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Chelsea Manning

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Bradley Manning (2009)

Bradley E. Manning (* 17. Dezember 1987[1] in Crescent, Oklahoma[2]) ist ein Angehöriger der US-Streitkräfte, der im Mai 2010 unter dem Verdacht verhaftet wurde, Videos und Dokumente kopiert und als Whistleblower der Website WikiLeaks zugespielt zu haben.

Rolle in der US-Armee

Manning war in der Forward Operating Base Hammer, etwa 60 Kilometer östlich von Bagdad, stationiert.[3] Während seiner Stationierung im Irak von Mitte 2009 bis Mai 2010 soll er über das SIPRNet, ein Rechnernetz des Außen- und Verteidigungsministeriums der USA, Zugang zu geheimen Informationen gehabt haben, weil er in einem Aufklärungs- und Abwehrbataillon eingesetzt war. Ansonsten hätte er aufgrund seines Dienstgrades als Obergefreiter dazu keinen Zugang haben dürfen.[4] Während Manning in seinem Privatleben offen homosexuell lebt, verheimlichte er bei seinem Arbeitgeber seine sexuelle Orientierung aufgrund der während seiner Dienstzeit noch gültigen US-amerikanischen Regel „Don’t ask, don’t tell“.[5][6]

Verhaftung

Im Mai 2010 wurde Manning unter dem Verdacht verhaftet, Videos und Dokumente kopiert und als Whistleblower der Website WikiLeaks zugespielt zu haben.[7][8][9] Über den Hintergrund der Verhaftung gibt es unterschiedliche Darstellungen:
Einmal soll sich Manning einem Sicherheitsspezialisten der US-Regierung, Adrian Lamo, in einem Chat anvertraut haben. Drei Tage später informierte Lamo US-Staatsschützer, die den Chat mitverfolgten. Manning offenbarte, dass er die Daten auf eine CD gebrannt und als Musik-Videos von Lady Gaga beschriftet habe. Daraufhin nahmen die US-Behörden Manning am 26. Mai fest. Lamo hatte den Chat mitgeschnitten und bei Wired.com veröffentlicht.[10][11]
Nach anderer Ansicht soll Lamo als Mitarbeiter des geheimen „Projects Vigilant“, einem Selbstschutzprojekt unterstützt mit Spenden aus der freien Wirtschaft, über das Surfverhalten auf Manning aufmerksam geworden sein. Er habe nachweisen können, dass Manning das Video „Collateral Murder“ an WikiLeaks gesendet habe. Entweder Lamo oder der Leiter des Projekts, Chet Uber, sollen die Behörden informiert haben.[12]

Haft

Manning wurde zunächst im Camp Arifjan in Kuwait festgehalten und dann Ende Juli 2010 in ein Gefängnis auf der Marine Corps Base Quantico verlegt.[13] Dort ist er unter sehr scharfen Haftbedingungen in Einzelhaft. Er muss sich 23 Stunden am Tag in seiner Zelle aufhalten und hat auch in der restlichen Stunde keinen Zugang zu Nachrichten und aktuellen Informationen. Bettlaken oder Kissen werden ihm verwehrt.[14] Die Bedingungen entsprechen denen eines Supermax-Gefängnisses mit Isolationshaft,[15] die zu seelischen, kognitiven und körperlichen Schäden führen kann.

Im März 2011 wurde über seinen Verteidiger David Coombs bekannt, dass Manning ohne Erklärung seine Kleidung abgenommen worden und er gezwungen worden sei, nachts sieben Stunden lang nackt in seiner Zelle auszuharren. Danach habe er nackt vor seiner Zelle antreten müssen. Die gleiche erniedrigende Form der Behandlung sei ihm erneut angedroht worden.[16] Brian Villiard, ein Sprecher des Gefängnispersonals, bestätigte unter Berufung auf die Gefängnisregeln den Vorfall, der sich in der darauffolgenden Nacht wiederholte.[17][18]

Ein Bericht des amerikanischen Journalisten Glenn Greenwald über Mannings Haftbedingungen[19] fand im Dezember 2010 verschiedentlich Beachtung auch im deutschsprachigen Raum.[20][21][22][23][24][25] Greenwald hatte für einen früheren Bericht über den Fall Manning[26] im Oktober 2010 einen Preis für Onlinejournalismus zugesprochen bekommen.[27] Im selben Monat richteten Unterstützer Mannings eine Beschwerde wegen seiner Haftbedingungen an Manfred Nowak, den Sonderberichterstatter über Folter der Vereinten Nationen. Dessen Büro gab an, der Beschwerde nachzugehen, während das amerikanische Verteidigungsministerium die Vorwürfe zurückwies.[28][29] Im Januar 2011 warf Amnesty International der US-Regierung „unmenschliche Behandlung von Bradley Manning“ vor, forderte die Lockerung der Haftbedingungen, die „die Verpflichtungen der USA, Häftlinge menschlich zu behandeln“, verletzten und verfasste einen Offenen Brief an den amerikanischen Verteidigungsminister Robert Gates.[30][31]

Unterstützerpostkarte an Bradley Manning aus Portugal, August 2010

Vor dem Gefängnis in Quantico, in Montreal und international kam es zu Solidaritätskundgebungen mit Manning. Im Internet wurde von seiner Familie und Freunden eine Website seiner Unterstützer gegründet. Spenden von WikiLeaks zugunsten seiner Verteidigung beliefen sich im Januar 2011 auf 15.000 Dollar, die Gesamtsumme betrug zu diesem Zeitpunkt über 100.000 Dollar. Friedensaktivisten, Michael Moore und der ehemalige CIA-Offizier Ray McGovern erklärten sich solidarisch mit Manning.[32][33][34][35][36]

Anklage

Manning wurde nach den Artikeln 92 (Befehls- oder Regelverweigerung) und 134 (Generalklausel) des Uniform Code of Military Justice (UCMJ, dt.: „Einheitliches Gesetz der Militärgerichtsbarkeit“) angeklagt wegen Geheimnisverrats und unerlaubten Übertragens geheimer Informationen. Der konkrete Tatvorwurf lautet, geheime Daten auf seinen Rechner übertragen und eine nicht zugelassene Computersoftware einem geschützten Computersystem hinzugefügt zu haben als auch Informationen zur nationalen Verteidigung an eine nicht befugte Quelle vermittelt, übertragen und geliefert zu haben.[37] Dafür drohen ihm bis zu 52 Jahre Gefängnis. Ein Pflichtanwalt übernahm seine Verteidigung. Manning verweigert bisher die Aussage und kooperiert nicht mit der Anklage.[4][38]

Einem Bericht der britischen Tageszeitung The Independent zufolge erwog Eric Holder, der Generalbundesanwalt der Vereinigten Staaten, im Dezember 2010, Manning eine Form des Plea Bargaining anzubieten. Sollte Manning zugeben, von Julian Assange zu der ihm vorgeworfenen Tat angestiftet worden zu sein, könnten ihm im Gegenzug Hafterleichterungen oder ein geringeres Strafmaß zugesagt werden. Den amerikanischen Behörden wäre damit die juristische Verfolgung von Assange erleichtert worden,[39][40] es war ihnen jedoch nicht möglich, eine direkte Verbindung zwischen Manning und Assange nachzuweisen.[41] Assange seinerseits äußerte dazu, den Namen Mannings nicht gekannt zu haben, bevor dieser in den Medien auftauchte.[42]

Am 2. März 2011 wurde Manning in weiteren 22 Punkten angeklagt. Der Vorwurf der „Kollaboration mit dem Feind“ ist der am schwersten wiegende, da Manning hier die Todesstrafe droht. Manning habe die Dokumente in dem Wissen an die Öffentlichkeit gebracht, dass Feinde der Vereinigten Staaten darauf Zugriff erhalten würden. Er habe durch die Nennung der Namen von US-Informanten deren Leben gefährdet. Die Anklage sprach sich zwar nur für eine lebenslange Haftstrafe aus, eine Empfehlung, der ein Gericht in einem späteren Prozess jedoch nicht nachkommen muss.[43][44][45] Vor einem Prozess soll zunächst untersucht werden, ob Manning geistig zurechnungsfähig ist.[46]

Staatsbürgerschaft

Bislang wenig in den deutschprachigen Medien thematisiert ist die Tatsache der doppelten Staatsbürgerschaft Mannings, der neben der US-amerikanischen auch die Staatsbürgerschaft des Vereinigten Königreiches besitzt, was zu diplomatischen Verwicklungen führen könnte, da von Großbritannien eine Positionierung im Falle Mannings erwartet wird. Mit den Anfang März 2011 bekannt gewordenen neuen Anklagepunkten ist die Gefahr der Verhängung der Todesstrafe gegen Manning nähergerückt, die in der Europäischen Union abgeschafft ist und abgelehnt wird.[47] Die EU tritt für „die dauerhafte Abschaffung der Todesstrafe unter allen Umständen“ ein.[48]

Inhalt der Dokumente

Zu den von Manning weitergegebenen Videos sollen unter anderem die Aufnahmen des Beschusses und Todes irakischer Zivilisten und Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters durch einen amerikanischen Kampfhubschrauber am 12. Juli 2007 in Bagdad zählen, möglicherweise auch Aufnahmen des Luftangriffes bei Garani am 4. Mai 2009 im Westen Afghanistans. Auch die Informationen, die Ende November 2010 zu der Veröffentlichung von Depeschen US-amerikanischer Botschaften durch WikiLeaks führten, sollen auf ihn zurückgehen.[49][50]

Literatur

Commons: Bradley Manning – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Unterstützerwebseite für Manning. Abgerufen am 12. Dezember 2010.
  2. The Washington Post am 10. Juni 2010: Messages from alleged leaker Bradley Manning portray him as despondent soldier. Abgerufen am 4. Februar 2011.
  3. Kevin Poulsen and Kim Zetter: U.S. Intelligence Analyst Arrested in Wikileaks Video Probe. In: Wired, 6. Juni 2010 (online)
  4. a b Matthias Rüb: Der perfekte Sturm eines Obergefreiten In: FAZ, 29. November 2010, Nr. 278, S. 3 (online)
  5. Advocate:Berkeley weighs honor for Wikileaks leaker
  6. Oliver Das Gupta: Bradley Manning, der verratene Verräter. In: Süddeutsche Zeitung, 29. November 2010, erneut abgerufen am 13. Januar 2011
  7. Video des US-Angriffs auf irakische Zivilisten. Wikileaks-Informant verhaftet. In: taz, 7. Juni 2010 (online)
  8. US-Militär verhaftet angeblichen WikiLeaks-Informanten. In: Der Spiegel, 7. Juni 2010 (online)
  9. 22-jähriger Soldat als Army-Maulwurf verhaftet. In: Kronenzeitung, 8. Juni 2010 (online)
  10. Bradley Manning, der verratene Verräter von sueddeutsche.de, abgerufen am 5. Dezember 2010
  11. ‘I Can’t Believe What I’m Confessing to You’: The Wikileaks Chats - Mirror vom Chat zwischen Bradley Manning und Adrian Lamo. wired.com, 10. Juni 2010, abgerufen am 26. Januar 2011.
  12. Detlef Borchers: „Collateral Murder“-Video - Erstaunliche Wendung in Sachen Wikileaks. In: FAZ.Net und FAZ, 4. August 2010 (online)
  13. Army private transferred to Virginia amid WikiLeaks probe. In: cnn.com, 30. Juli 2010 (online)
  14. US accused of inhumane treatment over Wikileaks soldier case Amnesty International, 24. Januar 2011
  15. Berner Zeitung: Ein Verräter auf der Suche nach Anerkennung; 13. August 2010. Abgerufen am 17. Dezember 2010.
  16. Sueddutsche.de am 4. März 2011: Anwalt: Wikileaks-Informant musste nackt in Zelle warten. Abgerufen am 5. März 2011.
  17. gulli.com am 4. März 2011, Update 2: Bradley Manning: Haftbedingungen verschlechtern sich weiter (2. Update). Abgerufen am 5. März 2011.
  18. The Guardian am 4. März 2011: Bradley Manning 'forced to sleep naked'. Abgerufen am 5. März 2011 (englisch).
  19. "Glenn Greenwald. The inhumane conditions of Bradley Manning's detention" ([1])
  20. Telepolis am 16. Dezember 2010. Abgerufen am 17. Dezember 2010.
  21. 20 Minuten online, 16. Dezember 2010. Abgerufen am 17. Dezember 2010.
  22. Die Tageszeitung online vom 17. Dezember 2010: Sorge um Whistleblower Manning. Abgerufen am 17. Dezember 2010.
  23. Kurier vom 17. Dezember 2010: WikiLeaks-Informant schmort in Einzelhaft. Abgerufen am 17. Dezember 2010.
  24. Welt online vom 17. Dezember 2010: Wikileaks-Informant Manning verzweifelt in Einzelhaft. Abgerufen am 17. Dezember 2010.
  25. Annika Kremer bei gulli.com am 15. Dezember 2010: Bradley Manning: "Grausame und inhumane" Haftbedingungen. Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  26. The strange and consequential case of Bradley Manning, Adrian Lamo and WikiLeaks. Abgerufen am 17. Dezember 2010.
  27. Online News Association: Online Journalism Awards honor the best of the best. Abgerufen am 17. Dezember 2010.
  28. Kurier vom 23. Dezember 2010: WikiLeaks-Informant angeblich misshandelt. Abgerufen am 23. Dezember 2010.
  29. Guardian vom 23. Dezember 2010: UN to investigate treatment of jailed leaks suspect Bradley Manning. Abgerufen am 23. Dezember 2010.
  30. USA - Unmenschliche Haftbedingungen für Bradley Manning, Website Amnesty International, Deutschland, abgerufen 24. Januar 2011, 12.30 Uhr
  31. Offener Brief an Robert Gates. Abgerufen am 1. Februar 2011.
  32. gulli.com am 9. August 2010: Demonstranten erklären Solidarität mit Bradley Manning. Abgerufen am 3. März 2011.
  33. cnn.com am 8. August 2010: Activists rally to 'Free Bradley Manning' in WikiLeaks case. Abgerufen am 3. März 2011 (englisch).
  34. Montreal Gazette am 18. Dezember 2010: Montreal protesters rally in support of WikiLeaks. Abgerufen am 3. März 2011 (englisch).
  35. cnn.com am 14. januar 2011: WikiLeaks contributes to Manning defense, support group says. Abgerufen am 3. März 2011 (englisch).
  36. Daniel Domscheit-Berg: Inside WikiLeaks: Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt. S.180. Econ Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-430-20121-6.
  37. Manning Charge Sheet, 5. Juli 2010, abgerufen am 21. Dezember 2010
  38. Matthias Rüb: Mit Kanonen und Paragraphen In: FAZ, 17. Dezember 2010, Seite 4, abgerufen am 17. Dezember 2010
  39. The Independent UK vom 18. Dezember 2010. Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  40. Spiegel online vom 17. Dezember 2010: US-Justiz will Manning als Belastungszeugen ködern. Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  41. Der Standard am 26. Januar 2011: Kein Prozess? USA haben gegen Assange nichts in der Hand. Abgerufen am 4. Februar 2011.
  42. Washington Post am 22. Dezember 2010: UN looking into WikiLeaks suspect's treatment. Abgerufen am 23. Dezember 2010.
  43. NBC am 2. März 2011: Manning faces new charges, possible death penalty. Abgerufen am 3. März 2011 (englisch).
  44. gulli.com am 3. März 2011: Neue Vorwürfe gegen Bradley Manning erhoben. Abgerufen am 3. März 2011.
  45. Spiegel Online nach DPA, AFP am 3. März 2011: USA klagen WikiLeaks-Informanten in 22 Punkten an. Abgerufen am 3. März 2011.
  46. Zeit Online am 3. März 2011: US-Militär erweitert Anklage gegen Manning. Abgerufen am 5. März 2011.
  47. Guardian 1. Feb 2011, Newsfeed Time, Guardian 2. März 2011
  48. Europa.eu, betrieben von der Generaldirektion für Kommunikation der Europäischen Kommission: EU Leitlinien zur Todesstrafe. Abgerufen am 5. März 2011.
  49. Netze, Tricks und Informanten. In: tagesschau.de, abgerufen am 29. November 2010 (online)
  50. Markus Kompa: Völkerverständigung durch WikiLeaks. In: heise.de, 29. November 2010 (online)
  51. New York Times veröffentlicht E-Book über Wikileaks in: ZDNet vom 27. Januar 2011