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Günter Amendt

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Günter Amendt (* 8. Juni 1939 in Frankfurt am Main; † 12. März 2011 in Hamburg) war ein deutscher Sozialwissenschaftler und Autor. Er befasste sich vor allem mit den Themen Sexualität und Drogen. Der Soziologe Gerhard Amendt ist sein Zwillingsbruder.

Leben und Wirken

Als „prägende Erfahrung“ seiner Jugend und Beginn seiner Politisierung bezeichnete Amendt Probleme mit der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer in den 1950er Jahren.[1] Nach dem Abitur auf dem Zweiten Bildungsweg am Hessenkolleg in Frankfurt am Main studierte er Soziologie, Psychologie und Germanistik. Nach einem Aufenthalt an der University of California, Berkeley 1964–1966 kehrte er nach Deutschland zurück und betätigte sich auch politisch: zunächst im Sozialistischen Deutschen Studentenbund, nach dessen Auflösung in der neu gegründeten Deutschen Kommunistischen Partei.

Amendt wurde 1972 in Gießen mit einer empirischen Untersuchung zum Sexualverhalten von Jugendlichen in der Drogensubkultur promoviert. In den 1970er Jahren war Amendt Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sexualforschung und gehörte dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung an. Aus dieser Zeit stammen seine bekanntesten Bücher Sex-Front (seit 1970 mehr als 500.000 Exemplare)[2] und Das Sex-Buch (1979). Amendt bezeichnete sich selbst als „einen Mann, der aus seiner Homosexualität keinen Hehl macht“.[1]

Anfang der 1990er Jahre zog sich Amendt aus der sexualwissenschaftlichen und sexualpolitischen Diskussion zurück. Die Schwerpunkte seiner späteren Arbeit waren Drogenpolitik und das so genannte Drogenproblem. Er arbeitete als Therapeut in einer Hamburger Drogenklinik und veröffentlichte mehrere Bücher zum Thema. Er war ein Kritiker der Keine-Macht-den-Drogen-Kampagne.[3]

Für den Hörfunk schrieb er zahlreiche Radio-Features, Hörspiele und Essays, zum Beispiel die dreistündigen Lange Nacht zum Sechzigsten von Bob Dylan (Juni 2001)[4] und Die Lange Nacht vom LSD (März 2008)[5] – beide vom Deutschlandfunk ausgestrahlt.

Günter Amendt wohnte und arbeitete in Hamburg. Dort kam er am 12. März 2011 ums Leben, als er zusammen mit anderen Personen auf dem Gehweg von einem Auto erfasst wurde. Bei diesem Unfall starben auch der Schauspieler Dietmar Mues, dessen Ehefrau Sibylle sowie die Bildhauerin Angela Kurrer.[6] Der Schauspieler Peter Striebeck und seine Frau wurden bei dem Unfall verletzt.[7]

Rechtslage zum „Sex-Buch“

Zwei deutsche Amtsgerichte stuften ein im Sex-Buch abgedrucktes Foto als „kinderpornografisch“ ein. Damit könnte bereits der bloße Besitz eines der insgesamt etwa 200.000 verkauften Exemplare[8] dieses populären Aufklärungsbuchs strafbar sein. Das Amtsgericht Mannheim ließ im Dezember 1998 beim Herausgeber einer Schülerzeitung, in der das Bild abgedruckt wurde, neben den Restexemplaren der Zeitschrift selbst auch die in seinem Besitz befindlichen Exemplare von Amendts Büchern Sexfront und Das Sex-Buch beschlagnahmen.[9] In einem anderen Fall bezeichnete das Amtsgericht Mühldorf am Inn das Bild als „eindeutig kinderpornographisches Material“ und erwirkte im November 1999 gegen eine Privatperson eine Hausdurchsuchung wegen Besitzes desselben.[10] Allerdings existiert bisher kein bundesweit gültiger gerichtlicher Beschlagnahmungsbeschluss nach § 184b StGB und es wurde auch keine Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ausgesprochen. Daher wird das Buch im Buch- und Antiquariatshandel angeboten und von öffentlichen Bibliotheken für Personen jeden Alters zur Ausleihe vorgehalten.

Schriften

  • Kinderkreuzzug oder Beginnt die Revolution an den Schulen? (Hrsg.). Rowohlt, Reinbek 1968, ISBN 3-499-11153-5
  • Sexfront. März, Frankfurt am Main 1970; zuletzt in: Die große März-Kassette. Area, Erftstadt 2004, ISBN 3-89996-029-7[11]
  • Sucht, Profit, Sucht. Politische Ökonomie des Drogenhandels. März, Frankfurt am Main 1972; Rowohlt, Reinbek 1990, ISBN 3-499-18777-9
  • Haschisch und Sexualität. Eine empirische Untersuchung über die Sexualität Jugendlicher in der Drogensubkultur. Enke, Stuttgart 1974, ISBN 3-432-01836-3
  • Das Sex-Buch. Weltkreis, Dortmund 1979; Rowohlt, Reinbek 1996, ISBN 3-499-19945-9
  • Reunion Sundown, Jokerman 84 revisits Highway 61. Eine Robertage über Dylans Europa-Tournee 1984. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1985
  • Der große weiße Bluff. Die Drogenpolitik der USA. Eine Reportage. Konkret, Hamburg 1987, ISBN 3-922144-65-9
  • Natürlich anders. Zur Homosexualitätsdiskussion in der DDR (Hrsg.). Pahl-Rugenstein, Köln 1989, ISBN 3-7609-1293-1
  • The Never Ending Tour. Günter Amendt über Bob Dylan. Konkret, Hamburg 1991, ISBN 3-89458-104-2
  • Die Droge – Der Staat – Der Tod. Auf dem Weg in die Drogengesellschaft. Rasch und Röhring, Hamburg 1992; Rowohlt, Reinbek 1996, ISBN 3-499-19942-4
  • XTC. Ecstasy und Co. Alles über Partydrogen. Rowohlt, Reinbek 1997, ISBN 3-499-60425-6
  • Back to the Sixties. Bob Dylan zum Sechzigsten. Konkret, Hamburg 2001, ISBN 3-89458-199-9
  • No Drugs – no Future. Drogen im Zeitalter der Globalisierung. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-203-75013-9
  • Die Legende vom LSD. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-86150-862-5

Nachrufe

Einzelnachweise

  1. a b Günter Amendt: Eine Absage als Nachwort. In: Werner Pieper (Hrsg.): Alles schien möglich … Die grüne Kraft, Löhrbach 2007, S. 246
  2. Laut verzeichneter Publikationen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek, Stand Februar 2007
  3. G. Amendt: Kicks, Koks, Kohl. Die verlogene Kampagne „Keine Macht den Drogen“. In: Die Zeit, 16. April 1998.
  4. Eine Lange Nacht zum Sechzigsten von Bob Dylan im Deutschlandfunk, 19. Mai 2001.
  5. Die Lange Nacht vom LSD im Deutschlandfunk, 8. März 2008.
  6. Amendt und Mues sterben bei Horror-Unfall, Spiegel Online, 13. März 2011
  7. Unfall in Hamburg. Welt, 13. März 2011
  8. fluter – Das Jugendmagazin der Bundeszentrale für politische Bildung 29. Juli 2003.
  9. die tageszeitung Nr. 5742, 22. Januar 1999, S. 16: Ganz schön extrem. Weil er ein Bild aus einem uralten Aufklärungsbuch veröffentlichte, wird in Mannheim gegen den Herausgeber einer Schülerzeitung ermittelt.
  10. Johannes Glötzner: „Der Zensor geht um“ oder „In welcher Zeit leben wir?“ In: Mitteilungen der Humanistischen Union Nr. 116 (2000), S. 16; Autopsie 19. Februar 2007.
  11. In dieser 13bändigen Ausgabe als Band Reader Sexualität, zusammen mit Gunter Schmidts Werk Das große Der die Das. Über das Sexuelle von 1986.