Kaufhaus Jonaß
Das Gebäude des ehemaligen Kaufhauses Jonaß (auch Kaufhaus Jonas geschrieben) in Berlin wurde 1929 als erstes Kreditkaufhaus eingeweiht. Nach der Enteignung im Nationalsozialismus diente es der Hitlerjugend (HJ) und später der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) als Zentrale. In dem denkmalgeschützten Haus befindet sich seit 2010 das Soho House Berlin, ein exklusives Club-Hotel.
Lage
Das Gebäude befindet sich am Rande des Kollwitzkiezes des Ortsteils Berlin-Prenzlauer Berg (Bezirk Pankow) an der Ecke Torstraße/Prenzlauer Allee. Zuerst lautete die Anschrift Lothringer Straße 1, von 1951 bis 1994 Wilhelm-Pieck-Straße 1.
Geschichte
Beginn in den Zwanzigerjahren

Die 1889 gegründete Jonaß-Aktiengesellschaft hatte nach dem Ersten Weltkrieg ihr Stammgeschäft zunächst im Berliner Telefunkenhaus in der Berliner Belle-Alliance-Str. 7–10. Der jüdische Kaufmann Hermann Golluber, Inhaber der AG, hatte Anfang der 1920er-Jahre das Gelände eines 1828 errichteten Exerzier- und Reithauses erworben. Er ließ hier in den Jahren 1928/29 das erste eigene Kredit-Warenhaus Jonaß & Co AG von den Architekten Georg Bauer und Siegfried Friedländer errichten. Der wuchtige Gebäudekomplex im Stil der Neuen Sachlichkeit wurde in der Ende der 1920er-Jahre aufkommenden Skelettbauweise ausgeführt. Die ersten zwei Etagen sind mit Naturstein verkleidet, darüber schließt sich ein fünfgeschossiger Putzbau und ein Dachgeschoss an, in dem über einige Jahre ein Dachrestaurant betrieben wurde. Vor allem die Bevölkerung aus dem nahe gelegenen Scheunenviertel nutzte die Möglichkeit, in dem Kreditwarenhaus mit über 15.000 m² Nutzfläche auch gegen Teilzahlung einzukaufen. Mit dem Kaufschein hatten Kunden die Möglichkeit, ein Viertel der Waren sofort anzuzahlen, der Rest wurde in vier Monatsraten beglichen.
Hermann Golluber und sein ebenfalls jüdischer Geschäftspartner Hugo Haller führten das Unternehmen zunächst allein.
Zeit des Nationalsozialismus
Nach 1933 nahmen Golluber und Haller zwei nichtjüdische Angestellte in die Geschäftsführung auf, um einer Enteignung durch die Nationalsozialisten zu entgehen. Beide Altgesellschafter wurden jedoch aus dem Geschäft gedrängt. Golluber floh 1939 in die Vereinigten Staaten von Amerika, wo er wenig später starb.
Der Warenverkauf erfolgte ab 1934 in neuen Räumlichkeiten in dem von Peter Behrens geplanten Alexanderhaus auf dem Berliner Alexanderplatz. Nach Aufgabe dieser Räumlichkeiten kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges zog die Firma für kurze Zeit noch einmal in die Lothringer Straße zurück. Im Mai 1945 wurde der Warenhauskonzern aufgelöst.

Die neuen Besitzer schlossen das Kaufhaus und verkauften es 1942 an die NSDAP, die es als Verwaltungsgebäude der Reichsjugendführung nutzte. Im Gebäude in Berlin-Mitte residierte die Reichszentrale mit dem Reichsjugendführer Arthur Axmann an der Spitze.
Nachkriegszeit: Haus der SPD, der SED und des Instituts für Marxismus-Leninismus

Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Gebäude verstaatlicht und Sitz des Zentralausschusses der SPD. Nach der Vereinigung der SPD mit der KPD zur SED wurde das Haus 1946 Sitz des Zentralkomitees der SED und erhielt den Namen Haus der Einheit. Bis zum Umzug in das ZK-Gebäude am Werderschen Markt befand sich hier in Gestalt des Politbüros der SED unter seinem General-, später Erstem Sekretär Walter Ulbricht das Machtzentrum der DDR. Während der Unruhen am 17. Juni 1953 wurden besonders das Haus der Ministerien und das Haus der Einheit von wütenden Arbeitern umringt und angegriffen.

Von 1959 bis 1990 war im Haus das Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (IML) ansässig, das aus dem Geschichtsinstitut beim ZK der SED hervorgegangen war und zu dem auch das historische Archiv der KPD und das Zentrale Parteiarchiv der SED gehörten. Das IML beschäftigte sich mit der Geschichte der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung und deren historisch-philosophischen Klassikern. Zahlreiche Publikationen wurden hierzu herausgegeben. Von hier aus bereitete das IML Ende der 1960er-Jahre die große deutschsprachige Marx-Engels-Gesamtausgabe vor.
Das Arbeitszimmer von Wilhelm Pieck in der dritten Etage mit zahlreichen Regalen, Büchern und Utensilien wurde als Gedenkzimmer erhalten. Selbst als Präsident bewahrte der gelernte Tischler Wilhelm Pieck in seinem Schreibtisch einen Hammer, einen Zollstock, einen Bohrer, eine Kneifzange und anderes Werkzeug auf. In Piecks Sekretariat wurden Urkunden, Broschüren und Bücher zur Berliner Ehrenbürgerschaft Piecks ausgestellt. Zwei in den Jahren 1976 und 1988 angebrachte Tafeln am Haupteingang des Gebäudes erinnerten an die ersten SED-Vorsitzenden Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl.
Nach der Wende
Nach der Wende wurden die Institutionen aufgelöst und die Dokumente in das Bundesarchiv überführt. Die Immobilie wurde 1996 an eine jüdische Erbengemeinschaft rückübereignet und stand seit 1995 leer. Pläne zur Nutzung als Hotel, Verwaltungssitz einer Berliner Wohnungsbaugenossenschaft oder als Büroimmobilie konnten nicht umgesetzt werden, deshalb boten die Erben den Komplex weltweit zum Kauf.[1]
Das Video zu DJ Tomekks Single Ich lebe für Hip-Hop wurde 2000 zum Teil in dem Gebäude gefilmt.
Soho Club Berlin
2004 erwarb die deutsch-britische Investorengruppe Cresco Capital den Baukomplex für 9 Millionen Euro.[2] Das Berliner Architekturbüro JSK[3] lieferte im Auftrag der neuen Eigentümer die Pläne für die denkmalgerechte Sanierung und einen Umbau in eine Dependance des britischen Soho Club. Mit rund 30 Millionen Euro entstand im Mai 2010 das neue Soho House Berlin mit kombinierten Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten für Künstler, Journalisten, Regisseure und Manager aus dem Medienbereich.[4] Entgegen einer ursprünglichen Ankündigung kann das Arbeitszimmer von Wilhelm Pieck nicht besichtigt werden, und auch die Räume für Konferenzen, Wellness, Speiseneinnahme in den ersten drei Etagen sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich.[5] Die Gedenktafeln wurden entfernt. Eine vor dem Gebäude von Rainer Eppelmann am 5. Juni 2008 enthüllte gläserne Stele ist seit dem Jahr 2010 ebenfalls nicht mehr vorhanden. Diese war Teil eines Gesamtprojekts des Senats zur Sichtbarmachung Berliner Geschichtsorte. Sie enthielt Fotos und viersprachige Kurztexte zur Geschichte des früheren Kaufhauses Jonaß. [6]
Weblinks
- Eintrag 09050113 in der Berliner Landesdenkmalliste
- Historische Aufnahme um 1930 beim Fotoarchiv Marburg
- Aro Kuhrt: Geschichte des Hauses bei berlinstreet.de (8. August 2008)
- Stephan Lebert: "Das geheime Wohnzimmer" - DIE ZEIT Nr. 34 vom 19. Aug.2010
Einzelnachweise
- ↑ Ein "städtebauliches Juwel" wird verkauft, Artikel in der Berliner Zeitung vom 20. April 2001
- ↑ Engländer kaufen frühere SED-Zentrale, Artikel im Tagesspiegel vom 19. April 2007
- ↑ Website der J.S.K.-Architekten
- ↑ Jenni Zylka: "Eröffnung Club Soho House Berlin. München-Frisuren und Disco-Romper" - Spiegel vom 1. Mai 2010
- ↑ Stefan Strauss: Ein Zimmer DDR - Wo früher die SED regierte, zieht der Klub Soho House mit Swimmingpool, Lounge und Sauna ein, Artikel in der Berliner Zeitung vom 16. Mai 2008
- ↑ Thomas Fülling: Parteizentrale wird zum Treff für Künstler und Publizisten. Wie ein angeschlagener Schwergewichts-Boxer präsentiert sich der Rundbau an der Torstraße 1 in Mitte: Imposant, wuchtig, aber leider übel zugerichtet. Artikel in der Berliner Morgenpost vom 5. Juni 2008
Koordinaten: 52° 31′ 39″ N, 13° 24′ 56″ O