Senior
Begriff: Geschichte und Bedeutung
Der Begriff Senior, von lat. senior = älter, hatte ursprünglich eine fachspezifische Bedeutung, meinte den „Älteren“ in einem Familienverband (als Gegensatz zum Junior), den „Ältesten“ einer kirchlichen Gemeinschaft oder die sog. „Alten Herren“ der studentischen Korporationen. Ältere deutschsprachige Wörterbücher definieren den Begriff ausschließlich in dieser spezifischen Bedeutung[1]. Erst in den 1970er Jahren erlebt der Begriff eine semantische Verschiebung[2][3] und wird zur generellen Bezeichnung der Angehörigen des „hohen“ Lebensalters. Dabei scheint bei diesem Bedeutungswandel im deutschen Sprachraum die BRD vorangegangen zu sein, wohingegen der den Sprachgebrauch der DDR repräsentierende Leipziger Duden von 1967 noch die traditionelle Definition verzeichnet[4]). Der Bedeutungswandel, nach den Kategorien der Semantik eine sogenannte „Bedeutungserweiterung“, hat eindeutig einen euphemistischen Hintergrund. „Senior“, meist in der Pluralform „Senioren“ gebraucht, soll den weitgehend negativ besetzten Begriff der „Alten“ − umgangssprachlich früher meist „alte Leute“ genannt - ersetzen und aufwerten. Der Begriff entspricht damit dem offiziellen, stark durch Konsumorientierung und Marketing geprägten Selbstverständnis alter Menschen in der modernen Freizeitgesellschaft. Terminologische Umbenennungen („Seniorenheim“ oder „Seniorenresidenz“ statt „Altersheim“) oder sprachliche Neologismen („Seniorenreisen“, „Seniorenteller“) gehen in die gleiche Richtung. Da sich jedoch semantische Veränderungen in der Regel nur zögernd durchsetzen, ist der Begriff der „Senioren“ in seiner aktuellen Bedeutung zwar selbstverständlicher Teil offizieller Sprechweisen (in Politik und Wirtschaft) geworden, jedoch in der Umgangssprache keineswegs nur positiv bewertet.
Erscheinungsbild
Senioren
- sind kaum den zeitlichen Beschränkungen des Erwerbslebens unterworfen,
- treffen unabhängigere Kaufentscheidungen und haben ein differenzierteres Kaufverhalten als der jüngere Teil der Bevölkerung,
- haben ein anderes Lernverhalten als die Jüngeren,
- leiden häufiger unter Krankheiten, insbesondere Alterskrankheiten und der Anfälligkeit für Alterssyndrome (siehe dazu Geriatrie).
Einstufungskriterien
Fremdeinschätzung

Es gibt verschiedene Vorstellungen darüber, ab wann eine Gruppe von Menschen zu den Senioren gehört. Am häufigsten werden in Deutschland 50, 55 oder 60 Jahre als Altersgrenze genannt. Aber auch das reale Renteneintrittsalter eines Menschen wird gelegentlich als Altersgrenze angegeben, jenseits derer dieser Mensch als Senior gilt.
Typisch für die Mehrheit der Senioren im engeren Wortsinn ist der in Kürze bevorstehende oder bereits vollzogene teils gleitende, teils abrupte Rückzug aus dem Erwerbsleben. Senioren beziehen typischerweise regelmäßige Zahlungen aus einer Altersversorgung wie Renten oder Pensionen, die sie nicht mit eigenen Kindern teilen müssen. Sofern Senioren eigene Kinder haben, sind diese in der Regel erwachsen und können für sich selbst sorgen. Bei Anwendung der Definition „50+“ ist allerdings die Gruppe der älteren Arbeitnehmer verstärkt noch einbezogen.
Das Kriterium „Rückzug aus der Erwerbstätigkeit“ ist allerdings nicht auf älter werdende „Nur-Hausfrauen“ und erwerbstätige Menschen im Rentenalter anwendbar. Zum „Senioren“-Status bei Frauen gehört die Unfähigkeit, eigene Kinder zu gebären, was aber nicht bedeutet, dass eine altersbedingt bereits unfruchtbare 40-Jährige bereits „Seniorin“ wäre.
Selbsteinschätzung
In einer in der Schweiz durchgeführten Umfrage hat sich eine Mehrheit der Rentner nicht als der Gruppe der älteren Menschen zugehörig eingestuft. {{Viele Aktivitäten, die früher nur jüngeren Erwachsenen zugetraut wurden, werden heute von älteren Menschen ausgeübt. Mobilität und Reiselust älterer Menschen haben stark zugenommen, und sportliche Aktivitäten gehören zum «erfolgreichen Alter» − mehr ältere Menschen getrauen sich heute, Leistungssport zu betreiben. Sich im Alter modisch zu kleiden, war früher verpönt, heute gehört es zur Norm|nach NZZ[5]}}
Die zögernde Bereitschaft, sich selbst als „Senior“ wahrzunehmen, führt oft zu Problemen bei der Vermarktung von Dienstleistungen und Produkten für „ältere Menschen“.
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Senioren
Senioren mit einem regelmäßigen, arbeitsmarktunabhängigen Einkommen stellen eine wichtige Zielgruppe für das Marketing dar [6]. Diese Zielgruppe gilt allerdings insofern als schwer beeinflussbar. Zumeist werden heute die Käufer im Alter von 14 bis 49 Jahren als „werberelevante Jahrgänge“ definiert.[7] Relativ viel Geld können insbesondere die so genannten WOOFs (well off older folk), die besserverdienenden älteren Verbraucher ausgeben. Aber Senioren sind gleichfalls von Altersarmut infolge Langzeitarbeitslosigkeit betroffen.
Aufgrund der demografischen Entwicklung (die Lebenserwartung in Ländern wie Deutschland und der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung dort nehmen stetig zu) ist in der Zukunft zudem damit zu rechnen, dass ältere Menschen später als heute aus dem Erwerbsleben ausscheiden und Unternehmen vermehrt auf den Rat von ehemaligen Mitarbeitern angewiesen sein werden, die sich eigentlich in Rente befinden. Andererseits stellen Senioren, volkswirtschaftlich betrachtet, auch eine Problemgruppe dar, da sie in großem Umfang Kapital verbrauchen und im Gegenzug kaum neues Kapital bilden und da sie die Systeme der sozialen Sicherung in den letzten Jahren ihres Lebens stark belasten.
Internetnutzung
Laut einer ARD/ZDF-Onlinestudie 2007 waren im vergangenen Jahr erstmals mehr Menschen über 60 Jahre im Internet unterwegs (5,1 Millionen) als Jugendliche unter 20 (4,9 Millionen).[8] Fast jeder dritte Baden-Württemberger über 65 hat laut einer Studie des Statistischen Landesamts schon einmal das Internet genutzt. Und elf Prozent der über 65 Jahre alten User nutzen fast täglich das Internet.[9]
Seniorenpolitik
Die Politik beschäftigt sich regelmäßig mit den Senioren als Querschnittsaufgabe. Bisher geschah dies meist im Zusammenhang mit der Höhe der Rentenbezüge, den Beiträgen zu den Sozialversicherungen und der Absicherung der medizinischen und pflegerischen Versorgung bei Altersleiden. In jeder Legislaturperiode wird darüber hinaus ein Altenbericht der deutschen Bundesregierung vorgelegt, der Schwerpunktthemen behandelt, zuständig hierfür ist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Wohnen im Alter
Senioren müssen sich irgendwann entscheiden, ob sie weiterhin in ihrem Zuhause wohnen möchten oder sich einen Umzug vorstellen können. Wichtig ist, dass das gewählte Wohnkonzept auch dann noch funktioniert, wenn Hilfe und Pflege nötig werden sollten. Entscheiden sich Senioren gegen einen Umzug, muss das Zuhause altersgerecht angepasst werden, etwa der zu hohe Rand der Badewanne oder Stolperfallen wie lose Teppiche verschwinden. Hilfe im Haushalt bieten mobile soziale Dienste wie Essen auf Rädern. Wird Pflege nötig, helfen ambulante Pflegedienste bei der Körperpflege, Ernährung und Mobilisation, der medizinischen Pflege und der Haushaltsführung. Teilstationäre Pflegeeinrichtungen bieten die Möglichkeit, hilfebedürftige Menschen tagsüber oder während der Nacht zur Entlastung der Angehörigen zu betreuen.[10]
Als Alternative für das Wohnen im Alter wird das Leben in einer Wohngemeinschaft immer beliebter. Wollen Senioren nicht alleine leben, können sie sich zwischen einer „Plus-WG“, einer „Senioren-Wohngemeinschaft“ und einer „Mehrgenerationen-Wohngemeinschaft“ entscheiden. In der „Plus-WG“ leben aktive Menschen ab 50 ohne externe Hilfe zusammen. Diese Form des Zusammenlebens grenzt sich damit bewusst von betreuten "Senioren-Wohngemeinschaften" ab. In der Regel ziehen Senioren dort zusammen, wenn sie noch agil sind. Wird ein Mitbewohner pflegebedürftig, übernimmt ein Pflegedienst die Pflege. Eine Alternative, bei der junge Familien und pflegebedürftige Senioren zusammenleben, ist die "Mehrgenerationen-Wohngemeinschaft". Obwohl ein professioneller Dienst die Pflege der Senioren übernimmt, legen die jungen und alten Bewohner Wert auf ein nachbarschaftliches Miteinander.
Betreutes Wohnen im Altenheim, Altenwohnheim und Pflegeheim ist eine weitere Option des Wohnens im Alter. In Altenwohnheimen leben die Bewohner eigenständig in Wohnungen mit eigener Küche, können aber auch gemeinsam mit den anderen Bewohnern essen. Zwar wohnen Senioren auch in Altenheime separat in kleinen Wohnungen oder Appartements, erhalten aber pflegerische Betreuung und hauswirtschaftliche Versorgung. In Pflegeheimen dagegen leben die Bewohner in Einzel- oder Doppelzimmern mit umfassender pflegerischer, medizinischer und hauswirtschaftlicher Versorgung sowie sozialer Betreuung. [11]
Siehe auch
- Altersdiskriminierung
- Alterssyndrom
- Biografiearbeit
- Silver Surfer, Best Ager
- Senioren-Studium
- Gerontologie
Weblinks
- Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- „Wissenswertes für Behinderte und Menschen knapp über 50“
- Zielgruppe Senioren aus Sicht der Wirtschaft
Einzelnachweise
- ↑ B. R. Pekruhn: Das Deutsche Wort, Leipzig 1934, S. 904
- ↑ Großer Brockhaus von 1980: „älterer Mensch, Rentner“
- ↑ Duden: Universalwörterbuch von 2002, 4.Auflage: älterer Mensch, Mensch im Rentenalter, Ruheständler
- ↑ Duden, Leipzig, S. 430
- ↑ Alternde Gesellschaft − verjüngte Senioren. Über die doppelte Dynamik des Alterns. In: Neue Zürcher Zeitung. 27. September 2005 Onlinefassung
- ↑ 10-Branchen Benchmarking zur Ermittlung der Effizienz von Unternehmen im Markt 50+ - Summary 2008
- ↑ Kukident und Konsum. Der Tagesspiegel vom 12. Juli 2008 Onlinefassung
- ↑ ARD/ZDF-Onlinestudie 2007
- ↑ Heise.de: Immer mehr Senioren tauschen sich im Internet aus
- ↑ Betreutes Wohnen Zuhause
- ↑ Definition von Altenwohnheim, Altenheim und Pflegeheim
Neue Formen des Wohnens und Zusammenlebens im Alter - Eine Übersicht. Suedwestdeutscher Verlag fuer Hochschulschriften, 2011. ISBN 978-3-8381-2365-3