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21. Mai 1946 – In der Atomwaffenfabrik in Los Alamos führte der kanadischePhysikerLouis Slotin im Beisein von mehreren Wissenschaftlern Tests zur Kritikalität von Plutonium durch. Die Versuchsanordnung bestand aus einem unterkritischen, etwa 6 kg schweren Plutonium-Kern (dem sogenannten Demon Core) und zwei Halbkugelschalen aus Beryllium, die als Neutronenreflektoren dienten und den Kern umschließen konnten. Je näher die Halbkugelschalen zusammengeführt wurden, desto weniger Neutronen konnten entfliehen und desto geringer wurde die zur Kritikalität notwendige Masse. Normalerweise fungierten zwei 3,2 mm dicke Distanzstücke als Sicherheitsvorrichtung, Slotin hatte diese jedoch vor Beginn des Versuchs entfernt. Stattdessen platzierte er einen Schraubendreher im Zwischenraum, durch dessen Drehung er die Halbkugelschalen langsam einander annähern konnte, während er mit der anderen Hand die obere Schale festhielt. Der Schraubendreher rutschte jedoch heraus und die Anordnung wurde prompt überkritisch. Die Beteiligten spürten eine kurze Hitzewelle und der Versuchsraum war in ein bläuliches Schimmern (Tscherenkow-Licht) gehüllt. Slotin konnte die obere Halbkugelschale abheben und damit die Reaktivität wieder reduzieren. Er wurde jedoch durch den Unfall einer tödlichen Energiedosis von etwa 10 Gray ausgesetzt, die sieben Beobachter erhielten bis zu 1,7 Gray. Slotin starb am 30. Mai an der Strahlenkrankheit. Dieser Unfall wird auch in dem Film „Fat Man and Little Boy“ (1989) thematisiert. (INES: 4)[1]
1950er
Chalk River, Kanada
12. Dezember 1952 – Der erste ernste Reaktorunfall ereignete sich im sogenannten NRX-Reaktor in den Chalk River Laboratories in der Nähe von Ottawa, Kanada. Während eines Tests des Forschungsreaktors wurde durch Fehlbedienungen, Missverständnisse zwischen Operator und Bedienpersonal, falsche Statusanzeigen im Kontrollraum, Fehleinschätzungen des Operators und zögerliches Handeln der Reaktorkern bei einer partiellen Kernschmelze zerstört. Dabei warf eine Knallgas-Explosion im Reaktorkern die Kuppel eines vier Tonnen schweren Helium-Gasbehälters 1,2 m hoch, wodurch sie im Aufbau stecken blieb. Durch die Explosion wurden mindestens 100 TBq an Spaltprodukten in die Atmosphäre freigesetzt. Bis zu vier Millionen Liter mit etwa 400 TBq langlebigen Spaltproduktenradioaktiv kontaminiertes Wasser wurden aus dem Keller des Reaktorcontainment in eine sandige Sickergrube gepumpt, um eine Kontaminierung des nicht weit entfernten Flusses Ottawa zu verhindern. Der beschädigte Reaktorkern wurde vergraben. Der spätere US-Präsident Jimmy Carter, damals Nukleartechniker in der Navy, half bei den mehrere Monate dauernden Aufräumarbeiten. Der Reaktor ging zwei Jahre später wieder in Betrieb. (INES: 5)[2]
Idaho Falls, Idaho, Vereinigte Staaten
29. November 1955 – In der National Reactor Testing StationIdaho erlitt der Forschungsreaktor EBR-I eine partielle Kernschmelze. Der Kern aus angereichertemUran in Verbindung mit 2 % Zirconium schmolz bei Versuchen, die eine schnelle Steigerung der Leistung vorsahen, weil sich Brennstoffröhren verzogen. Durch Verdunstung des Kühlmittels NaK wurde der schmelzende Brennstoff in die Röhren des Kühlsystems transportiert und die Kritikalität unterschritten, wodurch sich der Reaktor selbst abschaltete. Der Reaktorkern war austauschbar angelegt und konnte ersetzt werden, Personen kamen nicht zu Schaden. (INES: 4)[3]
Kyschtym, Sowjetunion
29. September 1957 – Auch bekannt als Unfall von Majak. Die dortige Wiederaufarbeitungsanlage lagerte ihre Abfallprodukte in großen Tanks. Durch den radioaktiven Zerfall der Stoffe entsteht Wärme, weswegen diese Tanks ständig gekühlt werden müssen. Nachdem im Laufe des Jahres 1956 die Kühlleitungen eines dieser 250 m³ fassenden Tanks undicht geworden waren, und deshalb die Kühlung abgestellt wurde, begannen die Inhalte dieses Tanks zu trocknen. Ausgelöst durch einen Funken eines internen Messgerätes explodierten die enthaltenen Nitratsalze und setzten große Mengen an radioaktiven Stoffen frei (INES 6). Die Belastung der Gegend um Kyschtym, Russland entsprach, da die kontaminierte Wolke bodennäher blieb, nahezu der doppelten Menge des Tschernobyl-Unfalls. Da die Kontamination sich auf den Ural beschränkt, schlugen Messgeräte in Europa nicht Alarm (vgl. Tschernobyl-Unfall), wodurch der Unfall 30 Jahre vor der Weltöffentlichkeit geheim gehalten werden konnte. (INES: 6) HauptartikelKerntechnische Anlage Majak.
Windscale bzw. Sellafield, Großbritannien
7. bis 12. Oktober 1957 – Im Kernreaktor Pile No. 1 in Windscale bzw. Sellafield heizten Techniker den Reaktor an, um die so genannte Wigner-Energie aus dem als Moderator dienenden Graphit zu glühen. Die kerntechnische Anlage bei Sellafield 2003 Bei dem Reaktor handelte es sich um einen von zwei luftgekühlten und graphitmoderierten Reaktoren. Sie wurden mit Natururan betrieben und dienten dazu, Plutonium für Atomwaffen herzustellen. Sie wurden durch einen von riesigen Lüftern erzeugten Luftstrom gekühlt. Am Morgen des 7. Oktober 1957 wurde der Reaktor kontrolliert heruntergefahren und die Luftkühlung abgestellt. Der Reaktor wurde danach im unteren Leistungsbereich wieder angefahren. Die Techniker stellten einen Temperaturabfall anstelle eines Temperaturanstiegs fest. Um die Wigner-Energie schneller abführen zu können, wurde der Reaktor am nächsten Tag in einen nicht erlaubten Leistungsbereich gefahren. Die Techniker saßen allerdings einem Trugschluss auf: Im normalen Betrieb traten die Temperaturspitzen an ganz anderen Orten auf als während des Ausglühens. An diesen Orten befanden sich jedoch keine Messfühler, und so begann der Graphit dort, zunächst unbemerkt, zu brennen. Die Luftfilter hielten dem Feuer nur kurze Zeit stand, danach konnte die Radioaktivität ungehindert durch die Abluftkamine nach außen gelangen. Blaue Flammen schlugen aus dem hinteren Bereich des Reaktors. 750 TBq gelangten in die Atmosphäre. Das Feuer brannte vier Tage und verbrauchte einen Großteil des Graphitmoderators. Den Technikern gelang es nur, einen Teil der Kernbrennstäbe aus dem brennenden Bereich des Reaktors zu stoßen. So schlugen sie eine Feuerschneise, indem sie benachbarte Stäbe herausstießen. Als letzte Konsequenz wurde der Reaktor mit Wasser geflutet. Diese Flutung war sehr gefährlich, denn das Wasser hätte durch die hohe Temperatur zu Knallgas aufgespalten werden können. Dies hätte zu einer Explosion geführt. Glücklicherweise erstickte das Wasser jedoch das Feuer. Große Mengen radioaktiver Gase entwichen in die Atmosphäre. Diese waren vor allem Iod, Krypton und Xenon. Die Milcherzeugung in einem Gebiet von 520 km² wurde verboten. Bald nach der Zerstörung des Reaktors 1 durch den Unfall wurde Reaktor 2 ebenfalls stillgelegt, als man erkannte, dass eine sichere Abführung der Wigner-Energie konstruktionsbedingt unmöglich ist. Die Demontage der abgeschalteten Reaktoren wurde 1993 begonnen und soll 2012 abgeschlossen werden. Der Unfall wird später für Dutzende von Krebstoten verantwortlich gemacht. (INES: 5) HauptartikelWindscale-Brand.
Los Alamos, New Mexico, Vereinigte Staaten
30. Dezember 1958 – Ein Kritikalitätsunfall ereignete sich bei der Extraktionsarbeit mit einer plutoniumhaltigen Lösung im Los Alamos Scientific Laboratory in New Mexico. Der Operator starb an akuter Strahlenkrankheit. Nach diesem Unfall wurde bei der Arbeit mit kritischen Massen in den USA endgültig zur Verwendung von Manipulatoren übergegangen. Bis dahin war trotz der Kritikalitätsunfälle in den 1940er Jahren Handarbeit im Umgang mit Plutonium verbreitet. (INES: 4)[4]
Simi Valley, Kalifornien, Vereinigte Staaten
26. Juli 1959 – Im Santa Susana Field Laboratory in Kalifornien, das einen natriumgekühlten Schnellen Brüter mit 7,5 MWe betrieb, ereignete sich in diesem Reaktor aufgrund eines verstopften Kühlkanals eine 30-prozentige Kernschmelze. Der Großteil der Spaltprodukte konnte abgefiltert werden. Die radioaktiven Gase wurden jedoch weitestgehend an die Umwelt freigesetzt, was in einer der größten Jod-131-Freisetzungen in der Nukleargeschichte mündete. Der Unfall wurde lange Zeit geheim gehalten. (INES: 5–6)[4][5]
Knoxville, Tennessee, Vereinigte Staaten
20. November 1959 – In der radiologisch-chemischen Fabrik Oak Ridge National Laboratory in Tennessee gab es während der Dekontamination der Arbeitsanlagen eine chemische Explosion. Es wurden insgesamt 15 Gramm 239Plutonium freigesetzt. Das Plutonium verursachte bei der Explosion eine erhebliche Kontaminierung des Gebäudes, der angrenzenden Straßen und den Fassaden von angrenzenden Gebäuden. Man glaubt, dass die Explosion durch den Kontakt von Salpetersäure mit phenolhaltigen Dekontaminierungsflüssigkeiten ausgelöst wurde. Ein Techniker hatte vergessen, einen Verdampfer mit Wasser zu reinigen und so frei von Dekontaminierungsflüssigkeiten zu machen. Flächen, die nicht dekontaminiert werden konnten, wurden mit einer auffälligen Warnfarbe gekennzeichnet oder einbetoniert. Die Behörden von Oak Ridge begannen, im Umgang mit radioaktiv-chemischen Materialien ein Containment zu benutzen. Seither wurden keine weiteren Mitarbeiter verletzt. (INES: 3–4)
3. Januar 1961 – In der National Reactor Testing StationIdaho erlitt der experimentelle SL-1-Reaktor einen kritischen Vorfall mit einer Dampfexplosion und schwerer Freisetzung radioaktiven Materials, bei dem die dreiköpfige Bedienungsmannschaft getötet wurde. Mit Ausnahme von 131Iod blieb die Verbreitung der Strahlung auf eine Fläche von 12.000 m² begrenzt. Im Umkreis von 30 km um den Reaktor war die Kontamination der Vegetation durch 131Iod etwa 100 Mal so hoch wie die natürliche Strahlungsintensität. Selbst 80 km entfernt war die Belastung der Vegetation noch doppelt so hoch, unter anderem auch in einem Landschaftsstreifen entlang des Snake River nahe Burley und American Falls. Der Reaktor hatte manuell betätigbare Steuerstäbe. Das Bewegen eines einzigen Stabes könnte den Kritikalitätsvorfall ausgelöst haben. Es war bekannt, dass sich die Stäbe im leichten Aluminiumgehäuse verklemmen konnten. Einige Ermittler glaubten, dass eine solche Stange feststeckte und sich plötzlich löste, was den Unfall ausgelöst haben soll. Die Ermittler haben nie herausgefunden, warum der Stab entfernt wurde. Ein Bediener wurde von einem Steuerstab an der Decke aufgespießt gefunden. Der Stab wurde anscheinend vom Dampfdruck herausgeschleudert. Der Reaktorkern bestand aus hoch angereichertem Uran (ca. 50 %). Das schnelle Herausziehen des Steuerstabs führte damit zu einer superschnellen Kettenreaktion (Leistungs-Exkursion), welche die Dampfexplosion auslöste. Der Unfall wurde von Arbeitern entdeckt, die sich außerhalb des Reaktorgebäudes befanden, als Strahlungs- und Übertemperaturalarm die Rettungskräfte alarmierte. Diese fanden Dosisleistungswerte, die noch hundert Meter vom Reaktorgebäude entfernt 2 mSv/h überschritten. Die Rettungsmannschaft konnte zuerst weder ein Feuer noch die Opfer finden, aber sie fand Strahlungswerte von etwa 10 mSv/h innerhalb des Reaktorgebäudes. Als geeignete Schutzausrüstung eingetroffen war, drang ein Team in das Reaktorgebäude ein und fand einen Toten und ein weiteres Mitglied der dreiköpfigen Bedienmannschaft noch lebend. Er wurde sofort geborgen, starb aber wenige Stunden später an akuter Strahlenkrankheit. Der Tote wurde am folgenden Tag, das zunächst vermisste Mitglied der Reaktorbesatzung erst Tage später geborgen. Von den Rettungskräften erhielten laut einem Bericht der Atomenergiekommission der USA 22 eine Äquivalentdosis in der Größenordnung von 30 bis 270 mSv. Der Reaktor wurde demontiert und der 12 t schwere Reaktorkern und das Druckgefäß einige Monate später entfernt. (INES: 4)
Charlestown, Rhode Island, Vereinigte Staaten
24. Juli 1964 – In einer Fabrik für nukleare Brennelemente in Charlestown starb ein Mann an einer tödlichen Strahlendosis, als eine flüssige Uranlösung, mit der er hantierte, kritisch wurde. (INES: 4)[4]
Belojarsk, Sowjetunion
1964-1979 – Von 1964 bis 1979 ereignete sich eine Serie von Zerstörungen an Brennstoffkanälen in Reaktor 1 des Belojarsker KKW. Bei jedem dieser Unfälle wurde das Personal einer erheblichen Strahlenbelastung ausgesetzt. (INES: 4)[6]
Melekess, nahe Nischnii Nowgorod (Gorki), Sowjetunion
7. Mai 1966 – Im Atomic Reactor Research Institute Melekess ereignete sich in einem experimentellen Siedewasserreaktor (VK-Reaktor) eine Leistungsexkursion durch schnelle Neutronen. Der Operator und der Schichtleiter erhielten hohe Strahlendosen. (INES: 3–4)[6]
Monroe, Michigan, Vereinigte Staaten
5. Oktober 1966 – Eine Fehlfunktion des Natrium-Kühlsystems im Enrico Fermi demonstration nuclear breeder reactor (schneller Brüter) am Ufer des Eriesees führte zu einer partiellen Kernschmelze, bei der keine Strahlung aus dem Containment austrat. Der Reaktorkern enthielt 105 aus Zirconium-verkleideten Stiften bestehende Brennelemente. Der Unfall wird einem Stück Zirkonium zugeschrieben, das einen Flussregler im Natrium-Kühlsystem blockierte. Das Reaktorgebäude wurde durch Sensoren automatisch isoliert, kein Personal war zu diesem Zeitpunkt im Gebäude. Mitarbeitern gelang es, den Reaktor manuell abzuschalten. Zwei der 105 Brennelemente schmolzen, aber außerhalb des Containments wurde keine Strahlung gemessen. Es wurde aber noch Wochen später eine Rekritikalität befürchtet. Der 60-MWe-Reaktor lief im Oktober 1970 wieder mit voller Leistung. Dieser Vorfall lieferte die Grundlage für die umstrittene PolemikWe Almost Lost Detroit von John G. Fuller. (INES: 4)
Lucens, Schweiz
21. Januar 1969 – Beim Versagen des Kühlsystems eines experimentellen Reaktors im Versuchsatomkraftwerk Lucens (VAKL) im Kanton Waadt gab es im Reaktor (der ähnlich wie der NRX-Reaktor aufgebaut war) eine partielle Kernschmelze. Anfang des Jahres 1968 gab es eine Prüfung des mit einer Leistung von 8 MW Energie produzierenden Reaktors. Im April/Mai wurde er in Betrieb genommen, allerdings anschließend bis Januar des nächsten Jahres wieder abgeschaltet. Während dieses Stillstandes lief externes Wasser über eine defekte Gebläse-Dichtung in den Kühlkreis des Reaktors. Die aus Magnesium bestehenden Brennstab-Umhüllungsrohre korrodierten. Als der Reaktor im Januar 1969 wieder in Betrieb genommen wurde, behinderten die Korrosionsprodukte die Kühlung. Der Brennstoff überhitzte und mehrere Brennstäbe schmolzen. Ein ganzes Bündel Brennstäbe geriet in Brand und brachte den Moderatortank zum Bersten. Kohlendioxid (Kühlmittel) und Schweres Wasser (Moderator) traten in die Reaktorkaverne aus. Da die erhöhte Radioaktivität bereits etwas früher gemessen wurde, konnte das Kraftwerk evakuiert und die Kaverne isoliert werden. Es wurde eine größere Menge Strahlung in die Fels-Reaktorkaverne freigesetzt. Die radioaktiven Trümmer konnten erst Jahre später aus dem Stollensystem geräumt werden. Die Kaverne enthielt nach wie vor eine Menge radioaktiven Materials, wurde aber so verschlossen, dass vorerst keine Strahlung in die Umwelt gelangen konnte. Die Aufräumarbeiten dauerten bis Mai 1973. Die Trümmer wurden in versiegelten Behältern auf dem Gelände gelagert, bis sie 2003 ins zentrale Zwischenlager in Würenlingen (ZWILAG) abtransportiert wurden. (INES: 4–5)
Rocky Flats, Colorado, Vereinigte Staaten
11. Mai 1969 – In einem Container mit 600 t feuergefährlichem Material kam es zu einer spontanen Entzündung von Plutonium. Das Feuer verbrannte 2 t des Materials und setze Plutoniumoxid frei. Durch die Entnahme von Bodenproben im Umfeld der Anlage stellte man fest, dass die Gegend mit Plutonium kontaminiert wurde. Da sich die Betreiber der Anlage weigerten, Untersuchungen einzuleiten, wurden die Proben im Rahmen einer nicht offiziellen Untersuchung entnommen. (INES: 4–5)[7]
1970er
Windscale bzw. Sellafield, Großbritannien
1973 – In der Wiederaufarbeitungsanlage kam es in einem für Reparaturen entleerten Becken beim Wiederauffüllen mit Wasser aufgrund heißer Radionuklide am Beckenboden zu einer exothermen Reaktion. Hierdurch wurden ein Teil der Anlage sowie 35 Arbeiter radioaktiv kontaminiert. Aufgrund der internen Kontamination und offenbar auch einer gewissen Freisetzung wurde dieser Unfall mit INES 4 eingestuft.[8]
Leningrad, Sowjetunion
6. Februar 1974 – Aufgrund siedenden Wassers ereignete sich ein Bruch des Wärmetauschers im Block 1 des Leningrader KKW. Drei Menschen starben. Hochradioaktives Wasser aus dem Primärkreislauf zusammen mit radioaktivem Filterschlamm wurden in die Umwelt freigesetzt. (INES: 4–5)[6]
Leningrad, Sowjetunion
Oktober 1974 – Im Oktober 1974 ereignete sich eine teilweise Zerstörung des Reaktorkerns in Block 1 des Leningrader KKW. Der Reaktor wurde abgeschaltet. Am nächsten Tag wurde der Kern gereinigt, indem eine Notreserve Stickstoff hindurchgepumpt und durch den Abluftschornstein abgeblasen wurde. Dabei wurden ca. 1,5 Megacurie (55 PBq) an radioaktiven Substanzen an die Umwelt abgegeben. (INES: 4–5)[6]
Belojarsk, Sowjetunion
1977 – Bei einem Unfall schmolzen 50 % der Brennstoffkanäle des Blocks 2 vom Belojarsker KKW, einem Druckröhrenreaktor ähnlich dem RBMK. Die Reparatur dauerte etwa ein Jahr. Das Personal wurde hohen Strahlenbelastungen ausgesetzt. (INES: 5)[6]
Jaslovské Bohunice, Tschechoslowakei
Februar 1977 – In dem mit einem Druckröhrenreaktor ausgestatteten ersten slowakischen Kernkraftwerk Bohunice A-1 kam es zu einem Unfall: Beim Beladen mit frischen Brennelementen überhitzten einige davon, die Reaktor-Halle wurde kontaminiert (INES: 4). Der Reaktor wurde nach dem Unfall stillgelegt.[9]
Belojarsk, Sowjetunion
31. Dezember 1978 – Im Turbinenhaus des Block 2 vom Belojarsker KKW stürzte eine Deckenplatte auf einen Turbinenöltank und verursachte einen Großbrand. 8 Personen erlitten hohe Strahlendosen beim Organisieren der Reaktornotkühlung. (INES: 3–4)[6]
Three Mile Island, Pennsylvania, Vereinigte Staaten
28. März 1979 – In einem Kernkraftwerk bei Harrisburg führten Versagen von Maschinenteilen und Messsignalen sowie Bedienungsfehler der Mannschaft zum Ausfall der Reaktorkühlung, wodurch es zur partiellen Kernschmelze (50 % des Kerns) und Freisetzung von 90 TBq an radioaktiven Gasen kam. Dieser Unfall ist bis heute der schwerste in einem kommerziellen Reaktor in den USA und wurde von der IAEO mit INES 5 eingestuft. HauptartikelThree Mile Island
1980er
Saint-Laurent, Frankreich
1980 – Das Teil-Schmelzen einiger weniger Brennelemente führte zu einer Kontamination des Reaktorgebäudes (INES: 4).[8] Die beiden ersten in St. Laurent gebauten Reaktoren waren graphitmoderiert und gasgekühlt. Die Notkühlung erfolgte deshalb nicht mit Wasser, sondern mit aus der Werksumgebung angesaugter Luft. Der Reaktor wurde nach Reparaturen noch eine Zeitlang weiterbetrieben. Heute laufen in St. Laurent nur noch zwei Druckwasser-Reaktoren. HauptartikelKernkraftwerk Saint-Laurent
Tschernobyl, Sowjetunion
September 1982 – Im Block 1 des KKW Tschernobyl wurde durch Fehler des Personals ein Brennstoffkanal in der Mitte des Reaktors zerstört. Eine große Menge radioaktiver Substanzen wurden über den industriellen Bereich der Kernkraftanlage und die Stadt Prypjat verteilt. Das Personal, das mit der Liquidation der Konsequenzen dieses Unfalls beschäftigt war, erhielt hohe Strahlendosen. (INES: 5)[6]
Buenos Aires, Argentinien
1983 – Durch das Vernachlässigen von Sicherheitsregelungen starb ein Operator während einer Modifikation des Reaktorkerns. Er befand sich nur wenige Meter entfernt und erhielt mit ca. 20 Gy eine tödliche Strahlendosis (INES: 4).[8]
Wladiwostok, Sowjetunion
August 1985 – In der Chazhma-Bucht nahe Wladiwostok ereignete sich ein ernster Unfall beim Brennelementwechsel des atomgetriebenen U-Bootes K-314. Beim Wiederaufsetzen des Reaktordeckels kam es durch unsachgemäße Handhabung zu einer spontanen Kettenreaktion. Das Kühlwasser verdampfte schlagartig und der Reaktorkern wurde von der Explosion auf die Pier geschleudert. 29 Menschen erhielten hohe Strahlendosen, weitere 10 Menschen starben an einer tödlichen Neutronendosis. Die radioaktive Wolke erreichte das 55 Kilometer entfernte Wladiwostok nicht, an näher gelegenen Orten sind aber weitere Opfer dieses Unfalles (längerfristige Krebserkrankungen) nicht auszuschließen. (INES: 5)[6]
Gore, Oklahoma, Vereinigte Staaten
6. Januar 1986 – In der WiederaufarbeitungsanlageKerr-McGee in Gore, Oklahoma zerbrach ein Zylinder mit nuklearem Material nach unzulässiger Erhitzung. Ein Arbeiter starb, 100 mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. (INES: 2–4)
Tschernobyl, Sowjetunion
26. April 1986 – Bei einem Super-GAU (INES: 7)[6] im Kernkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine kam es zu einer Kernschmelze und in deren Folge zu Explosionen. Große Mengen Radioaktivität wurden durch Freilegung und Brand des Reaktorkernes freigesetzt, die unmittelbare Umgebung wurde stark kontaminiert; darüber hinaus gab es zahlreiche direkte Strahlenopfer unter den Hilfskräften. Der Super-GAU konnte durch Radioaktivitätsmessungen und Fallout in Schweden und anderen europäischen Ländern nachgewiesen werden. Es wurde ein großräumiges Sperrgebiet eingerichtet und das Gebiet evakuiert. Die Anzahl der geschädigten Personen schwankt je nach Studie erheblich. Dass der Unfall bisher (gemäß IAEO) unerwartet wenig Opfer forderte, ist teils darauf zurückzuführen, dass der heftige Graphitbrand große Teile der Radioaktivität direkt und hoch in die Atmosphäre hinauf beförderte sowie der Wind vor der Evakuierung größerer Städte wie Prypjat weitgehend in Richtung bevölkerungsschwächerer Regionen blies.
6. April 1993 – In der Kerntechnischen Anlage Tomsk sind in der Wiederaufarbeitungs-Anlage (vor allem genutzt für die Produktion von waffenfähigem Plutonium) durch einen Unfall große Mengen kurzlebiger radioaktiver Stoffe freigesetzt worden. In Folge wurden einhundert Quadratkilometer im Gebiet Sewersk (auch als Tomsk-7 bekannt) verseucht. (INES: 2–4)[10]
Tōkai-mura, Japan
30. September 1999 – In einer Brennelemente-Fabrik in Tōkai-mura, Japan befüllten Arbeiter einen Vorbereitungstank mit 16,6 kg Urangemisch (statt den vorgeschriebenen 2,3 kg). Daraufhin setzte eine unkontrollierte Kettenreaktion ein und Strahlung trat aus. Die Zahl der Menschen die erhöhte Strahlendosen erhielten, wird mit 35 bis 63 angegeben. Drei Arbeiter wurden einer besonders hohen Radioaktivität von bis zu 17 Sievert ausgesetzt. Ca. 300.000 Anwohner wurden aufgefordert, ihre Häuser nicht zu verlassen. Dieser Unfall wird von offizieller Seite mit INES 4 [11][12], von einigen Wissenschaftlern aber mit INES 5 bewertet.[13] Der Arbeiter mit der 17-Sievert-Dosis verstarb einige Monate nach dem Unfall, obwohl er eine Knochenmark-Transplantation erhalten hatte.[14]
11. März 2006 - In einer Bestrahlungs-Anlage zur Herstellung radiopharmazeutischer Produkte beim Institut national des radio-éléments (IRE) wurde aufgrund eines Hydraulik-Versagens eine Kobalt-Quelle aus einem strahlen-abschirmenden Wasserbecken gehoben, obwohl kein Bestrahlungs-Vorgang stattfand und die Tür zum Raum offenstand. Aufgrund des ausgelösten Alarms betrat ein Angestellter den Raum. Während des Aufenthaltes von nur 20 Sekunden erhielt er eine Strahlen-Dosis von rund 4,6 Sievert, die mittelfristig lebensbedrohlich sein kann (INES 4).[15] (Unfälle in rein medizinischen Anlagen werden gewöhnlich nicht INES-klassifiziert, beim IRE handelt es sich aber um eine kerntechnische Anlage).