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Königlicher Staatsstreich in Rumänien 1944

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König Michael von Rumänien

Der Königliche Staatsstreich war ein erfolgreicher Umsturzversuch in Rumänien am 23. August 1944. Das Ergebnis war die Beendigung der Militärdiktatur von Marschall Ion Antonescu und des Militärbündnisses mit dem Deutschen Reich, dessen Niederlage im Zweiten Weltkrieg sich abzeichnete. In der Folge nahm Rumänien an der Seite der Alliierten am Krieg teil. Die zentrale Figur des Umsturzes war König Michael I.

Vorgeschichte

Rumänien vor dem Eintritt in den Zweiten Weltkrieg

Datei:Ion Antonescu.jpg
Ion Antonescu
Die Operation Jassy-Kischinew

Rumänien hatte – obwohl militärisch unterlegen – als Verbündeter der Entente nach dem Ersten Weltkrieg in den Verträgen von Trianon und Saint-Germain große Gebietsgewinne im Nordwesten und Norden auf Kosten der zerfallenden Habsburgermonarchie gemacht. Zudem konnte es die Wirren des Russischen Bürgerkriegs nutzen und sich Bessarabien aneignen. Außenpolitisch versuchten sich die Regierungen des Landes an die Westmächte (Großbritannien und besonders Frankreich) anzulehnen.

Innenpolitisch war Rumänien verfassungsmäßig eine konstitutionelle Monarchie. Die Regierungen hatten mit starken wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen und meist nur eine kurze Lebensdauer. 1930 übernahm König Karl II. die Macht und versuchte, schrittweise das Land seiner autokratischen Führung zu unterwerfen. 1938 erreichte er die weitgehende Ausschaltung des Parlaments und errichtete eine Königsdiktatur.[1] Die politischen Veränderungen in Europa zu Beginn des Zweiten Weltkrieges stellten die bisherige Außenpolitik grundlegend in Frage: Frankreich wurde im Frühsommer 1940 von der deutschen Wehrmacht besiegt; auch Großbritannien fiel als Unterstützer Rumäniens aus. In den maßgeblichen politischen und militärischen Kreisen Rumäniens sah man sich aus Furcht vor einer sowjetischen Invasion gezwungen, sich eng an das Deutsche Reich anzulehnen. So musste sich das Land am 30. August 1940 dem Zweiten Wiener Schiedsspruch unterwerfen, in dem das gleichfalls von Deutschland abhängige, mit Rumänien aber verfeindete Ungarn den Norden Siebenbürgens von Rumänien erhielt. Bereits zwei Tage zuvor, am 28. August 1940, besetzten sowjetische Truppen kampflos Bessarabien und den Norden der Bukowina.[1]

Wenige Tage später, am 4. September 1940, sah sich Karl II. gezwungen, den ihm gegenüber kritischen General Ion Antonescu zum Ministerpräsidenten zu ernennen. Dieser erzwang schon zwei Tage später Karls Abdankung und errichtete gemeinsam mit der faschistischen Eisernen Garde unter Horia Sima eine Militärdiktatur. Am 23. November 1940 trat Rumänien dem Dreimächtepakt bei. Nachdem die Eiserne Garde im Januar 1941 vergeblich versucht hatte, in einem Putsch die alleinige Macht zu übernehmen, bildete Antonescu mit dem Einverständnis Hitlers allein eine Regierung.[1] Nach der Abdankung Karls II. wurde formell dessen Sohn, der 18-jährige Michael I., zum König. Antonescu gestand ihm jedoch nur repräsentative Aufgaben zu; die politische Gewalt lag allein in der Hand des Militärdiktators.[1]

Der Feldzug gegen die Sowjetunion

Als Hitler im Frühjahr 1941 die Vorbereitungen für den Überfall auf die Sowjetunion vorantrieb, sah Marschall Ion Antonescu eine Möglichkeit, über eine Beteiligung an diesem Feldzug die 1940 an die Sowjetunion verlorenen Gebiete zurückzugewinnen. Ohne dass ein formelles Bündnis beschlossen wurde, erlaubte Antonescu der Wehrmacht, das Land als Aufmarschbasis für den Überfall zu nutzen. Rumänien selbst beteiligte sich mit zwei Armeen am Krieg, der zunächst sehr erfolgreich verlief: die rumänische Armee konnte innerhalb weniger Wochen die Nordbukowina und Bessarabien zurückerobern. Darüber hinaus erhielt sie die Verwaltung über Transnistrien, ein Gebiet in der Südukraine mit der Stadt Odessa.

Ab Ende 1941 wurden die militärischen Erfolge seltener; Ende 1942 schließlich wurden bedeutende Teile der rumänischen Armee in die Schlacht von Stalingrad verwickelt und hatten hohe Verluste zu beklagen. Ab 1943 befanden sich die rumänischen Einheiten – wie auch die deutsche Wehrmacht – überwiegend im Rückzug. Mitte 1944 war die Rote Armee bereits im Nordosten auf rumänisches Territorium vorgedrungen. Hier stabilisierte sich die Front vorübergehend. Am 20. August 1944 begann die Rote Armee mit der Operation Jassy-Kischinew. Nach wenigen Stunden hatten die sowjetischen Truppen die deutsch-rumänischen Verteidigungslinien überwunden. Als Durchbruchsstellen wurden die Abschnitte ausgesucht, die von den weniger kampffähigen und -bereiten rumänischen Einheiten verteidigt wurden. Marschall Antonescu beabsichtigte, im Inneren des Landes eine neue Verteidigungslinie aufzubauen, stieß damit aber auf Widerspruch bei vielen seiner Generäle, die dies als sinnloses Blutbad ansahen.[2]

Die Vorbereitungen des Staatsstreiches

Iuliu Maniu
Datei:Constantin I. C. Bratianu.jpg
Dinu Brătianu

Mit länger werdender Kriegsdauer, mit der immer größer werdenden Opferzahl und mit immer ungewisserem Ausgang wurde der Krieg in der rumänischen Bevölkerung unpopulärer. Auch Antonescu selbst plante, das Bündnis mit Deutschland zu verlassen und aus dem Krieg auszuscheiden, um eine Besetzung des Landes durch die Rote Armee zu verhindern.[3] Aus Angst vor einer deutschen Besetzung zögerte er diesen Schritt jedoch immer weiter hinaus. Ihm lagen Geheimdienstinformationen vor, wonach oppositionelle Kräfte seinen Sturz betrieben, er unternahm jedoch nichts dagegen.[3]

Geheime Verhandlungen zwischen Regierungsvertretern und den Westmächten hatten klargemacht, dass eine militärische Unterstützung durch die USA oder Großbritannien nicht zu erwarten war. Somit blieb als einzige Option, einen Friedensschluss allein mit der Sowjetunion zu erreichen. Die oppositionellen Parteien, die zwar formal verboten, in ihrer Tätigkeit aber nicht völlig ausgeschaltet waren, erfuhren von den geheimen Gesprächen und begannen bereits 1943 mit der Gründung eines „Nationaldemokratischen Blocks“ (Blocul Naţional Democratic). Ihm gehörten außer den beiden großen Vorkriegsparteien (den Nationalliberalen und der Bauernpartei) auch die Sozialdemokraten und die Kommunisten an. Die bürgerlichen Parteien erhofften sich durch die Beteiligung der Kommunisten, bei der Sowjetunion den Verbleib der Nordbukowina und Bessarabiens bei Rumänien zu erreichen.[3] Darüber hinaus hatte die Kommunistische Partei zunächst kaum eine Bedeutung; ihre Mitgliederzahl im Sommer 1944 wird auf weniger als 1000 geschätzt.[3]

Im Juli 1944 wurden die Pläne für einen Austritt aus dem Bündnis auf Seiten der Opposition konkreter. Ziel war es, Antonescu davon zu überzeugen, den Krieg zu beenden. Nur im Falle seiner Weigerung solle er verhaftet werden und eine Koalitionsregierung der vier Oppositionsparteien die Macht übernehmen.[2]

Der Ablauf des Staatsstreiches

Der Königspalast in Bukarest (1941)

Der Umsturz wurde von König Michael ursprünglich für den 26. August 1944 geplant.[4] In Anbetracht der dramatischen militärischen Lage sah sich jedoch die Opposition zu raschem Handeln gedrängt. Der militärische Berater des Königs, General Constantin Sănătescu, veranlasste König Michael, Antonescu zu einer Audienz einzuladen. Dort solle Antonescu sich mit dem Austritt aus dem Militärbündnis mit Deutschland einverstanden erklären; anderenfalls war seine Verhaftung geplant.[2] Ion Antonescu suchte am Nachmittag des 23. August den König zu der geplanten Audienz auf. Diese fand in der Casa Nouă des Bukarester Königspalastes statt. Antonescus Leibwache wartete vor dem Gebäude; Michael hatte in den Nebenräumen seines Empfangszimmers bewaffnete Vertraute und Offiziere postiert. Auf dem Gang vor dem Zimmer stand ein ebenfalls in die Putschpläne eingeweihter Hauptmann der Palastwache mit drei Unteroffizieren. Neben Ion Antonescu war der einflussreiche Außenminister Mihai Antonescu Teilnehmer der königlichen Audienz. Dieser erschien etwa 15:45 Uhr, Ion Antonescu verspätete sich um ca. 15 Minuten, kam also um 16:15 Uhr. Bis dahin unterhielten sich König Michael und Mihai Antonescu oberflächlich.[5]

Michael I. ging zunächst auf den Durchbruch der sowjetischen Truppen durch die Front ein und fragte Marschall Antonescu, wie der darauf zu reagieren gedenke. Dieser leugnete einen entscheidenden Erfolg der Roten Armee; zwar habe es einen sowjetischen Vorstoß gegeben, er sei aber zuversichtlich, ihn zu stoppen. Die „Karpatenfestung“ sei für die Rote Armee unüberwindbar. Michael verlangte dagegen einen sofortigen Waffenstillstand. Antonescu lehnte dies ab und wurde von Michael daraufhin zum Rücktritt aufgefordert. Auch dies wurde von Antonescu zurückgewiesen; er könne das Schicksal Rumäniens nicht in die Hände des jungen Königs legen. Michael schwieg zunächst und verließ dann den Raum mit der Begründung, ein Glas Wasser trinken zu wollen. Auf dem Gang motivierte er den Hauptmann der Palastwache erneut für den möglicherweise gleich stattfindenden Zugriff.[5]

Nachdem Michael sein Empfangszimmer wieder betreten hatte, forderte er Antonescu auf, seine Entscheidung zu überdenken. Als Antonescu entgegnete, dass er seine Meinung nicht ändern werde, ließ er den Hauptmann der Wache eintreten. Dieser sagte Antonescu, dass er ab sofort unter Arrest stehe. Seine Hand hatte er dabei an der Pistole; er hatte Befehl, sofort auf Antonescu zu schießen, falls dieser Widerstand leiste oder zu fliehen versuche. Ein Wachsoldat durchsuchte Antonescu nach Waffen, die dieser jedoch nicht mit sich führte. Antonescu rief zu den Verschwörern, dass sie ihr Vorgehen bereuen würden; er kündigte an, alle Beteiligten zu erschießen. Marschall Antonescu und Außenminister Mihai Antonescu wurden in einem Raum im Obergeschoss eingesperrt, in dem Michaels Vater Karl II. – der inzwischen im Exil lebte – seine Briefmarkensammlung aufbewahrte. Gleichzeitig nahmen andere Mitglieder der Palastwache die im Hof wartenden Mitglieder von Antonescus Leibwache fest.[5]

Kurz darauf beriet sich Michael mit seinen Vertrauten über die Bildung einer neuen Regierung. In diesem Moment kam der deutsche Botschafter in Rumänien, Manfred von Killinger, in den Königspalast. Er hatte von der Verhaftung Antonescus erfahren, dies aber zunächst für unglaubwürdig gehalten. Von Killinger drohte Michael, dass sowjetische Truppen in kurzer Zeit ganz Rumänien besetzen würden. Michael entgegnete, dass er die Situation „bedaure“; er müsse von Killinger aber „bitten, die Situation zu akzeptieren und die Reichsregierung zu veranlassen, die deutschen Truppen unverzüglich aus Rumänien abzuziehen, um der bisherigen Waffenbrüderschaft der beiden Armeen das Ärgste zu ersparen.“[5]

Am Abend des 23. August richtete sich Michael I. in einer Rundfunkansprache an seine Landsleute. Er verkündete den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Deutschland, den Waffenstillstand mit den Alliierten und den Sturz des Diktators Antonescu.[3]

Die deutsche Reaktion

Die für die auswärtigen Beziehungen zuständigen Stellen in Deutschland beobachteten die politischen Geschehnisse in den verbündeten Staaten stets mit Misstrauen, besonders mit dem fortschreitenden Vorrücken der Roten Armee. So waren auch Geheimdienstinformationen nach Berlin gelangt, wonach es in Teilen der Armee und in der politischen Szene Rumäniens Bestrebungen gab, das Bündnis mit Deutschland zu verlassen. Diese Erkenntnisse waren aber wenig konkret. Zudem versuchte Ion Antonescu selbst immer wieder, Hitler zu beruhigen. Noch am 5. August 1944 hatte er Hitler in der Wolfsschanze besucht und ihm versichert, dass die gesamte rumänische Armee und die ganze rumänische Bevölkerung hinter ihm stehe. Kein einziger Offizier und kein einziger Soldat werde jemals von ihm abfallen. Der deutsche Botschafter von Killinger hatte wenig Einblick in die politischen Abläufe und berichtete am 10. August, dass es keine Anzeichen für eine Verschwörung gebe; König Michael sei ein Garant für das deutsch-rumänische Bündnis.[5] Ein Seitenwechsel Rumäniens war von den zuständigen deutschen Stellen durchaus erwogen worden. Für diesen Fall war ab Ende 1943 die Besetzung des Landes vorgesehen; der zugehörige Einsatzplan trug den Namen „Operation Margarethe II“. Nachdem Hitler die Lage in Rumänien aber stabil schien und er sich im Februar 1944 der Loyalität Antonescus versichert hatte, wurden die Planungen an „Margarethe II“ nicht weiter verfolgt.[6]

Nachdem von Killinger am 23. August den Königspalast verlassen hatte, versuchte er, deutschen militärischen Widerstand gegen den Staatsstreich zu organisieren. Allerdings war er im Botschaftsgebäude eingeschlossen.[7] Hitler war über die Vorgänge in Bukarest äußerst ungehalten; er erteilte noch am Abend dem Chef der deutschen Militärmission in Rumänien, General Erik Hansen, den Befehl, Bukarest zu besetzen, eine neue Regierung zu installieren, König Michael gefangen zu nehmen und seinen Hofstaat zu erschießen.[5][8] Der mit der Ausführung des Befehls beauftragte Kommandierende General und Befehlshaber der Deutschen Luftwaffe in Rumänien, Alfred Gerstenberg, verfügte jedoch nur über 2.000–3.000 Soldaten, die nur über geringe infanteristische Erfahrung verfügten.[9] Noch wenige Wochen zuvor hatte Gerstenberg angenommen, dass „eine einzige deutsche Flakbatterie“ genüge, um im Falle von Unruhen die Hauptstadt Bukarest zu besetzen.

Der Widerstand der rumänischen Einheiten gegen das Eingreifen der deutschen Truppen war jedoch stärker als erwartet. Als die in der Nähe von Ploiești stationierten deutschen Einheiten begannen, auf Bukarest vorzurücken, wurden sie nördlich der Hauptstadt von General Iosif Teodorescu und rasch zusammengestellten „Patriotischen Garden“ zurückgeschlagen.[5] Die wenigen deutschen Einheiten in und um Bukarest erwiesen sich für wirkungsvolle Aktionen zu schwach. Auf Befehl Hitlers stiegen am Nachmittag des 24. August vom Luftwaffenstützpunkt Băneasa einige dort stationierte deutsche Sturzkampfbomber auf und bombardierten den Königspalast und einige Regierungsgebäude in Bukarest.[5] Am gleichen Tag ordnete Hitler den Einsatz des Fallschirmjägerbataillons Brandenburg an. Dieses besetzte in der Nacht zum 25. August den wichtigen Flugplatz Otopeni. Am 26. August gelang es den rumänischen Verbänden, Gerstenbergs Verbände nördlich von Bukarest einzuschließen. In Ploiești gingen die Erdölraffinerieanlagen verloren.[10]

Am 28. August mussten sich die letzten deutschen Einheiten aus Bukarest, kurz danach aus dem gesamten Land zurückziehen. Die Rote Armee marschierte am 31. August in Bukarest ein.[3][11] Von Killinger erschoss sich am 2. September 1944 im Botschaftsgebäude, nachdem er zuvor seine Sekretärin und Geliebte Helga Petersen getötet hatte.[5] Die Angriffe der deutschen Truppenverbände am Boden und die Bombardierung lieferten Rumänien einen Anlass, Deutschland am 25. August den Krieg zu erklären.[12][13]

Hitler blieb nur, eine rumänische Exilregierung unter Führung von Horia Sima bilden zu lassen, die aber den Fortgang der Dinge nicht beeinflussen konnte.[2]

Folgen des Staatsstreiches und weitere Entwicklungen

Einmarsch der Roten Armee in Bukarest
Constantin Sanatescu
Abdankungsurkunde von König Michael, 30. Dezember 1947

Der Umsturz wurde von weiten Teilen der rumänischen Bevölkerung begrüßt, da ein rascher Frieden in Aussicht stand.[11] Die Sowjetunion bestand allerdings auf einer aktiven Teilnahme der rumänischen Armee am weiteren Krieg gegen Deutschland. Bereits am 29. August reiste eine rumänische Delegation unter Leitung des Kommunisten Lucreţiu Pătrășcanu zu Waffenstillstandsverhandlungen nach Moskau. Der Verhandlungsspielraum war gering; am 12. September 1944 wurde zwischen beiden Staaten ein Waffenstillstandsvertrag geschlossen. Darin wurde vereinbart, dass sich Rumänien mit 20 Divisionen am Krieg gegen Deutschland beteiligen müsse, der Roten Armee freie Durchgangsrechte für das gesamte Land zu gewähren, eine hohe Kriegsentschädigung zu zahlen und den Verzicht auf die Nordbukowina und Bessarabien zu betätigen habe.[3][14] Faschistische Organisationen mussten verboten, Kriegsverbrecher verhaftet werden.[3] Die vor dem 23. August gefangen genommenen rumänischen Soldaten blieben jedoch bis zum Kriegsende in sowjetischen Gefangenenlagern.[11] Der Waffenstillstand war von der Sowjetunion mit den westlichen Alliierten abgestimmt worden. Formal überwachte die Alliierte Kontrollkommission bis zum Abschluss des Pariser Friedensvertrages 1947 die Überwachung des Waffenstillstands; in der Praxis wurde das Gremium fast ausschließlich von den sowjetischen Vertretern dominiert.[3]

Die unmittelbaren militärischen Folgen des Staatsstreiches waren für Deutschland katastrophal. Ohne die rumänischen Truppen, die die Kampfhandlungen sofort einstellten, konnten die Einheiten der Roten Armee die 21 Divisionen der deutschen Heeresgruppe Südukraine fast völlig zerschlagen. Die 6. Armee wurde nach der Schlacht von Stalingrad ein zweites Mal weitgehend vernichtet. Von den 600.000 deutschen Soldaten entgingen nur einige zehntausend dem Tod oder der Gefangennahme.[5]

Das rasche Vorrücken der sowjetischen Armee nach Westen führte zum Zusammenbruch der deutschen Balkanfront. Um nicht abgeschnitten zu werden, musste die Wehrmacht innerhalb kürzester Zeit Griechenland, Albanien und große Teile Jugoslawiens überstürzt räumen.[5] Des Weiteren wurde der Roten Armee die Besetzung Bulgariens ermöglicht. Besonders schwerwiegend für den weiteren Kriegsverlauf war der Verlust der Erdölfelder und -raffinerien um Ploiești. Die ohnehin angespannte Versorgungslage für Treibstoff verschlechterte sich für das deutsche Militär damit weiter.[15]

Durch den Seitenwechsel Rumäniens kämpften nunmehr 500.000 rumänische Soldaten auf Seiten der Alliierten. Damit war die rumänische Armee die stärkste nach denen der Sowjetunion, Großbritanniens und den USA. Bis zum Kriegsende verlor die rumänische Armee 169.000 Soldaten an Toten und Verwundeten.[5]

Auch innenpolitisch hatte der Staatsstreich weitreichende Konsequenzen. König Michael beauftragte den General Constantin Sănătescu mit der Bildung einer Regierung aus Militärs und Vertretern der vier Parteien des Nationaldemokratischen Blocks.[11] Die wesentlichen politischen Vertreter als Minister ohne Geschäftsbereich waren Iuliu Maniu von der Bauernpartei, Dinu Brătianu von den Nationalliberalen, Constantin Titel-Petrescu von den Sozialdemokraten und Lucreţiu Pătrășcanu von den Kommunisten.[3] Die Beteiligung der zahlenmäßig sehr schwachen Kommunisten war dabei eher symbolisch.[14] Das Ansehen Sănătescus und die Autorität des Königs verschafften der neuen Regierung sofort die nötige Autorität beim Militär und bei der Verwaltung.[3]

Sănătescu wurde von den Sowjets nur wenige Monate akzeptiert. Ursache für sie Spannungen waren unterschiedliche Auffassungen über die zu leistenden Kriegsentschädigungen, aber auch über die Behandlung der Kriegsverbrecher. Die sowjetische Seite legte im Oktober eine Liste von 74 Personen vor, die von ihr entsprechend eingeordnet wurden; zwei davon waren Mitglieder der Regierung Sănătescus und mussten zurücktreten.[2] Die Auseinandersetzungen mit der sowjetischen Besatzungsmacht und Streitigkeiten zwischen den Parteien führten zu einem baldigen Ende der Regierung, die ab dem 4. November 1944 überwiegend aus Vertretern der vier Parteien zusammengesetzt war. Am 6. Dezember 1944 wurde General Nicolae Rădescu Nachfolger Sănătescus im Amt des Ministerpräsidenten.[2] Dieser war gleichzeitig Innenminister und ließ möglicherweise im Februar 1945 auf eine Demonstration linker Kräfte schießen.[11] Rădescu seinerseits behauptete, dass sowjetische Einheiten auf die Demonstranten geschossen hätten, um Unruhen zu provozieren, die zu seiner Entlassung führen sollten.[5] Dies nutzte die sowjetische Besatzungsmacht, um die politischen Kräfteverhältnisse weiter in ihrem Sinne umzugestalten. Rădescu musste vom König am 6. März 1945 entlassen werden, nachdem der sowjetische Hochkommissar Andrei Wyschinski gedroht hatte, die staatliche Souveränität Rumäniens in Frage zu stellen.[11] Die im Land stationierten sowjetischen Truppen entwaffneten rumänische Einheiten und besetzten den rumänischen Generalstab; Ministerpräsident wurde auf Verlangen Wyschinskis der Vorsitzende der Front der Pflüger (Frontul Plugarilor, einer Kleinbauernpartei), Petru Groza. Die Bauernpartei und die Nationalliberalen zogen sich daraufhin aus der Regierung zurück. Groza bildete eine Volksfrontregierung und veranlasste am 22. März 1945 eine Bodenreform, bei der Landbesitz über 50 Hektar, aber auch der Boden von Angehörigen der deutschen Minderheit unabhängig von dessen Umfang enteignet wurde. [11]

Die Sowjetunion unterstützte die Stellung Grozas, indem sie unmittelbar nach dessen Amtsantritt das inzwischen besetzte Nordsiebenbürgen, das 1940 im Zweiten Wiener Schiedsspruch an Ungarn abgetreten werden musste, an Rumänien zurückgab.[11]

In den Pariser Verträgen von 1947 wurden auch die Grenzen Rumäniens endgültig festgelegt. Die Zugehörigkeit Nordsiebenbürgens und der angrenzenden Gebiete zu Rumänien wurde bestätigt. Dagegen bestand die Sowjetunion auf den territorialen Veränderungen des Jahres 1940; die Nordbukowina und Bessarabien gelangten somit endgültig zur Sowjetunion.[11] König Michael I., der vergebens versuchte, die allmähliche Übernahme des gesamten Staatsapparates durch die Kommunisten zu verhindern, sah sich am 30. Dezember 1947 zur Abdankung gezwungen. Im April 1948 verabschiedete das inzwischen kommunistisch dominierte rumänische Parlament eine Verfassung, die das Land als eine „volksdemokratische Republik“ definierte und den Übergang in eine kommunistische Gesellschaftsordnung vorsah.[14]

Die maßgeblichen Vertreter der Militärdiktatur – einschließlich Ion Antonescu selbst – blieben inhaftiert, wurden in einem Schauprozess zum Tode verurteilt und am 1. Juni 1946 erschossen.[16] Iuliu Maniu und Dinu Brătianu, die führenden bürgerlichen Kräfte des Umsturzes, wurden 1947 bzw. 1950 inhaftiert. Maniu wurde zu lebenslänglicher Haft verurteilt und starb 1953, Brătianu noch im Jahr seiner Festnahme. Ihre Parteien wurden 1947 verboten.[5] Die kleinere Sozialdemokratische Partei musste sich mit der Kommunistischen Partei zwangsvereinigen.

Rezeption der Ereignisse im Rumänien der Nachkriegszeit

Viele rumänische Historiker der Nachkriegszeit deuteten die Ereignisse am 23. August 1944 abhängig von der jeweiligen politischen Situation um. Zunächst befand sich die Partei in großer Abhängigkeit von der Sowjetunion. Die offizielle Deutung war damals, dass die Rote Armee Rumänien befreit hätte. Ab den 1960er Jahren, als die PCR versuchte, sich von der sowjetischen Vorherrschaft zu lösen, wurde versucht, die sehr marginale Rolle der Kommunistischen Partei beim Umsturz aufzuwerten. Der Sturz des Antonescu-Regimes sei demnach eine rumänische Volkserhebung unter Führung der Kommunistischen Partei gewesen. Bis 1989 war der 23. August der Nationalfeiertag Rumäniens.[17] Die offizielle Sprachregelung schilderte den Staatsstreich als „Revolution der nationalen und sozialen, antifaschistischen und antiimperialistischen Befreiung“. Verbunden war dies mit der Einschätzung, dass der Kampf der rumänischen Armee an der Seite der Sowjetunion den Zweiten Weltkrieg um mindestens ein halbes Jahr verkürzt habe.[18]

Einzelnachweise

  1. a b c d Eike-Christian Kersten: Rumänien im Zweiten Weltkrieg. Wie kam es zum Kriegseintritt? Was waren die Folgen des Putsches im August 1944? GRIN Verlag, München 2007. S. 4ff. ISBN 978-3-63876-327-1
  2. a b c d e f Mariana Hausleitner: Die Rumänisierung der Bukowina. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2001. S. 428–437. ISBN 978-3-48656-585-0
  3. a b c d e f g h i j k Hildrun Glass: Minderheit zwischen zwei Diktaturen: zur Geschichte der Juden in Rumänien 1944–1949. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2002. S. 9–12. ISBN 978-3-48656-665-9
  4. Gh. Buzatu: A History of Romanian Oil. Editura Mica Valahie 2006. S. 254f. ISBN 978-9-73785-868-9
  5. a b c d e f g h i j k l m n Siegfried Kogelfranz: So weit die Armeen kommen… In: DER SPIEGEL, Ausgabe 37/1984
  6. Peter Durucz: Ungarn in der auswärtigen Politik des Dritten Reiches 1942–1945. V&R unipress GmbH, Göttingen 2006. S. 162f. ISBN 978-3-89971-284-1
  7. Hans Kissel: Die Katastophe in Rumänien 1944. Verlag Wehr und Wissen, 1964. S. 109.
  8. Andreas Hillgruber: Hitler, König Carol und Marschall Antonescu. Verlag F. Steiner, 1954. S. 219
  9. Karl-Heinz Frieser: Die Ostfront 1943/44. Deutsche Verlags-Anstalt, 2007. S. 779. ISBN 978-3-42106-235-2
  10. Samuel W. Mitcham: The German Defeat in the East, 1944-45. Stackpole Books, 2007. S. 169f. ISBN 978-0-81173-371-7
  11. a b c d e f g h i Horst G. Klein, Katja Göring: Rumänische Landeskunde. Gunter Narr Verlag, Tübingen 1995. S. 80ff. ISBN 978-3-8233-4149-9
  12. Stephan Olaf Schüller: Für Glaube, Führer, Volk, Vater- oder Mutterland? LIT Verlag, Münster 2009. S. 447. ISBN 978-3-8258-1910-1
  13. Friedemann Bedürftig: Chronik des Zweiten Weltkriegs. Verlag im Wissen Media, Gütersloh/München 2004. S. 422. ISBN 978-3-577-14367-7
  14. a b c Stefania Slavu: Die Osterweiterung der Europäischen Union: Eine Analyse des EU-Beitritts Rumäniens. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2008. S. 113ff. ISBN 978-3-63157-994-7
  15. Gh. Buzatu: A History of Romanian Oil. Editura Mica Valahie 2006. S. 256. ISBN 978-9-73785-868-9
  16. Ioan Holender, Marie-Therese Arnbom: Ioan Holender. Böhlau-Verlag, Wien 2001. S. 30. ISBN 978-3-20599-384-1
  17. Daniela Olărescu: Die Rezeption der rumänischen Literatur in Deutschland zwischen 1945 und 1989. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2008. S. 140f. ISBN 978-3-631-58113-1
  18. Lucian Boia: Geschichte und Mythos: Über die Gegenwart des Vergangenen in der rumänischen Gesellschaft. Böhlau-Verlag, Köln/Weimar 2003. S. 94. ISBN 978-3-41218-302-8