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Homo oeconomicus

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Homo oeconomicus in den heutigen Wirtschaftswissenschaften

Der Begriff homo oeconomicus (auch: Homo Ökonomicus) beschreibt den Menschen als wirtschaftlich handelndes und denkendes Wesen. Die Formulierung ist eine humoristische Anspielung auf das biologische Taxon Homo sapiens, beschreibt also keine neue Art im wissenschaftlichen Sinn.

Grundproblem ist die Abwägung des persönlichen Nutzens durch Entscheidung für bestimmte Handlungen oder Güter.

Ziel ist die Maximierung des persönlichen Nutzens anhand rationaler Überlegungen, was auf Grund der begrenzten Rationalität des Menschen nur eingeschränkt möglich ist. Gründe hierfür können sein

Der homo oeconomicus entscheidet nach rationalen Gesichtspunkten. Man unterscheidet dabei grundsätzlich zwischen Minimal- und Maximalprinzip. Beim Minimalprinzip versucht der Entscheider ein gegebenes Ziel mit minimalem Aufwand zu erreichen. Beim Maximalprinzip wird mit gegebenem Aufwand das bestmögliche Ziel erreicht.

In den Sozialwissenschaften werden Ansätze, die in ihren Grundannahmen auf das Menschenbild des homo oeconomicus aufbauen als Rational Choice-Ansätze bezeichnet.

Ein weiteres wichtiges Merkmal des homo oeconomicus ist, dass er die Schädigung anderer billigend in Kauf nimmt, sofern sie der Maximierung seines eigenen Nutzeuns zuträglich ist. Der homo oeconomicus ist Opportunismus. Sofern er mit Kooperation nicht schneller an sein Ziel kommt, sind seine Taktiken Täuschung und Betrug.

Bedeutung des homo oeconomicus bei Smith

Der streng liberalistische Ansatz des Staatstheoretikers und Philosophen Adam Smith erkennt im homo oeconomicus die Basis für die Wohlfahrt der Nationen. Der enthemmte Egoismus des Einzelnen würde, so die Theorie, als unvermeidlichen Seiteneffekt mit sich bringen, dass sich jeder doch einigermaßen um soziales Verhalten bemüht, da dieses in einer Gesellschaft auf Dauer vorteilhafter sei (also schneller zum maximalen Nutzen führte). Diesen Seiteneffekt bezeichnet Smith als Invisible Hand. Die Theorie wird bis heute in der Politik und im Management kontrovers diskutiert.

Homo oeconomicus nach Eduard Spranger

Der Ausdruck homo oeconomicus, geprägt von Eduard Spranger in seinem Buch Lebensformen (1914), bezeichnet die behauptete Grundtendenz von Menschen, das Leben nach rein wirtschaftlichen Kriterien auszurichten. Spranger beschreibt mehrere Grundtypen, von denen der homo oeconomicus eine ist: der theoretische Mensch, der ökonomische Mensch, der ästhetische Mensch, der soziale Mensch, der Machtmensch und der religiöse Mensch.

Begriff und Kennzeichnung

"Der ökonomische Mensch im allgemeinsten Sinne ist also derjenige, der in allen Lebensbeziehungen den Nützlichkeitswert voranstellt. Alles wird für ihn zu Mitteln der Lebenserhaltung, des naturhaften Kampfes ums Dasein und der angenehmen Lebensgestaltung." (S. 148). ... "Reichtum ist Macht. Der ökonomische Mensch entfaltet zunächst Macht über die Natur, ihre Stoffe, Kräfte, Räume und die technischen Mittel zu ihrer Bewältigung." ... "Mehr haben wollen als der andere, ist eine in der gesellschaftlichen Wirtschaft sich immer wieder von selbst bildende Willensrichtung. Wirtschaftliches Machtstreben erscheint also in der Form der Konkurrenz; sie herrscht von den einfachsten Stufen an und kann nur mit dem wirtschaftlichen Motiv selbst ausgerottet werden. (S. 153/154) Die Macht des Geldes beruht auf seiner Motivationskraft für Menschen; sie setzt also wieder ökonomisch gerichtete Naturen voraus. Und gleich als ob man beflissen wäre, dies schon im voraus anzuerkennen, gibt Geld heute auch dann Ansehen, wenn man es nicht selbst erworben hat und weder durch seinen Fleiß noch durch seine Klugheit daran beteiligt ist." ... "Der wirtschaftliche Wert ist für diese Art von Menschen selbst schon der höchste Wert." (S. 155).


Der homo oeconomicus um die Jahrtausendwende

Obwohl Spranger die erste Auflage 1914 in 14 Tagen schrieb und das Buch nun auf die 100 Jahre zugeht, ist der homo oeconomicus nach dem Zusammenbruch des Kommunismus aktueller denn je, denn, wie es scheint, waren die westlichen Gesellschaften unter Führung der USA nie stärker und vollständiger unter der Vorherrschaft des homo oeconomicus gestanden. Wirtschaft, Wachstum, Konsum und Geld bestimmen die gesamte Gesellschaft und ihre Wertewelt.

Literatur

  • Spranger, Eduard (1914). Über die Stellung der Werturteile in der Nationalökonomie. In Schmollers Jahrbuch (1914).
  • Spranger, Eduard (1950, 8.A.) Der ökonomische Mensch, in; Spranger (1950), S. 145-164.
  • Spranger, Eduard (1950, 8.A.). Lebensformen. Geisteswissenschaftliche Psychologie und Ethik der Persönlichkeit. Tübingen: Niemeyer.