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Kernkraftwerk Fessenheim

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Kernkraftwerk Fessenheim
Kernkraftwerk Fessenheim von Nordwesten
Kernkraftwerk Fessenheim von Nordwesten
Lage
Kernkraftwerk Fessenheim (Frankreich)
Kernkraftwerk Fessenheim (Frankreich)
Koordinaten 47° 54′ 13″ N, 7° 33′ 45″ OKoordinaten: 47° 54′ 13″ N, 7° 33′ 45″ O
Land Frankreich
Daten
Eigentümer Electricité de France
Betreiber Electricité de France
Projektbeginn 1970
Kommerzieller Betrieb 1. Jan. 1978

Aktive Reaktoren (Brutto)

2  (1840 MW)
Eingespeiste Energie im Jahr 2006 11.679 GWh
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme 309.847 GWh
Stand 27. Juli 2007
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation.

Das Kernkraftwerk Fessenheim (französisch Centrale Nucléaire de Fessenheim, Kürzel FSH) ist ein französisches Kernkraftwerk, Besitzerin und Betreiberin ist die Électricité de France.

Es befindet sich in der Gemeinde Fessenheim (Haut-Rhin/ Oberelsass) an der Ostgrenze Frankreichs zu Deutschland am Rheinseitenkanal (Grand Canal d'Alsace), etwa 25 Kilometer südwestlich von Freiburg im Breisgau.[1]

Betrieb

Hier sind zwei Druckwasserreaktoren mit je 880 Megawatt Nettoleistung seit 1978 in Betrieb. Damit ist Fessenheim das älteste noch in Betrieb befindliche Kernkraftwerk Frankreichs. Es hat seit Anfang 1977 über 310 Milliarden kWh Strom erzeugt (Stand 2007).

Im KKW arbeiten etwa 660 Angestellte. Weitere 2000 Arbeitsplätze hängen am Betrieb des Kernkraftwerks, die Gewerbesteuer der Gemeinde Fessenheim stammt zu 70 % aus dem Kraftwerk.

Die Betriebsdauer war bei Baubeginn mit 30 Jahren angesetzt. Die Laufzeit kann jedoch verlängert werden, wenn die alle zehn Jahre stattfindende Sicherheitsauswertung (10-Jahres-Revision) positiv ausfällt. die aktuelle (2011) Zehnjahresrevision soll bis 2012 abgeschlossen sein; die Entscheidung für Block I wird für Ende März/ April 2011 erwartet.[2]

Das KKW F.heim belastet während seines Betriebes den Rhein mit einer Wärmelast von jährlich 3.622 MW (Megawatt) und ist damit nach dem Kernkraftwerk Philippsburg die zweitgrößte Wärmebelastung für den Rhein.[3]

Daten der Reaktorblöcke

Das Kernkraftwerk Fessenheim hat insgesamt zwei Blöcke:

Reaktorblock[4] Reaktortyp Netto-
leistung
Brutto-
leistung
Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Fessenheim I Druckwasserreaktor 880 MW 920 MW 01.09.1971 06.04.1977 01.01.1978
Fessenheim II Druckwasserreaktor 880 MW 920 MW 01.02.1972 07.10.1977 01.04.1978

Risiken

Abklingbecken

Dies ist nicht speziell abgesichert.

Containment

Das Containment ist gemäß einem Vergleich der NEA-OECD vom freien Volumen her das kleinste aller französischen Kernkraftwerke. Das bedeutet bei einem schnellen Druckaufbau eine höhere Wahrscheinlichkeit für ein frühes Versagen mit der Freisetzung von radioaktiven Stoffen.

Erdbeben

Nach einem Bericht der französischen Atomaufsichtsbehörde (Autorité de sûreté nucléaire, ASN) aus dem Jahr 2000 sind im Falle eines schweren Erdbebens einige Schutzfunktionen zur Sicherstellung der Reaktorkühlung nicht sicher gewährleistet. Dabei ist der gesamte Oberrheingraben ein seismisch aktives Gebiet, die Reaktoren liegen am Rande der nach DIN 4149 stärksten Erdbebengefährdungszone 3.[5] Nach Angaben des Betreibers ist das Kraftwerk auf ein Beben etwa der Stärke 6,5 (Richterskala) ausgelegt.
In der Region Basel (CH) kam es wiederholt zu starken Erdbeben, darunter das Basler Erdbeben 1356, welches als das bisher stärkste historisch belegte Beben in Mitteleuropa gilt (anhand der Aufzeichnungen geschätzte maximale Stärke zwischen 9 und 10 auf der MSK-Skala, etwa 6,5 auf der Richterskala). Die Schweiz verlangt für ihre KKW die Auslegung der Erdbebensicherheit auf mindestens ein Beben der Stärke 7.
Der Untergrund des Kraftwerkes besteht aus dem Geschiebegeröll des Oberrheingrabens.

Flugzeugabstürze

Die Sicherheit gegen einen Flugzeugabsturz entspricht französischem Durchschnitt, wobei sich unmittelbar in der Nachbarschaft des Kraftwerkes der EuroAirport befindet. Die Lage in der Nähe eines Verkehrsflughafens führte im März 2011 zur Stilllegung des deutschen Kernkraftwerkes Isar 1 in Bayern bei München.

Grundwasser

Das Kraftwerk liegt mitten auf dem Oberrhein-Aquifer, dem größten Grundwasserleiter Europas, der als Trinkwasserreservoir für Millionen Menschen dient, hat jedoch keinen so genannten Core-Catcher, eine Auffangwanne für eine eventuell eintretende Kernschmelze.
Gleichzeitig weist es den dünnsten Betonboden aller französischen KKW auf.

Notkühlung

Ein Reservoir für eine Notkühlung mit Wasser befindet sich westlich des Vogesen-Hauptkammes in einem Speichersee; die Verbindung erfolgt über einen unterirdischen Stollen (siehe Risiken/ Erdbeben)

Überschwemmungen

Das Kraftwerk ist nicht gegen eine Überflutung aus dem anliegenden Kanal, dessen Wasser auch zur Kühlung dient, geschützt. Auch die Befestigung des Kanals unterliegt natürlich den vorhandenen seismologioschen Risiken.

Störfälle

Im Januar 2004 gelangten in einem der Blöcke Ionenaustauscher-Harze ungewollt in den Reaktorkreislauf. Sie verstopften u. a. den Sperrwasser-Filter einer Antriebspumpe des Kreislaufs, was zu einem kleineren Leck führte. Der Reaktor wurde sofort von Hand abgeschaltet und heruntergekühlt. Die nähere Analyse des Störfalls ergab als gravierendsten Aspekt, dass fast die Hälfte aller Abschaltstäbe die untere Abschaltstellung wegen der Harze nicht vollständig erreichten; ferner musste man für den Fall, dass der Reaktor noch eine gewisse Zeit weiterbetrieben worden wäre, mit dem Ausfall sämtlicher Notkühlpumpen rechnen (INES 1).[6]

Am 27. Dezember 2009 wurde der zweite Reaktor des Kernkraftwerks wegen Problemen im Kühlkreislauf vorerst abgeschaltet. Der Stromkonzern EDF teilte mit, es sei noch unklar, wann der Reaktor wieder hochgefahren werde. Die französische Atomaufsichtsbehörde stufte den Zwischenfall in der Anlage auf Stufe eins der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse ein. Der für Wartungsarbeiten am 26. Dezember vom Netz genommene Reaktor hätte eigentlich am 27. Dezember gegen 6 Uhr wieder den Betrieb aufnehmen sollen. Laut EDF waren beim Neustart einer Wasserpumpe Pflanzenreste in den Kühlkreislauf geraten, als der Reaktor hochgefahren werden sollte. Dadurch wurde die Leistungsfähigkeit des Systems beeinflusst.[7]

Am 24. August 2010 wurden 50 Kubikmeter radioaktiver Gase "freigesetzt", wie die staatliche ASN (Autorité de Sûreté Nucléaire) auf ihrer Homepage meldete: Die Zerfallsaktivität der radioaktiven Abgase aus dem Reservoir wurde vor dem Entweichen nicht gemessen (30. August 2010).

Bestrebungen um die Verhinderung bzw. Schließung des Kraftwerks

Das Kraftwerk wurde Anfang der 1970er-Jahre geplant. In dieser Zeit war am Oberrhein eine grenzüberschreitende Umweltbewegung sehr aktiv; sie protestierte auch gegen das geplante Kernkraftwerk Wyhl in Deutschland und eine direkt auf der anderen Rheinseite bei Marckolsheim (F) vorgesehene Bleichemie-Fabrik (beide Vorhaben wurden fallengelassen); außerdem gegen das Schweizer Kernkraftwerk Kaiseraugst (welches erfolgreich verhindert wurde).
Im Zuge des Widerstandes gegen das geplante KKW Fessenheim entstand dabei auch das zunächst illegal sendende Radio Verte Fessenheim. Es wurde später zum Radio Dreyeckland (RDL) und sendet bis heute als "Freies Radio" aus Freiburg.

Zum Anlass der 30 Jahre des Kernkraftwerks Fessenheim verlangten Kernkraftgegner die sofortige Schließung des Kraftwerks. Die EdF-Betriebsleitung und deren Vertretung, die Behörde für nukleare Sicherheit (ASN) und die DRIRE, der regionale Vertreter des Industrieministeriums, entgegneten, dass es „in aller Sicherheit funktioniert“ und sein derzeitiger Zustand „global zufriedenstellend“ ist.

TRAS

Im Juni 2005 gründeten Organisationen und Gemeinden aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz den 'Trinationalen Atomschutzverband' (TRAS) (franz. L'Association trinationale de protection de la population des alentours de Fessenheim (ATPN)) der Bevölkerung um das Kernkraftwerk Fessenheim.[8]

Der Verband hat sich zum Ziel gesetzt, eine Stilllegung der Reaktoren auf dem Rechtsweg einzuklagen. Der von TRAS beauftragten Pariser Anwältin Corinne Lepage (ehemalige französische Umweltministerin) gelang es, die Offenlegung sicherheitsrelevanter Dokumente zu erzwingen, welche die Betreiberfirma EDF jahrelang unter Verschluss gehalten hatte. Der Verband zählt rund 230 Mitglieder (Stand Januar 2011) aus dem Dreiländereck, darunter 69 Städte oder Gemeinden (darunter die Städte Freiburg und Basel), 40 Organisationen und 11 Kirchliche Einrichtungen.[9]

Im September 2009 wies die Landtagsabgeordnete Marianne Wonnay (SPD) durch eine 'Kleine Anfrage' an die Landesregierung bzw. das Innenministerium BW [10] darauf hin,

Im März 2011 veröffentlichte das Verwaltungsgericht Straßburg das Urteil in dem vom TRAS angestrengten Prozess. Es weist die Klage des TRAS und dessen Forderung nach Stilllegung des Atomkraftwerks zurück: Der TRAS schrieb daraufhin: "Trotzdem gibt das Gericht TRAS in einem wesentlichen Punkt Recht. Beim AKW Fessenheim fehlen die rechtmässigen Bewilligungen für die Wasseremissionen. Der Betrieb ist demnach illegal. TRAS prüft weitere Schritte."[11]
Die Berufungsinstanz ist das Verwaltungsgericht in Nancy; die darauf folgende Instanz ist der französische Conseil d’État (etwa: Staatsrat).[12]

Siehe auch

Quellen

- Erreur de conception affectant la résistance au séisme de réservoirs d'eau de la centrale nucléaire de Fessenheim - Autorité de sûreté nucléaire (französisch) (archivierte Version des Internet Archive vom 29. September 2007)

Einzelnachweise

  1. badische-zeitung.de, 14. März 2011, Nachrichten , Südwest, Ines Fuchs: Notfallpläne (19. März 2011)
  2. badische-zeitung.de, Lokales, Basel, 23. März 2011, sda: Stadt und Land für Stilllegung von Fessenheim (23. März 2011)
  3. bund-nrw.de, Jörg Lange, studie Wärmelast Rhein, Mai 2009, Karte S. 26, Abb. 4.1, Wärmefrachten (Maximalwerte) aus Kühlwassereinleitungen im Rhein (Stand 2004) (23. März 2011)
  4. Power Reactor Information System der IAEA: „France (French Republic): Nuclear Power Reactors“ (englisch)
  5. lgrb.uni-freiburg.de, Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) im Regierungspräsidium Freiburg, Fachbereich Erdbebendienst, 2005: Karte der Erdbebenzonen Baden-Württemberg (19. März 2011)
  6. Jahresbericht 2004 der Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen in der Schweiz (HSK)
  7. sda / Sonntag, 27. Dezember 2009
  8. www.atomschutzverband.ch
  9. Homepage
  10. [1]
  11. "Medienmitteilung vom 3. März 2011"
  12. http://www.badische-zeitung.de