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Rasso

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Rasso-Skulptur an der Apsis der St.-Rasso-Kirche, Grafrath.
Altarbild von Joh. Andreas Wolff am Rassoaltar in der Wallfahrtskirche Andechs

Der heilige Rasso, auch Gráfrath, Graf Rath oder Ratt war in der Karolingerzeit (eher im 9., spätestens aber im 10. Jahrhundert) Graf im Gebiet zwischen Ammersee und Starnbergersee, Kirchenstifter und Klostergründer im heutigen Grafrath. Sein Grab befindet sich in der Wallfahrtskirche St. Rasso in Grafrath.

Als Volksheiliger wurde Rasso bereits im frühen Mittelalter verehrt. Seine Insignien sind Rüstung, Fürstenhut und Fürstenmantel, Kommandostab, bayerische Fahne, Kirchenmodell bzw. Kirchenplan. Sein Fest wird am 19. Juni gefeiert.

Name

Rasso wird der Graf ursprünglich nur in lateinischen Schriften genannt. Beim Volk und in deutschen Lebensbeschreibungen hieß er bis in die Mitte des 19. Jh. Graf Rath, Graf Ratt oder Gráfrath. Deshalb wurde schon im Mittelalter der Ort, an dem die Kirche mit seinem Grab steht, nach ihm St. Grafrath genannt.[1] Als sich 1972 die beiden benachbarten Dörfer Unteralting und Wildenroth aufgrund der Gebietsreform zusammenschlossen, entschieden sie sich ebenfalls für den Namen Grafrath, der zu diesem Zeitpunkt schon der Name des Bahnhofs oberhalb der Orte war. Den Gemeinden Wildenroth, Unteralting und Kottgeisering wurden zwar Zuschüsse in Aussicht gestellt, aber es wurde kein Zwang ausgeübt. Kottgeisering lehnte den Zusammenschluss ab und blieb selbständig, die Gemeinderäte von Unteralting und Wildenroth beschlossen in getrennten Sitzungen einstimmig den Zusammenschluss unter dem Namen Grafrath - so steht es in den Protokollbüchern.

  • Nicht identisch ist Rasso mit Razo comes de Diezen, der in einer Freisinger Traditionsurkunde für die erste Hälfte des 11. Jh. bezeugt ist.[2]

Quellen

Nichtschriftliche

Rasso/Grafrath ist zunächst durch nichtschriftliche Quellen bezeugt, nämlich durch sein Grab in der Mitte der Kirche, für das es eine ununterbrochene Überlieferung gibt, und durch seine Gebeine, die 1468 aus dem Bodengrab gehoben und in einem Hochgrab an derselben Stelle über der Erde wieder beigesetzt wurden. Die Inschrift auf der damals aus Rotmarmor neu angefertigten Grabplatte lautet: Hie ligt wegraben der edel fürst und Graf sand Rasso der ditz Gotzhaus zum ersten hat gestifft in den eren unsers lieben herren und hie will wartten des jüngsten tags. Anno 954. Nach dem Bau der jetzigen Barockkirche kamen die Gebeine im Jahr 1695 auf den Hochaltar. Die ursprüngliche Grabstätte wurde aber wegen der Verehrung des Grabes durch das Volk erhalten.

Sowohl bei dem im Boden verborgenen Steinplattengrab wie auch beim Schädel der Stifterreliquie konnte 2003 durch archäologische und anthropologische Untersuchungen die überlieferte Zugehörigkeit zum frühen Mittelalter bestätigt werden.[3] Auf Grund der erhobenen Gebeine wird er als Mann von außergewöhnlicher Körpergröße beschrieben.[4]

Schriftliche

Da das Kloster schon im Mittelalter wieder unterging, haben sich aus seiner Zeit keine schriftlichen Quellen erhalten, doch findet sich umfangreiches schriftliches Quellenmaterial aus späterer Zeit in Andechs und Dießen:

Zum einen hatte der Kirchenstifter wie andere Adelige seiner Zeit wertvolle Reliquien gesammelt, um seiner Stiftung besondere Bedeutung zu verleihen und sich sein Grab ad sanctos (in unmittelbarer Nähe dieser Heiltümer) zu sichern. Diese Reliquien kamen beim Niedergang des Klosters mit allen Kleinodien der Kirche nach Andechs (so der Eintrag in einem dortigen alten Missale), wo sie den Grundbestand des bekannten Heiltumschatzes bildeten. Damit wurde der Gründer von Grafrath Teil der Geschichte von Andechs und wird dort als Graf von Andechs in allen alten Quellen besonders erwähnt und gewürdigt.

Zum anderen übergab Papst Innozenz II. im Jahr 1132 die Reste der Grafrather Klosterstiftung dem als Hauskloster der Grafen von Andechs neu errichteten Chorherrenstift Dießen. Als hundert Jahre später das Geschlecht der Andechser unterging, übernahmen die Chorherren von Dießen die Gedächtnispflege.

Ab dem Beginn des 16. Jh. versuchten frühe bayerische Historiker wie Johannes Aventinus und die Chorherren von Dießen, das Leben des Grafen Rasso genauer zu rekonstruieren, wichen dabei aber in manchen Dingen von der älteren Andechser Überlieferung ab, was bis heute zu verschiedenen Aussagen über Rassos Leben führt.

Andechser Überlieferung

Nach der älteren Andechser Tradition war Ratt ein Adeliger fränkischer Abstammung, der zur Zeit Karls des Großen († 814) im Gebiet zwischen Ammersee und Starnbergersee als comes, als königlicher Verwaltungsbeamter, eingesetzt war. Er wird stets als Graf von Andechs bezeichnet. Zur späteren Grafschaft Dießen wird kein Bezug hergestellt. Am Fuße seiner Burg Razzenberg, die man auf dem heutigen Michelsberg am südlichen Hochufer über der Amper suchen muss, gründete er ein Benediktinerkloster und erbaute dazu eine Kirche mit dem Patrozinium des St. Salvator und der Apostel Philippus und Jakobus des Jüngeren.[5] Er erwarb für seine Stiftung auf einer Pilgerfahrt in Konstantinopel, Jerusalem, Rom und Mailand wertvolle Herren- und Heiligenreliquien, trat nach seiner Rückkehr als Laienbruder in sein Kloster ein, starb eines heiligmäßigen Todes und wurde in der Kirche bei den Reliquien beigesetzt. Das Kloster fiel zu Beginn des 10. Jh. wie andere bayerische Klöster der Säkularisierung durch Herzog Arnulf zum Opfer.[6]

Dießener Überlieferung

Die Dießener Chronisten fußen zunächst auf den Andechser Quellen, nehmen dann aber das hinzu, was Aventin in seinem Geschichtswerk Annales ducum Boiariae über den Grafen Ratho schreibt, und bauen es weiter aus, obwohl schon Aventin für seine Aussagen keine Belege vorweisen konnte. Für die Dießener war Rasso ein Sohn des Grafen Rathold, dieser ein Sohn des Kaisers Arnulf von Kärnten und der Stammvater der Grafen von Dießen. Rasso wird als Markgraf von Österreich bezeichnet, und in dieser Funktion werden ihm zwei bedeutende Siege zugeschrieben, die er mit Herzog Heinrich im Jahre 948 bei Mauerkirchen über die Ungarn errungen haben soll. Die Pilgerfahrt nach Jerusalem lassen sie Rasso zusammen mit Heinrichs Gemahlin Judith unternehmen.

Bezüglich der Klostergründung, des Kirchenbaus, der Sammlung von Reliquien und des heiligmäßigen Todes stimmen Aventin und die Dießener Chronisten mit der Andechser Tradition überein, nicht aber, was den Zeitpunkt der Gründung und das Ende des Klosters betrifft: Im Datum der Klostergründung folgt Aventin mit „954“ dem in der zweiten Hälfte des 14. Jh. lebenden Chronisten Albert von Tegernsee oder Albert von Dießen, einem dortigen Chorherrn.[7] Aventin ist der erste, der die Auflösung des Klosters mit dem Ungarneinfall 955 in Verbindung bringt, was – nur ein Jahr nach der von ihm verzeichneten Gründung – späteren Chronisten wohl unglaubwürdig schien: Sie gaben dann das Jahr 954 als Todesjahr des Gründers aus.[8]

Wertung dieser Überlieferungen

Zwar hat sich ab dem 16. Jh. die Version der Dießener Chorherren, welche die Kirche in Grafrath betreuten, immer mehr durchgesetzt, doch ist die Andechser Überlieferung nicht nur die ältere, sondern auch die stimmigere. Die Dießener Version erweist sich in vielen Punkten als Konstrukt. Die Andechser Überlieferung bringt zwar weniger Details, doch ist das, was sie über den Grafen und seine Gründung überliefert, glaubwürdig, passt in die Zeit der Karolinger und stimmt mit den Erkenntnissen aus den nichtschriftlichen Quellen überein.[9]

Nachwirken

Schon früh wurde der Graf vom Volk als Heiliger verehrt und vor seinen Namen ein sand oder heilig gesetzt (so etwa in einer Herzogsurkunde von 1390). Ebenso bestätigen die Quellen, dass sein Grab schon im Mittelalter von vielen Pilgern aus ganz Süd- und Ostbayern, Schwaben und Tirol wegen der hier tag und nacht ohne unterlass geschehenden Wunder aufgesucht wurde. Angerufen wurde der Heilige vor allem bei heimlichen und schambaren Gebrechen, d.h. bei Unterleibs-, Stein- und Bruchleiden. Woher diese Zuständigkeit rührt, bleibt dunkel, da sich in den verschiedenen Lebensbeschreibungen nicht der geringste Hinweis darauf findet.[10]

Im Jahr 1444 begann man die Wunder, die von Geheilten angezeigt wurden, aufzuschreiben. Drei erhaltene Mirakelbücher verzeichnen bis 1728 fast 13.000 Einträge. [11]

Das Fest des hl. Rasso wird in Grafrath, Untergammenried/Bad Wörishofen und Untermühlhausen bis heute feierlich begangen am 19. Juni bzw. am darauf folgenden Sonntag. Zeugnisse für die früher verbreitete Verehrung gibt es noch an vielen anderen Orten:

Im Dom zu München finden sich vier Rasso-Darstellungen, darunter die überlebensgroße Statue, die der Meister von Rabenden um 1520 angefertigt hat. In der Andechser Kirche ist er siebenmal präsent, in Dießen viermal. Ein besonderes Schmuckstück ist die ihm geweihte kleine Rokokokirche in Gammenried, einem Ortsteil von Bad Wörishofen. Weitere Spuren finden sich in München (Kirche Mariä Schutz in Pasing, St. Maximilian, Albertinum), ferner in Dettenschwang und Wolfgrub bei Dießen, in Utting, Landsberg am Lech, Untermühlhausen (Penzing), Kaufering, Schmiechen, Epfach bei Schongau, auf dem Auerberg, in Schweinegg (Eisenberg bei Füssen), Bad Oberdorf (Hindelang), Schwaig (Oberding bei Erding), Isen bei Erding, Hofolding (Brunnthal), Vagen (Feldkirchen-Westerham), Reichertshausen (Egling bei Wolfratshausen), Partenkirchen, Egern, Emmering, Dachau, Riedenzhofen (Röhrmoos), Jarzt (Fahrenzhausen), Machtenstein (Schwabhausen), Landshut, Unterköllnbach und Altfraunhofen bei Landshut, Donauwörth, Bergen bei Neuburg, Ingolstadt.

In Fürstenfeldbruck ist das Graf-Rasso-Gymnasium nach ihm benannt.

Anmerkungen und Nachweise

  1. Ursprünglicher Name der Örtlichkeit war "Wörth", da es sich damals noch um eine Insel zwischen Amper und Ampermoos handelte; siehe Meßmer, Graf Rath und sein Hof in Wörth, S. 6-34.
  2. Meßmer, Grafrath und die Anfänge , S. 198-200
  3. B. Steidl/P. Schröter/B. Ziegaus, Zur Historizität des heiligen Grafen Rasso von Grafrath, in: Bayerische Vorgeschichtsblätter 69 (2004) S.113-133.
  4. Meßmer, Grafrath und die Anfänge, S. 200f.
  5. Fest beider Apostel früher am 1. Mai, seit 1956 (Einführung des Festes Josephs des Arbeiters) am 11. Mai.
  6. Vgl. R. Bauerreiß, Die geschichtlichen Einträge im Andechser Missale (clm 3005), Nr.2, 4, 11, 15, 21; ebenso Einleitung zum ersten Mirakelbuch von Grafrath (unveröffentlichte Handschrift, ca. 1495).
  7. Friedrich Wilhelm Bautz: Albert von Diessen. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1, Bautz, Hamm 1975. 2., unveränderte Auflage. Hamm 1990, ISBN 3-88309-013-1, Sp. 81–82.
  8. Zur Problematik um das Todesjahr (wirkliches Todesjahr wohl 854) siehe Meßmer, Grafrath und die Anfänge, S.196-200 und 215f.
  9. Meßmer, Graf Rath und die Anfänge, S. 196-206; ders.: Graf Rath und sein Hof in Wörth, S. 50-55.
  10. Früheste Lebensbeschreibung in der Ältesten Chronik von Andechs (Hrsg. B. Kraft, Andechser Studien, S. 587-589) und in der Chronik von Dießen des Chorherrn Sebastian Meckenloher (unedierte Handschrift, Bay.HStA München KL Dießen 5, S. 7-14).
  11. Von 1444 bis zur Säkularisation 1803 mindestens sechs Mirakelbücher bezeugt, doch nur drei sind erhalten, und zwar eines für die Jahre 1444-1501 und 1558-1595, das zweite 1639-1691, das dritte 1692-1728. Im Klosterarchiv finden sich jedoch Berichte über wunderbare Hilfe bis in die heutige Zeit.

Literatur

  • Matthäus Rader: Rasso. In: Bavaria Sancta, Band 1.
  • Daniel Papebroch: S. Rasso. In: Acta Sanctorum, Juni Band 3.
  • Romuald Bauerreiß (Hrsg.): Die geschichtlichen Einträge des Andechser Missale. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens 47 NF 16 (1929) S. 52–90, 433–447.
  • Augsburger Wallfahrerverein (Hrsg.): Geschichte der Augsburger Fuß-Wallfahrt zum Hl. Berg Andechs und zum Hl. Rasso in Grafrath. Herausgegeben aus Anlass des 400 jährigen Jubiläums in der Bittwoche vom Augsburger Wallfahrerverein. Haas & Grabherr, Augsburg 1927
  • Benedikt Kraft (Hrsg.): Älteste Chronik von Andechs. In: Andechser Studien II = OA 74 (1941), S. 587–589.
  • Pankraz Fried: Rasso, Gf.. In: Lexikon des Mittelalters. Band VII, Sp. 449. Artemis, München 1995, ISBN 3-7608-8907-7
  • Lothar Altmann: Gammenried. Kath. Wallfahrtskirche St. Rasso. (Kleine Kunstführer Nr. 1245, 5. Auflage, 16 S.). Schnell und Steiner, Regensburg, ISBN 978-3-7954-4964-3
  • Ekkart SauserRasso. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 21, Bautz, Nordhausen 2003, ISBN 3-88309-110-3, Sp. 1233–1234.
  • Ernst Meßmer: Graf Rasso. Heerführer Bayerns, Kirchenstifter und Klostergründer von Grafrath, Volksheiliger. EOS-Verlag, St. Ottilien 2003, ISBN 3-8306-7166-0
  • Ernst Meßmer: Das wundersame Grab von Graf Rasso. Geschichte der ungewöhnlichen Wallfahrt und Wallfahrtskirche zu St. Grafrath. EOS-Verlag, St. Ottilien 2004, ISBN 3-8306-7185-7
  • Ernst Meßmer: Neue Fragen zu Grafrath. In: Amperland 42 (2006) Heft 4, S. 357-371.
  • Ernst Meßmer: Grafrath und die Anfänge von Dießen und Andechs. Neue Bewertung und Auswertung der Quellen über frühe Zusammenhänge. In: Oberbayerisches Archiv, 133. Band (2009), S. 161–246.
  • Ernst Meßmer: Graf Rath und sein Hof in Wörth. Thalhofen 2011, ISBN 978-941013-58-2
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