Robert Musil

Robert Musil (6. November 1880 in Klagenfurt, Österreich; † 15. April 1942 in Genf, Schweiz), von 1917 bis zur Adelsaufhebung von 1919: Robert Edler von Musil, war ein österreichischer Schriftsteller und Theaterkritiker.
, *Leben
Vor 1918

Robert Musil war der einzige Sohn des Ingenieurs und Hochschulprofessors Alfred Musil und seiner Ehefrau Hermine Bergauer. Zwischen 1892 und 1897 besuchte Musil Schulen in den verschiedenen Städten, in die sein Vater versetzt wurde. Musils letzte Ausbildungsstätte war die Technische Militärakademie in Wien. Er brach aber die Offizierslaufbahn ab und begann ein Maschinenbau-Studium an der Deutschen Technischen Hochschule Brünn (tschechisch: Brno). Dort lehrte seit 1890 Musils Vater. 1901 absolvierte Musil sein Examen als Ingenieur.
Im selben Jahr begann er seinen zweijährigen Dienst im Infanterieregiment Freiherr von Heß Nr. 49; stationiert in Brünn. Anschließend arbeitete Musil von 1902 bis 1903 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TH Stuttgart. Ab 1903 studierte Musil Philosophie und Psychologie in Berlin und schloss in dieser Zeit Freundschaft mit Alfred Kerr und Franz Blei.
1906 entwickelte er den Musilschen Farbkreisel. Der Philosoph Carl Stumpf promovierte Robert Musil, der am 31. Januar 1908 seine Dissertation zum Thema Beitrag zur Beurteilung der Lehren Machs eingereicht hatte. Die Arbeit erhielt von Stumpf die Note laudabile. Im Rigorosum, das am 27. Februar 1908 stattfand, war ein Korreferent der Philosoph Alois Riehl – er schloss sich der Benotung an.[1] Die Möglichkeit einer Habilitation, die Musil danach angeboten wurde, lehnte er zugunsten einer freiberuflichen Schriftstellerexistenz ab.
1910 zog er nach Wien und wurde Bibliothekar an der TU Wien. Am 15. April 1911 heiratete Musil Martha Marcovaldi, geborene Heimann. Bis zum Kriegsanfang war er als Mitarbeiter bei mehreren Zeitungen tätig. 1914 druckte die Neue Rundschau Musils kriegsbegeisterten Essay „Europäertum, Krieg, Deutschtum“ ab.
Am Ersten Weltkrieg nahm er als Reserveoffizier teil und beendete ihn im Rang eines Landsturmhauptmanns mit mehreren Auszeichnungen. Er war in Südtirol und zuletzt an der italienisch-serbischen Front stationiert. Am 22. September 1915 wurde er nahe Trient knapp von einem Fliegerpfeil verfehlt, den ein italienisches Flugzeug abgeworfen hatte. Er beschrieb diese existentielle Erfahrung in der Hauptszene seiner berühmten Erzählung Die Amsel. 1916 und 1917 war Musil Herausgeber der Soldaten-Zeitung.
Am 22. Oktober 1917 wurde Musils Vater mit dem erblichen Adelstitel Edler von Musil ausgezeichnet.

1918–1938
Ab 1918 etablierte sich Musil als freier Schriftsteller. Im Frühjahr 1920 lernte Musil in Berlin seinen späteren Verleger Ernst Rowohlt kennen. Ab 1921 war Musil auch Theaterkritiker.
Sein 1921 vollendetes großes Schauspiel Die Schwärmer, das ihm 1923 den Kleist-Preis einbrachte, von Kritikern aber als Lesedrama bezeichnet wurde, kam erst 1929 in einer vom Regisseur drastisch zusammengestrichenen Fassung an einer Berliner Vorstadtbühne zur Uraufführung.[2] Musil hatte vergeblich versucht, sie zu verhindern, und deshalb auch nicht der Bitte entsprochen, eine von ihm selbst gekürzte Bühnenfassung zur Verfügung zu stellen.[3] Sein zweites Stück, die Komödie Vinzenz und die Freundin bekannter Männer war bei weitem erfolgreicher.[4]
Von 1923 bis 1928 war Musil 2. Vorsitzender des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller in Österreich (neben dem 1. Vorsitzenden Hugo von Hofmannsthal).[5] Nach dem Kleist-Preis 1923 wurde ihm 1924 der Kunstpreis der Stadt Wien und 1929 der Gerhart-Hauptmann-Preis verliehen. Ab 1931 lebte Musil wieder in Berlin. Dort gründete in dieser Zeit Curt Glaser mit Gleichgesinnten eine Musil-Gesellschaft zur finanziellen Unterstützung des Autors. 1933 wieder Umzug nach Wien. 1934 wurde die Berliner Musil-Gesellschaft aufgelöst, aber in Wien neu gegründet. In Wien wohnte er in der Rasumofskygasse 20 im dritten Bezirk, wo heute ein „Robert-Musil-Gedenkraum“ zu besichtigen ist.
Mit 56 Jahren erlitt Musil 1936 einen Schlaganfall, von dem er sich nie mehr völlig erholte.
1938–1942
Mit dem Anschluss Österreichs 1938 und dem Übergreifen der nationalsozialistischen Diktatur emigrierte er mit seiner Frau in die Schweiz nach Zürich. Nachdem bereits 1933 Musils Werke nach der Machtergreifung Hitlers im Deutschen Reich verboten worden waren,[6] wurden seine Bücher 1938 auch in Österreich verboten. Aus finanziellen Gründen zog das Ehepaar Musil dann nach Genf, in die Nähe von Granges-Canal. Sie lebten dort in äußerst desolaten Verhältnissen. Finanzielle Unterstützung erfuhren sie durch den Genfer Pfarrer Robert Lejeune[7] sowie das schweizerische Hilfswerk für deutsche Gelehrte.[8]
Am 15. April 1942 starb Robert Musil an einem Gehirnschlag, am Chemin des Clochettes 1 in Genf. Seine Asche wurde in einem Wald bei Genf verstreut.
Im Jahr 1956 wurde in Wien Ottakring (16. Bezirk) der Musilplatz nach ihm benannt.
Wirkung und Rezeption
Bekannt ist er vor allem als Autor des unvollendeten Romans Der Mann ohne Eigenschaften. Der Roman wurde nach seinem Erscheinen Anfang der 1930er Jahre zunächst wenig beachtet. In den 1950er Jahren besorgte Adolf Frisé eine Neuedition dieses Romanfragments und trug so maßgeblich zu dessen Wiederentdeckung bei. Im engeren Rahmen der deutschsprachigen Literatur seiner Zeit stellt man Musil nicht selten in eine Reihe mit Hermann Broch, Franz Kafka, Thomas Mann, Elias Canetti und anderen, deren Schreibenergie sich oft ähnlich der Musilschen aus Zusammenbruchserfahrungen nährte, die so persönlich wie epochal waren. In der zeitgenössischen österreichischen Literatur bezeugen unter anderem Gerhard Amanshauser, Rudolf Bayr, Thomas Bernhard, Alois Brandstetter, Andreas Okopenko, Michael Scharang, Franz Schuh und Julian Schutting auf verschiedene Weise das Fortwirken seines Werkes und nehmen in ästhetisch-politischer Hinsicht Standpunkte Musils ein.
Internationale Robert-Musil-Gesellschaft (IRMG)
1970 gründete Marie-Louise Roth an der Universität des Saarlandes die ständige Arbeitsstelle für Robert-Musil-Forschung, die heutige „Arbeitsstelle für Österreichische Kultur und Literatur / Robert-Musil-Forschung (AfÖLK)“. 1974 gründete sie in Wien die „Internationale Robert-Musil-Gesellschaft (IRMG)“ mit Schirmherr Dr. Bruno Kreisky, damaliger österreichischer Bundeskanzler. Roth war Präsidentin der IRMG von 1974 bis 2001, ab 2001 deren Ehrenpräsidentin. Seit 2009 befindet sich der Sitz der Gesellschaft am Robert-Musil-Institut der Universität Klagenfurt. Präsident ist Klaus Amann, Geschäftsführer Walter Fanta.
Werke
- Die Verwirrungen des Zöglings Törleß (1906); auch als Hörbuch (ISBN 978-3-89940-194-3)
- Beitrag zur Beurteilung der Lehren Machs (Inaugural-Dissertation, 1908). Erschienen zusammen mit „Studien zur Technik und Psychotechnik“ (Die Kraftmaschinen des Kleingewerbes, 1904, Die Beheizung der Wohnräume, 1904/05, Psychotechnik und ihre Anwendung im Bundesheere, 1922) als ISBN 3-498-04271-8, Rowohlt 1980
- Vereinigungen. Zwei Erzählungen. (1911) Aufgelegt auch als Hörbuch in Volltextlesung onomato Verlag Düsseldorf ISBN 978-3-933691-95-8
- Die Schwärmer (1921)
- Drei Frauen (1924) (dreiteiliger Novellenzyklus aus Grigia (1921), Die Portugiesin (1923) und Tonka (1922) )
- Der Mann ohne Eigenschaften (1931/32 erschienen die beiden ersten Teile, der dritte Teil blieb unvollendet, er wurde und wird noch in verschiedenen Ausgaben aus dem Nachlass konstruiert); auch als Hörbuch (ISBN 978-3-89940-416-6)
- Nachlaß zu Lebzeiten (1936, darunter die Erzählung Die Amsel)
- weitere kürzere Prosatexte
- Tagebücher, Briefe, Essays
- Über die Dummheit. Robert Musils legendärer Vortrag von 1937 als Einzelausgabe. Alexander Verlag Berlin 1999.
- Gesammelte Werke. 2 Bände. Hg. v. Adolf Frisé. Reinbek, Rowohlt 1978 [ISBN 3-498-04256-4]
- Der literarische Nachlaß. CD-ROM-Edition. Hg. von Friedbert Aspetsberger, Karl Eibl und Adolf Frisé. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1992. (DOS-basierte Bedienungsoberfläche.)
- Robert Musil: Klagenfurter Ausgabe. Kommentierte digitale Edition sämtlicher Werke, Briefe und nachgelassener Schriften. Mit Transkriptionen und Faksimiles aller Handschriften. Herausgegeben von Walter Fanta, Klaus Amann und Karl Corino. Klagenfurt: Robert Musil-Institut der Universität Klagenfurt. DVD-Version 2009.
Literatur
- Wilhelm Bausinger: Studien zu einer historisch-kritischen Ausgabe von Robert Musils Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“. Philos. Diss. d. Univ. Tübingen. 3 Bde. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1964.
- Helmut Arntzen: Musil-Kommentar sämtlicher zu Lebzeiten erschienener Schriften außer dem Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“. Winkler, München, 1980, ISBN 3-538-07032-6.
- Helmut Arntzen: Musil-Kommentar zu dem Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“. Winkler, München 1982, ISBN 3-538-07036-9.
- Helmut Arntzen: Satirischer Stil. Zur Satire Robert Musils im „Mann ohne Eigenschaften“. Bouvier, Bonn, 1960, 3. Aufl. 1983, ISBN 3-416-01746-3.
- Hartmut Cellbrot: Die Bewegung des Sinnes. Zur Phänomenologie Robert Musils im Hinblick auf Edmund Husserl. Wilhelm Fink, München 1988, ISBN 3770525485.
- Karl Corino: Robert Musil. Eine Biographie. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2003, ISBN 3-498-00891-9.
- Karl Corino: Robert Musil. Leben und Werk in Bildern und Texten. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1988, ISBN 3-498-00877-3.
- Ernst Kaiser, Eithne Wilkins: Robert Musil. Eine Einführung in das Werk. Kohlhammer, Stuttgart, 1962.
- Wilfried Berghahn: Robert Musil. Bildmonographie, Rowohlt, Reinbek, 1988, ISBN 3-499-50081-7
- Hartmut Cellbrot: Die Bewegung des Sinnes. Zur Phänomenologie Robert Musils im Hinblick auf Edmund Husserl, München 1988.
- Eckhard Heftrich: Musil. Eine Einführung. Artemis Verlag, München, 1986.
- Marie-Louise Roth: Robert Musil. Ethik und Ästhetik. Paul-List-Verlag, München, 1972.
- Matthias Luserke: Robert Musil. Metzler, Stuttgart u. Weimar, 1995, SM 298, ISBN 3-476-10289-0, ISSN 0558-3667.
- Richard David Precht: Die Gleitende Logik der Seele. Ästhetische Selbstreflexivität in Robert Musils Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“, Metzler, Stuttgart u. Weimar 1996
- Sibylle Deutsch: Der Philosoph als Dichter. Robert Musils Theorie des Erzählens, St. Ingbert (Beiträge zur Robert-Musil-Forschung und zur neueren österreichischen Literatur; Bd. 5)
- Götz Müller: Ideologiekritik und Metasprache in Robert Musils Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“. München-Salzburg: Fink 1972 (Musil-Studien, 2)
- Claus Erhart: Der ästhetische Mensch bei Robert Musil. Vom Ästhetizismus zur schöpferischen Moral.. Germanistische Reihe der Universität Innsbruck, 1991, ISBN 3-901064-02-8
- Villő Huszai: Metafiktionalität im Werk Robert Musils, gewonnen am Kriminalfall «Tonka». München: Fink 2002 (Musil-Studien; 31)
- Villő Huszai: Digitalisierung und Utopie des Ganzen. Überlegungen zur digitalen Gesamtedition von Robert Musils Werk. In: Michael Stolz, Lucas Marco Gisi u. Jan Loop (Hg.): Literatur und Literaturwissenschaft auf dem Weg zu den neuen Medien. Bern: germanistik.ch, 2005
- Reiner Scheel: Literarische Justizkritik bei Feuchtwanger, Musil, Wassermann und A. Zweig. Essen: Klartext 2008, ISBN 978-3-89861-919-6
- N. Pavlova: Die Lehren Musils (Uroki Muzilja, russ.) in „Voprosy literatury“, Nr. 5, 9–10, 2000, S. 181–207
er hatte fette warzen in der fresse
Weblinks
- Literatur von und über Robert Musil im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von Robert Musil im Project Gutenberg
- Internationale Robert-Musil-Gesellschaft (IRMG)
- Kurzbiographie und Titelliste beim Rowohlt-Verlag
- Robert Musil-Institut für Literaturforschung, Klagenfurt
- Robert-Musil-Literatur-Museum, Klagenfurt
- ub.fu-berlin.de Linksammlung der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin
- Karl Corinos Rekonstruktion eines Schriftstellerlebens (Rezension)
- Der Mann ohne Eigenschaften, BR-online
Einzelnachweise
- ↑ Karl Corino: Robert Musil. Reinbek 1989, S. 142f.
- ↑ Kritik von Alfred Kerr im Berliner Tageblatt, 4. April 1929, [1]
- ↑ Murray Hall, Der Schwärmerskandal 1929 [2]
- ↑ Große Österreicher, Ueberreuter, Hrsg. und Autor Thomas Chorherr
- ↑ Murray Hall, Robert Musil und der Schutzverband ... [3]
- ↑ Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 426.
- ↑ Robert Lejeune gestorben. In: Arbeiter-Zeitung, 13. Jänner 1971, S. 6, Mitte rechts.
- ↑ Wilhelm Genazino: Eine Gabe, die fehlgeht. Über literarische Erfolglosigkeit. In: Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung: Jahrbuch. Band 2002. Wallstein, Göttingen 2003, ISBN 3-89244-662-8, S. 138, online, abgerufen am 27. November 2010. — ISBN-Abfragen ohne Erfolg, daher: Permalink Deutsche Nationalbibliothek, Permalink Österreichischer Bibliothekenverbund.
Personendaten | |
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NAME | Musil, Robert |
ALTERNATIVNAMEN | Musil, Robert Edler von (Name vor der Adelsaufhebung) |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Schriftsteller und Theaterkritiker |
GEBURTSDATUM | 6. November 1880 |
GEBURTSORT | Klagenfurt, Kärnten, Österreich |
STERBEDATUM | 15. April 1942 |
STERBEORT | Genf, Schweiz |