Kaiser
Dieser Artikel befasst sich mit dem monarchischen Begriff "Kaiser". Weiteres siehe: Kaiser (Begriffsklärung).
Der deutsche Begriff Kaiser und das russische Wort Zar, beide abgeleitet vom lateinischen Namen Caesar, war in Europa der höchste Titel von Monarchen. Er wurde analog auch auf die Herrscher Persiens, Äthiopiens, Chinas, Japans, Koreas und Annams (Vietnams) angewandt.
Entwicklung des Titels Kaiser
Der Wandel des Eigennamens Caesar zum Herrschertitel erfolgte in einem fast 100 Jahre dauernden Prozess vom Tod Gaius Julius Caesars 44 v. Chr. bis zum Amtsantritt des Kaisers Claudius im Jahr 41. Auch danach war der Begriff im Römischen Reich und seinen Nachfolgestaaten noch manchen Wandlungen unterworfen.
Nach dem Ende der Antike übernahmen die meisten germanischen Sprachen die griechische Form von Caesar, Kaisaros, als Bezeichnung für die höchste Herrschergewalt. Im Englischen und in den romanischen Sprachen bezeichnet dagegen ein von Imperator abgeleitetes Wort - z.B. Emperor oder Empereur - den Kaiser. Auch das albanische Wort Mbret für König geht auf Imperator zurück.
Entstehung von Amt und Titel in Rom
Nachdem Gaius Julius Caesar in den Jahren 49-45 v. Chr. im Bürgerkrieg die Alleinherrschaft über Rom errungen hatte , wagte er es nicht, sich den bei den Römern verpönten Königstitel zuzulegen. Da die Römische Republik aber für Notzeiten das außerordentliche Amt des Diktators kannte, ließ sich Caesar vom Senat zum Dictator perpetuus (Diktator auf Lebenszeit) wählen. Zudem trug er den Titel Imperator, der sich von dem Begriff Imperium herleitete und ursprünglich die militärische Befehlsgewalt über eine Legion bezeichnete. Zur Zeit der Republik konnte jeder Befehlshaber einer Legion ein von seinen Truppen zum Imperator ausgerufen werden. Später blieb der Titel allein den Caesaren vorbehalten. Er bezeichnete die tatsächliche Quelle ihrer Macht, die Militärgewalt.
Als erster Kaiser der Geschichte gilt aber nicht Caesar, sondern sein Großneffe Gaius Octavius, der spätere Augustus. Dieser übernahm nach Caesars Ermordung 44 v. Chr. dessen Namen, da der Diktator ihn testamentarisch adoptiert hatte. Er nannte sich fortan Gaius Julius Caesar Octavianus. Nach dem auch er alle Konkurrenten um die Macht ausgeschaltet hatte, verschleierte er seine faktisch königsgleiche Stellung durch den bescheiden klingenden Titel Princeps, was soviel bedeutet wie "Erster Bürger". (Daraus ging das deutsche Wort "Prinz" hervor.) Für die angebliche "Wiederherstellung der Republik" verlieh ihm der Senat 27 v. Chr. den Ehrentitel Augustus, der Erhabene unter dem er in die Geschichte eingegangen ist. Nicht nur seine Beinamen Caesar und Augustus sowie sein Titel Imperator, sondern auch seine Staatsämter, die höchsten in Rom, wurden in seiner Familie erblich, so dass der Prinzipat de facto eine Monarchie darstellte.
Weitere Entwicklung im Römischen Reich
Seit Kaiser Claudius war der Name Caesar endgültig zum Bestandteil der römischen Herrschertitulatur geworden, die vollständig Imperator Caesar Augustus lautete. Seit der Zeit Kaiser Hadrians wurde der Titel Caesar auf den designierten Nachfolger des Herrschers angewandt.
Die Reichsreform unter Kaiser Diokletian sah eine Vierherrschaft (Tetrarchie) von jeweils zwei Augusti und zwei diesen untergeordneten Caesari vor. Nach der endgültigen Reichsteilung unter den Söhnen des Kaisers Theodosius gab es jeweils einen Kaiser in Rom und einen in Konstantinopel.
Erneuerung des Kaisertums im Fränkischen und im Deutschen Reich
Nach dem Untergang des Untergang Weströmischen Reichs und der Absetzung seines letzten Kaisers Romulus Augustulus im Jahr 476 riss die Kaisertradition im Westen zunächst ab. Die Kaiserkrönung des Frankenkönigs Karls des Großen am Weihnachtstag des Jahres 800 in Rom wurde von seinen Zeitgenossen aber als Wiederherstellung des Römischen Reichs (Renovatio Imperii) betrachtet. Ebenso sah der deutsche König Otto der Große seine Kaiserkrönung im Jahr 962 in der Tradition des Karolingerreichs.
Aus dem gleichen Grund betrachteten sich alle deutschen Herrscher bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahr 1806 als Nachfolger der römischen Caesaren und als Oberhäupter der Christenheit. Nach ihrer Wahl zum deutschen König trugen sie den Titel "Römischer König". Zum "Römischen Kaiser" machte sie erst die Krönung durch den Papst in Rom. Seit Maximilian I. verzichteten - bis auf Karl V. - alle Kaiser auf den Romzug und nannten sich gleich nach der Wahl zum deutschen König in Frankfurt am Main "Erwählter Römischer Kaiser".
Auch der Titel "Augustus" blieb den Herrschern des Heiligen Römischen Reichs erhalten. Allerdings glaubte man im Mittelalter, das Wort leite sich vom lateinischen augere (vermehren, vergrößern) ab und wurde in seiner deutschen Fassung zumeist mit "Mehrer des Reichs" übersetzt.
Konflikt zwischen Kaisertum und Papsttum
Zu den höchsten Staatsämtern im antiken Rom hatte auch das des Oberpriesters, des Pontifex Maximus gehört, das schon Caesar innegehabt hatte. Es verlieh den Caesaren neben ihrer säkularen auch eine sakrale Würde. Nach der Christianisierung unter Konstantin dem Großen, übertrugen die Kaiser diesen eigentlich heidnischen Titel auf den Papst als Bischof von Rom. Gleichwohl leiteten später sowohl die byzantinischen als auch die Kaiser des Heiligen Römischen Reichs aus dieser sakralen Würde eine priestergleiche Stellung ab sowie den Anspruch, Oberhaupt der Christenheit zu sein. Dies führte im 11. Jahrhundert zu einem schweren Konflikt zwischen deutschem Kaisertum und römischem Papsttum, dem Investiturstreit.
Der Titel "Deutscher Kaiser"
Einen "Deutschen Kaiser" hat es dem Titel nach im 1806 untergegangenen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation nie gegeben. Erst König Wilhelm I. von Preußen nahm 1871 als Oberhaupt des neu gegründeten Deutschen Reichs diese Titulatur an. Nur der Kaisertitel stellte gegenüber den Königen von Bayern, Sachsen und Württemberg eine Rangerhöhung dar, die diese akzeptieren konnten.
Zwischen Wilhelm I. und seinem Ministerpräsidenten Otto von Bismarck kam es noch unmittelbar vor der Kaiserproklamation in Versailles am 18. Januar 1871 zu einer schweren Auseinandersetzung um den genauen Titel. Da der König sich weniger als Deutscher sondern als Preuße verstand, bevorzugte er den Titel "Kaiser von Deutschland". Dies hätte aber als Anspruch auf nicht zum Reich gehörige, deutschsprachige Gebiete - etwa Österreichs - ausgelegt werden können. Um dieses mögliche Konfliktpotenzial von vorneherein auszuschalten, bestand Bismarck auf die Titulatur "Deutscher Kaiser".
Der Kaisertitel in Byzanz und Russland
Im Oströmischen oder Byzantinischen Reich bestand die Kaisertradition nach dem Ende der Antike nahezu ununterbrochen noch rund 1000 Jahre fort - bis zur Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahr 1453. Mit der seit 812 erweiterten Titulatur Basileus ton Rhomaion, "Herrscher der Römer", machten die Kaiser in Konstantinopel ihren Anspruch deutlich, Rechtsnachfolger der römischen Caesaren zu sein.
So wie sich zunächst die fränkischen und später die deutschen Könige als Nachfolger der Weströmischen Kaiser sahen, so betrachteten sich die Großfürsten von Moskau seit dem Fall von Konstantinopel als rechtmäßige Erben des oströmischen Kaisertums. Sie waren nun die angesehensten Herrscher orthodoxen Glaubens, und Großfürst Ivan III. hatte 1472 Sofia (Zoe), eine Nichte des letzten Kaisers von Byzanz Konstantin XI. Paläologos geheiratet. Im Jahr 1547 nahm Großfürst Ivan IV. der Schreckliche offiziell den Titel Zar von ganz Russland an, den seine Nachfolger bis zum Sturz des letzten Herrschers aus dem Haus Romanow, Nikolaus' II., im Jahr 1917 trugen.
Das französische und das österreichische Kaisertum
Im Jahr 1804 versuchte Napoleon Bonaparte, bis dahin 1. Konsul der Französischen Republik, eine eigene monarchische Tradition zu begründen, indem er sich in der Kirche Notre Dame in Paris im Beisein - aber ohne Mitwirkung - des Papstes Pius VII. mit eigener Hand zum Kaiser der Franzosen krönte. Unter seinem Neffen Louis Bonaparte, der sich Napoléon III. nannte, kam es nach dem Ende des bourbonischen Königtums und der 2. Französischen Republik zu einer Restauration des bonapartistischen Kaisertums. Das 2. Kaiserreich endete mit Frankreichs Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71.
Um zu verhindern, dass Napoleon I. 1804 zu seiner Krönung die Insignien des Heiligen Römischen Reichs benutzte und sich so in dessen altehrwürdige Tradition stellte, hatte Kaiser Franz II. die Reichskleinodien von Nürnberg nach Wien überführen lassen, wo sie - abgesehen von einer Unterbrechung während der Nazi-Zeit, als sie kurzfristig nach Nürnberg zurückkehrten - bis heute in der Schatzkammer der Hofburg aufbewahrt werden. Kaiser Franz II. selbst legte 1806 die Krone des Heiligen Römischen Reiches nieder und erklärte es für aufgelöst. Da er aber protokollarisch nicht hinter Napoleon und dem russischen Zaren zurück stehen wollte, nahm er gleich darauf den Titel eines Kaisers von Österreich an. Dessen letzter Träger, Karl I., dankte 1918 ab.
Kaiser außerhalb Europas
Seit der frühen Neuzeit hat es sich in Europa eingebürgert, auch die Herrscher bedeutender außereuropäischer Reiche als Kaiser zu bezeichnen: so den chinesischen Sohn des Himmels, den japanischen Tenno, den indischen Großmogul, den Schah von Persien und den Negus Negesti (König der Könige von Äthiopien, aber auch die Herrscher von Korea und Annam. Die englischen Könige trugen von 1878 bis 1948 den Titel "Kaiser von Indien".
Daneben gab es einige kurzlebige Kaiserreiche wie etwa in Brasilien, Mexiko und in der Zentralafrikanischen Republik. Das einzige heute noch bestehende Kaiserreich ist Japan.
Liste der Kaiserreiche
Europäische Kaiserreiche
- Rom
- Byzanz
- Deutschland
- Österreich
- Russland
- 1. Französisches Kaiserreich
- 2. Französisches Kaiserreich
Bedeutende außereuropäische Kaiserreiche
Kurzlebige außereuropäische Kaiserreiche
Siehe auch: Herrscher, Liste der Referenztabellen, Monarchie, Regierungsform