Unternehmen Nordwind
Operation Nordwind | |||||||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Teil von: Westfront, Zweiter Weltkrieg | |||||||||||||||||
Datum | 31. Dezember 1944 bis 25. Januar 1945 | ||||||||||||||||
Ort | Elsass, Lothringen | ||||||||||||||||
Ausgang | Sieg der Alliierten | ||||||||||||||||
| |||||||||||||||||
![]() |
1944: Overlord · Dragoon · Mons · Market Garden · Scheldemündung · Aachen · Hürtgenwald · Queen · Elsass-Lothringen · Ardennen
1945: Nordwind · Bodenplatte · Blackcock · Colmar · Veritable · Grenade · Blockbuster · Lumberjack · Undertone · Plunder · Flashpoint · Aschaffenburg · Würzburg · Ruhrkessel · Friesoythe · Nürnberg
Das Unternehmen Nordwind vom 31. Dezember 1944 bis 25. Januar 1945 im Elsass und in Lothringen war die letzte militärische Offensive der deutschen Wehrmacht an der Westfront, die auch zu politischen Spannungen zwischen den USA und Frankreich führte. Sie gehört zu den weniger bekannten Großoperationen des 2. Weltkrieges, da sie von den Ereignissen in den Ardennen, aber auch von dem Zusammenbruch der deutschen Ostfront überschattet war.
Ursprünglich zur Unterstützung der Ardennenoffensive geplant[2] wurde sie begonnen, als die Ardennenoffensive längst zum Stehen gekommen war. Als deutsche Truppen die Ardennen bereits weitgehend wieder geräumt hatten und die sowjetische Offensive in vollem Gange war, befand sich das Unternehmen Nordwind mit der Einführung weiterer Divisionen im Zenit. Ein wesentlicher Teil der Kampfhandlungen fand vom 8. bis 20. Januar 1945 im Raum zwischen Hagenau und Weißenburg statt, wenngleich die Kämpfe am Vogesenkamm und diejenigen um einen neugebildeten Brückenkopf am Oberrhein die Ereignisse deutlich stärker bestimmten. Im Gegensatz zur Ardennenoffensive, die vor allem wegen Treibstoffmangels scheiterte, waren Personalmangel und unzureichende Artillerieunterstützung entscheidende Gründe für das Scheitern von Nordwind; die in diesem Frontabschnitt eingesetzten Verbände waren durch die vorangegangenen Rückzugskämpfe geschwächt und nur unzureichend personell aufgefrischt. Die Operationsführung wurde zusätzlich dadurch erschwert, dass sie nicht allein in der Hand der Heeresgruppe G lag, sondern zwischen ihr und der neu gebildeten Heeresgruppe Oberrhein unter dem Kommando des Reichsführers-SS Heinrich Himmler aufgeteilt war.
Ausgangslage
- Hauptartikel: Deutsche Westfront 1944/1945
Am 12. November 1944 trat die 6. US-Heeresgruppe, bestehend aus der 7. US-Armee und der 1. Französischen Armee, im Zusammenwirken mit der 3. US-Armee zur Offensive beiderseits der Vogesen an. Die alliierten Armeen durchbrachen die Zaberner Steige und die burgundische Pforte und erreichten den Oberrhein am 22. November bei Mülhausen und am 23. November bei Straßburg.[3] Anfang bis Mitte Dezember hatten sie die deutsche 1. Armee weitestgehend aus dem Unterelsass nach Norden zurückgedrängt und Teile der 19. Armee im Brückenkopf Elsass umfasst.[4] Letztere wurde am 2. Dezember 1944 aus der Heeresgruppe G herausgenommen und in die neu gebildete Heeresgruppe Oberrhein überführt, deren Oberbefehl Himmler am 10. Dezember erhielt und die direkt dem Führerhauptquartier unterstand.[5] Ende Dezember 1944 kam nach Anfangserfolgen die deutsche Ardennenoffensive zum Stehen. Um Kräfte für einen amerikanischen Gegenangriff in den Ardennen freizumachen, übernahm die 7. US-Armee große Teile des Frontabschnittes der 3. US-Armee im Unterelsass und in Lothringen, der damit zum schwächsten Abschnitt der amerikanischen Front wurde.
Pläne des OKW
Das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) ging schon vor der Ardennenoffensive davon aus, dass ihretwegen an den Frontabschnitten im Elsass und in Lothringen Ruhe herrsche. Um weiterhin die Initiative zu behalten, waren drei Optionen vorgesehen, bei der die zur Heeresgruppe G gehörende 1. Armee von Norden her den Hauptstoß führen und durch Angriffe der der Heeresgruppe Oberrhein unterstellten 19. Armee auf Straßburg oder in den Vogesen unterstützt werden sollte.[2] Als Folgeoperation war das Unternehmen Zahnarzt vorgesehen, ein Vorstoß in die Flanke der 3. US-Armee.[6]
Eine der Optionen war ein Vorstoß westlich der Vogesen aus dem Orscholzer Riegel auf einer zwischen Saar und Vogesen verlaufenden Angriffsachse in die rechte Flanke der gerade zum Gegenangriff in den Ardennen ausholenden 3. US-Armee. Vorteilhaft war dort das gut ausgebaute Straßen- und Wegenetz, das die Bewegungen mechanisierter Verbände begünstigte. Zudem hätte die Saar zusätzlichen Schutz für die rechte Flanke geboten. Nachteilig wäre die hohe Wahrscheinlichkeit alliierter Luftangriffe wegen des offenen Geländes und der Nähe der Ardennen gewesen. Außerdem hätte diese Variante eine erhebliche Umgliederung der Kräfte erforderlich gemacht, was die Verwundbarkeit durch Luftangriffe weiter erhöht hätte.[7]
Eine weitere Option bestand darin, aus dem Raum Bitsch entlang des Vogesenkammes über das Zwischenziel Wingen anzugreifen, die Zaberner Steige zu nehmen und so die Hauptverbindungslinien der am Oberrhein beiderseits Straßburg stehenden französischen und US-amerikanischen Kräfte abzuschneiden und letztere zu zerschlagen. Diese Option hatte den Vorteil günstiger und gedeckter Ausgangsstellungen und Verfügungsräume, zum einen wegen des hügeligen und bewaldeten Geländes und zum anderen, weil dort die Befestigungsanlagen der Maginot-Linie noch in deutscher Hand waren. Nachteilig war demgegenüber das nur schwach ausgebaute Straßen- und Wegenetz in einem auch sonst nicht panzergünstigen Gelände.[7]
Die dritte Möglichkeit bestand in einem Vorstoß ostwärts des Vogesenkammes, in einem Gelände, das zwar infolge seines gut ausgebauten Straßen- und Wegenetzes gute Bewegungsmöglichkeiten, jedoch – vor allem wegen des Hagenauer Waldes – auch gute Verteidigungsmöglichkeiten bot. Letztere wurden noch durch die in amerikanischer Hand befindlichen Befestigungsanlagen der Maginot-Linie und durch Minenfelder verstärkt.[7]
Nach Billigung des Vorstoßes entlang des Vogesenkammes durch den Oberbefehlshaber der Heeresgruppe G Johannes Blaskowitz und durch den Oberbefehlshaber West Gerd von Rundstedt am 24. Dezember befahl Hitler, den westliche Vorstoß unterstützend zu dem Haupstoß durchzuführen. Er hatte vor dem Hintergrund der Witterungsbedingungen in den Vogesen Zweifel an der Durchhaltefähigkeit der Truppe.[8] Bereits vor Hitlers Abwandlung entstand der Deckname Nordwind,[7] möglicherweise wegen der aus Norwegen zugeführten 6. SS-Gebirgs-Division „Nord“. Als Angriffsbeginn wurde der 31. Dezember/1. Januar festgelegt, um die Silvesterstimmung der US-Amerikaner ausnutzen zu können. Auf Aufklärung wurde verzichtet, um die Alliierten nicht vorzuwarnen.
Gliederung der deutschen Kräfte
1. Armee
Einteilung in zwei Sturmgruppen,[9] Sturmgruppe 1 für den Angriff westlich der Vogesen:
- XIII. SS-Armeekorps
- 19. Volksgrenadierdivision
- 36. Volksgrenadierdivision
- 17. SS-Panzergrenadier-Division „Götz von Berlichingen“
und Sturmgruppe 2 für den Angriff entlang des Vogesenkammes:
- XC. Armeekorps
- 559. Volksgrenadierdivision
- 257. Volksgrenadierdivision
- LXXXIX. Armeekorps
- 361. Volksgrenadierdivision
- 245. Infanteriedivision
- 256. Volksgrenadierdivision
Zusätzlich standen der 1. Armee auch noch zur Verfügung:
- 25. Panzergrenadierdivision
- 21. Panzerdivision
- 6. SS-Gebirgsjägerdivision (wurde aus Norwegen unmittelbar nach Angriffsbeginn zugeführt)
- 7. Fallschirmjägerdivision (wurde am 15. Januar zugeführt)
19. Armee
- LXIV. Armeekorps
- 16. Infanteriedivision
- 189. Infanteriedivision
- 198. Infanteriedivision
- 708. Volksgrenadierdivision
- Panzerbrigade 106
- LXIII. Armeekorps
- XIV. SS-ArmeeKorps
- 553. Volksgrenadierdivision
- 405. Division?
- 10. SS-Panzerdivision (wurde ab 15. Januar zugeführt)
Alliierte Pläne
Noch während die 3. US-Armee zur Abwehr der deutschen Ardennenoffensive umgliederte, wurden dem SHAEF (Supreme Headquarters, Allied Expeditionary Force) die Herausforderungen bewusst, die auf die 6. US-Heeresgruppe mit ihrem nunmehr überdehnten Frontabschnitt zukamen. In einer Folgediskussion am 26. Dezember 1944 teilte der gerade zum General of the Army beförderte Dwight D. Eisenhower dem Befehlshaber der 6. US-Heeresgruppe Jacob L. Devers mit, dass er zwecks Verkürzung der Front der 6. US-Heeresgruppe deren Rücknahme vom Oberrhein an den Vogesenkamm wünsche.[10] Da weder diese Äußerung noch das nachfolgende Drängen des SHAEF einen förmlichen Befehlscharakter hatten, und Devers nach dem Ardennen-Fiasko des alliierten militärischen Nachrichtenwesens Zweifel an der Lagebeurteilung von SHAEF hatte, sah er einen Rückzug nicht als dringlich an. Er ließ ihn nur planen, statt ihn durchzuführen.[11] Nach seiner Einschätzung, die auch von dem Befehlshaber der 7. US-Armee Alexander Patch geteilt wurde, war ein deutscher Angriff an der Saar am wahrscheinlichsten, zumal die mittlerweile in den Ardennen eingesetzte Panzerlehrdivision im Dezember 1944 hier einen Störangriff durchgeführt hatte. Als weitere, wegen des Geländes aber weniger wahrscheinliche Möglichkeit wurde der Angriff entlang des Vogesenkammes angesehen, während ein deutscher Angriff in der Oberrheinebene wegen der von den Amerikanern hier gehaltenen Abschnitte der Maginotlinie als abwegig angesehen wurde.[11]
Gliederung der alliierten Kräfte
Die Alliierten verfügten auf dem Papier über weniger Divisionen als die Deutschen, hatten dafür aber eine bessere Personal- und Materiallage. Erfahrungs- und Ausbildungsstand unterschied sich von Division zu Division erheblich; einige Verbände kämpften seit dem Italienfeldzug, während andere gerade neu aufgestellt worden und erst im November 1944 eingeführt waren.[12] Letzteres traf insbesondere auf die französischen Verbände zu, von denen viele sich aus der Résistance rekrutierten.[13]
7. US-Armee
- XV. US-Korps
- 103. US-Infanteriedivision
- 44. US-Infanteriedivision
- 100. US-Infanteriedivision
- Kampfgruppe Harris
- VI. US-Korps
- Kampfgruppe Hudelson
- 45. US-Infanteriedivision
- Kampfgruppe Herren (70. US-Infanteriedivision)
- Kampfgruppe Linden (42. US-Infanteriedivision)
- 79. US-Infanteriedivision
- XXI. US-Korps (SHAEF-Reserve)
- 12. US-Panzerdivision
- 14. US-Panzerdivision
- 36. US-Infanteriedivision
- 2. Französische Panzerdivision (auch I. Französisches Korps)
1. Französische Armee
- I. Französisches Korps
- 1. Französische Infanteriedivision
- 3. Französische Infanteriedivision
- II. Französisches Korps
- 1. Französische Panzerdivision
- 9. Französische Kolonial-Infanteriedivision
- 2. Französische Infanteriedivision
- 4. Französische Gebirgsjägerdivision
- 5. Französische Panzerdivision
- 10. Französische Infanteriedivision
Verlauf
Angriff auf Zabern, 1.–6. Januar
Die Offensive, die von den Alliierten wegen schlechten Wetters nur ansatzweise aufgeklärt wurde,[11] begann ohne Artillerievorbereitung in den letzten Abendstunden des 31. Dezembers 1944.
Der Angriff der Sturmgruppe 1 stieß auf tiefgestaffelte Verteidigung der 44. und der 100. US-Infanteriedivision und blieb mit Ausnahme eines drei Kilometer tiefen Einbruches im Raum Bliesbrücken-Rimmlingen liegen. Nachdem deutsche Angriffsspitzen am 3. Januar Großrederchingen und Teile der Ortschaft Achen genommen hatten, kam dieser Angriff endgültig zum Stehen.[14]
Der Angriff der Sturmgruppe 2 war deutlich erfolgreicher. Der bergige und bewaldete Geländeabschnitt in den Vogesen wurde lediglich von der Task Force Hudelson gehalten, die den angreifenden deutschen Kräften nur wenig entgegenzusetzen hatte. Nachteilig auf deutscher Seite wirkte sich dort aber die unterbliebene Aufklärung aus, wodurch die angreifenden Verbände orientierungslos waren. Die 361. Volksgrenadierdivision, die vor wenigen Wochen dort noch in Rückzugskämpfen verwickelt war, gewann dank ihrer Kenntnisse des Geländes am meisten Raum. Innerhalb der nächsten vier Tage kam die Sturmgruppe 2 immerhin 16 Kilometer voran.[15]
Die Lageentwicklung bewog Blaskowitz und Obstfelder dazu, die Anfangserfolge der Sturmgruppe 2 auszunutzen und die gerade aus Norwegen herangeführte 6. SS-Gebirgsjägerdivision dort einzusetzen. Dieser Verband, der deutlich den höchsten Einsatzwert aller deutschen Divisionen dieses Frontabschnittes besaß, trat über die 257. und 361. Volksgrenadierdivisionen auf Wingen und Wimmenau an. In den Morgenstunden des 4. Januar besetzten zwei Bataillone dieser Division Wingen und überrannten dabei einen amerikanischen Bataillonsgefechtsstand. Da ihnen jedoch die Fernmeldeverbindungen in Gestalt eines Funklastwagens abhanden gekommen waren, konnten sie keine Verstärkungen anfordern. Amerikanische Gegenangriffe scheiterten, denn sie waren zunächst darauf ausgerichtet, lediglich eine Kompanie aus Wingen zu werfen. Als der amerikanische Druck – verstärkt durch Kräfte, die vom Oberrhein nördlich Straßburg abgezogen wurden – jedoch übermächtig wurde, setzten sich die mittlerweile abgekämpften deutschen Bataillone in der Nacht vom 6. zum 7. Januar aus Wingen ab.[16]
Straßburger Kontroverse
Die unklare Situation hinsichtlich des von Eisenhower angesonnenen Rückzugs hinter die Vogesen begann während des Angriffes auf Zabern politische Kreise zu ziehen. Noch am Nachmittag des 1. Januars rief der Chef des Stabes von SHAEF Devers an und warf der 7. US-Armee Befehlsverweigerung vor, da sie nicht auf die Vogesen ausweiche.[17] Devers gab hieraufhin an, dass die diesbezüglichen Vorbereitungen anliefen, wegen der Verhältnisse vor Ort aber Zeit benötigen würden. Noch am gleichen Tage teilte Devers Patch mit, dass seine Armee bis zum 5. Januar hinter die Vogesen ausweichen und die Oberrheinebene samt Straßburg aufgeben müsse. Patch begann unverzüglich mit der Umsetzung, indem er die im Zuge der Lauter eingesetzten Verbände nach Süden zurück nahm. Zeitgleich mit dem Befehl an Patch gab Devers diese Information über die französischen Verbindungsoffiziere an die französische Regierung weiter. Daraufhin protestierte de Gaulle in einem Brief an Devers. Hintergrund der französischen Haltung war vor allem die jüngere Geschichte des Elsass als Zankapfel zwischen Deutschland und Frankreich. Vor allem Straßburg, wo Claude Joseph Rouget de Lisle 1792 die Marseillaise komponierte, hatte bei den Franzosen einen Stellenwert, der nur von der Hauptstadt Paris übertroffen wurde.[18] Außerdem wurde befürchtet, dass eine erneute deutsche Besetzung Repressalien gegen diejenigen Teile der Bevölkerung nach sich ziehen würde, die nach der Einnahme durch die Alliierten am 23. November 1944 offen ihre Loyalität gegenüber Frankreich gezeigt hatten.[17] Devers, der die Haltung Frankreichs teilte, entsandte daraufhin am 2. Januar seinen Chef des Stabes, Generalmajor Barr nach Paris zu Eisenhower, um klare Anweisungen zu erhalten. De Gaulle nahm daher auch Verbindung mit Roosevelt und Churchill auf und bestellte Eisenhower am 3. Januar zu einem Gespräch nach Paris, wo Churchhill als Mediator fungierte.[19] De Gaulle bezeichnete Eisenhowers Entscheidung als nationale Katastrophe, wohingegen Eisenhower an seiner Entscheidung zunächst festhielt und der 1. Französischen Armee die Schuld gab, da sie bei der Zerschlagung des Brückenkopfes Elsass versagt habe.[19] Hieraufhin drohte De Gaulle mit einem Ende der französischen Beteiligung bei SHAEF, während der ebenfalls anwesende General Alphonse Juin Andeutungen machte, Frankreich verwehre den Alliierten die Nutzung seines Eisenbahnnetzes. Eisenhower akzeptierte am Ende unter Churchills Lob die französischen Bedenken. Der ebenfalls anwesende Generalmajor Barr gab die Information unverzüglich an Devers weiter, noch bevor die Entscheidung am 7. Januar in Form eines Communiques schriftlich fixiert wurde.[19] Devers wiederum stoppte unverzühlich die Absetzbewegungen von der Lauter.
Kämpfe in der Oberrheinebene
Nach der Räumung Wingens gab das OKW den Angriff im Zuge der Vogesen, beziehungsweise westlich davon auf und verlagerte den Schwerpunkt. Die ursprüngliche Absicht der Heeresgruppe G, den Angriff nunmehr mit gepanzerten Kräften am Ostrand der Vogesen über das Zwischenziel Rothbach westlich Hagenau zu führen, wurde wegen der nachstehend beschriebenen Lageentwicklung im Frontabschnitt der 19. Armee aufgegeben, und zwar zugunsten eines Angriffes unmittelbar in der Oberrheinebene ostwärts von Hagenau.[20]

Neuer Brückenkopf bei Gambsheim, 5.–10. Januar
Noch während des Angriffs der Sturmgruppe 2 auf Wingen gelang der der 19. Armee unterstellten 553. Volksgrenadierdivision, die von allen beteiligten deutschen Divisionen den niedrigsten Einsatzwert hatte,[21] in der Nacht vom 4. auf den 5. Januar die Bildung eines Brückenkopfes am Zusammenfluss von Zorn und Moder bei Gambsheim. Da die US-amerikanischen Verbände – hier Task Force Linden – die Verteidigung dieses Frontabschnittes nur durch Spähtrupps sicherstellen konnten, und die Bevölkerung in dieser Region deutschfreundlich war,[22] konnten die Soldaten der 553. Volksgrenadierdivision ungehindert in ihren Sturmbooten über den Rhein setzen und den Brückenkopf nach seiner Sicherung auf Herlisheim und Offendorf ausweiten und sich im Südwesten bis an den Ortsrand von Kilstedt vorschieben. Die Versorgung des Brückenkopfes wurde nachts durch Fährbetrieb sichergestellt, da eine Brücke der Wirkung der alliierten Luftwaffe ausgesetzt gewesen wäre.[20] Die Bedrohung aus diesem Brückenkopf wurde von den Alliierten als so gering eingeschätzt, dass sie die nächsten drei Tage keinen Versuch zur Abriegelung unternahmen,[20] wenngleich Patch dem Kommandeur des VI. US-Korps bereits am 6. Januar den Befehl zur Zerschlagung des Brückenkopfes gegeben hatte.[23] Erst am 8. Januar setzte er mit dem Combat Command B Teile der 12. US-Panzerdivision gegen vermeintlich nur 500-800 unorganisierte deutsche Infanteristen des Brückenkopfes. Tatsächlich befanden sich zu diesem Zeitpunkt bereits 3330 deutsche Soldaten, verstärkt durch Panzerabwehrkanonen, in gut ausgebauten Stellungen. Demgegenüber verringerte die schwache Infanteriekomponente der 12. US-Panzerdivision den Einsatzwert dieses Verbandes. Combat Command B trat am 8. Januar auf Herlisheim an. Zwar gelang es, mit Infanterie in Herlisheim einzudringen, doch da die amerikanischen Panzer von den deutschen Panzerabwehrkanonen in Schach gehalten werden konnten und zudem die Funkverbindung zu den Infanteristen abriss, räumten letztere in den Morgenstunden des 10. Januar Herlisheim.[24]
Unternehmen Sonnenwende, 8.–12. Januar
Die eigentliche Unterstützung der 19. Armee, Deckname Unternehmen Sonnenwende, bestand in einem Angriff ab 8. Januar 1945 durch die zwischen Rhein und Ill eingesetzte 198. Infanteriedivision und die Panzerbrigade 106 aus dem Brückenkopf Elsass auf Straßburg. Der betreffende Frontabschnitt war gerade zuvor von den Amerikanern an die 1.Französische Infanteriedivision übergeben worden. Den beiden deutschen Verbänden gelang es, sämtliche südöstlich der Ill eingesetzten französischen Kräfte zu werfen und somit das Dreieck zwischen Ill und Rhein wieder unter Kontrolle zu bringen. Gleichwohl gelang es den französischen Kräften, an der Ill im Zuge der Ortschaften Benfeld, Erstein und Kraft den deutschen Angriff am 12. Januar aufzufangen und zum Stehen zu bringen. Das eigentliche Ziel, die Einnahme Straßburgs, wurde nicht erreicht.[24]
Kämpfe um Hatten-Rittershofen, 8.–20. Januar
Die in der nordöstlichen Ecke des Elsass eingesetzten US-amerikanischen Streitkräfte hatten in Umsetzung des Rückzugsbefehls von Eisenhower bereits in den ersten Januartagen den Raum an der Lauter geräumt und somit Reipertsweiler und Weißenburg aufgegeben. Nach der Intervention de Gaulles bezogen sie an der Maginot-Linie Stellung. Auf Drängen Himmlers bestand die Absicht des OKW nunmehr darin, über Hatten auf Hagenau vorzustoßen und sich im Raum Bischweiler mit den aus dem Brückenkopf Gambsheim entgegenstoßenden Kräften zu treffen und so das VI. US-Korps im Raum Sufflenheim einzuschließen und zu vernichten.[25]
Die zur Kampfgruppe Feuchtinger verschmolzene 21. Panzerdivision und 25. Panzergrenadierdivision traten am 6. Januar aus dem Bienwald aus, rollten Teile der Maginotlinie auf und stießen am 8. Januar auf Hatten vor.[26] In der Folge wechselten Teile dieses Ortes und des benachbarten Rittershofen in erbitterten Kämpfen immer wieder den Besitzer, wobei weder Amerikaner noch Deutsche die Oberhand gewinnen konnten, obwohl Letztere vom 11. bis zum 15. Januar Verstärkung durch die 7.Fallschirmjägerdivsion erhielten.[27] Aber nicht nur die kriegführenden Parteien, sondern auch die Zivilbevölkerung hatte hohe Verluste zu beklagen, da sie von den Amerikanern nicht evakuiert wurde. Zeitgleiche Versuche, den ursprünglichen Angriff der Sturmgruppe 2 auf Zabern wieder vorzutragen, scheiterten ebenfalls.[28]
Patt bei Herlisheim, 16.–21. Januar
Da am 10. Januar der Versuch von Combat Command B, den Brückenkopf von Gambsheim einzudrücken, gescheitert war, setzte der Kommandeur des VI. US-Korps am 13. Januar die gesamte 12. US-Division dort ein, die am 16. Januar erneut antrat, Combat Command B erneut auf Herlisheim und Combat Command A auf Offendorf und den nahe gelegenen Steinwald.[29] Auch diesmal gelang es dem Combat Command B, in Herlisheim einzudringen, doch die Geländegewinne gingen durch einen deutschen Gegenangriff wieder verloren. Von den Amerikanern unbemerkt, wurde in der Nacht vom 15. zum 16. Januar begonnen, die 10. SS-Panzerdivision mit Fähren in den Brückenkopf einzuführen, um ihn auszuweiten. Der Divisionsgefechtsstand wurde nach Offendorf verlegt und begann mit der Planung eines Angriffs für den 17. Januar. Dieser Angriff lief planmäßig vor dem Morgengrauen an und mündete in einem unentschiedenen Begegnungsgefecht mit dem ebenfalls (erneut) angreifenden Combat Command A.[29] Es zeigte sich, dass in dem von Ortschaften, der Zorn sowie von Bahndämmen und Entwässerungsgräben durchzogenen Gelände der Einsatzwert von Panzern gering war und sie leicht eine Beute von Panzerabwehrkanonen und Panzerfäusten wurden.[30] Auch ein Versuch von Combat Command B, Herlisheim nördlich zu umgehen, schlug fehl. Am 18. Januar gelang es der zur 10. SS-Panzerdivision gehörenden 3. SS-Panzerabteilung 10, ein in Herlisheim eingedrungenes US-Panzerbataillon zu zerschlagen, hierbei 10 Sherman-Panzer zu erbeuten und ein ebenfalls dort eingesetztes US-Infanteriebatallion aufzureiben.[31] Am 19. Januar gelang bei Drusenheim die Zerschlagung eines weiteren, der 79. US-Infanteriedivision angehörenden Bataillons.[32] Andererseits wies die 3. Französische Infanteriedivision vom 17. bis zum 21. Januar Angriffe der 10. SS-Panzerdivision auf Kilstedt blutig ab.[33]
US-Rückzug hinter die Moder, 20./21. Januar
Trotz der Abwehrerfolge der Franzosen bei Kilstedt bestand die Gefahr, dass die 10. SS-Panzerdivision weiter nördlich aus dem Brückenkopf ausbrechen würde, wo sie gerade drei amerikanische Bataillone zerschlagen beziehungsweise aufgerieben hatte. Mit einem Vorstoß aus dem Raum Drusenheim nach Westen im Zuge des nördlichen Moderufers hätte sie die amerikanische Front bei Hatten und Rittershofen aus den Angeln heben können. Die Gefahr eines erneuten Angriffs der Sturmgruppe 2 sowie der kräftezehrende Kampf um Hatten und Rittershofen vervollständigte ein Lagebild, wonach der Frontbogen des VI. US-Korps langsam unhaltbar wurde.[34] Es gelang Patch, Devers Einverständnis für einen Rückzug zu erwirken, mit dem das Korps am Südufer der Moder im Zuge einer deutlich verkürzten Frontlinie eine Auffangstellung beziehen konnte.[35] Zwar wurden durch die Beseitigung des deutschen Frontvorsprunges in den Ardennen die 101. US-Fallschirmjägerdivision und die 28.US-Infanteriedivision frei und in den Elsass verlegt,[36] doch verzögerten schlechte Witterungsbedingungen das Eintreffen dieser Verstärkungen. Die Absetzbewegung begann in der Nacht vom 20. auf den 21. Januar und wurde durch schlechtes Wetter begünstigt, so dass deutsche Truppen den Rückzug erst bemerkten, als er bereits erfolgt war.[37] Sie drängten am 22. Januar nach und erweiterten die Landverbindung zum Brückenkopf Gambsheim.[38]
Nachdrängen deutscher Kräfte bis zum 25. Januar
Durch die Geländegewinne ermutigt, unternahmen deutsche Kräfte unmittelbar danach den vergeblichen Versuch, Hagenau und Bischweiler zu nehmen.[39] In der Nacht vom 24. auf den 25. Januar traten Teile von drei deutschen Divisionen im Raum zwischen Neuburg und Schweighausen an, wurden jedoch nach Anfangserfolgen zurückgeschlagen.[40] Ebenfalls am 25. Januar wurden Angriffe der 6. SS-Gebirgsjägerdivision auf Bischoltz und Schillersdorf abgewiesen.[41] Mittlerweile wirkte sich auch der Zusammenbruch der deutschen Front im Osten auf die Operationsführung aus. Hitler befahl daher, die Offensive einzustellen.[42] In der Folge wurden am 27. Januar die 21. Panzerdivision und die 25. Panzergrenadierdivision herausgezogen und an die Ostfront verlegt,[39] die 10. SS-Panzerdivision folgte im Februar.[33]
Folgen
Nach Abschluss der Offensive hielten deutsche Kräfte wieder rund 40 % des Elsass besetzt. Als taktische Erfolge konnten sie eine Verkürzung der Front und im Vergleich zu den Alliierten geringere Verluste verbuchen. Operative Erfolge blieben ihnen jedoch versagt; eine Zerschlagung nennenswerter alliierter Kräfte gelang ihnen ebenso wenig wie die Einnahme Straßburgs. Durch das Ausweichen hinter die Moder verschafften sich die alliierten Kräfte sogar die Handlungsfreiheit für einen Angriff auf den Brückenkopf Elsass, der zur Zerschlagung mehrerer deutscher Divisionen in den Vogesen und zur Beseitigung eben dieses Brückenkopfes am 9. Februar 1945 führte. Strategisch gesehen band jedoch das Unternehmen Nordwind – ähnlich wie der Verbleib deutscher Verbände in den Ardennen – Kräfte, die angesichts des Zusammenbruches der Ostfront dort sehr viel dringender benötigt wurden; Nordwind wurde erst zu einem Zeitpunkt abgebrochen, als die Rote Armee bereits die Hälfte von Ostpreußen überrannt[43] und Posen eingeschlossen hatte. Sämtliche taktischen Erfolge hätten daher durch Räumung des Brückenkopfes Elsass zu einem deutlich geringeren Preis erkauft werden können.
Die erbitterten Kämpfe, insbesondere die deutschen Achtungserfolge, vermochten zwar am Ausgang des Krieges nichts zu ändern. Sie erhielten jedoch auch nach dem Scheitern der Ardennenoffensive bei den Westalliierten den Eindruck aufrecht, dass das Dritte Reich noch nicht am Ende seiner Kräfte war. Außerdem waren sie mit Sicherheit mitursächlich für die Vorverlegung des ursprünglich für den 20. Januar geplanten Angriffsbeginns der sowjetischen Weichsel-Oder-Operation.
Die Straßburger Kontroverse hingegen war mitursächlich für den von de Gaulle 1966 vollzogenen teilweisen Bruch mit der NATO und nährte selbst in der Bundesrepublik Deutschland Zweifel am amerikanischen Beistand im Falle eines sowjetischen Angriffes.[44]
Literatur
- Richard Engler: The Final Crisis: Combat in Northern Alsace, January 1945. Aberjona Press. 1999, ISBN 978-0-96663-891-2.
- Smith and Clarke: Riviera To The Rhine. The official US Army History of the Seventh US Army. Diane Pub Co. 1993, ISBN 978-0-75676-486-9.
- Keith Bonn: When the Odds Were Even: The Vosges Mountains Campaign, October 1944-January 1945. Presidio Press, 2006, ISBN 978-0-34547-611-1.
- Steven Zaloga: Operation Nordwind 1945 – Hitlers’s last offensive in the West. Osprey Publishing, 2010, ISBN 978-1-84603-683-5.
- Charles Whiting: The Other Battle of the Bulge: Operation Northwind. History Press Spellmount, 2001, ISBN 978-1-86227-399-3.
Weblinks
- www.maginot-hatten.com
- Battle History of the 44th I.D. (Nordwind & the US 44th Division)
- 14th Armored Division Combat History
- The Ardennes-Alsace campaign US Army brochure
- The NORDWIND Offensive (January 1945) auf der Homepage der 100. US-Infanteriedivision enthält eine Liste deutscher Primärquellen bezüglich der Operation.
Einzelnachweise
- ↑ Smith and Clark, Riviera To The Rhine, S. 527.
- ↑ a b Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 25
- ↑ Bonn: When the odds were even S. 103 ff.
- ↑ Bonn: When the odds were even S. 147 ff.
- ↑ Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 19
- ↑ Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 27
- ↑ a b c d Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 26
- ↑ Bonn: When the odds were even S. 199
- ↑ So jedenfalls die ausdrücklich deutsche Bezeichnung bei Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 26; vgl. aber auch Bonn: When the odds were even S. 199, 200, der von Main Attack und Supporting Attack spricht
- ↑ Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 28
- ↑ a b c Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 29
- ↑ Ausführlich Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 37 ff.
- ↑ Ausführlich Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 40 ff.
- ↑ Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 44
- ↑ Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 46
- ↑ Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 47 f.
- ↑ a b Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 52
- ↑ Whiting: The Other Battle of the Bulge. S. 46, der fälschlicherweise Alphonse Daudet als Komponisten angibt.
- ↑ a b c Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 53
- ↑ a b c Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 59, 69
- ↑ deutliche Worte bei Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 57
- ↑ Whiting: The Other Battle of the Bulge. S. 81
- ↑ Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 65
- ↑ a b Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 69
- ↑ ohne explizite Benennung der Ortschaften Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 59, 69
- ↑ Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 59
- ↑ ausführlich Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 59–65
- ↑ Whiting:: The Other Battle of the Bulge. S. 128 f.
- ↑ a b Zaloga, Operation Nordwind 1945, S. 72
- ↑ Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 72 f.
- ↑ Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 73
- ↑ Whiting: The Other Battle of the Bulge. S. 138
- ↑ a b Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 74
- ↑ Vgl. Whiting: The Other Battle of the Bulge. S. 138; vgl. aber auch die etwas unbefriedigende Erklärung bei Zaloga, S. 74, wonach der Rückzug trotz Zufuhr von in den Ardennen nicht mehr benötigten Kräften nur deshalb durchgeführt wurde, weil der kräftezehrende Kampf um die beiden Ortschaften nicht weiter fortgesetzt werden sollte.
- ↑ Vgl. Whiting: The Other Battle of the Bulge. S. 139
- ↑ Vgl. Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 74
- ↑ Vgl. Whiting, The Other Battle of the Bulge, S. 144–148,
- ↑ Vgl. Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 78 f., der hier schreibt, die Landverbindung sei hergestellt worden. Dies widerspricht jedoch seinem Kartenmaterial, ausweislich dessen eine schmale Landverbindung bereits am 6. Januar bestand, bzw. zwischen diesem Datum und dem US-Rückzug hergestellt wurde.
- ↑ a b Zaloga: Operation Nordwind 1945. S. 76
- ↑ Whiting: The Other Battle of the Bulge. S. 152, 153
- ↑ Whiting: The Other Battle of the Bulge. S. 153 f.
- ↑ Whiting: The Other Battle of the Bulge. S. 155
- ↑ zur Lageentwicklung in Ostpreußen am 25.Januar vgl. statt vieler nur die bei Dieckert & General der Infanterie a.D. Horst Großmann: Der Kampf um Ostpreußen, Motorbuch, 10. Auflage 1994, ISBN 3-87943-436-0 (s. dort beigefügte Karte)
- ↑ Whiting: The Other Battle of the Bulge. S. 48