Geschichte Europas
Der Mythos
Der griechische Mythos erzählt, dass Europa, die Tochter des phönizischen Königs Agenor, sich mit ihren Gefährtinnen am Strand des Mittelmeeres vergnügt habe. Zeus verliebte sich in das schöne Mädchen und beschloss, es zu entführen. Er nahm die Gestalt eines weißen Stiers an, der dem Meer entstieg und sich Europa näherte. Das Mädchen streichelte das überaus schöne, zutrauliche Tier und fand sich schließlich bereit, auf dessen Rücken zu klettern. Darauf erhob sich der Stier und stürmte ins Meer, das er mit Europa auf dem Rücken durchquerte. Zeus entführte Europa nach Kreta, wo er sich ihr in seiner göttlichen Gestalt zu erkennen gab und mit ihr drei Söhne zeugte: Minos, Rhadamanthys und Sarpedon.
Urgeschichte
Für Nordeuropa waren mehrere Eiszeiten für die weitere Entwicklung vor allem der geologischen Formationen bestimmend. Diese Vereisungen betrafen ganz Skandinavien, Island, Irland, den Norden Deutschlands, Polens und Russlands. Die Hauptvereisungszeit dauerte etwa von 23.000 bis 8.000 v. Chr.
Im Wesentlichen werden unterschieden
- Weichsel-Eiszeit (etwa 70.000 Jahre vor heute),
- Saale-Eiszeit (etwa 280.000 Jahre vor heute),
- Elster-Eiszeit (etwa 500.000 Jahre vor heute).
Neandertaler lebten in Europa ab etwa 150000 v.Chr., lange bevor sich der moderne Mensch, Homo sapiens, entwickelte. Das früheste Auftreten moderner Menschen in Europa ist auf 35000 v. Chr. datiert worden. Hinweise auf dauerhafte Siedlungen gibt es von 7000 v. Chr. an.
Mehr als drei Viertel der heutigen Europäer stammt in weiblicher Linie direkt von Alteuropäern ab, die bereits vor dem Höhepunkt der letzten Vereisung - also vor über 20000 Jahren - aus dem Nahen Osten kamen. Nicht einmal ein Viertel der heutigen Europäer hat genetischen Daten zufolge in weiblicher Linie Vorfahren, die erst vor weniger als 10000 Jahren auf den Kontinent kamen.
Mittelsteinzeit
Vor 5000 v. Chr. lebten die Menschen meist nomadisch in kleinen Sippen von etwa 20 Personen. Sie jagten, fischten und sammelten Pflanzen.
Jungsteinzeit
Um 5000 v.Chr. kommen aus dem Orient ackerbautreibende Völker (Bandkeramiker, Megalithkultur, etc.) und besiedeln die fruchtbaren Landschaften Europas. Um 2500 v. Chr. tauchen aus dem Osten die indogermanischen Reitervölker auf und vermischen sich mit den sesshaften, Ackerbau betreibenden Völkern. Im Laufe der Zeit entstehen so die Vorfahren der verschiedenen europäischen Völker, wie wir sie heute kennen (Kelten, Germanen, Slawen, Griechen etc.)
Bronzezeit
Um 1800 v. Chr. setzt sich die Bearbeitung von Bronze durch. Gleichzeitig streben in immer neuen Wellen Völker aus den Tiefen der sibirischen Steppe nach Europa (Kimmerier, Skythen).
Eisenzeit
Etwa um 800 v. Chr. beginnen die Menschen in Mitteleuropa mit der Verhüttung von Eisen. Träger sind die den Illyrern und Kelten zugeschriebenen Kulturen von Hallstatt und La Tène.
Siehe auch: Dreiperiodensystem, Urgeschichte, Antike
Hochkulturen
Die erste wohlbekannte Zivilisation in Europa war die der Minoer und Achäer auf der Insel Kreta und dem nahe gelegenen Griechenland, die um 2000 v. Chr. begann. Etwa zur gleichen Zeit breiteten sich die Kelten über Mitteleuropa bis nach Spanien und die heutige Türkei aus. Da sie keine Schrift besaßen, ist das Wissen über sie nur bruchstückhaft. Die Römer begegneten ihnen und schrieben etliches über sie nieder. Diese Aufzeichnungen und archäologische Grabungen bilden den Kern unserer Informationen über diese sehr einflussreiche Kultur. Die Kelten stellten einen gewaltigen, wenn auch wenig organisierten, Gegner für die Römer dar, die später große Teile Südeuropas eroberten und kolonialisierten.
Die Griechen
Am Ende der Bronzezeit brachen die älteren griechischen Königreiche zusammen und eine brillante neue Zivilisation erwuchs an ihrer Stelle. Die griechische Zivilisation war eine Ansammlung von Stadtstaaten (Poleis), die bedeutendsten davon waren Athen und Sparta. Unter den Stadtstaaten gab es viele verschiedene Regierungsformen und Kulturen, und sie brachten neue Formen der Regierung hervor und entwickelten Philosophie, Wissenschaft, Politik, Sport, Theater und Musik weiter. Die hellenischen Stadtstaaten gründeten viele Kolonien an den Mittelmeerküsten, vor allem im Gebiet der heutigen Türkei, auf Sizilien und in Süditalien. Aber im 4. Jahrhundert v. Chr. wurden diese Kolonien zu einer leichten Beute für König Philipp II. von Makedonien, weil die Stadtstaaten durch Kriege untereinander geschwächt waren. Die Feldzüge von Philipps Sohn, Alexander dem Großen, verbreiteten die griechische Kultur nach Persien, Ägypten und Indien, brachten die Griechen aber auch in Kontakt mit dem Wissen dieser Länder, wodurch eine neue Entwicklung, der Hellenismus, entstand.
Rom
Der neue entstehende Staat Rom übernahm viel vom Wissen der Griechen, als er sich von Italien her ausbreitete. Die Römer nutzten es zu ihrem Vorteil, dass ihre Gegner nicht in der Lage waren, sich gegen Rom zu vereinigen. Die einzige wirkliche Gefahr für Roms Aufstieg kam von der phönizischen Kolonie Karthago. Mit der Niederlage Karthagos am Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. begann die Vormachtstellung Roms. Zunächst durch Könige regiert, wandelte sich Rom zu einer Republik, die gegen Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. unter Augustus zum römischen Kaiserreich wurde.
Das Römische Reich hatte sein Zentrum am Mittelmeer und kontrollierte alle Länder, die ans Mittelmeer grenzten. Unter Kaiser Trajan im 2. Jahrhundert erreichte das Römische Reich seine größte Ausdehnung; England, Rumänien und Teile Mesopotamiens waren Teil des Reichs. Das Reich brachte Frieden, Zivilisation und eine effiziente Zentralregierung in die Territorien, bis es im 3. Jahrhundert durch Bürgerkriege geschwächt wurde. Im 4. Jahrhundert gelang es dem Kaiser Diokletian, den Niedergang Roms zu verlangsamen indem er die Verwaltung des Reichs einschneidend reformierte. Sein Nachfolger Konstantin I. machte das Christentum zur römischen Staatsreligion, wodurch die orthodoxe und die spätere katholische Kirche zu einer wichtigen Institution wurde.
Frühmittelalter
Die heutigen westeuropäischen Zivilisationen entstanden, als das Weströmische Reich durch wiederholte Invasionen germanischer Stammesverbände in der Endphase der Völkerwanderung im 5. Jahrhundert unterging und endgültig aufhörte als kulturelle Einheit zu existieren (siehe vor allem Spätantike). Von nun an bestimmten mehr oder weniger langlebige Neubildungen verschiedener Reiche die historische Landschaft im Westen des Kontinents. Als einziges davon sollte das Fränkische Reich Bedeutung erlangen.
Das hellenistisch geprägte oströmische Reich, nach seiner Hauptstadt Byzanz auch Byzantinisches Reich genannt, konnte sich hingegen noch ein weiteres Jahrtausend bis zur Eroberung seiner Hauptstadt 1453 halten. Im 7. Jahrhundert brachte die Ausbreitung der Mauren die islamische Kultur an die Mittelmeerküsten, von der Türkei über Sizilien bis nach Spanien. Eine Invasion nördlich der Pyränäen wurde durch Karl Martell genannt "der Hammer" niedergeschlagen.
Vieles vom alten Wissen der antiken Hochkulturen ging verloren, der Handel verkümmerte und die Leute kehrten in ihre ländlichen Gemeinschaften zurück. Der Feudalismus ersetzte die römische Zentralverwaltung. Die einzige Institution, die den Zusammenbruch des Reiches überlebte, war die Katholische Kirche, die einen Teil des römischen kulturellen Erbes bewahrte und bis zum 13. Jahrhundert neben Byzanz paradoxerweise der einzige Ort für Bildung und Wissenschaft war, denn gleichzeitig war die Kirche auch für die Blockade von Fortschritt und Entwicklung verantwortlich. Nach dem Motto "Halt Du sie mir dumm, ich halt sie Dir fromm", kann in diesem Zusammenhang von einer Zusammenarbeit zwischen weltlichen und geistlichen Herrschern gesprochen werden. Der Bischof von Rom, gleichzeitig Papst, wurde zum Oberhaupt der westlichen Kirche, in der östlichen (orthodoxen) Kirche wurde seine Führungsposition niemals anerkannt.
Die erste entscheidende Entwicklung war die Krönung Karl des Großen durch Papst Leo III. zum (römischen!) Kaiser im Jahre 800. Die neue Reichshauptstadt Aachen wurde zu einem Zentrum der Kunst und der Wissenschaften und gab damit den Anstoß zur karolingischen Renaissance, der Neubelebung der Kultur unter Rückbesinnung auf die Antike. Karl eroberte große Teile von Italien, Teile der umliegenden Länder vergößerte entscheidend sein Reich. Er bekam dabei Hilfe durch den Papst, der die letzten Bindungen zum Byzantinischen Reich abbrechen wollte. Auf diese Art wurden die Güter des Papstes ein unabhängiger Staat in Mittel-Italien. Die Aufteilungen des Reiches (siehe Karte) unter seinen Nachkommen führte nach langwierigen Erbfolgekonflikten zur Gründung des Heiligen Römischen Reiches 962 durch Otto I., und zur Gründung des Westfränkischen Reiches. Während und auch nach den Erbfolgekriegen verstand es die Katholische Kirche ihre Macht und ihren Einfluss zu wahren. Und auch das feudalistische System gewann in der folgenden Periode bis etwa 1000 n. Chr. an Bedeutung. Siehe dazu Morgenländisches Schisma (1054)
In gleicher Zeit übernahmen Wikinger und Normannen einige fremde Gebiete Europas und drangen in die alten Herrscherdynastien ein.
Mittelalter
Ein weiteres Anzeichen der Wiedergeburt einer westeuropäischen Zivilisation nach der karolingischen Renaissance kann im 11. Jahrhundert beobachtet werden, als die ersten Universitäten in Italien gegründet wurden und der Handel bedeutender wurde, wodurch wirtschaftliches und kulturelles Wachstum der unabhängigen Stadtstaaten wie Venedig und Florenz begannen. Gleichzeitig formten sich neben dem Heiligen Römischen Reiche, Frankreich und dem Kirchenstaat, Königreiche wie England, Spanien (siehe Reconquista), Königreich Ungarn, Königreich Polen und Kiewer Rus. Im Gegensatz dazu blieben Deutschland und Italien noch in eine Vielzahl kleiner Feudalstaaten und unabhängiger Städte zersplittert, die dem Kaiser nur formell unterstanden.
Eine der größten Katastrophen, die Europa heimgesucht haben, war die Pest. Es gab eine Reihe von Epidemien, aber die schwerste von allen war die erste Epidemie von 1346-1352, die vermutlich ein Drittel der Bevölkerung Europas ausgelöscht hat.
Das Ende des Mittelalters wird normalerweise mit dem Fall von Konstantinopel 1453 und der endgültigen Eroberung des Byzantinischen Reichs durch die Osmanen gleichgesetzt. Die Osmanen machten Konstantinopel zur neuen Hauptstadt des Osmanischen Reichs, das bis 1919 Bestand hatte und in seiner größten Ausdehnung den Nahen Ostens, Nordafrika, die Krim, den Kaukasus und den Balkan umfasste.
Im 15. Jahrhundert, am Ende des Mittelalters, waren mächtige Nationalstaaten entstanden. Die Kirche dagegen hatte viel von ihrer Macht verloren durch Korruption, innere Meinungsverschiedenheiten und die Ausbreitung der Kultur, die zur Verbesserung der Kunst, Philosophie, Wissenschaft und Technologie im Renaissance-Zeitalter führte.
Die neuen Nationalstaaten waren im Kampf um die Vormachtstellung in Europa andauernd in einem Zustand politischer Veränderung und in Kriege verstrickt. Besonders mit dem Losbrechen der Reformation(1520- nach gesamteuropäischer Betrachtung), die Martin Luther mit dem vermeindlichen Thesenanschlag 1517 mitbedingte, verwüsteten politische Kriege und Religionskriege den Kontinent. Die Zweite Spaltung (Schisma (Theologie)) der Katholischen Kirche sollte große politische, soziale und kulturelle Auswirkungen auf Europa haben. Der Bruch zwischen dem Katholizismus und dem Protestantismus war besonders deutlich in England, wo König Heinrich VIII. mit Rom brach und sich selbst zum Oberhaupt der Kirche erklärte, und in Deutschland, wo die Reformation die verschiedenen protestantischen Fürsten gegen die katholischen Kaiser aus dem Hause Habsburg einte.
Koloniale Expansion
Die zahlreichen Kriege hielten die neuen Staaten nicht von der Erforschung und Eroberung großer Teile der Welt ab, besonders im neu entdeckten Amerika. Im frühen 16. Jahrhundert waren Spanien und Portugal, die bei der Erforschung führend waren, die ersten Staaten, die Kolonien in Südamerika sowie Handelsposten an den Küsten Afrikas und Asiens gründeten, aber Frankreich, England und die Niederlande taten es ihnen bald nach.
Spanien hatte die Kontrolle über große Teile Südamerikas und die Philippinen, Großbritannien hatte ganz Australien, Neuseeland, Indien und große Teile von Afrika und Nordamerika, Frankreich hatte Kanada und Teile von Indien (beide verlor es 1763 an Großbritannien), Indochina und große Teil Afrikas. Die Niederlande bekamen Indonesien und einige Inseln in der Karibik, Portugal gehörte Brasilien und mehrere Gebiete in Afrika und Asien. Später erwarben auch andere Mächte wie Russland, Deutschland, Belgien, Italien, die USA und Japan einige Kolonien.
Natürlich gab es bei der Kolonialisierung auch Rückschläge, insbesondere durch die Unabhängigkeitserklärungen der USA und der südamerikanischen Staaten.
17. und 18. Jahrhundert
Die religiösen und dynastischen Spannungen erreichten ihren Höhepunkt im Dreißigjährigen Krieg von 1618-1648, an dem nahezu der gesamte Kontinent beteiligt war. Er veränderte das Machtgefüge stark und hinterließ bleibenden Eindruck in Kultur und kollektivem Gedächtnis.
Die mittelalterliche Feudalordnung wurde weiter aufgelöst. Die Nationalstaaten wurden weiter gestärkt, der Absolutismus wurde zur typischen Regierungsform und der Merkantilismus als Wirtschaftsform kam auf.
Geistesgeschichtlich wurde die Renaissance durch die Philosophie der Aufklärung fortgesetzt, die die Stellung der Religion schwächte und die Grundlage für erste Demokratie-Bewegungen legte. Die Naturwissenschaften erzielten große Fortschritte, mit Erfindungen wie der Dampfmaschine begann im späten 18. Jahrhundert die Industrielle Revolution, die Wirtschaft entwickelte sich zum frühen Kapitalismus.
Die Französische Revolution und Napoleon
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts führte die Weigerung von König Ludwig XVI. von Frankreich, unterstützt vom Adel und der Kirche, dem so genannten 3. Stand mehr Einfluss zu geben, zur Französischen Revolution von 1789. Es war ein maßgeblicher Versuch, einen neuen Staat nach den Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit (Liberté, Egalité, Fraternité) zu schaffen. Der König wurde hingerichtet, in Frankreich wurde die Republik ausgerufen und eine Art demokratischer Regierung wurde errichtet. In den darauf folgenden Wirren, die unter anderem durch die Kriegserklärungen der meisten europäischen Monarchien ausgelöst wurden, übernahm General Napoléon Bonaparte die Macht.
In den zahlreichen Kriegen des napoleonischen Zeitalters besiegte er mehrmals Österreich, dessen Kaiser den Titel Kaiser des heiligen römischen Reiches ablegen musste, sowie Russland, Großbritannien, Preußen und andere Mächte. 1804 ließ er sich zum französischen Kaiser ernennen und 1815 wurde er endgültig bei Waterloo geschlagen.
Das 19. Jahrhundert
Nach der Niederlage Frankreichs versuchten die anderen europäischen Mächte nach dem Wiener Kongress von 1814/1815 unter Federführung des österreichischen Staatskanzlers Fürst von Metternich, in der Zeit des Vormärz zwischen 1815 und 1848 die Situation wiederherzustellen, wie sie vor 1789 gewesen war. Sie waren jedoch längerfristig nicht in der Lage, die Ausbreitung der revolutionären Bewegung aufzuhalten. Die Mittelschicht war stark von den demokratischen Idealen der Französischen Revolution beeinflusst. Außerdem brachte die Industrielle Revolution tief greifende wirtschaftliche und soziale Veränderungen, und die Arbeiterschicht wurde von sozialistischen, kommunistischen und anarchistischen Ideen zunehmend beeinflusst, besonders von den Theorien, die von Karl Marx im Kommunistischen Manifest 1848 zusammengefasst worden waren. Weitere Destabilisierung kam durch die Gründung nationalistischer Bewegungen unter anderem in Deutschland, Italien und Polen, die die nationale Einheit und/oder die Befreiung von Fremdherrschaft forderten. Als Folge all dessen gab es in der Zeit zwischen 1815 und 1871 eine stattliche Anzahl von Umsturzversuchen und Unabhängigkeitskriegen (siehe auch Julirevolution 1830, Februarrevolution 1848, Märzrevolution 1848/1849). Auch wenn die Revolutionäre oft besiegt wurden, waren 1871 die meisten Staaten nicht mehr absolutistisch, sondern hatten eine Verfassung erhalten. Deutschland wurde 1871 nach den drei deutschen Einigungskriegen (1864 gegen Dänemark, 1866 gegen Österreich und 1870/1871 gegen Frankreich) in Versailles zum deutschen Kaiserreich unter Kaiser Wilhelm I. ausgerufen. Dessen Politik wurde bis 1890 wesentlich von Reichskanzler Otto von Bismarck bestimmt. Ähnlich wie in Deutschland wurde nach dem Scheitern der demokratisch und liberal gesinnten Revolutionen und Unabhängigkeitsbewegungen in den italienischen Fürstentümern der italienische Nationalstaat von oben als Königreich Italien unter sardinischer Führung nach mehreren Kriegen vor allem gegen Österreich durchgesetzt (siehe auch Risorgimento). 1861 wurde der sardinische König Viktor Emmanuel II. zum italienischen König proklamiert. Sein Ministerpräsident Camillo Benso Graf von Cavour spielte für Sardinien und Italien eine ähnliche Rolle wie Bismarck für Preußen und das Deutsche Reich. In Frankreich kam es nach dem Sturz von Kaiser Napoleon III. in Folge der französischen Niederlage im Krieg gegen Preußen und den norddeutschen Bund zur Ausrufung der 3. französischen Republik. Im Verlauf der Umwälzungen in Frankreich hatten sich 1871 die Pariser Bürger und Arbeiter gegen die preußenfreundliche Politik der jungen Republik erhoben und die Pariser Kommune gegründet. Sie gilt als der erste sozialistisch-kommunistische Revolutionsversuch, wurde aber schon nach wenigen Wochen blutig niedergeschlagen. Die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts wurden durch eine zunehmende wirtschaftliche und machtpolitische Konkurrenz der Großmächte Zentraleuropas, insbesondere des deutschen Reiches, Frankreichs und Englands bestimmt. Diese Konkurrenz führte unter anderem zu einer verstärkten Militarisierung der jeweiligen Gesellschaften, einem Rüstungswettlauf, dem Kampf um Kolonien vor allem in Afrika und Asien (Imperialismus) und zu einer Überhöhung des Nationalismus. Diese Entwicklungen führten langfristig, insbesondere nach der Auflösung des Bismarckschen Bündnissystems, das bis 1890 für eine gewisse zwischenstaatliche Stabilität gesorgt hatte, unter Kaiser Wilhelm II. zum 1. Weltkrieg.
Frühes 20. Jahrhundert: Die Weltkriege
Nach der relativ friedlichen Belle Epoque explodierten 1914 die Rivalitäten der europäischen Mächte, als der Ersten Weltkrieg begann. Den Mittelmächten Deutschland, Österreich-Ungarn und dem Osmanischem Reich stand die Entente gegenüber, bestehend aus Frankreich, Großbritannien und Nordirland und Russland, die 1915 durch Italien und 1917 durch die Vereinigten Staaten verstärkt wurden. Trotz der Niederlage Russlands 1917 siegte die Entente Ende 1918 doch. Der Krieg war eine der Hauptursachen für die Russische Revolution, die zur Gründung der kommunistischen Sowjetunion führte.
Im Friedensvertrag von Versailles erlegten die Sieger Deutschland harte Bedingungen auf und beschlossen, eine Reihe neuer Nationalstaaten wie Polen, die Tschechoslowakei und Jugoslawien in Osteuropa auf dem Gebiet des vormaligen österreichisch-ungarischen Reiches zu schaffen, mit dem Ziel, die nationale Selbstbestimmung zu fördern. In den folgenden Jahrzehnten führte die Angst vor dem Kommunismus und die wirtschaftliche Depression zur Wahl rechtsextremer Regierungen: Faschisten in Italien (1922) und Spanien (nach Ende des Bürgerkriegs 1939), Nationalsozialisten in Deutschland (1933) und auch in anderen Ländern wie Ungarn.
Nach der Allianz der so genannten Achsenmächte, Deutschland, Italien und Japan und nachdem ein Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und der Sowjetunion unterzeichnet war, löste der deutsche "Führer" Adolf Hitler am 1. September 1939 mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg aus. Nach anfänglichen Erfolgen, hauptsächlich der Besetzung von Polen, Frankreich und dem Balkan bis 1940, übernahm sich Deutschland durch den Angriff auf die Sowjetunion und die Kriegserklärung an die USA zur Unterstützung Japans. Trotz anfänglicher Erfolge wurde die deutsche Wehrmacht im Dezember 1941 kurz vor Moskau aufgehalten und erlitt ein Jahr später eine entscheidende Niederlage beim Kampf um Stalingrad. Die alliierten Streitkräfte gewannen in Nordafrika und besetzten 1943 Italien und eroberten 1944 Frankreich zurück. Im Frühjahr 1945 wurde Deutschland von Osten von den sowjetischen Truppen und von Westen her von den US-amerikanischen und britischen Truppen besetzt. Den einrückenden alliierten Soldaten bot sich vielerorts ein Bild des Grauens: In den Konzentrationslagern (etwa 412) innerhalb Deutschlands und der besetzten Gebiete waren Millionen Juden, Sinti und Roma, Sozialdemokraten, Kommunisten, Geistliche, Arbeitsunfähige, sowjetische Kriegsgefangene und polnische Zivilisten erschossen oder vergast worden, viele verhungerten oder starben an Krankheiten. Nach dem Suizid Hitlers kapitulierte Deutschland am 8. Mai 1945. Japan ergab sich im August 1945, nachdem zwei Atombomben die Städte Hiroschima und Nagasaki zerstört hatten.
Spätes 20. Jahrhundert: Der Kalte Krieg
Die beiden Weltkriege, besonders der zweite, beendeten die herausragende Rolle Westeuropas. Die Landkarte Europas musste neu gezeichnet werden, als Europa das Hauptspannungsfeld im Kalten Krieg wurde zwischen den neu entstandenen Supermächten, der kapitalistischen USA und der kommunistischen Sowjetunion. Die USA beanspruchten Westeuropa für ihre Einflusssphäre und gründeten die NATO als Schutz vor einer möglichen sowjetischen Invasion. Die Sowjetunion beanspruchte Osteuropa (Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, die DDR) und gründete den Warschauer Vertrag. Europa war durch den "Eisernen Vorhang" getrennt. Diese Situation hatte bis 1989 Bestand, als die Schwächung der Sowjetunion schließlich zum Ende der Teilung Europas führte. Die sowjetischen Satellitenstaaten konnten ihre kommunistischen Regierungen abschütteln und die beiden deutschen Staaten durften sich wieder vereinen. 1991 brach auch die Sowjetunion auseinander, wodurch eine Reihe neuer Staaten in Osteuropa und Asien entstand.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg begann in Europa langsam ein Prozess politischer und wirtschaftlicher Integration durch den Wunsch, ein geeintes Europa zu schaffen und weitere Kriege zu verhindern. Der letzte Schritt dieser Entwicklung, die immer noch anhält, war die Einführung einer gemeinsamen Währung, des Euros, in den meisten Ländern der Europäischen Union.
Geschichte einzelner Staaten und Gebiete
Heutige Staaten: Albanien - Belgien - Bosnien-Herzegowina - Bulgarien - Dänermark - Deutschland - Estland - Finnland - Frankreich - Griechenland - Irland - Island - Italien - Kroatien - Lettland - Lichtenstein - Litauen - Luxemburg - Malta - Mazedonien - Moldawien - Montenegro - Niederlande - Norwegen - Österreich - Polen - Portugal - Rumänien - Russland - Schweden - Schweiz - Serbien - Slowakei - Slowenien - Spanien - Tschechien - (Prag) - Türkei - Ukraine - (Karpato-Ukaine) - Ungarn - Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland - (Großbritannien - Britannien - Glorious Revolution - England - Nordirland - Schottland - Wales) - Weißrussland - Zypern
Ehemalige Staaten und andere Gebiete: DDR - Jugoslawien - Österreich-Ungarn - Römisches Reich - Sowjetunion - Tschechoslowakei
Literatur
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- Halecki, O.: Europa. Grenzen und Gliederung seiner Geschichte. Darmstadt 1957.
- James, H.: Geschichte Europas im 20. Jahrhundert. Fall und Aufstieg 1914-2001. München 2004.
- Pigott, Stuart: Vorgeschichte Europas. Vom Nomadentum zur Hochkultur. Zürich 1972, ISBN 3463136880
- Propyläen Geschichte Europas. 6 Bde. Berlin: Propyläen Verlag, 1999. zus. 3135 S. ISBN 3-549-05529-3
- Salewski, Michael: Geschichte Europas. Staaten und Nationen von der Antike bis zur Gegenwart. München: Beck, 2000 (Beck's Historische Bibliothek). 1146 S. ISBN 3-406-46168-9
- Seibt, Ferdinand: Die Begründung Europas. Ein Zwischenbericht über die letzten tausend Jahre. Frankfurt am Main: S. Fischer, ²2002, 416 S. ISBN 3-10-074421-7
- Schieder, Theodor (Hg.): Handbuch der europäischen Geschichte. 7 Bde. Stuttgart 1968-1987.
- Schmale, W.: Geschichte Europas. Wien 2001.
- Schulz, Gerhard: Europa und der Globus. Staaten und Imperien seit dem Altertum. Stuttgart/München: DVA, 2001. 520 S. ISBN 3-421-05349-9
- Szücs, J.: Die drei historischen Regionen Europas. Frankfurt am Main 1994.
- Reinhard, W.: Lebensformen Europas. Eine historische Kulturanthropologie. München: Beck, 2004. 718 S.
- Peter Forster, University of Cambridge: Drei Viertel unserer Gene stammen von den Urbasken. Spektrum der Wissenschaft Mai 2002.
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