Lorenz-Kurve

Die Lorenzkurve (auch Lorenz-Kurve) wurde 1905 von Max Otto Lorenz entwickelt. Sie stellt statistische Verteilungen grafisch dar und veranschaulicht dabei das Ausmaß an Disparität (Ungleichheit) innerhalb der Verteilung. Amtliche Statistiken nutzen die Lorenz-Kurve, um die Einkommensverteilung in einem Land zu verdeutlichen.[1]
Aufbau der Lorenzkurve
Die Lorenzkurve ist eine Funktion im Einheitsquadrat des 1. Quadranten. Sie stellt dar, welche Anteile der gesamten Merkmalssumme auf welche Anteile der Grundmenge mit n Merkmalsträgern entfallen. So werden auf der X-Achse die Anteile an der Gesamtheit der Merkmalsträger (z. B. Bevölkerung), auf der Y-Achse die Anteile an der gesamten Merkmalssumme (z. B. Einkommen) abgetragen. Zunächst werden die Daten dafür aufsteigend sortiert, beginnend mit dem geringsten Anteil der Merkmalssumme, und dann kumuliert („aufsummiert“). Dadurch entsteht der charakteristische Bauch der Lorenzkurve unterhalb der Diagonalen, welcher das Maß der Ungleichverteilung wiedergibt.
Eigenschaften der Lorenzkurve
Die Lorenzkurve hat folgende Eigenschaften:[2]
- beginnt in (0|0) und endet in (1|1)
- konvex ⇔ Ableitung monoton steigend ⇒ liegt unterhalb der Diagonalen
- Bei hinreichend vielen Werten annähernd stetig
Extremfälle
Je gleichmäßiger die Merkmalssumme unter den Trägern verteilt ist, desto stärker nähert sich die Lorenzkurve der Diagonalen an. Im Extremfall der Gleichverteilung liegt sie genau darauf.
Im Falle größerer Disparität bewegt sich die Kurve nach unten in Richtung X-Achse. Für den Extremfall der maximalen Ungleichverteilung (ein Merkmalsträger vereinigt die gesamte Merkmalssumme auf sich) verläuft die Lorenzkurve als Streckenzug auf der X-Achse bis 1-(1/n) und führt von dort zum Punkt (1|1).
Stetig und diskret klassierte Daten
Welche Form die Lorenzkurve genau annimmt, hängt davon ab, in welcher Art die Daten der Merkmals erhoben wurden. Grundsätzlich sind zwei Typen zu unterscheiden: stetig klassierte Daten (siehe Beispielbild oben) und diskret klassierte Daten. Im ersten Fall nimmt die Lorenzkurve die Form einer Kurve an, im zweiten Fall die eines Streckenzuges durch die Punkte (|).
Messung von Disparität (Ungleichheit)
Die Lorenzkurve bietet eine grafische Möglichkeit, das Ausmaß an Disparität innerhalb einer Verteilung zu betrachten. Je stärker sich die Kurve nach unten wölbt, desto größer die Disparität (siehe Abschnitt Extremfälle). Für den Fall, dass sich zwei Lorenzkurven schneiden, lässt sich anhand der Grafik jedoch nicht mehr eindeutig bestimmen, welche die größere Disparität aufweist. Auch ist die Messung mittels Grafik zu ungenau. Präzise Werte liefern dafür die Maßzahlen Gini-Koeffizient und Variationskoeffizient. Der Gini-Koeffizient steht dabei in einem direkten Zusammenhang mit der Lorenzkurve: Er ist das Zweifache der Fläche zwischen Lorenzkurve und Diagonale im Einheitsquadrat.
Beispieltabelle einer Lorenzkurve für diskret klassierte Daten
- Index für eine Klasse
- Anteil der Merkmalsträger der Klasse an der Gesamtheit der Merkmalsträger (relative Häufigkeit)
- kumulierte
- Anteil der Merkmalssumme, der auf die Klasse entfällt
- kumulierte
1 | 0,2 | 0,2 | 0 | 0 |
2 | 0,4 | 0,6 | 0,05 | 0,05 |
3 | 0,1 | 0,7 | 0,15 | 0,2 |
4 | 0,1 | 0,8 | 0,3 | 0,5 |
5 | 0,2 | 1 | 0,5 | 1 |
Erläuterung:
Die Lorenzkurve entsteht, indem man auf der X-Achse, auf der Y-Achse aufträgt und die Punkte durch einen Streckenzug verbindet.
Satz von Rothschild & Stiglitz
Gegeben seien zwei Verteilungen und mit . Die Lorenzkurve von liegt oberhalb der Lorenzkurve von . Dann und nur dann gilt: für jede symmetrische und quasikonvexe Funktion .
Folgerung: Wenn sich zwei Lorenzkurven schneiden, hängt es von der Wahl der jeweiligen symmetrischen und quasikonvexen Funktion ab, welche der beiden Kurven als die mit der größeren Ungleichheit zu bezeichnen ist.
Anwendungsgebiete
Neben der Illustration der Einkommensverteilung wird die Lorenz-Kurve auch zur Darstellung von Marktmacht oder räumlichen Verteilungen verwendet (vergleiche Segregation).
Eine weitere Anwendung findet die Lorenzkurve in der logistischen ABC-Analyse, bei der die Lorenzkurve die Verteilung der Güter verdeutlicht, geordnet nach Klassifizierungseigenschaft (beispielsweise Wert) und Verbrauchsmenge.
Disparität und Konzentration
Disparität (Lorenzkurve) und Konzentration (Konzentrationskurve) sind verwandte Maße, beschreiben aber unterschiedliche Dinge. Während die Lorenzkurve darstellt, welche Anteile der Merkmalssumme (Y-Achse) auf welche Anteile an der Gruppe der Merkmalsträger (X-Achse) entfallen, stellt die Konzentrationskurve dar, welche Anteile der Merkmalssumme (Y-Achse) auf welchen Merkmalsträger (X-Achse) entfallen. Das bedeutet, dass die Lorenzkurve Anteile mit Anteilen vergleicht, die Konzentrationskurve Anteile mit absoluten Zahlen (X-Achse). So können hohe Disparität und geringe Konzentration oder hohe Konzentration und geringe Disparität gleichzeitig auftreten. Folgendes Beispiel verdeutlicht die Frage:
Angenommen x Unternehmen teilen sich einen Markt. In der Tabelle werden die Fälle von hoher und geringer Disparität bzw. Konzentration mit fiktiven absoluten Zahlen durchgespielt:
Disparität hoch | Disparität gering | |
---|---|---|
Konzentration hoch | |
|
Konzentration gering | |
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Einzelnachweise
- ↑ Lorenzkurve. In: Duden Wirtschaft von A bis Z: Grundlagenwissen für Schule und Studium, Beruf und Alltag. 4. Aufl. Bibliographisches Institut, Mannheim 2009. (Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung)
- ↑ Karl Mosler, Friedrich Schmid: Beschreibende Statistik und Wirtschaftsstatistik. Springer, Berlin/Heidelberg 2009, ISBN 978-3-642-01556-4.
Weblinks
Literatur
- Joseph L. Gastwirth: A General Definition of the Lorenz Curve in Econometrica, Band 39, Nr. 6 (Nov., 1971), S. 1037–1039.