Geschichte der Stadt Herford
Die Geschichte der Stadt Herford beschreibt die Entwicklung der ostwestfälischen Stadt Herford.
Stadtgründung
In günstiger und auch militärisch nicht unwichtiger Verkehrslage gelegen, entstand Herford um 789 (Gründungslegende in der Vita Waltgeri) auf dem Gebiet dreier älterer Höfe (Adonhusa, Herifurth und Libbere). Um 800 entstand das bedeutende Frauenstift Herford. Im Jahre 823 nahm Kaiser Ludwig der Fromme das Kloster in seinen persönlichen Schutz. Bald darauf entwickelte sich auch eine Kaufmannssiedlung. Es wird angenommen, dass 833 Ludwig der Fromme dem Kloster Herford das Markt-, Münz- und Zollrecht für den Bereich des Hofes Odenhausen (Stadtteil Radewig) verlieh (Bestätigung 973). Besonders die Ottonen waren Herford eng verbunden: Die Frau Heinrichs I., Mathilde, war hier erzogen worden, Otto der Große bestätigte 973 Markt- und Zollrechte; mit dem bestätigten Marktprivileg gehörte Herford zu den ältesten Märkten in Deutschland. 1011 gründete die Äbtissin Godesdiu auf der Grundlage einer Marienerscheinung (Herforder Vision, datiert etwa in der Mitte des 10. Jahrhunderts, diese Vision gilt als früheste Marienerscheinung nördlich der Alpen) vor den Toren der Stadt das Stift auf dem Berge als Ausbildungsstätte für die Töchter des niederen Adels, das sich auch zum Wallfahrtsort entwickelte.
12. bis 15. Jahrhundert
Herford war im Mittelalter ein bedeutendes geistliches und geistiges Zentrum. Zu dieser Zeit war es auch eine der am besten befestigten deutschen Städte mit fünf Stadttoren und 14 Türmen, die den verschiedenen Zünften zugeordnet waren. Sie waren Teil der 3,5 km langen Stadtbefestigung mit Mauer, die von der Werre, der Aa und dem Stadtgraben umgeben war. Die heute zugeschüttete Bowerre markiert den ursprünglichen Verlauf der Werre, während die heutige Werre Teil der Stadtbefestigung war. Als 1765 die Stadtbefestigung nicht mehr benötigt wurde, wurde das Material versteigert. Heute umschließt dort der Stadtwall, der im überwiegenden Teil Fußgängern und Radfahrern vorbehalten ist, die Innenstadt.
In staufischer Zeit wurde das Stift Herford als reichsunmittelbar bestätigt (1147, Friedrich Barbarossa 1152); spätere Kaiser bestätigten verschiedene Rechte von Stift und Stadt. Um 1170 wurde eine Bürgergemeinde gebildet und das Stadtrecht entwickelt (keine Verleihungsurkunde überliefert), wobei das Dortmunder Stadtrecht als Vorlage diente. Herford erhielt zu Beginn des 13. Jahrhunderts eine Ratsverfassung. Um 1220 ist die früheste Erwähnung des Herforder Stadtrates nachweisbar. Er war damit einer der ersten in Deutschland. Herford war Mitglied des Ladbergener Städtebundes, weiterer Städtebünde und sehr aktiv in der Hanse tätig (Hansestadt von 1342 bis ins 17. Jahrhundert). In der Sicherheit der Stadt kam es zu geistlichen Niederlassungen fast aller damaligen klösterlichen Orden (die Stadt wurde als Sancta Herfordia bezeichnet). Die rege kaufmännische Tätigkeit ersteckte sich früh im gesamten Hanseraum aber auch die Verbindungen nach Westen (Flandern) waren bedeutsam. Besonders wichtig waren die Tuchproduktion (seit dem 13. Jahrhundert) und der Handel damit. Im Herforder Rechtsbuch von etwa 1375 werden zahlreiche Gilden und Zünfte erwähnt.
Bis 1634 war die Neustadt selbständig und hatte neben der Altstadt einen eigenen Bürgermeister. Die Außengrenzen des mittelalterlichen Staates Herford blieben bis 1969 Stadtgrenze von Herford.
→ Siehe auch: Stift Herford, Reichsstadt Herford.
Neuzeit
In der Frühen Neuzeit begann eine lange rechtliche Auseinandersetzung um den Status der Stadt als Reichsstadt. Die Abtei war reichsfrei, die Äbtissin Reichsfürstin mit quasibischöflichen Rechten („Monstrum Westphaliae“), die Stadt Herford nahm aufgrund des sogenannten Kondominats (der gemeinschaftlichen selbständigen Regierung von Stift und Stadt seit Mitte des 13. Jahrhunderts) reichsstädtisches Recht war. Mehrere Prozesse vor dem Reichskammergericht, die zunächst vom Reich angestrengt wurden, das gerne von Herford Reichsteuern erheben wollte, führten schließlich 1631 zur Bestätigung als Reichsstadt, was zu diesem Zeitpunkt auch im Interesse der Stadt lag. In der Stadt setzte sich ab 1530 die Reformation durch, die Abtei blieb bis 1565 katholisch. Die Stadt wurde im Dreißigjährigen Krieg mehrfach belagert, 1638 brannten große Teile der Stadt ab. In Folge der jülisch-klevischen Erbfolgeauseinandersetzungen wurde Herford 1647 durch brandenburgische Truppen besetzt und verlor seine Selbständigkeit. Die Annexion durch Brandenburg wurde durch den Westfälischen Frieden und schließlich 1652 endgültig bestätigt. Herford wurde nun abhängige brandenburgisch-preußische Landstadt. Die Leitung der Reichsabtei wurde nun durch adelige Damen brandenburgisch-preußischer Familien wahrgenommen. Die Abtei blieb bis zur Säkularisierung 1803 Reichsstand.
Herford wurde Mitte des 19. Jahrhunderts industrialisiert und war seit 1935 wieder Garnisonsstadt (noch heute sind britische Truppen dort stationiert).

1816 wurde Herford Kreisstadt innerhalb der preußischen Provinz Westfalen.
1847 erhielt Herford Anschluss an die Cöln-Mindener Eisenbahn. Die Strecke wurde am 29. September 1968 elektrifiziert. Im Jahre 1880 wurde die Strecke Herford - Detmold - Altenbeken und 1904 die Strecke nach Bünde gebaut.
Im August 1900 wurde die Herforder Kleinbahn nach Enger eröffnet und im September erfolgte die Verlängerung bis Spenge und Wallenbrück. 1902 kam eine Strecke über Bad Salzuflen und Exter nach Vlotho hinzu. Die Schmalspurbahn (Meterspur) wurde in den 1930er Jahren elektrifiziert. Die Einstellung des Betriebes erfolgte 1962 auf der Strecke Herford – Vlotho, 1966 auf der Strecke Herford - Spenge.
1911 wurde Herford kreisfrei. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Stadt durch Bombenangriffe – vergleichsweise – nur gering zerstört. Knapp 40 Prozent der Häuser waren leichter beschädigt, sieben Prozent wiesen mittlere bis schwere Schäden auf und nur etwa sechs Prozent waren total zerstört. Nach dem Krieg fiel ein Teil der historischen Bausubstanz einer vereinfachenden Stadtplanung zum Opfer. So wich das ganze Quartier um die Bergertormauer einem 4-spurigen Straßen-Neubau. Dennoch blieb der mittelalterliche Grundriss der Stadt weitgehend erhalten und bleibt trotz der umfangreichen Abrissarbeiten bis heute nachvollziehbar.
Die Stadt wurde im Zuge der kommunalen Neuordnung am 1. Januar 1969 wieder in den Kreis Herford eingegliedert. Dabei wurden die acht umliegenden Gemeinden Diebrock, Eickum, Elverdissen, Falkendiek, Herringhausen Ost, Laar, Schwarzenmoor und Stedefreund eingemeindet, wodurch die Einwohnerzahl von etwa 55.000 auf über 67.000 anstieg. Die Fläche des Stadtgebiets verdreifachte sich von 25 km² auf 78,95 km².
Am 25. Juni 1983 wurde in Herford der Westfälische Hansebund gegründet. Ihm gehören 43 ehemalige Hansestädte aus Westfalen und dem angrenzenden Niedersachsen und Hessen an. Der internationale Hansetag findet im Jahre 2013 in Herford statt.
1988 - ein Jahr vor der 1200-Jahr-Feier - wurden bei Ausgrabungen wertvolle Funde in den Resten der Abteigebäude aus karolingischer, ottonischer und barocker Zeit gemacht und auch die industrielle Nutzung des Geländes ab 1810 mit archäologischen Funden belegt.
Chronik-Tafel
Jahr | Ereignis |
---|---|
789 | Gründung eines Klosters für Töchter sächsischen Adels durch den Edlen Waltger (Wolderus) in Müdehorst (heute Bielefeld) |
um 800 | Verlegung des Klosters in den Mündungswinkel von Aa und Werre nahe den Höfen Herivurth (Oldenhervorde), Odenhausen (Adonhusa) und Libbere |
823 | Umwandlung des Eigenklosters zu einem Reichskloster durch Kaiser Ludwig den Frommen und Ausstattung mit zahlreichen Besitzungen |
825 | Tod des heiligen Waltgeri (Wolderus), dem Gründer des ältesten Damenstifts in Alt-Sachsen. |
851 | Bestätigung der Reichsfreiheit des Klosters durch Kaiser Ludwig den Deutschen. Langsame Entstehung der Stadt Herford |
926 | Zerstörung von Stift und Stadt durch Ungarische Truppen |
927 | Bestätigung der Privilegien des Reichsklosters durch König Heinrich I. |
926 - 973 | Entstehung der Legende einer Marienvision. Wallfahrten um den 19. Juni, aus der im Laufe der Zeit der Jahrmarkt „Vision“ entsteht. |
973 | Bestätigung des bestehenden Markt-, Münz- und Zollrechts des Klosters durch Kaiser Otto den Großen als Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufstieg |
1011 | Gründung des Stifts auf dem Berge vor Herford für Töchter des niederen Adels. |
1147/1152 | Reichsunmittelbarer Schutz des Stiftes durch Konrad III. und Friedrich I. Barbarossa |
um 1155 | Erklärung der Papstunmittelbarkeit und kirchlicher (quasi bischöflicher) Selbstständigkeit des Stiftes durch Papst Hadrian |
um 1170 | Bildung einer Bürgergemeinde und Verleihung des Stadtrechts |
ab 1220 | Bau der Münsterkirche als erstem sakralen Hallengroßbau in Westfalen anstelle eines Vorgängerbaues. Errichtung von drei weiteren Hallenkirchen in den folgenden 150 Jahren: der auch als Pilgerkirche dienenden Jakobikirche, der Johanniskirche und der Marienkirche Stiftberg. |
um 1220 | Entstehung einer Ratsverfassung (als zweite Stadt in Westfalen) |
1224 | Gründung der Herforder Neustadt durch die Äbtissin und den Erzbischof von Köln als Schutzherrn |
1246 | Beteiligung mit Münster, Osnabrück, Minden und Coesfeld am Ladbergener Bund, einem der ersten deutschen Städtebünde |
1256 | Erwerb des bisher abteilichen Burggerichts durch die Stadt Herford gegen die Zusicherung des Schutzes. Gemeinsame quasi reichsstädtische Verwaltung der Belange der Stadt durch Stift und Stadt (Kondominat). Abschluss der Stadtbefestigung. |
ab 1295 | Teilnahme an hansischen Aktivitäten, ab 1356 an der Städtehanse |
13./14. Jhd. | Ansiedlung zahlreicher Klöster und christlicher Vereinigungen (Sancta Herfordia) |
1342 | Herford wird Hansestadt |
1375 | Niederschrift des geltenden Rechts im Herforder Rechtsbuch, einer der bedeutendsten mittelalterlichen Rechtshandschriften |
1382 | Übertragung der Reichsvogtei (Schutzherrschaft) an die Herzöge von Jülich-Berg |
1414 | Verlegung des Stifts St. Dionys aus Enger (mit Dionysius-Schatz und den Gebeinen Widukinds) an die Herforder Johanniskirche |
ab 1530 | Einführung der Reformation in Herford. Wegbereiter waren die Fraterherren (Korrespondenz mit Martin Luther) und die Augustinereremiten. Schließung von zahlreichen geistlichen Instituten. Die Abtei bleibt zunächst katholisch. |
1631 | Erklärung zur Reichsstadt durch das Reichskammergericht |
1634 | Vereinigung von Alt- und Neustadt |
1636 | Anton Fürstenau rettet die Stadt vor ihrer Zerstörung durch die sich streitenden schwedischen und kaiserlichen Truppen. |
1638 | Der große Stadtbrand vernichtete einen großen Teil der Radewig. |
1647/1652 | Besetzung durch den Brandenburgischen Kurfürst aufgrund der jülischen Erbfolge. Verlust der Selbstständigkeit nach längerem Widerstand. |
1652/18. Jhd. | Verarmung zur Ackerbürgerstadt als Auswirkung des Dreißigjährigen Krieges (Schulden) und der Wirtschaftspolitik Brandenburg-Preußens |
um 1720 | Preußische Verwaltungs- und Steuerreformen bestätigen Herfords Charakter als abhängige preußische Landstadt |
1802 | Säkularisierung und Auflösung der Fürstabtei, des Stiftes auf dem Berge und des Stiftes St. Johann und Dionys |
1807 | Herford gehört zum Königreich Westphalen (bis 1813), zunächst als Teil des Weser-Departments, ab 1811 des Fulda-Departements |
1816 | Erhebung zur Kreisstadt und Gerichtssitz innerhalb der seit 1813 bestehenden preußischen Provinz Westfalen |
1847 | Bau der Köln-Mindener Eisenbahn und des Herforder Bahnhofs. Einsetzen der Industrialisierung und der Wohn- und Industrieansiedlung über den Bereich der früheren Stadtbefestigung hinaus |
1852 | Einweihung der Synagoge der jüdischen Gemeinde. |
1896 | Bau des Wasserwerkes. Errichtung des Wittekind-Denkmales als Andenken an den Baubeginn. |
1902 | Betriebsaufnahme der Herforder Kleinbahn. Gründung eines städtischen Elektrizitätswerkes. |
1909 | Gründung des Elektrizitätswerkes Minden-Ravensberg |
1911 | Herford wird kreisfrei und scheidet aus dem Kreis Herford aus |
1913 - 1917 | Bau des neuen neobarocken Rathauses und der Markthalle auf dem Gelände der früheren Abtei |
1940 - 1945 | Kriegszerstörungen durch Fliegerangriffe im Zweiten Weltkrieg (etwa 5%). Deportation und Ermordung von über 100 jüdischen Bürgern. |
1945 | Besatzung durch Amerikanische Truppen am 4. April. Beschlagnahme des Stadtteils Stiftberg und der Kasernen zur Unterbringung des Hauptquartiers der Britischen Besatzungsmacht. |
1966 | Der letzte Abschnitt der Herforder Kleinbahn wird stillgelegt. |
1968 | Bau der innerstädtischen Umgehung (Berliner Straße) und Errichtung von Fußgängerzonen in der Innenstadt |
1969 | Kommunale Neugliederung. Herford verliert die Kreisfreiheit. Eingemeindung von Elverdissen, Stedefreund, Laar, Eickum, Diebrock, Falkendiek, Schwarzenmoor und Herringhausen-Ost. |
1980 | Fertigstellung des Innenstadtringes. Neugestaltung des Bahnhofsplatzes mit Bau des dritten Parkhauses. Beginn der Angliederung der Radewig mit dem Gänsemarkt an die Fußgängerzone und der Neugestaltung des Alten Marktes. |
1983 | Gründung des Westfälischen Hansebundes mit Sitz in Herford mit inzwischen 41 ehemaligen Hansestädten als Mitgliedern |
1988 | Wertvolle Funde in den Resten der Abteigebäude aus karolingischer und ottonischer Zeit bei Ausgrabungen zwischen Rathaus und Münsterkirche |
1989 | 1200-Jahr-Feier |
1994 | Am 28. September verbrennen die 23-jährige Bukurjie Haliti und ihr 11-jähriger Bruder Navgim in einer Flüchtlingsunterkunft am Kleinen Feld. Der Brandanschlag ist nicht aufgeklärt worden. |
2005 | Eröffnung des Museums MARTa |
Einzelnachweise
Koordinaten: 52° 6′ 56,6″ N, 8° 40′ 12″ O