Bahnstrecke Lomé–Aného
Lome–Anecho | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Togoküstenbahn um 1905 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Streckenlänge: | 44 km | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Spurweite: | 1000 mm (Meterspur) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Maximale Neigung: | 1,25 ‰ | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Minimaler Radius: | 300 m | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Die Küstenbahn Lome–Anecho war die erste Eisenbahn in dem damals deutschen Schutzgebiet Togo. Sie verband über 44 Kilometern (in manchen Quellen sind 45 Kilometer angegeben) den Hauptort Lome mit dem Küstenort Anecho. Umgangssprachlich wurde die Küstenbahn auch als Kokosnussbahn[1] bezeichnet – auf den Dünen zwischen Strand und Lagune wuchsen Kokosnusspalmen, Ölpalmenprodukte waren häufig Transportgüter.
Verkehr vor dem Bahnbau

In Süd-Togo wurden kaum Zugtiere verwendet, da sie aufgrund der dort verbreiteten Tierseuche Surra nicht eingesetzt werden konnten. Die Küstenschifffahrt war wegen der gefahrvollen Brandung wenig entwickelt. So wurde der Transport nur mit Booten auf den küstennahen Binnengewässern und durch Träger gewährleistet. Auch als die deutschen Kolonialisten nach der Besitzergreifung des Landes im Jahr 1884 Fuhrwerke einführten, wurden diese vielfach von Afrikanern per Hand bewegt.[2]
Planung

Mit dem Bau der Landungsbrücke in Lome 1900–1904 sollte der Export der Landesprodukte allein dort stattfinden, nicht zuletzt, um auch die Zollbehörde dort konzentrieren zu können. Das hafenlose Anecho (vormals Klein-Popo), dessen Reede bisher auch Exportplatz für Ölpalmenprodukte war, sollte diese Funktion verlieren. Die deutsche Kolonialleitung beschloss deshalb, eine Bahnstrecke zwischen der Landungsbrücke in Lome und Anecho zu errichten. Die Trassierung entsprach vor allem Wirtschaftsinteressen europäischer Kaufleute, kompensierte aber zum Teil auch den drohenden Bedeutungsverlust von Anecho.
Die Trassenführung entsprach der kürzesten Verbindung entlang der Küste. Auch der Einfluss der am Küstenort Kpeme angesiedelten Pflanzungsgesellschaft Kpeme, die hier eine Plantage und bei Bagida ein Vorwerk betrieb, kann ein Grund für die gewählte Streckenführung gewesen sein, die darauf verzichtete, das eigentliche Haupt-Herkunftsgebiet der Exportprodukte nordöstlich des Togosees zu durchqueren.[3]
Bau
Ausführung
Der Bau der Bahnstrecke begann Anfang März 1904. Erst nach der Fertigstellung der Landungsbrücke konnten die Baumaterialien gefahrlos gelöscht werden. Die Bauausführung wurde der Vereinigten Maschinenfabrik Augsburg und der Maschinenbaugesellschaft Nürnberg (Zweigstelle Gustavsburg) übertragen. Der Bau war technisch relativ anspruchslos: Erdarbeiten und Kunstbauten waren kaum notwendig. Für den Bau wurden 1,12 Millionen Mark bewilligt. Die Kosten betrugen rund 23.000 Mark pro Schienenkilometer.[4] Die bewilligte Summe war somit nahezu ausreichend. Die anfänglich geplante Spurweite von 750-Millimetern wurde kurz vor Bauausführung in Meterspur geändert.
Arbeitsbedingungen
Als Arbeiter wurden fast ausschließlich Afrikaner eingesetzt, die – verglichen mit ähnlichen Arbeiten in den Nachbarkolonien – geringe Löhne erhielten. Einheimische Arbeiter erhielten für den Bahnbau in der Regel einen Tageslohn von 50 Pfennigen, zuzüglich 25 Pfennig Verpflegungsgeld. In der benachbarten Kolonie Goldküste waren hingegen Tageslöhne von umgerechnet 2 Mark üblich. Viele Arbeiter waren nur so lange im Bahnbau tätig, bis sie ihre jährliche Steuersumme vom 6 Mark erarbeitet hatten. Die Kolonialleitung griff daher zunehmend zum Mittel der Zwangsarbeit, um genügend Arbeitskräfte für den Bahnbau sicherzustellen. „Pflichtarbeiter“ bekamen die gleichen Löhnen wie freiwillig Beschäftigte, waren jedoch für ein halbes Jahr zwangsverpflichtet.[5] Erkrankungen und Todesfälle waren unter der zwangsverpflichteten Arbeiterschaft besonders hoch. Gründe dafür waren das für Pflichtarbeiter aus anderen Landesteilen ungewohnte Klima, Essen und Arbeitspensum.[6]
Betrieb


Verkehr
Die Küstenbahn wurde am 18. Juli 1905 eröffnet. Am selben Tag wurde die Reede von Anecho für die Handelsschifffahrt gesperrt. Den Bahnbetrieb übernahm zunächst die Baugesellschaft m.b.H. Lenz & Co aus Berlin. Am 1. April 1908 wurde der Betrieb an die Deutsche Kolonialeisenbahn-Bau- und Betriebs-Gesellschaft in Berlin auf 12 Jahre verpachtet.
In den Palmenhainen der Küste und dem fruchtbaren Hinterland von Anecho waren Kopra, Mais und Palmkerne die wesentlichen Frachtgüter.[7]
Obwohl die Strecke vorwiegend für den Gütertransport gebaut wurde, zeigte sich bald ein starker Andrang von afrikanischen Fahrgästen, die bereits in den Bauzügen mitgefahren waren. Ein Fahrplan für den öffentlichen Personenverkehr wurde jedoch erst ab dem 15. Mai 1906 eingeführt. Werktäglich verkehrte ein Zugpaar, das die Strecke in 1 Stunde und 50 Minuten zurücklegte.[8] Bis 1914 pendelten etwa 38.000 bis 40.000 Personen jährlich mit der Küstenbahn zwischen Lome und seinem östlichen Einzugsgebiet. Die durchschnittliche Wegelänge einer Person betrug 33,2 Kilometer. Der Zustieg auf den ländlichen Haltestellen war beträchtlich.[3]
Betriebsgebäude und Fahrzeugpark
Nennenswerte Betriebsgebäude bestanden fast nur am Bahnhof Lome, von dem auch die übrigen beiden Bahnlinien Togos ausgingen. In Lome befinden sich die noch heute genutzten Lager- und Lokomotivhallen. Daneben gab es eine Drehscheibe, Wassertürme und Werkstätten. Das Empfangsgebäude in Lome war zweistöckig. Die Bahnstationen auf der Strecke, etwa in Porto Seguro, waren meist schlichte, eingeschossige Wartehäuser.[9]
Als Zugmaschinen kamen anfänglich zwei Tenderlokomotiven der Bauart Bn2T zum Einsatz, die von Henschel 1904 geliefert wurden (Baunummer 6885 und 6886). Die Güterwagen sowie die Wagen der 3. Klasse lieferte überwiegend Beuchelt & Co. Die Wagen der 1. und 2. Klasse stammten von der Waggonfabrik Uerdingen und der MAN.[10] Die Personenwagen der 3. Klasse bestanden lediglich aus leeren, überdachten Güterwaggons – von den Afrikanern Aimahu, „Landkanu“, genannt. Einfache Waggons blieben auch in den folgenden Jahren vorherrschend. Zum Jahresende 1912 verfügte die Eisenbahn Togos über 20 Personen-, Post- und Gepäckwagen sowie 174 Güterwagen.[11]
Entwicklung nach dem Ersten Weltkrieg
Anfang August 1914 kam es aufgrund des Ersten Weltkriegs zu leichten Beschädigungen an der Bahnstrecke, die von einmarschierenden französischen Truppen aber schnell repariert waren.[12] In den ersten Jahren nach der Übernahme durch britisch-französische Verbände wurden die Eisenbahnen Togos von der benachbarten Gold Coast Government Railways betrieben.[13] Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges ging die Bahnstrecke in französische Kolonialverwaltung über. Sämtliche Eisenbahnen Togos lagen im neuen Mandatsgebiet Französisch-Togoland. Die Endpunkte der Küstenbahn wurden in Lomé und Aného umbenannt.
Als Mandatsträger war Frankreich mit Investitionen im Eisenbahnwesen zurückhaltend, da die Rückgabe des Gebietes nicht auszuschließen war.[13] Eine ursprünglich geplante Parallelstrecke von Tsévié nach Tokpli, knapp 50 Kilometer nördlich von Aného, wurde fallengelassen.[14] Auch die Integration in ein zusammenhängendes Eisenbahnnetz Französisch-Westafrikas, dem Regié des Chemins de Fer de l'Afrique Occidentale Française (RCFAOF), kam nicht zustande.[15]
Nachdem Togo 1960 die Unabhängigkeit erlangt hatte, wurden die Eisenbahnen rasch und vollständig von Dampf- auf Diesellokomotiven umgerüstet. Der deutsche Wagenbestand wurde lange weiterbetrieben. Noch während der 1970er Jahre waren alte, deutsche Zwei- und Vierachser anzutreffen. Zu dieser Zeit verkehrten auf der Küstenbahn vier Zugpaare täglich, die für die 44 Kilometer etwas über 80 Minuten Fahrzeit benötigten.[16]
1970 wurde der Bahnhof in Lomé neu aufgebaut. Die Lager- und Lokomotivenhallen aus der deutschen Kolonialzeit sind hingegen fast unverändert erhalten geblieben.[17]
Heute ist der Schienenverkehr Togos allgemein lückenhaft. Von den Bahnanlagen aus der deutschen Kolonialära sind nur Fragmente erhalten. Die Bahnlinie nach Aného wurde 1985 stillgelegt.[18] Heute ist sie größtenteils abgebaut. [19]
Nur bei Kpeme befindet sich seit 1961 eine 22 Kilometer lange, private Meterspurstrecke, die dem Phosphat-Transport des Unternehmens SNPT von der Mine Hahotoe nördlich des Togosees zu einer Landungsbrücke an der Küste dient.[20] [21]
Siehe auch
Literatur
- Franz Baltzer: Die Kolonialbahnen mit besonderer Berücksichtigung Afrikas. Berlin 1916; Reprint: Leipzig 2008, ISBN 978-3-8262-0233-9. (Voransicht bei Google-Books)
- Franz Baltzer: Togo. In: Freiherr von Röll: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Band 9, Berlin/Wien 1921, S. 332-334. (online)
- Kolonialpolitisches Aktionskomitee: Die Eisenbahnen Afrikas - Grundlagen und Gesichtspunkt für eine koloniales Eisenbahnpolitik in Afrika. Verlag von Wilhelm Süsserott, Berlin 1907. (online)
- Helmut Schroeter, Roel Ramaer: Die Eisenbahnen in den einst deutschen Schutzgebieten. Damals und heute. Röhr-Verlag, Krefeld 1993, ISBN 3-88490-184-2.
- Peter Sebald: Togo 1884-1914 - Eine Geschichte der deutschen „Musterkolonie“ auf der Grundlage amtlicher Quellen. Akademie-Verlag, Berlin 1988, ISBN 3-05-000248-4.
Weblinks
- Leo de Haan: Die Kolonialentwicklung des deutschen Schutzgebietes Togo in räumlicher Perspektive (pdf). In: Erdkunde. Archive fo scientific geography 37. 1983, S. 127-137. ISSN 0014-0015
Einzelnachweise
- ↑ Deutsches Historisches Museum: 1871-1914 - Die deutsche Kolonie Togo.
- ↑ Bapio Rosaire Barna: Das Trägerwesen in Togo vor dem Eisenbahnbau, in: Rev. Came, Serie B, Nr. 1, 1999, S. 52-63. (Artikel als pdf)
- ↑ a b Peter Sebald: Togo 1884-1914. Akademie-Verlag, Berlin 1988, S. 333.
- ↑ Baltzer, Die Kolonialbahnen, S. 62.
- ↑ Peter Sebald: Togo 1884-1914. Akademie-Verlag, Berlin 1988, S. 338.
- ↑ Hans Peter Hahn: Eisenbahnen in Togo - Zwischen kolonialer Ideologie und historischer Wirklichkeit, in: Spektrum, Nr. 1, 2004, S. 48-52.
- ↑ Helmut Schroeter, Roel Ramaer: Die Eisenbahnen in den einst deutschen Schutzgebieten/German Colonial Railways. Röhr-Verlag, Krefeld 1993, S. 103, ISBN 3-88490-184-2
- ↑ Schroeter/Ramaer: Die Eisenbahnen in den einst deutschen Schutzgebieten/German Colonial Railways, S. 103
- ↑ Wolfgang Lauber (Hrsg.): Deutsche Architektur in Togo 1884-1914/L'Architecture allemande au Togo 1884-1914. Karl Krämer Verlag, Stuttgart 1993, S. 122-127, ISBN 3-7828-4017-8
- ↑ Hannes Schneider: Die Eisenbahnen in den ehemaligen deutschen Schutzgebieten in Afrika. Museum deutsche Eisenbahn - Balingen.
- ↑ Peter Sebald: Togo 1884-1914. Akademie-Verlag, Berlin 1988, S. 337.
- ↑ Ferdinand Rhadern: Togos Existenzkampf in Krieg und Frieden. (pdf; ca. 1,76 MB)
- ↑ a b Schroeter/Ramaer: Die Eisenbahnen in den einst deutschen Schutzgebieten/German Colonial Railways, S. 109
- ↑ Wolfgang Lauber (Hrsg.): Deutsche Architektur in Togo 1884-1914/L'Architecture allemande au Togo 1884-1914. Karl Krämer Verlag, Stuttgart 1993, S. 24, ISBN 3-7828-4017-8
- ↑ Schroeter/Ramaer: Die Eisenbahnen in den einst deutschen Schutzgebieten/German Colonial Railways, S. 112f.
- ↑ Schroeter/Ramaer: Die Eisenbahnen in den einst deutschen Schutzgebieten/German Colonial Railways, S. 111ff.
- ↑ Wolfgang Lauber (Hrsg.): Deutsche Architektur in Togo 1884-1914/L'Architecture allemande au Togo 1884-1914. Karl Krämer Verlag, Stuttgart 1993, S. 50, ISBN 3-7828-4017-8
- ↑ Wolfgang Lauber (Hrsg.): Deutsche Architektur in Togo 1884-1914/L'Architecture allemande au Togo 1884-1914. Karl Krämer Verlag, Stuttgart 1993, S. 124, ISBN 3-7828-4017-8
- ↑ Togo. auf: Fahrplancenter.com
- ↑ Schroeter/Ramaer: Die Eisenbahnen in den einst deutschen Schutzgebieten/German Colonial Railways, S. 115
- ↑ Jean-Louis Chaléard, Chantal Chanson-Jabeur, Chantal Béranger: Le chemin de fer en Afrique. Éditions Karthala, Prodig et Sedet 2006, S. 22, ISBN 2-84586-643-7