bau der Hannoverschen Westbahn von Emden nach Rheine mit Fortsetzung nach Münster. Der Emder Bahnhof wurde am 20. Juni 1856 fertiggestellt. Durch die Westbahn wurde Ostfriesland an das nationale Eisenbahnnetz angeschlossen – 21 Jahre, nachdem die erste Eisenbahn in Deutschland überhaupt fuhr. Die Westbahn wurde als „großartiger Schritt für das wirtschaftliche Wachstum Emdens“ gesehen.[31] Durch die Bahnanbindung rückte Westfalen näher an Ostfriesland heran. Landwirtschaftliche Produkte aus der Region konnten nun schneller in Richtung Süden transportiert werden, Westfalen mit seiner im Wachsen begriffenen Industrie war ein wichtiges Absatzgebiet.

Wieder preußisch: Aufstieg zur Industriestadt (1866 bis 1914)

Die „Rückkehr” nach Preußen wurde in Emden und Ostfriesland im Allgemeinen begrüßt. Die Annexion des Königreichs Hannover durch Preußen, so hofften viele Emder, würde auch wirtschaftlich wieder bessere Zeiten bringen. Für Ostfriesland hatte die „erste“ preußische Herrschaft von 1744 bis 1806 ein Wiederaufleben der Moorkultivierung und erfolgreiche Neueindeichungen gebracht, für Emden im Besonderen eine – wenn auch bescheidene – Belebung des Handels nach Jahrzehnten der Stagnation.

Die Hoffnungen blieben nicht unerfüllt. In den Jahren zwischen den deutschen Einigungskriegen und dem Ersten Weltkrieg verzeichnete Emden einen deutlichen Aufschwung in der industriellen Entwicklung. Bereits 1867 wurde eine Papierfabrik eröffnet (sie blieb bis um 1900 größter Arbeitgeber der Stadt mit zirka 160 bis 180 Beschäftigten), 1875 folgte die Cassens-Werft. Zudem wurde durch den Lückenschluss der Eisenbahnstrecke (Bremen-)Oldenburg-Leer (1869) nun auch ein durchgehender Bahnanschluss nach (Süd-)Osten geschaffen.

Die nächste größere Eindeichungsmaßnahme war 1876 der Kaiser-Wilhelm-Polder südwestlich des Stadtkerns. Er erbrachte nicht nur einen großen Flächenzuwachs, sondern ermöglichte auch die einfachere Anbindung der westlich von Emden gelegenen Dörfer über eine neue Landstraße, dem Vorläufer der heutigen Landesstraße 2.

Der Aufstieg zu einer bedeutenden Hafen- und Industriestadt ist jedoch untrennbar mit dem Namen von Leo Fürbringer (1843–1923) verknüpft. Er amtierte als Oberbürgermeister von 1878 bis 1913; diese Zeit trägt noch heute seinen Namen: die „Ära Fürbringer”. In jenen Jahrzehnten wurde der Emder Hafen zum Seehafen des Ruhrgebietes ausgebaut, eine industrielle Entwicklung schloss sich an.

Im Zusammenspiel mit dem Emder Abgeordneten im Preußischen Landtag, Carl Schweckendieck, machte sich Fürbringer für den Ausbau der Hafenanlagen stark. Dabei kamen Emden die Autarkiebestrebungen des Deutschen Reiches zugute: Man wollte eine eigene Verbindung zwischen dem Ruhrgebiet und der See, um von der niederländischen Rheinmündung unabhängig zu sein. Der Emder Hafen bot dabei gute Voraussetzungen, da er der westlichste Seehafen Deutschlands war und die Entfernung vom rheinisch-westfälischen Industrierevier nach Emden kürzer war, als zu allen anderen deutschen Seehäfen – abgesehen von Papenburg und Leer, die jedoch ein deutlich flacheres Emsfahrwaser aufwiesen.

Außer der in den 1850ern fertiggestellten Bahnstrecke zwischen Emden, Münster und dem Ruhrgebiet gab es jedoch nur wenig Transportmöglichkeiten. Insbesondere fehlte eine Anbindung für Binnenschiffe. Daher erfolgte etwa in den Jahren zwischen 1880 und 1900 ein deutlicher Ausbau der Binnenlandverbindungen des Emder Hafens. In erster Linie ist hier der Bau des Dortmund-Ems-Kanals (1892–1899) zu nennen, ergänzt um den Ems-Seitenkanal von Oldersum nach Emden. Zwischen 1880 und 1888 wurde der Ems-Jade-Kanal gebaut. Dieser verband Emden mit Wilhelmshaven und sollte zugleich der Entwässerung weiter Teile des Auricherlandes dienen. Im Zuge dieses Baus wurde auch die in Europa einzigartige Kesselschleuse erbaut (1886/1887).

Die seewärtige Erreichbarkeit des Emder Hafens wurde im Jahre 1883 entscheidend verbessert, als nach zweijähriger Bauzeit die Nesserlander Schleuse eingeweiht wurde.

Die Kreisbahn Emden–Pewsum–Greetsiel wurde ab dem 27. Juli 1899 von Emden bis Pewsum befahren und wurde am 21. September 1906 bis Greetsiel verlängert.

Aufnahme vom Besuch Kaiser Wilhelm II. am 2. Juli 1902 zur Einweihung des neuen Emder Hafens

1903 wurden die Nordseewerke gegründet, doch schon nach wenigen Jahren geriet der Betrieb in wirtschaftliche Schieflage – die Stadt Emden musste zum Erhalt der Werft und der Arbeitsplätze eingreifen. Durch den Einstieg des Ruhr-Industriellen Hugo Stinnes (1911) gelang der endgültige Durchbruch zu einer modernen Werft.

1913 wurde die Große Seeschleuse eingeweiht. Mit einer Länge von 260 Metern galt sie zu diesem Zeitpunkt als die größte Seeschleuse der Welt. Mit dem Bau wurde auch ein neues Hafenbecken angelegt, der Neue Binnenhafen. Hier wurden vornehmlich Erze und Kohle umgeschlagen.

Erster Weltkrieg und Arbeiter- und Soldatenräte (1914 bis 1919)

Das Ende des Ersten Weltkrieges brachte für die Versorgungslage in Ostfriesland kaum Einschnitte. Die Bevölkerung war überwiegend ländlich geprägt und konnte sich selbst ernähren. Mit ihren Überschüssen bedienten die Bauern einen Markt, der begierig alles aufnahm. Als Handelsort und für die Versorgung des fruchtbaren Umlands behielt Emden seine Bedeutung.

Weimarer Republik (1919 bis 1933)

Notgeld der Stadt Emden aus dem Jahr 1923

Dies änderte sich jedoch mit Beginn der Inflation. In den Jahren 1921 und 1922 kam es zu einem weltweiten Konjunktureinbruch. Am 3. Juli 1922 hatte die Mark noch ein Hundertstel des Wertes vom August 1914, am 3. Oktober 1922 nur noch ein Tausendstel bis schließlich im November 1923 der Kurs für einen US-Dollar 4,2 Billionen Mark entsprach. Als die Rentenmark eingeführt wurde, waren der Wohlstand der Bauern und ihre finanziellen Rücklagen bis auf kümmerliche Reste dahingeschmolzen. Erschwerend kam für Emden hinzu, dass die Besetzung des Ruhrgebiets durch Frankreich die Stadt von ihrer Lebensader abschnitt und die heimische Industrie, namentlich den Schiffbau, lahmlegte. All dies führte zu einem Erstarken der radikalen politischen Flügel. In der von seiner Schiffsindustrie geprägten Stadt Emden profitierte die KPD von den Entlassungen auf den Werften.

Am 11. August 1928 wurde vom Gymnasiasten Johann Menso Folkerts die Ortsgruppe der NSDAP gegründet. Blieb sie zunächst bei Wahlen noch unbeachtet, so steigerte sich ihr Anteil bei den Wahlen bis 1933 erheblich.

Wahlergebnisse aus drei Reichstagswahlen am Ende der Weimarer Republik (in kursiver Schrift die Parteien der Weimarer Koalition):[32]

Partei Reichstagswahl Mai 1928 Reichstagswahl Nov. 1930 Reichstagswahl März 1933
KPD 18,5 % 17,5 % 18,5 %
SPD 26,0 % 23,6 % 20,2 %
Zentrum 2,8 % 2,1 % 2,5 %
DDP 11,7 % 9,2 % 3,6 %
DVP 15,9 % 6,2 % 1,8 %
DNVP 12,3 % 8,5 % 12,2 %
NSDAP 2,3 % 23,3 % 38,3 %
Sonstige 10,5 % 9,6 % 2,4 %

Auch auf lokaler Ebene legten die Nationalsozialisten zu. Sie machten sich unter anderem die finanzielle Situation zu Nutze: Die Stadt war in den letzten Jahren der Weimarer Republik (und auch darüber hinaus) stark verschuldet. Obgleich viele Einwohner durchaus nicht unvermögend waren, hob der Magistrat die Steuern nicht an, um die Schulden abzubauen. Die Steuersätze blieben vielmehr klar unter dem Durchschnitt der Nachbarstädte. Die NSDAP sprach in Wahlkämpfen daher von Misswirtschaft.

Zeit der Nationalsozialismus

Siehe auch das Lemma Ostfriesland zur Zeit des Nationalsozialismus

Nationalsozialistische Vorkriegszeit - bis 1939

1928 hatte der erst 18-jährige Schüler Johann Menso Folkerts die NSDAP-Ortsgruppe Emden und kurze Zeit später auch die der Stadt Aurich initiiert. Da die Nationalsozialisten in Ostfriesland anfangs über nur wenige Anhänger und nur über wenige Führungspersönlchkeiten verfügten , konnte der junge Folkerts schnell aufsteigen. Zehn Jahre lang war er in seinen Ämtern als Ortsgruppenleiter und SA-Führer in Emden, Bezirksführer und Kreisleiter der Kreise Emden und Norden einer der höchsten Repräsentaten der NSDAP, der von seinem Gauleiter für den Gau Weser-Ems Carl Röver sehr gefördert wurde. [33]

„Hoppla, jetzt komm ich!“, titelte die Rhein-Ems-Zeitung am 31. Januar 1933, einen Tag nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler. Der als liberal geltenden und der DDP nahe stehenden Zeitung wurde dies zum Verhängnis: Etwa drei Monate nach der Schlagzeile stürmten NSDAP-Anhänger die Redaktion. Nur unter Auflagen wurde der REZ gestattet, weiter zu erscheinen. An den Auflagen zerbrach das Blatt jedoch ein Jahr später wirtschaftlich.[34]

Am 12. März 1933 fanden die letzten Gemeinderatswahlen der 1930er-Jahre statt. Die NSDAP profitierte dabei bereits von Freiheits- und Pressebeschränkungen und errang die meisten Sitze, wenn auch nicht die absolute Mehrheit der Stimmen. Sie kam allerdings „aus dem Stand“ (nach den vorherigen Wahlen 1929 war sie nicht im Rat der Stadt vertreten) auf 13 Sitze. Die „Kampffront Schwarz-Weiß-Rot“, ein Wahlbündnis aus DNVP und DVP, errang in der Stadtverordnetenversammlung acht Sitze, die SPD sieben, die KPD sechs und die DDP einen.

Die neue Stadtverordnetenversammlung zwang kurz nach der Wahl am 5 . März 1933 den der DDP nahestehenden Oberbürgermeister Dr. Wilhelm Mützelburg, Bürgermeister Harding und den Stadtbaurat Haasis zu entlassen. Gegen beide und den unbeamteten Senator Frickenstein fanden unter fingierten Beschuldigungen Ermittlungen und sogar Hausdurchsuchungen statt. Gegen Harding wurde dann 1934 ein Gerichtsverfahrens eingeleitet, in dem er wegen Bestechlichkeit verurteilt wurde. Bereits im Juli 1933 forderten die Abgeordneten die Absetzung des OB - Mützelburg. Mützelburg galt als unzuverlässig, weil er sein Amt korrekt ausgeübt hatte und als Polizeisenator schon einmal gegen die NSDAP ermittelt hatte. [35] Besonders tat sich dabei der junge Kreisleiter hervor. In einer Besprechung über Personalangelegenheiten am 16. Oktober 1933 im Rathaus warf Folkerts dem Oberbürgermeister eine Sabotierung der Personalpolitik vor. Er forderte dass die Verwaltung den Oberbürgermeister entlasse. Der Oberbürgermeister weigerte sich dem zu folgen. Der heißspornige Kreisleiter griff zur Selbsthilfe. Der Oberbürgermeister Mützelburg wurde von eine Menschenmenge aus NSDAP -Anhängern und SA-Leuten mit Gewalt aus seinem Büro gezerrt und zwangsweise durch die Stadt geführt. Danach wurde Mützelburg zwangspensioniert. 1934 wurde auch gegen ihn ein Verfahren mit manipulierten Vorwürfen geführt. [36]

Für die jüdische Bevölkerung begann die Zeit der Vertreibung und Diskriminierung. Dies veranlasste viele der ansässigen Juden zur Flucht. Unter den schon 1933 geflohenen Juden befand sich auch Max Windmüller, der sich in den Niederlanden unter seinem Decknamen Cor später dem Widerstand der Gruppe Westerweel anschloss und viele jüdische Kinder und Jugendliche rettete. Zeitungsmeldungen zufolge emigrierten von 1933 bis 1938 130 Personen, 50 verzogen in andere Städte. Nach einer anderen Quelle lebten am 1. September 1938 noch 430 Juden in der Stadt, was bedeuten würde, dass etwa ein Viertel der jüdischen Bevölkerung Emden von 1933 bis zum Herbst 1938 – vor der Reichspogromnacht – verlassen hatte.[37]

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 beteiligte sich die Emder NSDAP und die SA an den von der Reichsleitung der Nationalsozialisten befohlenen und den örtlichen Parteibefehlshabern organisierten Ausschreitungen gegen die Juden, die später als „Reichskristallnacht“ oder Novemberpogrome 1938 bezeichnet werden. Die Synagoge wurde niedergebrannt und alle männlichen Juden über Oldenburg in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert, aus dem sie erst nach Wochen zurückkehren konnten. Die Diskriminierung hielt weiter an. Ende Januar 1940 führte eine Initiative ostfriesischer Landräte und des Magistrats der Stadt Emden zu der Weisung der Gestapo-Leitstelle Wilhelmshaven, wonach Juden Ostfriesland bis zum bis zum 1. April 1940 verlassen sollten. Die ostfriesischen Juden mussten sich andere Wohnungen innerhalb des deutschen Reiches (mit Ausnahme Hamburgs und der linksrheinischen Gebiete) suchen. 1941 gehörte Emden zu den ersten 12 Städten im Reich, aus denen Juden in den Osten deportiert wurden. Die letzten jüdischen Einwohner wurden 1942 deportiert.

Der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg (1939 bis 1945)

Am 31. März 1940 wurde Emden erstmalig von englischen Flugzeugen angegriffen und bombardiert. Die wohl größte Katastrophe, die jemals in Emden stattfand, war die Bombardierung durch alliierte Bomberverbände während des Zweiten Weltkrieges, als am 6. September 1944 mehr als 80 Prozent des Stadtgebiets zerstört wurden. Von alliierten Bombereinheiten wurden in mehreren Wellen etwa 1.500 Sprengbomben, 10.000 Brandbomben und 3.000 Phosphorbomben abgeworfen.

Nach Kriegsende gab es Überlegungen auf Seiten der Niederlande, weite Teile Deutschlands, darunter auch Emden, zu annektieren. Konkrete Ansprüche erhoben die Niederlande dann allerdings neben einigen Grenzstreifen vor allem auf den Dollart, die Emsmündung und Borkum. Durch Einpolderung und die Umleitung des Flussbetts sollte Emdens Hafen „trockengelegt” werden, um den Seehandel auf Delfzijl umzuleiten. Die Annexion scheiterte jedoch am Widerstand der Westalliierten.

Besatzung und Wiederaufbau (1945 bis 1962)

Emden und Ostfriesland wurden 1946 Teil des neu gebildeten Bundeslandes Niedersachsen. Den Wiederaufbau der Stadt nannte der Auricher Regierungspräsident Mimke Berghaus eine „gesamtostfriesische Aufgabe“.[38] Der Wiederaufbau der im Krieg stark zerstörten Stadt zog sich bis in die 1960er Jahre hin – noch zu Beginn jenes Jahrzehnts gab es in der Stadt mehrere Barackenlager, da Wohnraum weiterhin knapp war. Einer der heute prominentesten Bewohner eines solchen Barackenlagers war der aus Emden stammende Regisseur Wolfgang Petersen.

Die Zeit des Wirtschaftswunders ging allerdings auch an Emden nicht spurlos vorüber: Bereits zu Beginn der 1950er Jahre liefen auf den Emder Werften (Nordseewerke, Cassens-Werft und Schulte & Bruns, letztere existiert nicht mehr) wieder Schiffe vom Stapel, nachdem die Besatzungsmächte entsprechende Beschränkungen aufgehoben hatten. 1959 wurden die Erdölwerke Frisia errichtet, 1965 nahm das Volkswagenwerk seine Produktion auf.

Etwa Mitte der Sechziger Jahre war auch der Wiederaufbau der zerstörten Stadt vorerst abgeschlossen. Am symbolträchtigsten war die Eröffnung des Rathauses im Jahre 1962. Die Wiedereröffnung fand am 6. September statt, also exakt 18 Jahre nach der schwersten Bombardierung. Seit Ende der Sechziger Jahre wurden auch in Emden – wie in vielen anderen großen Städten des Bundesgebietes – auf massive Bebauung mit Hochhäusern gesetzt. Dabei spielte der ehemalige gewerkschaftseigene Konzern Neue Heimat ein herausragende Rolle. Insbesondere in den Stadtteilen Barenburg und Borssum wurden bis Mitte der Siebziger Jahre mehrere Hochhäuser errichtet. In Barenburg entstanden unter anderem die so genannten Glaspaläste, die größten Wohnhäuser Ostfrieslands. Seinerzeit waren Stadtplaner davon ausgegangen, dass die Einwohnerzahl Emdens auf bis zu 75.000 wachsen könnte.

Wirtschaftswunder und wirtschaftliche Rückschläge (1962 bis 1990)

Die Große Kirche
Johannes á Lasco-Bibliothek

Waren bereits 1945 auf Druck der britischen Besatzungsmacht Larrelt und Harsweg eingemeindet worden, so wurde im Zuge der niedersächsischen Gemeindereform im Jahre 1972 das Stadtgebiet nochmals (und bislang letztmalig) erheblich erweitert. Mit der Erweiterung um Wybelsum, Logumer Vorwerk, Twixlum und Petkum erreichte die Stadt ihre heutige Ausdehnung von gut 112 Quadratkilometern. Seitdem machen landwirtschaftlich genutzte Flächen den größten Anteil am Stadtgebiet aus, obschon die Landwirtschaft für die Wertschöpfung und die Zahl der Arbeitsplätze in der Stadt nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt.

An der Knock im Westen Emdens wurde Mitte der 1970er eine Anlandestation für Erdgas aus norwegischen Feldern in der Nordsee errichtet. 1977 wurde das erste Gas angelandet. In jene Zeit fielen auch die ersten Überlegungen zum Bau des Dollarthafens – einem gigantischen Hafenerweiterungsprojekt, das allerdings wegen des Widerstands der benachbarten Niederlande nie umgesetzt wurde. Auch Umweltschützer hatten vehement gegen das Projekt gekämpft.

Seit 1973 ist Emden Standort einer Fachhochschule. Das kulturelle Angebot der Stadt wurde um die Nordseehalle (erbaut 1972) und das Neue Theater erweitert.

Ungefähr in der Mitte der 1980er Jahre begann die Hinwendung zum Tourismus. Im Ratsdelft, dem ältesten Teil des Emder Hafens, wurden 1984 das Museumsschiff Amrumbank (ein ehemaliges Feuerschiff) und 1988 der Seenotkreuzer Georg Breusing vertäut. Am 3. Oktober 1986 eröffnete der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker die Kunsthalle Emden, die auf Initiative des Emder Publizisten Henri Nannen erbaut wurde.

Die Johannes-a-Lasco-Bibliothek hat seit 1995 ihren Standort in der Großen Kirche im Herzen der Stadt.

Seit 1996 ist Emden keine Garnisonsstadt mehr: Das ABC-Abwehrbataillon 110 zog ab, die Karl von Müller-Kaserne steht seitdem leer.

Siehe auch

Archive, Bibliotheken und Museen

Emden verfügt über ein Stadtarchiv, das als eines der umfassendsten kommunalen Archive Niedersachsens gilt. Die dort aufbewahrten Urkunden, Schriften und Akten reichen bis an das Ende des 15. Jahrhunderts zurück. So findet sich dort unter anderem die Urkunde zur Verleihung des Stadtwappens 1495. Das Staatsarchiv Aurich, das für den Raum Ostfriesland zuständig ist, beherbergt darüber hinaus Archivmaterial zur ostfriesischen Geschichte, das ebenfalls eine Vielzahl von Urkunden etc. aus der Emder und ostfriesischen Geschichte beherbergt. Das Wirtschaftsarchiv Nord-West-Niedersachsen sammelt historisch wertvolles Schriftgut aus dem Wirtschaftsleben der Region. Die Johannes-a-Lasco-Bibliothek ist eine Fachbibliothek zur Geschichte des Calvinismus in Europa. Das Ostfriesische Landesmuseum ist ein Museum zur Geschichte der Stadt Emden und der Region Ostfriesland und zeigt deren Einbettung in die europäische Geschichte. Zu einzelnen Sonderausstellungen werden Fachkataloge herausgegeben.

Literatur

  • Klaus Brandt, Hajo van Lengen, Heinrich Schmidt, Walter Deeters: Geschichte der Stadt Emden von den Anfängen bis 1611. Verlag Rautenberg, Leer 1994, ohne ISBN (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 10).
  • Reinhard Claudi (Hrsg.): Stadtgeschichten - Ein Emder Lesebuch 1495/1595/1995. Gerhard Verlag, Emden 1995, ISBN 3-9804156-1-9.
  • Dietrich Janßen: 6. September 1944. Emden geht unter. Wartberg Verlag, Gudensberg-Gleichen 2004, ISBN 3-8313-1411-X.
  • Bernd Kappelhoff: Geschichte der Stadt Emden von 1611 bis 1749. Emden als quasiautonome Stadtrepublik. Verlag Rautenberg, Leer 1994, ohne ISBN (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 11).
  • Axel von Schack, Albert Gronewold: Arbeit alleine, da wirst nicht von satt. Zur Sozialgeschichte der Stadt Emden 1848-1914. Verlag Edition Temmen, Bremen 1994, ISBN 3-86108-233-0.
  • Ernst Siebert, Walter Deeters, Bernard Schröer: Geschichte der Stadt Emden von 1750 bis zur Gegenwart. Verlag Rautenberg, Leer 1980, ohne ISBN (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 7).

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Schwarz: Die Urgeschichte in Ostfriesland, Leer 1995, ISBN 3-7963-0323-4, S. 34.
  2. Wolfgang Schwarz: Die Urgeschichte in Ostfriesland. Leer 1995, ISBN 3-7963-0323-4, S. 35.
  3. Klaus Brandt, Hajo van Lengen, Heinrich Schmidt, Walter Deeters: Geschichte der Stadt Emden von den Anfängen bis 1611. Verlag Rautenberg, Leer 1994, ohne ISBN (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 10), S. 3.
  4. Klaus Brandt, Hajo van Lengen, Heinrich Schmidt, Walter Deeters: Geschichte der Stadt Emden von den Anfängen bis 1611. Verlag Rautenberg, Leer 1994, ohne ISBN (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 10), S. 4.
  5. Klaus Brandt, Hajo van Lengen, Heinrich Schmidt, Walter Deeters: Geschichte der Stadt Emden von den Anfängen bis 1611. Verlag Rautenberg, Leer 1994, ohne ISBN (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 10), S. 61.
  6. Klaus Brandt, Hajo van Lengen, Heinrich Schmidt, Walter Deeters: Geschichte der Stadt Emden von den Anfängen bis 1611. Verlag Rautenberg, Leer 1994, ohne ISBN, (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 10), S. 13.
  7. Klaus Brandt, Hajo van Lengen, Heinrich Schmidt, Walter Deeters: Geschichte der Stadt Emden von den Anfängen bis 1611. Verlag Rautenberg, Leer 1994, ohne ISBN (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 10), S. 63.
  8. Henning P. Jürgens: Johannes a Lasco in Ostfriesland. Der Werdegang eines europäischen Reformators. Mohr Siebeck, Tübingen 2002, ISBN 3-16-147754-5, S. 169.
  9. Klaus Brandt, Hajo van Lengen, Heinrich Schmidt, Walter Deeters: Geschichte der Stadt Emden von den Anfängen bis 1611. Verlag Rautenberg, Leer 1994, ohne ISBN (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 10), S. 77.
  10. Klaus Brandt, Hajo van Lengen, Heinrich Schmidt, Walter Deeters: Geschichte der Stadt Emden von den Anfängen bis 1611. Verlag Rautenberg, Leer 1994, ohne ISBN (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 10), S. 71.
  11. Heinrich Schmidt: Politische Geschichte Ostfrieslands. Rautenberg, Leer 1975 (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 5), S. 78.
  12. Klaus Brandt, Hajo van Lengen, Heinrich Schmidt, Walter Deeters: Geschichte der Stadt Emden von den Anfängen bis 1611. Verlag Rautenberg, Leer 1994, ohne ISBN (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 10), S. 110.
  13. a b Klaus Brandt, Hajo van Lengen, Heinrich Schmidt, Walter Deeters: Geschichte der Stadt Emden von den Anfängen bis 1611. Verlag Rautenberg, Leer 1994, ohne ISBN, (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 10), S. 140.
  14. Stadt Emden: „Engelke up de Muer“ - das Wappen der Stadt Emden, eingesehen am 12. Januar 2010.
  15. Klaus Brandt, Hajo van Lengen, Heinrich Schmidt, Walter Deeters: Geschichte der Stadt Emden von den Anfängen bis 1611. Verlag Rautenberg, Leer 1994, ohne ISBN (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 10), S. 166.
  16. Henning P. Jürgens: Johannes a Lasco in Ostfriesland. Der Werdegang eines europäischen Reformators. Mohr Siebeck, Tübingen 2002, ISBN 3-16-147754-5, S. 167ff. (teils online).
  17. Gerhard Müller: Theologische Realenzyklopädie. Band 1. De Gruyter, Berlin 1999, ISBN 3-11-016295-4, S. 538.
  18. Elwin Lomberg: Ursachen, Vorgeschichte und Auswirkungen der Emder Synode von 1571. In: Evangelisch-Reformierte Kirche in Nordwestdeutschland (Hrsg.): 1571 Emder Synode 1971. Beiträge zur Geschichte und zum 400jährigen Jubiläum. Neukirchener, Neukirchen 1973, S. 14–15. Abbildung unter Moederkerk (gesehen 13. Januar 2010).
  19. Menno Smid: Ostfriesische Kirchengeschichte. Selbstverlag, Pewsum 1974 (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 6), S. 194, 199.
  20. Abbildungen vor der Zerstörung in: Evangelisch-Reformierte Kirche in Nordwestdeutschland (Hrsg.): 1571 Emder Synode 1971. Beiträge zur Geschichte und zum 400jährigen Jubiläum. Neukirchener, Neukirchen 1973, S. 198–199.
  21. Helmut Glück: Deutsch als Fremdsprache in Europa. Vom Mittelalter bis zur Barockzeit. De Gruyter, Berlin 2002, ISBN 3-11-017503-7, S. 313.
  22. Lutz Hambach: Die Sprachgeschichte unter besonderer Beobachtung der Sprachsituation im 16. Jahrhundert. Grin Verlag, Norderstedt 2008, ISBN 978-3-638-93300-1, S. 14.
  23. a b Gertrud Reershemius: Niederdeutsch in Ostfriesland. Zwischen Sprachkontakt, Sprachveränderung und Sprachwechsel. Steiner, Stuttgart 2005, ISBN 3-515-08571-8, S. 24.
  24. Ernst Siebert, Walter Deeters, Bernard Schröer: Geschichte der Stadt Emden von 1750 bis zur Gegenwart. Rautenberg, Leer 1980 (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 7), S. 2.
  25. „Trecken“ ist ostfriesisches Plattdeutsch und heißt „ziehen“.
  26. Ernst Siebert: Geschichte der Stadt Emden von 1750 bis 1890. In: Ernst Siebert, Walter Deeters, Bernhard Schröer: Geschichte der Stadt Emden von 1750 bis zur Gegenwart. Verlag Rautenberg, Leer 1980 (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 7), S. 52f.
  27. Eckart Krömer: Kleine Wirtschaftsgeschichte Ostfrieslands und Papenburgs. Verlag SKN, Norden 1991, ISBN 3-922365-93-0, S. 76.
  28. Axel von Schack, Albert Gronewold: Arbeit allein, da wirst nicht von satt. Zur Sozialgeschichte der Stadt Emden 1848–1914. Verlag Edition Temmen, Bremen 1994, ISBN 3-86108-233-0, S. 30.
  29. Axel von Schack, Albert Gronewold: Arbeit allein, da wirst nicht von satt. Zur Sozialgeschichte der Stadt Emden 1848–1914. Verlag Edition Temmen, Bremen 1994, ISBN 3-86108-233-0, S. 38.
  30. Ernst Siebert: Geschichte der Stadt Emden von 1750 bis 1890. In: Ernst Siebert, Walter Deeters, Bernhard Schröer: Geschichte der Stadt Emden von 1750 bis zur Gegenwart. Verlag Rautenberg, Leer 1980 (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 7), S. 61.
  31. So urteilte der Lokalhistoriker und Buchautor Ernst Siebert in: Ernst Siebert, Walter Deeters, Bernard Schröer: Geschichte der Stadt Emden von 1750 bis zur Gegenwart. Rautenberg, Leer 1980 (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Band 7), S. 54.
  32. aus www.verwaltungsgeschichte.de
  33. S. der Eintrag für Folkerts in der Ostfriesischen Biographie auf den Webseiten der Ostfriesischen Landschaft
  34. Ernst Siebert, Walter Deeters, Bernard Schröer: Geschichte der Stadt Emden von 1750 bis zur Gegenwart. Rautenberg, Leer 1980 (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 7), S. 255 (Anm. 144).
  35. Ernst Siebert, Walter Deeters, Bernard Schröer: Geschichte der Stadt Emden von 1750 bis zur Gegenwart. Verlag Rautenberg, Leer 1980,Seite 244
  36. Ernst Siebert, Walter Deeters, Bernard Schröer: Geschichte der Stadt Emden von 1750 bis zur Gegenwart. Rautenberg, Leer 1980 (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 7), S. 246.
  37. Herbert Obenaus (Hrsg.): Historisches Handbuch der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen. Wallstein, Göttingen 2005, ISBN 3-89244-753-5.
  38. Ostfriesische Landschaft, Ortschronisten: Rudolf Nassua: Die Kommunale Selbstverwaltung in Ostfriesland während der britischen Besatzungszeit 1945-1949. S. 22 (PDF-Datei; 223 kB).