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Fritzens-Sanzeno-Kultur

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Ausbreitung der Hallstattkultur im 6. Jahrhundert v. Chr.

Die Fritzens-Sanzeno-Kultur ist eine archäologische Kulturgruppe der Eisen- bzw. La-Tène-Zeit im Bereich der Alpen. Ihre Träger, die als →Räter identifiziert werden, wurden während der römischen Feldzüge in den Alpen und ihrem Vorland im Jahre 15 v. Chr. vollkommen ausgelöscht oder wie die Genaunen, Breonen (Inntal) und Anaunen (Nonstal und Val di Sole)[1] nachhaltig romanisiert. Die Fritzens-Sanzeno-Kultur wird im späten 6. Jahrhundert v. Chr. erkennbar und löst in Südtirol und dem Trentino die späten Stufen der Laugen-Melaun-Kultur, in Nordtirol die bis dahin an der Urnenfelderkultur und dann an der Hallstattkultur der eher nördlichen Nachbarschaft orientierte Inntalkultur ab, führt also die beiden voneinander unterscheidbaren Vorgängerkulturen zusammen.[2] Sie prägt auch wieder Osttirol, das sich ein halbes Jahrtausend zuvor vom Westen zum Osten gewandt hatte.[3]

Fundgeschichte

Wichtige, namengebende Funde der Fritzens-Sanzeno-Kultur wurden um 1920 vom Gemeindearzt der kleinen Gemeinde Wattens, Dr. Medizinalrat Karl Stainer, in Fritzens (am Inn etwas unterhalb von Innsbruck) entdeckt. Im Jahr 1924 stellte er seine Funde auf der 88. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte aus; diese blieben jedoch unbeachtet. Dennoch veröffentlichte er seine Beobachtungen in den Fundberichten aus Österreich (I, S. 136, 192; II. S. 47, 102, 177, 187; III (1948), S. 154.).

Gero von Merhart wurde schließlich auf die Fundstücke, vor allem auf die Keramik von Fritzens aufmerksam und bezeichnete sie als „Fritzner Typus“. B. Frei sprach 1955 erstmals von einem „Horizont der Fritzener- und Sanzeno-Keramik“, den er stratigraphisch von älteren „Melauner Horizonten“ absetzen konnte. Diese Keramik hat die Einschätzung der Archäologen hinsichtlich Fritzens-Sanzeno-Kultur wie keine andere Fundgruppe beeinflusst.

Fundübersicht

Obwohl die Fritzens-Sanzeno-Kultur sich in Sachen Handwerk, Begräbnisriten und Religion sehr von ihren Nachbarn, namentlich den Etruskern im Süden und den Kelten weiter nördlich, beeinflussen ließ, brachte sie eine Reihe eigener, spezifischer Formen hervor. Zu diesen zählen die „Krebsschwanz-“ und „Helmkopffibeln“, eine besondere Abart des „Negauer Helms“ und ein eigenes Alphabet, das von den Etruskern und Venetern in der südlichen Nachbarschaft verwendeten Schriften und auch den germanischen Runen ähnelt (→Räter).

Zu den wichtigsten Ausgrabungstätten der Fritzens-Sanzeno-Kultur gehören der Nonsberg bei Sanzeno (im Gebirge nördlich von Trient) und das Gräberfeld von Kundl (Unterinntal). Als Import wurde die typische Keramik der Fritzens-Sanzeno-Kultur auch im Oppidum von Manching gefunden.

Insgesamt umfasst das Gebiet der Fritzens-Sanzeno-Kultur das Nordtiroler Inntal, einen Teil des Unterengadins unterhalb des Reschenpasses sowie die heutigen Regionen Südtirol und Trentino.[4]

Literatur

  • Ingrid R. Metzger und Paul Gleischer (Hrsg.): Die Räter / I Reti : Eine Übersicht zum Forschungsstand der „Räter“ aus Anlass der vom Rätischen Museum Chur erarbeiteten gleichnamigen Wanderausstellung. Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer, herausgegeben von der Kommission III (Kultur), Neue Folge ; 4. Athesia, Bozen 1992, ISBN 88-7014-646-4. Darin:
    • Paul Gleirscher und Hans Nothdurfter: Zum Bronze– und Eisenhandwerk der Fritzens-Sanzeno-Gruppe. S. 349–367
    • Markus Egg: Spätbronze- und eisenzeitliche Bewaffnung im mittleren Alpenraum. S. 401–438
  • Amei Lang: Das Gräberfeld von Kundl im Tiroler Inntal : Studien zur vorrömischen Eisenzeit in den zentralen Alpen. Frühgeschichtliche und provinzialrömische Archäologie ; Bd. 2. Leidorf, Rahden/Westf. 1998. ISBN 3-89646-531-7.
  • Franz Leonhard: Die vorgeschichtlichen Altertümer von Fritzens. Schlern-Schriften ; 72. Wagner, Innsbruck (1950).
  • Reimo Lunz: Studien zur End-Bronzezeit und älteren Eisenzeit im Südalpenraum. Sansoni, Florenz 1974.
  • Johann Nothdurfter: Die Eisenfunde von Sanzeno im Nonsberg. Römisch-germanische Forschungen ; Bd. 38; v. Zabern, Mainz 1979. ISBN 380530403X.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Raetia: Bewohner
  2. S. 12–15 in: P. Gleirscher: Die Räter. Rätisches Museum Chur 1991.
  3. S. 731 von: Ludwig Pauli: Auf der Suche nach einem Volk. Altes und Neues zur Räterfrage. In: Metzger/Gleirscher: Die Räter, Bozen 1992, S. 725–740.
  4. Abb. 6 S. 16 in: P. Gleirscher: Die Räter. Rätisches Museum Chur 1991.