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Philipp Rösler

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Philipp Rösler (2009)

Philipp Rösler (* 24. Februar 1973[1] in Khánh Hưng, Südvietnam, heute Sóc Trăng) ist ein deutscher Politiker der FDP. Seit 28. Oktober 2009 ist er Bundesminister für Gesundheit im Kabinett Merkel II, davor war er vom 18. Februar 2009 bis zum 27. Oktober 2009 Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und Stellvertretender Ministerpräsident des Landes Niedersachsen. Im Mai 2011 wird Rösler auf dem FDP-Bundesparteitag für die Nachfolge von Guido Westerwelle als Bundesparteivorsitzender kandidieren. Er kündigte an, danach auch das Amt des deutschen Vizekanzlers übernehmen zu wollen.

Leben und Beruf

Rösler ist vietnamesischer Abstammung und kam im Alter von neun Monaten als Kriegswaise aus Vietnam in die Bundesrepublik Deutschland, wo er von einem Ehepaar adoptiert wurde, welches bereits zwei leibliche Töchter hatte. Da sein tatsächliches Geburtsdatum unbekannt war, wurde es gemäß § 24 Abs. 2 PStG amtlich festgelegt. Als Philipp Rösler vier Jahre alt war, trennten sich seine Eltern und er wuchs bei seinem Vater, einem Fluglehrer der Bundeswehr, in Hamburg, Bückeburg und Hannover auf, wo er 1992 an der Lutherschule das Abitur ablegte.[2] Im selben Jahr trat er als Sanitätsoffizieranwärter in die Bundeswehr ein. Für ein Studium der Humanmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover wurde er freigestellt. 1999 begann er eine Facharztausbildung am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg. 2002 wurde er im Bereich Herz-Thorax-Gefäßchirurgie zum Dr. med. promoviert. 2003 verließ er die Bundeswehr als Stabsarzt.[3] Seine Facharztausbildung zum Augenarzt brach er ab, um sich auf seine Arbeit als Landespolitiker zu konzentrieren.[3]

Rösler ist Mitglied der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Er ist mit der Ärztin Wiebke Rösler verheiratet und seit Oktober 2008 Vater von Zwillingstöchtern.[2]

Politische Laufbahn

Philipp Rösler auf einem Parteitag der FDP Niedersachsen

Rösler ist seit 1992 Mitglied der FDP und der Jungen Liberalen. Von 2000 bis 2004 war er Generalsekretär der FDP in Niedersachsen. Am 5. Mai 2005 wurde er auf dem 56. Parteitag der FDP mit 95 Prozent der Stimmen zum Beisitzer im Präsidium der Bundespartei gewählt (bestes Ergebnis).

Auf dem Landesparteitag am 18. März 2006 wurde er mit 96,4 Prozent zum neuen Landesvorsitzenden der niedersächsischen FDP gewählt. Er trat damit die Nachfolge von Walter Hirche an, der nach zwölf Jahren nicht mehr kandidierte. Am 19. April 2008 wurde er mit 95 Prozent als Landesvorsitzender im Amt bestätigt. Auf dem Bundesparteitag der FDP Mitte Juni 2007 wurde er erneut ins Bundespräsidium seiner Partei gewählt. Dabei errang er mit über 88 Prozent der Delegiertenstimmen das zweitbeste Ergebnis. Die Landesvertreterversammlung der FDP Niedersachsen wählte ihn am 8. Juli 2007 in Braunlage mit 96 Prozent zum Spitzenkandidaten für die Niedersächsische Landtagswahl am 27. Januar 2008. In seinem Landtagswahlkreis Hannover-Döhren (Wahlkreis 24) erreichte er am 27. Januar 2008 10,9 Prozent der Erststimmen.

Rösler war von 2001 bis 2006 Abgeordneter in der Regionsversammlung der Region Hannover und dort Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP. Von 2003 bis Oktober 2009 war er Mitglied im Niedersächsischen Landtag, bis Februar 2009 zudem Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion. Am 18. Februar 2009 wurde er als Nachfolger von Walter Hirche niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie Stellvertretender Ministerpräsident.[4]

Bundesgesundheitsminister

Seit dem 28. Oktober 2009 ist er Bundesgesundheitsminister. Bis zum Eintritt von Kristina Schröder ins Kabinett war er dessen jüngstes Mitglied.[5][6]

Als Bundesgesundheitsminister tritt Rösler für ein Einfrieren des Arbeitgeberbeitrags im System der einkommensabhängigen Krankenkassenbeiträge ein. Sein Ziel besteht in der Einführung einer einkommensunabhängigen Gesundheitsprämie als Krankenkassenbeitrag, wobei soziale Härten für Geringverdiener finanziert aus Steuermitteln gemildert werden sollen. Im Februar 2010 knüpfte Rösler sein politisches Schicksal an den Erfolg des umstrittenen Modells.[7] Beide Vorhaben wurden als Klientelpolitik kritisiert (z.B. wegen der Belastung des Staatshaushaltes und des nicht über die Beiträge erfolgten Sozialausgleichs). Dies begründete Rösler mit dem Ziel der Wirtschaftsförderung durch die Senkung von Lohnnebenkosten, die nach seiner Einschätzung durch eine steigende Lebenserwartung deutlich steigen würden.[8] Rösler entgegnete, der soziale Ausgleich könne über das Steuersystem erfolgen.[9] Bei seiner Antrittsrede vor dem Deutschen Bundestag hob Rösler hervor, dass die Solidarität im aktuellen Gesundheitssystem bei der Beitragsbemessungsgrenze ende. Der Ausgleich zwischen Arm und Reich sei damit im Steuer- und Transfersystem besser aufgehoben als im Gesundheitssystem.[10]

2010 erfolgte mit einem Gesetzesvorschlag, der ab Januar 2011 gilt[11], das von Rösler gewünschte „Einfrieren“ des Arbeitgeberbeitrags. Verbunden wurde dies mit der Einführung einer Kopfpauschale in Form von einkommensunabhängigen Zusatzbeiträgen, die alleine von den Versicherten finanziert werden.[12] In der Selbstverwaltung der Kassen wird die Aufteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer damit nicht verändert.[13]

Verändert werden im geplanten neuen Arzneimittelgesetz auch Bestimmungen zur Preisverhandlung und der Medikamentenübernahme zwischen den Krankenkassen und den Pharmaunternehmen. Bei der Medikamentenprüfung wird in der Gesundheitsreform das Prinzip umgekehrt. Künftig müssen nicht mehr die Pharmaunternehmen den Nutzen eines Medikaments belegen, sondern der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das höchste Entscheidungsgremium für Kassenpatienten, muss die Unzweckmäßigkeit des Medikaments beweisen, um es ablehnen zu dürfen.[14] Weiterhin wird das Arzneimittelgesetz den Plänen nach so verändert, dass der Gemeinsame Bundesausschuss den “medizinischen Nutzen eines Arzneimittels nicht abweichend von der Beurteilung der Zulassungsbehörde bewerten” dürfe.[15] Die Möglichkeit von Krankenkassen zu Rabattverträgen für Arzneimittel wird eingeschränkt. Künftig dürfen die Krankenkassen nicht mehr zusammen verhandeln um Medikamenten von den Pharmaunternehmen günstiger zu erhalten.[16]

Designierter Parteivorsitzender und Vizekanzler

Bei dem FDP-Bundesparteitag vom 13. bis zum 15. Mai 2011 wird Rösler für die Nachfolge von Guido Westerwelle als FDP-Bundesparteivorsitzender kandidieren. Er kündigte an, dass er nach seiner Wahl auch das Amt des Vizekanzlers übernehmen wird.[17]

Kritik

Lobbyismus durch die Pharmaindustrie

Im Juni 2009 unterzeichnete Rösler als niedersächsischer Wirtschaftsminister in Absprache mit dem Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA) - einem Interessenverband der Pharmaindustrie - eine Stellungnahme gegen das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Da der von den Landeswirtschaftministern gefasste Beschluss, das IQWiG schade dem Standort Deutschland, in weiten Teilen identisch mit dem VfA-Entwurf ist, sehen Kritiker darin eine erfolgreiche Lobbyarbeit der Pharmaindustrie gegen die Kontrolle von Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.[18][19]

Vorwurf der „Klientelpolitik“ für private Krankenversicherungen

Im Januar 2010 berief Rösler den stellvertretenden Direktor des Verbandes der Privaten Krankenversicherung Christian Weber zum Leiter der Grundsatzabteilung im Gesundheitsministerium.[20] Da Weber eine Umstellung des Gesundheitssystems von der Umlagefinanzierung auf eine private Basis ausarbeiten soll, wurde dem Ministerium mangelnde Unabhängigkeit vorgeworfen und von Opposition und einigen Beobachtern Röslers Vorgehen als „Klientelpolitik“ bezeichnet.[21][22][19][23]

Gesundheitsreform

Die im Rahmen der Gesundheitsreform steigenden Krankenkassenbeiträge für Pflichtversicherte wurde von Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt kritisiert, da sie dem Koalitionsvertrag zwischen FDP und Union widersprächen. SPD-Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier bezeichnete die Reform als „gesundheitspolitischen Scherbenhaufen”.[24] CDU und CSU äußerten Kritik an der von Rösler geplanten Kopfpauschale für Krankenkassenbeiträge, da diese für etwa die Hälfte aller Rentenempfänger zu deutlichen Beitragserhöhungen führen würden.[25]

Schriften

  • Einfluss der prophylaktischen Sotalolapplikation auf die Inzidenz des postoperativen Vorhofflimmerns im Rahmen der aortokoronaren Bypassoperation. Dissertation, Medizinische Hochschule, Hannover 2001
  • mit Christian Lindner (Hrsg.): Freiheit: gefühlt – gedacht – gelebt. Liberale Beiträge zu einer Wertediskussion. VS-Verlag, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-16387-1
  • Was uns fehlt. Im Internet veröffentlichtes Strategiepapier, 2008 (Text bei Facebook)

Kabinette

  • Kabinett Wulff II - Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, stellvertretender Ministerpräsident (Februar 2009 - Oktober 2009)
  • Kabinett Merkel II - Bundesminister für Gesundheit (seit Oktober 2009)
Commons: Philipp Rösler – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. genaues Geburtsdatum unbekannt, siehe Philipp Rösler kennt seinen Geburtstag nicht. In: netzeitung.de, 2. November 2009
  2. a b Philipp Rösler – „Großen hilft die Politik, die Kleinen gehen pleite“. In: sueddeutsche.de, 17. Februar 2009
  3. a b Dr. med. Rösler, Politiker und "einfach Arzt", aerzteblatt.de, 25. Oktober 2009
  4. Philipp Rösler ist neuer Wirtschaftsminister. welt.de, 18. Februar 2009
  5. Westerwelles Kronprinz. Zeit Online, 24. Oktober 2009
  6. Kabinett vereidigt. tagesschau.de, abgerufen am 28. Oktober 2009
  7. Spiegel Online vom 2. Februar 2010: FDP: Rösler sieht seine politische Zukunft mit Kopfpauschale verknüpft
  8. Handelsblatt: Gesundheitspolitik: Kommentar von Peter Thelen , 23. September 2010
  9. Wir sind nicht zum Spaß hier, Interview mit Rösler in Zeit Online, 26. November 2009
  10. Plenarprotokoll der 5. Sitzung vom 12. November 2009 (PDF | 706,5 KB), Antrittsrede vor dem Deutschen Bundestag von Philipp Rösler, 12. November 2009
  11. Tagesschau: Notoperation im Bundestag, 30. September 2010
  12. Blätter für deutsche und internationale Politik: Röslers Prämienpoker, September 2010
  13. Frankfurter Rundschau: Auf dem Rücken der Patienten, 21. September 2010
  14. Der Spiegel: Schwarz-Gelb knickt erneut vor Pharmalobby ein, 26. September 2010
  15. Der Spiegel: Pharmalobby diktiert Gesetzesänderung Nr. 4, 27. September 2010
  16. Der Spiegel: Einladung zur Manipulation, 20. September 2010
  17. FDP: Philipp Rösler Kandidat für den Parteivorsitz, 5. April 2011
  18. Kanzleramt war involviert in Sawicki-Absetzung. Der Spiegel, 21. August 2010, abgerufen am 22. August 2010.
  19. a b VORWURF: "ERFÜLLUNGSGEHILFE DER PHARMALOBBY" - SPD wirft Rösler Lobby-Politik vor. Hamburger Abendblatt, 23. Januar 2010, abgerufen am 5. April 2011.
  20. Wirbel um "Lobbyisten" im Gesundheitsministerium. T-Online, 19. Februar 2010, abgerufen am 22. August 2010.
  21. Dreiste Entmachtung eines Pharma-Schrecks. T-Online, 21. Januar 2010, abgerufen am 22. August 2010.
  22. Liberale und Krankenversicherung: Die Rabatt-Könige der FDP. Süddeutsche Zeitung, 21. Januar 2010, abgerufen am 22. August 2010.
  23. LobbyControl: Lobbyist ist im Gesundheitsministerium fehl am Platz. Deutschlandradio Kultur, 14. Januar 2010, abgerufen am 22. August 2010.
  24. Kritik an schwarz-gelber Gesundheitsreform: Beitragserhöhung stößt auf breite Ablehnung. tagesschau.de, 7. Juli 2011, abgerufen am 5. April 2011.
  25. Kopfpauschale: Pauschale Kritik am FDP-Gesundheitsmodell. Der Tagesspiegel, 7. Juli 2011, abgerufen am 3. Juni 2010.