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Lokale Agenda 21

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Lokale Agenda 21 - "Global denken - lokal handeln!"

Grundlage für die Erstellung einer Lokalen Agenda 21 ist die Agenda 21, welche von 173 Staaten am 14. Juni 1992 auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro verabschiedet wurde.

Auszug aus dem Kapitel 28 der Agenda 21:

"Bis 1996 soll sich die Mehrheit der einzelnen Länder gemeinsam mit ihren Bürgern einen Konsultationsprozess unterzogen und einen Konsens hinsichtlich einer "lokalen Agenda 21" für die Gemeinschaft erzielt haben."

Weltweiter Prozess

Weltweit haben in über 10.000 Städten und Gemeinden Menschen, Gruppen, Vereine, Verbände und Initiativen gemeinsam mit den Verwaltungen und Vertretern aus der Wirtschaft begonnen, sich für die Umsetzung der Agenda 21 auf lokaler Ebene einzusetzen. In Deutschland sind es bereits über 2400 Kommunen. Auf dem Weltgipfel zur nachhaltigen Entwicklung in Johannesburg 2002 fand auf der Local Government Session eine umfangreiche Bilanz von 900 Kommunalvertetern statt.

Dem Engagement zahlreicher BürgerInnen für eine lebenswerte Zukunft in ihrem Lebensumfeld, ihrer Gemeinde und Stadt steht die Tatenlosigkeit der großen Regierungen und der Wirtschaft gegenüber. Und dennoch machen gerade die Initiativen "von unten" Mut, denn sie verstehen sich als Teil des globalen Prozesses, der die Ideen der Agenda 21 auf lokaler Ebene umsetzt. Und das ist der Punkt der Hoffnung macht: Noch nie zuvor gab es eine Bewegung, die - zwar auf ihre eigenen Probleme angepasst, aber denkend Ziele und Maßnahmen zukunftsfähiger Politik diskutiert.

Die Agenda 21 ist kein Handlungsplan, bei dem Punkte einfach abgehakt werden können, es handelt sich vielmehr um einen Prozess, in dem die Strategien für ein nachhaltige Kommunalentwicklung entwickelt werden. Außerdem ist die Agenda 21 kein verbindliches, einklagbares Gesetz, aber die Tatsache, dass ihr 179 Regierungen zustimmten, macht sie zu einem sehr wichtigen Dokument. Ein bedeutender Punkt ist dabei, dass nicht nur die Regierungen aufgefordert sind, die Ziele umzusetzen. Alle Menschen sollen sich darüber Gedanken machen, wie sie in Zukunft leben wollen. Sie sind aufgefordert, ihr eigenes Konsumverhalten (Kapitel 4) zu überdenken, zu verändern und sich an Entscheidungsfindungen zu beteiligen. Dabei spielen die Kommunen und freie Initiativen, Vereine und Verbände eine große Rolle: Sie sollen in den Prozess einbezogen werden. [1999, S.Kreuzinger, H.Unger, Agenda 21 - Wir bauen unsere Zukunft.]

Lokale Agenda 21 Quo Vadis ?

Viele Akteure fragen sich, wo der Lokale Agenda 21 Prozess ihrer Kommune und die Lokale Agenda 21 Bewegung hinführt. Um die Gegenwart besser zu verstehen, ist ein kurzer Rückblick hilfreich (Quelle Transfer 21).

Anfangsphase (1992-1998)

In der Anfangsphase von 1994 bis 1997 (1. Generation) standen vorwiegend Umweltthemen und Projektarbeit im Mittelpunkt der örtlichen Agenda 21 Arbeit. Die Lokale Agenda 21 und auch das Thema Nachhaltigkeit war alles andere als eine "Selbstverständlichkeit". In dieser Zeit mußten erhebliche Widerstände überwunden und Vertrauen aufgebaut werden. In Bayern gab es 1997 erst 80 kommunale Agenda 21 Beschlüsse. Vorreiter war in Berlin die Lokale Agenda 21 Köpenick, in NRW die Lokale Agenda 21 Münster, in Bayern die Stadt München und die Altmühltal Agenda 21 (Landkreis Eichstätt, Naturpark Altmühltal). Oftmals ging die ersten Initiative (ab 1994) von kirchlichen Kreisen (Köpenick, Altmühltal) und Bildungseinrichtungen (München) aus.

Wachstumsphase (1998-2002)

Der Wendepunkt zur Wachstumsphase markiert der Rio plus 5 Erdgipfel in New York. Die Erfahrungen der 1. Generation wurde ausgewertet und führten zu einem Bündel von Verbesserungsmaßnahmen. Voraus z.B. in Bayern die Komma 21 Zentrale und diverse Förderprogramme erwachsen sind. Dabei ging es besonders darum, verbesserte Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Lokalen Agenda 21 Prozess zu schaffen. Ein wesentlicher Beitrag war dabei die Klärung der Schritte zur Lokalen Agenda 21.

Schon während der Wachstumsphase ist der Agenda-Prozess in Deutschland nach der Reduzierung öffentlicher Gelder ins Stocken geraten. Wobei es hier regional unterschiedliche Entwicklungen gab. Hinzu kommen je nach personellem Engagement der hauptamtlichen internen oder externen kommunalen Agenda-Beauftragten und dem Echo der zumeist ehrenamtlich tätigen Kommunalpolitiker mehr oder minder hohe Frustrationen bei den durchweg ehrenamtlich tätigen Agenda-Aktivisten.

Um den Prozess der Agenda-Arbeit wieder voranzutreiben, wurde deswegen 2001 auf Bundesebene die Deutsche Gesellschaft Agenda 21 und 2002 die Bundesweite Servicestelle Lokale Agenda 21 sowie auf Landesebene der bisher einzige Landesverband in Hessen gegründet. Nach Aussagen des derzeitigen hessischen Vorsitzenden, Friedrich Wilhelm Georg, verfolgt der hessische Landesverband neben der allgemeinen Förderung des ehrenamtlichen Engagements in der LA 21-Umsetzung speziell die Hervorhebung wirtschaftlicher Projekte. Im engeren Sinne orientieren diese sich an Schaffung wirtschaftlich vertretbarer Alternativen zu fossilen Energielieferanten zur Versorgung mit Energieträgern auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Im Focus steht dabei im Bundesland Hessen die Nutzung von Holz.

Qualitätsphase (2002-2017)

Lokale Agenda 21 ist heute zur "Selbstverständlichkeit" und zu einer weltweiten Bewegung geworden. Auf dem Weltgipfel in Johannesburg 2002 wurde in der Local Government Session Bilanz gezogen und die nächste Phase vorbereitet. Auch wenn es über 10.000 Prozesse weltweit gibt, kommt es vielerorts zu ersten Ermüdungserscheinungen. Manche Prozesse sind sogar völlig im "Sand" verlaufen. Viele Kommunen sind mitten auf dem Weg stehen geblieben oder vom Kurs abgekommen. Einige fehlen nur wenige Schritte bis zum erfolgreichen Zwischenziel. Durch die örtlichen Frustrationserfahrungen, aber auch durch die Namensähnlichkeit mit der Agenda 2000 und der Agenda 2010 hat das Image der Lokalen Agenda 21 in Deutschland stark gelitten. Auf der anderen Seite ist Nachhaltigkeit/Zukunftsfähigkeit zur zentralen Herausforderung der Kommunen in Deutschland und in der EU avanciert (vgl. Studie Deutschland 2020). Im Freistaat Bayern wurde die größte Evaluierung der Lokalen Agenda 21 in Deutschland mit 1097 Kommunen durchgeführt, welche sehr interessante Ergebnisse zu Tage gebracht hat.

Lokale Agenda 21 Prozesse der 3. Generation

Mit dem Modellprojekt "Visionen für Ingolstadt" wurden international neue Akzente gesetzt und die 3. Generation der Instrumente vorbereitet. Aufgrund der zahlreichen Erfahrungen der Prozesse der 2. Generation in Bayern, Deutschland und Europa wurde in der Stadt Ingolstadt, analog der Staaten und Landesregierungen der Paradigmenwechsel zur Lokale Nachhaltigkeitsstrategie vollzogen. Von Ralf Klemens Stappen wurde für die Stadt Ingolstadt, ein erster Protoyp der neuen Methodik entwickelt, welcher sich am UNDP/OECD Standard für "Sustainable Development Strategies" orientiert und erstmals auf dem Weltgipfel zur nachhaltigen Entwicklung 2002 in Johannesburg vorgestellt wurde. Wichtig ist dabei ein zyklisches und prozessorientiertes Verständnis von nachhaltigter Entwicklung und die Verankerung in einem Kommunalen Nachhaltigkeitsmanagement. Damit stehen heute starke Instrumente für die kommunale Zukunftsfähigkeit zur Verfügung und eine Professionalisierung der Praxis zeichnet sich langsam ab.

Weitere neue Instrumente sind z.B. :

  • das Leitbild der Bürgerkommune;
  • die Verzahnung mit übergeordneten Nachhaltigkeitsstrategie (z.B. der EU oder Deutschlands);
  • eine strategische Ausrichtung
  • Nachhaltigkeit als ganzheitliche Sicht als "Regenschirm" oder "Dach" für Wirtschaft, Umwelt, Soziales, Kultur, Eine Welt, etc. ,
  • breite und qualifizierte Bürgerbeteiligung,
  • good governance Strukturen für den Gesamtprozess;
  • hohe Ergebnisqualität;
  • verankerter Umsetzungsmodus;
  • Verzahnung mit anderen Instrumenten z.B. soziale Stadt;

Beispiel: Der Lokale Agenda 21 Prozess der Stadt Neumarkt

Die Stadt Neumarkt in der Oberpfalz (Region Nürnberg) hat als erste Stadt Deutschlands (mit dem Ingolstädter Verfahren) eine Lokale Nachhaltigkeitsstrategie mit Stadtleitbild und Stadtentwicklungsprogramm - im Rahmen eines Lokalen Agenda 21 Prozesses - entwickelt und beschlossen. Im Zentrum stehen 6 Leitbilder, 24 Leitsätze für die Zukunftsfähigkeit bis 2025, 17 Leitprojekte und 164 Maßnahmen und Einzelprojekte für eine nachhaltige Stadtentwicklung (vgl. Literatur). Neumarkt verfügt eine besondere lokale Nachhaltigkeitskultur, die sich z.B. darin ausdrückt, das die Ökobrauerei Lammsbräu, 2002 den Umweltpreis der Bundesstiftung Umwelt bekommen hat und somit eines der nachhaltigsten und ökologischsten Unternehmen Deutschlands beherbergt. Ein weitere Besonderheit ist das kirchliche Umweltmanagement in der Pfarrei Hl. Kreuz (im Rahmen der Diözesanen Agenda 21 des Bistums Eichstätt), die als erste Pfarrgemeinde Deutschlands nach EMAS (Öko-Audit) zertifiziert wurde, sowie die zahlreichen Nachhaltigkeitsprojekte des Landkreis Neumarkt.

Ähnliche Prozesse laufen in Oslo, Rugby und in Cardiff. Im Zentrum steht dabei eine Verküpfung mit der nachhaltigen Stadtentwicklung bzw. Gemeindeentwicklung.

Ziel der Qualitätsphase ist es die begonnen Lokale Agenda 21 Prozesse qualitativ abzuschließen (Zwischenergebnis Leitbild) und die Kommunen gut für die Herausforderung Nachhaltigkeit zu rüsten.

Impulse von Aalborg

In Europa wurde im Juni 2004 mit der Verabschiedung der Aalborg Commitments ebenfalls ein Kurswechsel vollzogen. Im Zentrum stehen heute Visionen, Leitbilder mit konkreten Zielen und Umsetzungsinstrumente z.B. in Form von Nachhaltigkeitsberichten.

Wir haben die Vision integrativer, prosperierender, kreativer und zukunftsfähiger Städte und Gemeinden, die allen Einwohnerinnen und Einwohnern hohe Lebensqualität bieten und ihnen die Möglichkeit verschaffen, aktiv an allen Aspekten urbanen Lebens mitzuwirken." (Aalborg Commitments 2004).

Sonstiges

"Wenn alle Menschen unseren Lebensstil übernehmen würden, bräuchten wir vier Planeten! Die haben wir aber nicht!"

-> Sustainable Development = zukunftssichernde, nachhaltige Entwicklung, auch im lokalen Bereich und regionalem Rahmen. Das Konzept der zukunftsbeständigen Entwicklung ist Grundlage der Agenda 21 und Richtschnur für alle Handlungskonzepte die darunter fallen.

Literatur

  • Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbaucher: Befragung zur Kommunalen Agenda 21. Ergebnisse, Standpunkte und Schlussfolgerungen aus der Evaluierung 2002/2003. München 2004
  • BMU: Lokale Agenda 21 und nachhaltige Entwicklung in deutschen Kommunen. 10 Jahre nach Rio: Bilanz und Perspektiven. Bonn 2002
  • Deutscher Städtetag: Kommunen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit. Kongressdokumentation. Köln/Berlin 2004
  • OECD /UNDP : Sustainable Development Strategies. 2002
  • Stadt Neumarkt: Zukunftsfähiges Neumarkt. Stadtleitbild Neumarkt i.d.Opf. Neumarkt 2004
  • Stadt Ingolstadt: Visionen für Ingolstadt. Leitbild und Lokale Agenda 21 Aktionsprogramm der Stadt Ingolstadt. Ingolstadt 2002

Siehe auch