Zum Inhalt springen

Benutzer:HeinrichKü/Entwurf „Entwurf und Parametrierung von Standard-Reglern“

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 3. März 2011 um 14:19 Uhr durch HeinrichKü (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Hauptkapitel Regler

Entwurf und Parametrierung von Standardreglern an Regelstrecken

Je nach Anforderung der Qualität des Regelung, der Stückzahl der Regler, die Art der vorhandenen Signale der Strecke, die Art der gegebenen Hilfsstromversorgung und auch ob Sicherheitsvorschriften berücksichtigt werden müssen, kann entschieden werden, ob ein unstetiger Regler, ein analoger Regler, ein digitaler Regler und evtl. redundante Einrichtungen eingesetzt werden können.

Was grundsätzlich bei der Auswahl des Reglers und der Parametrierung interessiert:

  • zeitliches Verhalten der Regelgröße bis zum Erreichen des Sollwertes
  • Höhe der Überschwingung bzw. den Dämpfungsgrad
  • Verhalten des Einflusses der Störgrößen.
(Siehe Kapitel Einfluss der Störgrößen)
  • Nach welchen Gesichtspunkten erfolgt die Parametrierung des Reglers

Für die Auswahl des Reglers und dessen Parametrierung muss die Regelstrecke bekannt sein. Der idealste Fall wäre gegeben, wenn die Beschreibung der Regelstrecke als Übertragungsfunktion (LZI-System) vorliegen würde. Dies ist jedoch selten gegeben. Deshalb müssen Maßnahmen ergriffen werden, die Übertragungsfunktion der Regelstrecke durch geeignete Verfahren zu ermitteln. Siehe dazu Kapitel „Experimentelle Identifikation von Regelstrecken“


Parametrierung eines PID-Reglers für eine lineare Regelstrecke

Bei den linearen Standardreglern spielen Materialkosten keine Rolle, wenn es um die Entscheidung geht, einen P-, PI-, PD- oder PID-Regler zu verwenden. Es wird hier ein Beispiel des PID-Reglers betrachtet. Wie schon im Kapitel „Lineare Standardregler“ definiert, hat der PID-Regler folgende Eigenschaften:

  • Er kann 2 PT1-Glieder der Strecke kompensieren und damit die Strecke vereinfachen,
  • Er hat vermeidet eine statische Regelabweichung,
  • Bedingt durch den I-Anteil fügt der Regler eine Polstelle mit 180 ° Phasenverschiebung in die Übertragungsfunktion des offenen Regelkreises ein.

Allen der nachfolgend geschilderten Verfahren der Parametrierung ist gemeinsam, dass für eine erfolgreiche Dimensionierung des Regelkreises noch weitere Einflüsse berücksichtigt werden müssen:

  • Bei analogen Bauelementen müssen bei D-Gliedern sogenannte parasitäre Verzögerungen berücksichtigt werden.
  • Bei analogen und digitalen Reglern müssen Amplituden-Begrenzungen berücksichtigt werden, die das Regelverhalten stark beeinflussen können,
  • Ein gefordertes Störverhalten muss evtl. auf Kosten des guten Führungsverhaltens berücksichtigt werden.

Regelstrecke für 3 Fallbeispiele:

Steckenparameter einer Srungantwort durch die Tangente am Wendepunkt

Es wird eine Regelstrecke 4. Ordnung mit folgender Übertragungsfunktion betrachtet:

Gs1(s ) = 1 / [(2,4*s+1)*(1,2*s+1)*(0,6*s+1)*(0,1*s+1)]

Beispiel-Anwendungen:

  • 1. Es wird angenommen, dass die Regelstrecke nach G1(s) als Sprungantwort grafisch vorliegt. Ermittlung der Streckenbeiwerte einer Ersatzstrecke aus der Sprungantwort Gs1(s) nach dem Wendetangentenverfahren.
Dimensionierung eines PID-Reglers nach dem Faustformelverfahren.
Darstellung der Sprungantwort des Regelkreises.
  • 2. Dimensionierung eines PID-Reglers für die Strecke Gs1(s) nach dem Verfahren der Polstellen-Nullstellenkompensation.
Darstellung der Sprungantwort des Regelkreises.
  • 3. Von der Regelstrecke Gs1(s) wird angenommen, dass sie nur als Sprungantwort vorliegt und eine Ersatz-Übertragungsfunktion gefunden wurde.
Dimensionierung eines PID-Reglers nach dem Verfahren der Polstellen- Nullstellenkompensation.
Darstellung der Sprungantwort des Regelkreises.


Beispiel PID-Reglerstruktur für vorgegebene Einstellwerte (Faustformelverfahren)

Für die Verfahren zur Identifikation der Regelstrecke, die sich nicht auf die Definition der Ersatz-Übertragungsfunktion (Ziegler-Nichols, T-Summenregel) sondern auf Einstelldaten für verschiedene Standardregler beziehen, kommt für die Anwendung des PID-Reglers nur die Parallelstruktur in Frage:

GR(s) = Kp*(1+1/(Tn*s)+Tv*s)

Die Werte für die Vorhaltezeit Tv und der Nachstellzeit Tn sind nach dieser Gleichung definiert, wenngleich eine Umrechnung in die Produktdarstellung sich genau so darstellt, wie im nachfolgenden Beispiel definiert, haben die Beiwerte Kp, Tn und Tv eine andere Bedeutung, sie sind mit einander verknüpft.

Nach Chiem, Hrones und Reswick können für die 3 erforderlichen Parameter des PID-Reglers solche Werte gewählt werden, dass für den geschlossenen Regelkreis die Sprungantwort aperiodisch oder mit 20% Überschwingungen verläuft. Des Weiteren können diese beiden Fälle noch mit unterschiedlichen Führungseigenschaften und Störeigenschaften gewählt werden.

Sprungantwort eines Regelkreises nach dem "Faustformelverfahren"

Für einen PID-Regler mit Führungsverhalten und aperiodischem Einschwingen der Regelgröße werden folgende Einstellwerte angegeben:

Kp = 0,6*Tg / (Ks*Tu), Tn = Tg, Tv = 0,5*Tu

Man darf davon ausgehen, dass es sich bei diesen Angaben nur um „Annäherungswerte“ handelt, denn es ist nicht bekannt, wie diese Daten entstanden sind:

  • Ungenauigkeiten beispielsweise bei dem Wendetangentenverfahren als Funktion der Sprungantwort unterschiedlicher Ordnung der Verzögerungsglieder.
  • Unter welchen Signalbegrenzungen wurden die Einstelldaten gewonnen? Es darf angenommen werden, dass im Jahre 1952 nur Analogrechner zur Verfügung standen.
  • Wie wurde mit dem D-Glied differenziert, hat man eine parasitäre Zeitkonstante berücksichtigt?
  • Welche Störungsübertragungsfunktion wurde berücksichtigt. Greift die Störung am Eingang der Strecke oder am Ausgang der Strecke an?


Grafische Darstellung

Die dargestellten 2 Abbildungen beziehen sich auf die Ermittlung der Ersatzstrecke nebst Kennwerten und der Sprungantwort des so dimensionierten Regelkreises mit PID-Regler. Für die Parametrierung des Reglers wurde „Führungsverhalten mit aperiodischem Einschwingen" gewählt. Der Verlauf der Regelgröße zeigt kein aperiodisches Verhalten und ist außerdem schlecht gedämpft.


Beispiel PID-Reglerstruktur für eine Regelstrecke 2. oder höherer Ordnung mit bekannter Übertragungsfunktion

Parametrierung eines PID-Reglers nach der Polstellen- Nullstellenkompensation

Liegt die Übertragungsfunktion der Strecke vor, empfiehlt sich für die Parametrierung des Reglers die Methode der Polstellen-Nullstellenkompensation anzuwenden. Der PID-Regler wird in Produktschreibweise definiert, d.h. der PID-Regler wird aus den Anteilen der Gesamtverstärkung des offenen Kreises und den beiden PD-Gliedern zusammengefasst.

  • Gesamtverstärkung K = KPID*Ks
  • PD-Glied Gr1(s) = Tv1*s+1)
  • PD-Glied Gr2(s) = Tv2*s+1)
  • I-Glied Gr3(s) = 1 / s

Damit stehen 2 unabhängige PD-Glieder für die Kompensation von 2 PT1-Gliedern zur Verfügung. Die Übertragungsfunktion des PID-Reglers lautet damit:

Gr(s) = K*(Tv1*s+1)*(Tv2*s+1) / s

Strategie der Dimensionierung des PID-Reglers nach der Polstellen- Nullstellenkompensation

Es werden die 2 Verzögerungsglieder mit den größten Zeitkonstanten kompensiert. Damit fehlt nur noch die Dimensionierung von K. Der damit wirksame offene „Rest-Regelkreis“ nach der Kompensation besteht noch aus K, I-Glied und einem oder mehreren PT1-Gliedern.

Für die Berechnung der Gesamtverstärkung K des Reglers gibt es einfache Zusammenhänge, die davon abhängen, ob weitere Verzögerungen oder eine Totzeit der Strecke vorliegen.

Durch Analyse eines Regelkreises bestehend aus einem I-Glied und einem PT1-Glied kann man nachweisen, dass für eine bestimmte Kreisverstärkung K für beliebig große PT1-Glieder mit der Zeitkonstante T eine konstante Dämpfung der Regelgröße erreicht wird.

K = 0,5 / T für eine Überschwingung der Sprungantwort von 5 % für alle T-Werte,
K = 0,7 / T für eine Überschwingung der Sprungantwort von 10 % für alle T-Werte.

Liegen noch weitere Verzögerungen vor, können die Zeitkonstanten addiert werden, mit dem Nachteil, dass sich die Dämpfung verschlechtert.


Mit diesen Angaben kann ein PID-Regler für eine nichtschwingende PT3-Regestrecke – also 3. Ordnung – direkt für gutes Führungsverhalten dimensioniert werden.

  • Bei insgesamt 2 Verzögerungen

Wenn keine weiteren Verzögerungen vorhanden sind, kann für K theoretisch eine unendliche Verstärkung gewählt werden.

  • Bei insgesamt 3 bis 4 Verzögerungen

Wenn nur eine weitere 3. bzw. eine dominante Zeitkonstante T3 und eine 4. wesentlich kleinere Zeitkonstante T4 vorliegt, gilt folgende Beziehung:

K = 0,7 / T3 oder K = 0,7 / ( T3+T4)

Bei dieser Verstärkung K ergibt sich eine Überschwingung von 10 % für die Sprungantwort!


Grafische Darstellung

Die Sprungantwort zeigt entsprechend der Parametrierung des PID-Reglers den gewünschten Verlauf. Wegen der Zeitkonstante T4 beträgt die Überschwingung anstatt 10% ca. 12%.


Beispiel: PID-Reglerstruktur für eine Regelstrecke mit 2 Verzögerungen und einer Totzeit

Steckenparameter nach einer Ersatzregelstrecke mit 2 PT1-Gliedern und einer Totzeit

Siehe Kapitel „Experimentelle Identifikation von Regelstrecken“

Für die im Beispiel aufgeführte Regelstrecke Gs1(s) wurde aus der Sprungantwort eine Ersatz-Übertragungsfunktion Gs2(s) durch ein Simulationsprogramm gefunden, das aus 2 gleichen PT1-Gliedern und einem Totzeitglied besteht. Der Verlauf der Sprungantworten beider Regelstrecken unterscheidet sich um weniger als 1 % des Maximalwertes. Die Übertragungsfunktion der Ersatzregelstrecke lautet:

Gs2(s) = e^(-sTt) / (T*s+1)² = e^(-s*0,5) / (1,9*s+1)²

Der empfohlene PID-Regler wird in faktorieller Darstellung wie im vorhergehenden Beispiel definiert:

Gr(s) = K*(Tv1*s+1)*(Tv2*s+1) / s

Durch Analyse eines Regelkreises bestehend aus einem I-Glied und einem Totzeitglied kann man nachweisen, dass für eine bestimmte Kreisverstärkung K für beliebig große Tt-Werte eine konstante Dämpfung der Regelgröße erreicht wird.

K = 0,5 / Tt für eine Überschwingung der Sprungantwort von 5 % für alle Tt-Werte,
K = 0,6 / Tt für eine Überschwingung der Sprungantwort von 10 % für alle Tt-Werte.

Die Ermittlung der Parameter erfolgt durch die Polstellen-Nullstellenkompensation.

Tv1 = 1,9 [s], Tv2 = 1,9 [s], K = 0,6 / 0,5 = 1,2 für 10 % Überschwingungen.


Grafische Darstellung

Bei der in diesem Beispiel dargestellten Grafik wird in der Simulation als Regelstrecke die (eigentlich unbekannte) Originalfunktion Gs1(s) berücksichtigt. Die Parametrierung des Reglers erfolgte nach der durch Simulation gefundenen Ersatzfunktion. Die Sprungantworten der beiden Regelstrecken Gs1(s) und Gs2(s) sind nahezu identisch. Der Verlauf der Regelgröße ist ähnlich wie in dem vorherigen Beispiel mit direkter Parametrierung des Reglers nach der Übertragungsfunktion Gs1(s).


Einschränkungen:

Die nach diesen Vorgaben eingesetzte Strategie der Auslegung des PID-Reglers für eine gegebene Regelstrecke nach Beispiel 2 uns 3 ist einfach und ergibt in der Simulation des Regelkreises für eine Sprungantwort ein gutes Führungsverhalten, dass nicht nachjustiert werden muss.

In der Realität müssen die nachfolgend geschilderten Punkte beachtet werden:

  • Parasitäre Zeitkonstante
Für den Einsatz analoger Regler mit einem D-Glied muss eine kleine parasitäre Zeitkonstante hinzugefügt werden, anderenfalls würde die Ausgangsstufe von der Eingangsimpedanz des D-Gliedes zu stark belastet. Diese zusätzliche Verzögerung führt in dem geschlossenen Regelkreis zu einer Verschlechterung der Dämpfung.
  • Signalbegrenzungen
Bei analogen Reglern lassen sich Signalbegrenzungen nicht vermeiden. Das Ziel muss sein, wenigstens im Arbeitsbereich des Reglers für eine Regelgröße von 100 % die Begrenzungen erst bei dem 5- bis 10-fachen Wert wirken zu lassen. Die Begrenzung der Strecke muss der des Reglers angepasst sein.
Bei digitalen Reglern ist zu prüfen, ob die Schnittstelle Regler-Strecke die genannten Bedingungen einhält.
  • Forderungen der Störverhaltens
Wenn die Störgröße am Ausgang der Regelstrecke angreift, bestimmt die sogenannte charakterische Gleichung - das Nennerpolynom - das Verhalten der Störungsübertragungsfunktion. Die charakteristische Gleichung ist für das Führungsverhalten wie auch für das Störverhalten identisch. Durch Erhöhung der Kreisverstärkung wird das Abklingen der Störung reduziert und gleichzeitig die Dämpfung verschlechtert.
Greift die Störung z.B. am Eingang der Regelstrecke an, muss ein Kompromiss zwischen guter Führungs- oder Störungseigenschaft getroffen werden. Eine Reduzierung der Amplitude dieses Störeinflusses erfordert eine Erhöhung der Kreisverstärkung und der Zeitkonstanten Tv. Damit verschlechtert sich die Dämpfung der Regelgröße u.U. erheblich. Ein guter Kompromiss kann mit einem Simulationsprogramm gefunden werden.
  • Sind die Parameter der Regelstrecke auf Dauer konstant?








Systemtheorie (Ingenieurwissenschaften)

Der Begriff der Systemtheorie wird in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen angewendet und hat in Bezug auf den Primärbegriff "System" keine einheitliche Bedeutung. Systeme können sich als physikalische, ökologische, ökonomische, soziale oder biologische Systeme klassieren. Diese lassen sich wiederum als mathematische oder physikalische Modelle darstellen.

Die Systemtheorie der Ingenieurwissenschaft wird selten als eine eigenständige Disziplin aufgefasst, sondern sie ist notwendiger Bestandteil des Fachwissens in der Forschung, Lehre und technischer Bereiche wie Automatisierung, Mess- und Regelungstechnik, Verfahrenstechnik, Informatik, Elektrotechnik und andere.

Grundsätzlich bezieht sich die Systemtheorie auf einen Prozess innerhalb eines abgegrenzten dynamischen Systems beliebiger Struktur von Einzelsystemen mit beliebiger Anzahl von Eingangs- und Ausgangsgrößen. Sie analysiert und synthetisiert dynamische Systeme als Übertragungssystem und die Signale der Systemschnittstelle.

Methoden der Systemtheorie:

  • Systemdefinition
  • Lineare und nichtlineare Systeme
  • Systeme mit Zeitinvarianz und Zeitvarianz
  • Arten der mathematischen Beschreibung des Systemverhaltens
Gewöhnliche Differenzialgleichung im Zeitbereich f(t)
Übertragungsfunktion im komplexen Frequenzbereich F(s)
Systemdarstellung im Zustandsraum
Numerische Systemberechnung mit der diskreten Zeit Δt
  • Modellbildung eines Systems
  • Definition geeigneter Testsignale
  • Identifikation der Systemstruktur
  • Identifikation des Systems aus der Systemantwort
  • Definition von Mehrgrößensystemen
  • Allgemeine Definition der Systemstabilität


Dynamische Systeme

Ein dynamisches System ist eine Funktionseinheit mit einem bestimmten Zeitverhalten und hat mindestens einen Signaleingang und einen Signalausgang. Es ist meist ein mathematisches Modell eines realen Übertragungssystems, welches mit Hilfe mathematische Werkzeuge für gegebene Eingangssignale den Verlauf der Ausgangssignale eines bestimmten Zeitpunktes t = 0 = t(0) für t > t(0) detailliert bestimmt.

Ausnahmsweise werden auch physikalisches Modelle verwendet. Beispiele: Strömungskanal im verkleinertem Maßstab, Regelkreisnachbildung mit einem Analogrechner.

Das zeitliche Verhalten des dynamischen Systems ist durch die inneren Systemgrößen bestimmt, die als Energiespeicher vorhanden sind und sich nicht sprunghaft ändern können. Sie bedeuten z.B. Spannung an einem Kondensator, Strom in einer Induktivität, bei einem Feder-Massesystem die potentiellen und kinetischen Energieanteile.

Diese Systeme können sich linear, nichtlinear, zeitinvariant und zeitvariant als Eingrößen- und Mehrgrößensystem verhalten.

In der Systemtheorie ist es üblich, den Beginn des Beobachtungszeitraumes eines dynamischen Vorganges formal bei t = 0 festzulegen, daher sind Testsignale am Eingang des Systems für den Zeitraum t < 0 alle Null. Zu dem bestimmten Zeitpunkt t = 0, ab dem man das Verhalten des dynamischen Systems betrachten möchte, können die Energiespeicher Werte (Anfangswerte) enthalten. Für ein gegebenes Eingangssignal an dem linearen dynamischen System ergibt sich als Lösung eine Addition aus 2 Lösungsanteilen, der homogenen und partikulären Lösung, die einen Funktionsverlauf f(t) der Ausgangsgröße des Systems darstellen.

Ein statisches System im Sinne der Systemtheorie hat verschwindend kleine Energiespeicher und damit angenähert kein Zeitverhalten, sondern wird durch das Eingangs-Ausgangsverhalten des Systems definiert. Dieses Verhalten kann proportional, kontinuierlich linear, kontinuierlich nichtlinear oder diskontinuierlich (gebrochene Funktion) auftreten und wird -soweit möglich - durch eine mathematische Modellbeschreibung oder durch Wertetabellen angenähert beschrieben.

Die häufigste Darstellungsart des Eingangs-Ausgangs-Ubertragungsverhaltens eines linearen dynamischen Systems mit verschwindenden Anfangsbedingungen ist die Übertragungsfunktion G(s) mit der komplexen Frequenz s.

Beschreibungen und Berechnungen des Verhaltens von linearen Systemen im s-Bereich setzen für die systembeschreibende Differenzialgleichung in f(t) wie auch für das Eingangssignal u(t) eine Transformation in f(s) voraus. Der Vorteil dieser Systembeschreibung liegt in der einfachen algebraischen Behandlung. Durch Rücktransformation der Übertragungsfunktion mit einem gewählten Eingangssignal u(s) erfolgt die Darstellung der Ausgangsgröße y(t) im Zeitbereich.

Von Interesse ist aber auch das Eigenverhalten eines Systems, dessen Energiespeicher Anfangsbedingungen zur Zeit t = 0 haben. Für diese Anwendungen kommen andere mathematische Werkzeuge wie Lösungsverfahren der homogenen und partikulären inhomogenen Differenzialgleichung infrage.

Modelle (Siehe auch Modellbildung) eines realen dynamischen Übertragungssystems werden mathematisch beschrieben durch:

  • Differenzialgleichungen
Die Beschreibung von linearen, zeitinvarianten Systemen mit konzentrierten Energiespeichern (im Gegensatz zu Systemen mit verteilten Speichern → Partielle Differenzialgleichung) erfolgt mit gewöhnlichen Differenzialgleichungen mit konstanten Koeffizienten. Von Interesse ist die homogene und partikuläre Lösung der inhomogenen Differenzialgleichung.
  • Übertragungsfunktion
Für lineare zeitinvariante Systeme ist die Übertragungsfunktion die häufigste Darstellungsform für das Ausgangs- Eingangsverhalten eines Übertragungssystems im komplexen Frequzenzbereich mit der komplexen Variable s.
Sie entsteht durch die Laplace-Transformation der Terme der systembeschreibenden gewöhnlichen Differenzialgleichung mit konstanten Koeffizienten. Die Analyse verschiedener Arten einer linearen gewöhnlichen Differenzialgleichung beliebiger Ordnung ergibt maximal 3 verschiedene Grundpolynome der Übertragungsfunktion, nämlich ein Monom (Ts), Binom (Ts+1) und Trinom (T2s + 2DTs + 1). Diese haben ein völlig unterschiedliches Übertragungsverhalten, ob sie im Nenner (verzögernd) oder Zähler (differenzierend) einer Übertragungsfunktion stehen.
  • Zustandsraumdarstellung
Das Zustandsraummodell kann für nicht sprungfähige Systeme direkt aus den Koeffizienten der systembeschreibenden Differenzialgleichung oder der zugehörigen Übertragungsfunktion erstellt werden. Es gilt als ingenieurtechnisch geeignete Methode der Analyse und Synthese dynamischer Systeme im Zeitbereich und ist besonders effizient bei der regelungstechnischen Behandlung von Mehrgrößensystemen, nichtlinearen und zeitvariablen Übertragungssystemen.
  • Numerische Beschreibung linearer und nichtlinearer Systeme
Relativ einfache Übertragungssystem-Strukturen mit nichtlinearen Elementen, Begrenzungseffekten und Totzeitsystemen sind durch konventionelle Rechenmethoden im kontinuierlichen Zeitbereich nicht mehr geschlossen lösbar. Abhilfe bietet die numerische Berechnung im diskreten Zeitbereich Δt.
Derartige Modellberechnungen insbesondere bei Systemen höherer Ordnung, linear oder nichtlinear, ohne und mit Anfangswerten sind besonders anschaulich verständlich, weil sie das Zeitverhalten einer Kette von Einzelsystemen für einen kleinen Zeitschritt beschreiben, so wie sich das Übertragungssystem auch in der Realität darstellt.


Beschreibung linearer Prozesse im Zeitbereich

Ein reales dynamisches System kann durch das Aufstellen von Differenzialgleichungen modelliert werden. Dazu werden für die Energie-/Materie-Speicher zunächst Bilanzgleichungen benötigt.

Fur jeden konzentrierten Speicher entsteht eine Differenzialgleichung erster Ordnung mit der Ableitung der Ausgangsgröße y(t). Das Verhalten eines linearen Systems wird vollständig durch die Lösung der Differenzialgleichung wiedergegeben.

Beispiele für Differenzialgleichungen erster Ordnung:

Die Lösung der Differenzialgleichung setzt sich immer aus den Lösungsanteilen der homogenen und partikulären inhomogenen Differenzialgleichung zusammen.

  • Die homogene Lösung bezieht sich auf die Anfangswerte der Systemspeicher. Die Eingangsgröße der Differenzialgleichung ist dabei zu Null gesetzt. Sind die Anfangswerte Null, ist auch die Lösung der Differenzialgleichung die Ausgangsgröße yH(t) = 0.
  • Die partikuläre Lösung yP(t) bezieht sich auf eine von Null verschiedene Eingangsgröße u(t) bei denen die Systemspeicher den Wert Null haben. Diese Lösung des Eingangs- Ausgangsverhaltens eines Systems interessiert in den meisten Anwendungsfällen.
  • Durch die Laplace-Transformation der systembeschreibenden Differenzialgleichung linearer Übertragungssysteme werden Systeme bei verschwindenden Anfangsbedingungen vom Zeitbereich in den sogenannten Bildbereich (s-Bereich) mit der komplexen Frequenz s übertragen.
Das Produkt der Übertragungsfunktion mit dem Laplace-transformierten Eingangssignal U(s) ergibt das Ausgangssignal
Y(s) des Systems. Mit der inversen Laplace-Transformation entsteht die gesuchte Lösung der Ausgangsgröße y(t) eines Übertragungssystems als Funktion der Eingangsgröße u(t) im Zeitbereich. Sie entspricht der partikulären Lösung der dem System zugehörigen Differenzialgleichung.
Signale und Übertragungsfunktionen im s-Bereich können entsprechend ihrer Systemstruktur (Reihenschaltung, Parallelschaltung, Rückkopplungsschaltung) beliebig algebraisch behandelt werden.
Durch die Analyse der Pole und Nullstellen der Übertragungsfunktion ergeben sich wichtige Aussagen über das Systemverhalten wie Eigendynamik, Stabilität und Zeitverhalten.


Linearität und Nichtlinearität:

Linearisierung im Arbeitspunkt eines nichtlinearen Systems

Linearität eines Übertragungssystems bedeutet für alle Systembeschreibungen:

  • Lineare Kennlinien,
  • Lineare Gleichungen,
  • Lineare Differenzialgleichungen.

Diese lineare Systemeigenschaft ist häufig nicht gegeben, da viele zusammenwirkende Systeme z. B. in der Regelungstechnik bei Ventil-Kennlinien, Stellgrößenbegrenzungen oder Schaltvorgängen keine Linearität aufweisen.

Ein dynamisches System verhält sich linear, wenn die Wirkungen zweier linear überlagerter Eingangssignale sich am Ausgang des Systems in gleicher Weise linear überlagern (= Superpositionsprinzip).

Wird für ein Eingangssignal

die dargestellte Signalkombination gesetzt, so fordert das Superpositionsprinzip, dass die Ausgangsgröße des linearen Systems sich wie folgt darstellen lässt:

Beispiele nichtlinearer Übertragungssysteme


Ein nichtlineares System kann entweder in Form nichtlinearer statischer Kennlinien oder in Form nichtlinearer Operationen wie Multiplikation oder Division von Variablen in algebraischen Gleichungen und Differentialgleichungen auftreten.

Wird ein nichtlineares Übertragungssystem (z. B. ein Regelkreis) in einem festen Arbeitspunkt betrieben, dann kann das nichtlineare Verhalten des Systems durch ein lineares Modell für die nähere Umgebung des Arbeitspunktes ersetzt werden.

  • Jeder nichtlineare Zusammenhang kann im Kleinsignalverhalten näherungsweise linear beschrieben werden.
  • Die Näherung wird um so besser, je kleiner der Differenzenquotient y(t) zu u(t) am Arbeitspunkt ist.

Ist eine nichtlineare Funktion als grafische Kennlinie gegeben, dann kann durch Anlegen einer Tangente im gewünschten Arbeitpunkt die Steigung der Tangente für die linearsierte Beziehung bestimmt werden

Nichtlineare Differenzialgleichungen können ebenfalls um einen stationären Arbeitspunkt linearisiert werden, bei dem die zeitlichen Ableitungen zu Null gesetzt sind.


Groß- und Kleinsignalverhalten

  • Großsignale sind wirklich gemessene Signale
Beispiel: Maximaler Sollwertsprung an einer Regeleinrichtung. Gemessene Sprungantwort der Regler-Stellgröße und der Regelgröße. Analyse der Problematik häufig vorkommender Stellgrößenbegrenzung, die zu nichtlinearem Verhalten führen.
  • Kleinsignalverhalten
Kleine Signalabweichungen um den Arbeitspunkt eines linearen Übertragungssystems müssen sich nicht proportional und identisch mit großen Signalabweichungen verhalten.
Beispiel: Für kleine Sollwert-Änderungen an einer Regeleinrichtung müssen nicht zwangsläufig Stellgrößenbegrenzungen auftreten.

Kausalität:

Eine wichtige Eigenschaft dynamischer Systeme ist ihre Kausalität. Sie besagt, dass der Wert der Eingangsgröße zur Zeit t = t(0) das Verhalten des Systems nur für künftige Zeitpunkte t ≥ t(0) beeinflussen kann.

Eine Eingangsgröße zum Zeitpunkt t = t0 kann nur den gegenwärtigen und den zukünftigen Verlauf t ≥ t0 der Ausgangsgröße beeinflussen.

Zeitinvarianz:

Ein dynamisches Übertragungssystem ist zeitinvariant, wenn es über die Zeit nicht ändert. D.h. die Systemantwort y(t+t0) auf ein identisches Eingangssignal u(t+t0) ist von t0 unabhängig. Die Parameter der mathematischen Systembeschreibung sind zeitlich unveränderlich (invariant).

Zeitvarianz

Ein zeitvariantes System verhält sich zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich. Bei technischen Systemen liegt der Grund dafür meist in zeitabhängigen Parameterwerten, z. B. durch Änderung der Koeffizienten der Energiespeicher [zeitabhängige Koeffizienten der Ableitungen y(t)].

Beispiel für ein typisches zeitvariantes Verhalten ist eine startende Rakete, deren Masse sich durch den verbrauchten Treibstoff ändert. Häufig spielt bei kleineren Massen der mechanische Verschleiß eine Rolle.


Zeitverhalten elementarer Übertragungsglieder der Übertragungsfunktion

Blockschaltbilder erlauben eine übersichtliche Darstellung von dynamischen Prozessen und deren Signalflüsse.

Die häufigste Darstellungsform für das Eingangs- Ausgangsverhalten eines linearen Übertragungssystem ist die Übertragungsfunktion. Sie ist eine abstrakte nicht meßbare mathematische Beschreibung für das Verhalten eines linearen zeitinvarianten Systems im Frequenzbereich mit der komplexen Variable s.

Der mathematische Begriff einer gebrochenen rationalen Funktion ist definiert als Quotient zweier Polynome, wobei die Ordnung des Systems im Nenner höher als im Zähler sein muß. Solche Systeme sind technisch realisierbar und entsprechen dem Eingangs- Ausgangsverhalten eines Übertragungssystems im sogenanten s-Bereich (Bildbereich).

Eine systembeschreibende gewöhnliche Differenzialgleichung kann mit der Laplacetransformation in eine Übertragungsfunktion zunächst in Polynomdarstellung als gebrochene rationale Funktion geschrieben werden. Durch Bestimmung der Nullstellen im Zähler und Nenner dieser Funktion kann die Polynomdarstellung in eine Produktdarstellung mit Linearfaktoren überführt werden.

In der Produktdarstellung der Übertragungsfunktion können folgende Terme 1. und 2. Ordnung mehrfach auftreten:

  • Produktterme 1. Ordnung (Linearfaktoren): s+a
oder in Zeitkonstantendarstellung umgerechnet: T*s+1
  • Linearfaktoren ohne Absolutglied : s + 0 = s,
  • Produkterme 2. Ordnung (quadratische Faktoren): s2 + p*s + q,
Gilt nur für konjugiert komplexen Nullstellen! In Zeitkonstantendarstellung: T2*s2+2*D*T*s+1

Diese 3 nicht mehr aufspaltbaren Teilsysteme (Linearfaktoren) haben ein völlig unterschiedliches Übertragungsverhalten im Zeit- und Bildbereich, ob sie im Nenner oder Zähler der Übertragungsfunktion stehen. Komplizierteste lineare Systeme höherer Ordnung setzen sich aus diesen Teilystemen zusammen.

Diese Linearfaktoren haben differenzierendes Verhalten, wenn sie im Zähler der Übertragungsfunktion stehen und integrierendes oder zeitverzögerndes Verhalten, wenn sie im Nenner stehen. Sie werden auch als phasenminimale oder reguläre Systeme bezeichnet.
Phasenminimumsysteme sind rationale Übertragungsfunktionen G(s) ohne Totzeit, die nur Pole und Nullstellen in der linken s-Halbebene haben:

Lineare Systeme mit verzögerndem Verhalten:

Die nachstehenden Teilsysteme können beliebig im Zähler und Nenner einer Übertragungsfunktion G(s) entsprechend der Gesamtsystemstruktur multiplikativ und / oder additiv kombiniert werden.

  • Integrierglied, Kurzform: I-Glied:
  • Verzögerungsglied, Kurzform: PT1-Glied:
  • Schwingungsglied, Kurzform: PT2-GliedKK mit konjugiert komplexen Polen.


Lineare Systeme mit differenzierendem Verhalten:

  • Differenzierglied, Kurzform: D-Glied
  • Proportional wirkendes D-Glied, Kurzform: PD-Glied
  • Proportional wirkendes D-Glied 2. Ordnung mit konjugiert komplexen Polen, Kurzform: PD2-GliedKK


Beispiel eines realisierbaren Übertragungssystems 3. Ordnung (Anzahl Pole > Nullstellen)

Beschreibung einer Übertragungsfunktion G(s) als gebrochene rationale Funktion in Produktdarstellung mit der Verstärkung K:

Die systembeschreibende Differenzialgleichung dieser Systeme zeigt Stabilität an, wenn alle Koeffizienten der einzelnen Terme positiv sind. (Mindestvoraussetzung der Stabilität). Die Übertragungsfunktionen dieser linearen Grundsysteme sind stabil, wenn die Vorzeichen der zugehörigen Nullstellen negativ sind. Siehe auch Kapitel #Stabilität!

Gleiche stabile Pole und Nullstellen der 3 Grundformen lassen sich in der Produktform (= Reihenschaltung der Systeme) gegeneinander kürzen und vereinfachen damit die Berechnung des Gesamtsystems.

Globales P-, I-, D-Verhalten

Wenn in einer systembeschreibenden Differenzialgleichung oder in der zugehörigen Übertragungsfunktion aus der geschlossenen Reihenfolge der Ableitungen bestimmte Keffizienten fehlen, bzw. zu Null gesetzt sind, ergibt sich für das Gesamtverhalten im Zeitbereich folgendes typische Verhalten:

Globales P-Verhalten:

Im stationären Zustand ergibt diese Form der Übertragungsfunktion nach einem Eingangssprung für das Ausgangssignal mit der Verstärkung K ein P-Verhalten im Zeitbereich. Nach dem Einschwingvorgang nach genügend langer Zeit ist y(t) = K * u(t):


Globales I-Verhalten:

Im stationären Zustand ergibt diese Form der Übertragungsfunktion nach einem Eingangssprung für das Ausgangssignal ein stetig wachsendes Ausgangssignal im Zeitbereich. y(t) = K / T1 * t * u(t)


Globales D-Verhalten:

Im stationären Zustand ergibt diese Form der Übertragungsfunktion nach einem Eingangssprung u(t) für das Ausgangssignal nach genügend langer Zeit y(t) den Wert Null.


Lineare instabile nichtreguläre Systeme

Bei technisch vorkommenden als sogenannte nichtreguläre oder auch als nichtphasenminimal bezeichnete Syseme sind die Koeffizienten in der Differenzialgleichung negativ bzw. die Pole der Übertragungsfunktion positiv.
Sie entstehen durch Rückkopplung eines dynamischen Systems oder in der Natur, wenn auf die Lage einer Masse Beschleunigungskräfte einwirken, wie sie z. B. durch die Gravitation oder durch den Magnetismus hervorgerufen werden. Die Lage der Masse wird zunehmend beschleunigt und wächst progressiv bis zu einer natürlichen Begrenzung.

Instabile nichtphasenminimale Systeme beziehen sich auf Verzögerungsglieder 1. und 2. Ordnung:


Allpassglieder

Allpassglieder sind Kombinationen von stabilen und instabilen Verzögerungsgliedern im Zähler und Nenner einer Übertragungsfunktion. Sie reagieren auf einen Eingangssprung u(t) zunächst mit einem Sprung entgegengesetzter Polarität, um sich dann asymptotisch auf das Niveau des Sprungs einzustellen.

Allpassglieder können durch Subtraktion eines PT1-Gliedes von einem DT1-Glied entstanden sein (= Parallelschaltung zweier Übertragungsfunktionen).

Allpassglieder sind Systeme, die für alle Frequenzen einen konstanten Amplitudengang haben. Lediglich die Phase eilt mit unterschiedlicher Abhängigkeit von ω nach.

Die Sprungantwort des Allpassgliedes im Zeitbereich nach der inversen Laplace-Transformation lautet:


Totzeitglieder

Das Totzeitglied verschiebt ein Eingangssignal u(t) um den Betrag der Totzeit Tt, ohne das Signal zu verformen.

Beispiel von Totzeitsystemen: Fördermengen mit dem Transportband, Lange Gasdruckleitungen, Spiel in Getriebeübersetzungen, Umschaltvorgänge bei Ventilen und andere Schaltvorgänge und Signallaufzeiten.

Im Gegensatz zu den linearen dynamischen Übertragungssystemen kann ein Totzeitsystem nicht mit einer gewöhnlichen Differenzialgleichung sondern nur mit einer partiellen Differenzialgleichung beschrieben werden. Eine wesentlich einfacheren Zusammenhang zwischen der Ein- und Ausgangsgröße eines Totzeitsystems gewinnt man durch die Darstellung der Totzeit mit der Übertragungsfunktion.

Zeitverhalten des Totzeitgliedes:

Sprungantwort:


Übertragungsfunktion des Totzeitgliedes:

Die Beziehung des Eingangs- und Ausgangsverhaltens des Totzeitsystems wird durch den Verschiebesatz der Laplace-Transformation wiedergegeben:

Für Übertragungssysteme mit einen Totzeitglied wird dem linearen System G1(s) die transzendente Funktion des Totzeitgliedes multiplikativ beigefügt:

Diese Darstellungsform eines Totzeitgliedes bzw. Kombinationen linearer dynamischer Systeme mit einem Totzeitverhalten als Übertragungsfunktion eignet sich für Analysen der Stabilität nur im Frequenzbereich. Dabei kommen grafische Stabilitätsverfahren wie das Bode-Diagramm oder die Ortskurve des Frequenzgangs zur Anwendung.

Ein Totzeitglied kann als ein Allpassglied unendlicher Ordnung zu einem System mit gebrochener rationaler Übertragungsfunktion angenähert werden. Dieses Verfahren ist unter der Padé-Approximation bekannt. Die Genauigkeit der Annäherung hängt von der Ordnung des Allpassgliedes ab.
Die Padé-Approximation lautet als Funktion der Ordnung n:

Genauere Berechnungen im Zeitbereich vernetzter linearer Systeme mit Totzeitsystemen durch die numerische Behandlung mit der diskreten Zeit Δt sind relativ einfach möglich.


Mathematische Modellierung von Übertragungssystemen

Mathematische Modelle von Übertragungssystemen, die in Form von Graphen oder Wertetabellen vorliegen, nennt man nichtparametrische Modelle von Übertragungssystemen. Eine analytische, d.h. formelmäßige Beschreibung dagegen nennt man ein parametrisches Modell.

Die in einer technischen Wirkungsanordnung ablaufenden Vorgänge sind Funktionen der Zeit. Es liegt daher nahe, Übertragungssysteme durch Zeitfunktionen zu modellieren, also mathematische Modelle im Zeitbereich zu entwickeln. Leider führt diese Beschreibungsform bei dynamischen Systemen auf Differentialgleichungen, in denen nicht nur die Zeitfunktion sondern auch deren Ableitungen auftreten.

Mittels einer mathematischen Operation - der Laplace-Transformation - gelingt es jedoch, diese Differentialgleichungen in algebraische Gleichungen ohne Differentialquotienten umzuwandeln.

Die laplacetransformierten Differentialgleichungen haben jedoch nicht mehr die Zeit t als unabhängige Variable, sondern die zunächst sehr abstrakte Laplace- (oder Bildbereichs-) Variable "s".

Durch eine weitere einfache Umformung gelangt man von dem zunächst unanschaulichen s-Bereich in den dritten - der Anschauung wieder zugänglichen - Frequenzbereich. Der Frequenzbereich gibt Auskunft über das Frequenzverhalten von Übertragungssystemen,

Nichtparametrische Modelle im Zeitbereich sind häufig Ergebnisse von Messungen am realen Objekt und dienen oft als Zwischenschritt zur Bestimmung parametrischer Modelle des Übertragungssystems.

Zur Bestimmung nichtparametrischer Modelle benutzt man bestimmte Testfunktionen, von denen die drei wichtigsten Sprungfunktion, Stoßfunktion und Anstiegsfunktion sind.

Die Systemantworten eines Übertragungssystemes auf solche speziellen Eingangserregungen haben festgeprägte Namen und Kurzbezeichnungen, wie Sprungantwort, Impulsantwort und die Anstiegsantwort.

In der Systemtheorie ist es üblich, den Beginn des Beobachtungszeitraumes eines Vorganges formal bei t = 0 festzulegen, daher sind die Testsignale für den Zeitraum t < 0 alle Null. Neben dem übergeordneten Ziel, durch mathematische Modelle übergreifende Gemeinsamkeiten technischer Systeme herauszuarbeiten, bestehen vordergründige Ziele der Modellbildung darin

  • Strukturen zu erkennen, wie Funktionselemente oder Systemparameter eines technischen Systems miteinander in Interaktion stehen. Dies gilt sowohl für das statische als auch für das dynamische Verhalten.
  • Die Verläufe des Ausgangssignals und die Verläufe innerer zeitabhängiger Größen (sog. Zustandsgrößen) in Abhängigkeit des Eingangssignals oder von Anfangszuständen der Zustandsgrößen berechnen zu können. (Noch nicht eingeführte Begiffe, wie z.B. "Anfangszustände von Zustandsgrößen" werden im Folgenden erläutert).




Gewöhnliche Differenzialgleichungen

Eine Differenzialgleichung (kurz DGL) ist eine Gleichung, die eine oder mehrere Ableitungen einer unbekannten Funktion enthält.

Kommen Ableitungen nur bezüglich einer Variablen vor, spricht man von gewöhnlichen Differentialgleichungen, wobei der Begriff "gewöhnlich" sich darauf bezieht, dass die betrachtete Funktionen nur von einer Veränderlichen abhängt.

Mit den gewöhnlichen DGLen lassen sich viele dynamische Systeme aus der Technik, Natur und Gesellschaft beschreiben. Viele auf den ersten Blick sehr verschiedene physikalische Probleme lassen sich mit der DGL jedoch formal identisch darstellen.

Gleichungen, deren Lösungen Funktionen mehrerer Variablen sind und die partielle Ableitungen dieser Funktionen enthalten, sind partielle Differentialgleichungen.

Eine lineare DGL enthält die gesuchte Funktion und deren Ableitungen nur in der ersten Potenz. Es dürfen keine Produkte der gesuchten Funktion und ihren Ableitungen auftreten. Die gesuchte Funktion darf auch nicht in Argumenten von Winkelfunktionen, Logarithmen usw. erscheinen.

Nichtlineare Differenzialgleichungen sind nur in sehr seltenen Ausnahmefällen analytisch lösbar. Sie können mittels der numerischen zeitdiskreten Methoden gelöst werden

Ein dynamisches System kann durch das Aufstellen von Differenzialgleichungen modelliert werden. Dazu werden für sämtliche Energiespeicher des Systems die zugehörigen Bilanzgleichungen benötigt, die durch eine Differenzialgleichung 1. Ordnung beschrieben werden. Für jeden konzentrierten Energiespeicher entsteht eine Differenzialgleichung erster Ordnung. Das Ergebnis ist eine lineare zeitinvariante gewöhnliche DGL mit konstanten Koeffizienten.

Nach der Systemtheorie wird ein lineares dynamisches System g(t) durch einen oder mehrere Eingänge u(t) und einen oder mehrere Ausgänge y(t) beschrieben. Lineare Systeme mit mehreren Ein- und Ausgängen werden durch ein System von Differenzialgleichungen beschrieben.


Testsignale

Die Impulsantwort Xaδ(t) von 4 hintereinander geschalteten PT1-Gliedern mit gleichen Zeitkonstanten

Den nichtperiodischen (deterministischen) Testsignalen kommt in der Regelungstechnik eine zentrale Bedeutung zu. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, ein Übertragungssystem zu testen, auf Stabilität zu prüfen oder Eigenschaften des Systems durch Ermittlung der Kennwerte zu analysieren.

Den Testsignalen ist gemeinsam, dass sie zum Zeitpunkt t = 0 beginnen und bei t < 0 eine Amplitude = 0 aufweisen. Es wird das Testsignal als Eingangsgröße u(t) an einem Übertragungssystem angelegt und die Systemantwort als Ausgangsgröße y(t) aufgezeichnet und analysiert. An Hand der Kenndaten können mathematische Modelle geschaffen werden. Die häufig verwendete Darstellungsform eines Modells ist die Übertragungsfunktion im s-Bereich mit der komplexen Frequenz s.

Zur Unterscheidung der Funktion der Testsignale werden sie mit den Zeichen δ (Impuls), Ϭ (Sprung), a (Anstieg) und s (Sinus) indiziert.

Der theoretische Deltaimpuls (δ-Impuls, Dirac-Impuls) für t = 0 mit unendlich großer Amplitude ist technisch nicht realisierbar. An seiner Stelle wird ein Rechteckimpuls mit der Impulsfläche
1 = Amplitude * Zeit definiert. In der Praxis genügt ein Wert für die Impulsbreite von Δt = 1% bis 10 % der dominanten Zeitkonstante des zu prüfenden Übertragungssystems.

Die Differentiation der Sprungfunktion entspricht der Impulsfunktion. Die Integration einer Sprungfunktion entspricht der Anstiegsfunktion. Die Differentiation der Sprungantwort eines linearen Übertragungssystems entspricht der Impulsantwort.

Die Sinusfunktion gehört zur Gruppe der periodischen Signale. Die frequenz-variable Einspeisung eines linearen Übertragungssystems erlaubt die Aufnahme des Amplituden- und Phasengangs des Systems. Mit Hilfe des Bode-Diagramms kann die Übertragungsfunktion des Systems bestimmt werden.

Begriff Testsignal
Xe(t)
Zeitverhalten des Testsignals Bildbereich Systemantwort
Xa(t)
Impulsfunktion δ oder
Stoßfunktion, Deltaimpuls
Normierter Impuls =
Impulsbreite =
Hauptanwendung: Erkennung des Systems, der Ordnung und der Stabilität
Impulsantwort oder
Gewichtsfunktion
Sprungfunktion σ
Einheitssprung:
Hauptanwendung: Erkennung des Systems

Sprungantwort oder
Übergangsfunktion
Anstiegsfunktion oder
Rampe
Anstiegsfunktion: Gradient:
Hauptanwendung: Bestimmung der Nachlaufeigenschaften
Anstiegsantwort oder
Rampenantwort
Sinusfunktion s

Hauptanwendung: Aufnahme des Amplituden- und Phasengang eines Systems

Frequenzgang


Grundlagen der Differenzialgleichung

Notation zur Darstellung der Ableitungen In der Differentialrechnung gibt es keine einheitliche Notation für Differentiale!

  • Die formal korrekte Darstellung einer Ableitung einer Funktion f(x) lautet: : oder
(Leibniz'sche Notation)
  • Die gleiche Funktion in Kurzform: . (Lagrangesche Notation)
  • Die 2. Ableitung dieser Funktion lautet:
  • Bei höheren Ableitungen ist diese Kurzform nicht geeignet, statt dessen wird n = Zahl der Ableitungen in Klammern angegeben:
  • Bei physikalischen Prozessen würd häufig nach der Zeit abgeleitet und dies bei der Kurzform durch Punkte gekennzeichnet.
Beispiel: Geschwindigkeit v = Weg Δs / Zeit Δt.
Bestimmung der Geschwindigkeit:
  • Bestimmung der Geschwindigkeit in Kurzform: . (Newton'sche Notation)
  • Bestimmung der Beschleunigung a als 2. Ableitung des Weges s:

Fazit: Ableitungsstriche sind leichter zu erkennen als Punkte. Ableitungen nach der Zeit sind eindeutig durch die unabhängige Variable (t) zu erkennen.


Allgemeine Definition:

Eine Differenzialgleichung ist eine Gleichung, in der eine Funktion y(x) und deren Ableitungen auftreten. Gesucht ist die Funktion.

Beispiele für Formen gewöhnlicher DGL:

Eine gewöhnliche Differentialgleichung erster Ordnung ist eine DGL, die nur die Ableitung erster Ordnung der gesuchten Funktion enthält, nicht jedoch höhere Ableitungen. Außerdem kann die DGL erster Ordnung noch die Funktion selbst, einen konstanten Term oder die unabhängige Variable enthalten.

Eine DGL erster Ordnung ist linear, wenn sie in folgender Form darstellbar ist.


Mehrfache Ableitungen können auf drei verschiedene Weisen geschrieben werden:

oder im physikalischen Fall (bei einer Ableitung nach der Zeit)


Mathematische Definition der DGL mit der Systemausgangsgröße y(t) als Variable:

Eine gewöhnliche DGL ist eine Bestimmungsgleichung für eine Funktion einer Variablen. Die Ordnung der Differentialgleichung ist bestimmt durch die höchste auftretende Ableitung:

Eine Gleichung, in der gewöhnliche Ableitungen einer unbekannten Funktion y(t) bis zur n-ten Ordnung auftreten, wird als gewöhnliche Differentialgleichung n-ter ordnung bezeichnet. Ordnung. Eine gewöhnliche DGL n-ter Ordnung enthält als höchste Ableitung die n-te Ableitung
y(n)(t) der unbekannten Funktion y(t). Sie kann auch Ableitungen niedrigerer Ordnung sowie die Funktion y(t) und deren unabhängige Variable t enthalten.

Die DGL können in impliziter oder expliziter Form dargestellt werden.

In der impliziter Form lässt sich eine DGL n-ter Ordnung wie folgt beschreiben:

Ist die implizit dargestellte DGL nach der höchsten Ableitung y(n) auflösbar, so ergibt sich die explizite Form:


Separation der Variablen:

Eines der bekanntesten Verfahren zum expliziten Lösen der DGL ist das Lösen durch Trennung der Variablen. Für die homogene DGL erster Ordnung ist das Standardlösungsverfahren die Trennung bzw. Separation der Variablen. Dabei wird die DGL auf eine Form gebracht, bei der die Variablen x und y nur noch in voneinander getrennten Termen auftreten. Die entstehende Gleichung kann dann sofort integriert werden.

Dazu werden alle Terme mit t auf die eine Seite der Gleichung gebracht, alle Terme mit x auf die andere.

Eine Differentialgleichung erster Ordnung heißt linear, wenn sie in der Form je nach Art der Variable

darstellbar ist.

Beispiel:





Entstehung einer Differenzialgleichung

Eine DGL ist eine Bestimmungsgleichung für eine unbekannte Funktion. Die Lösung einer DGL ist keine Zahl sondern eine Funktion!

Beispiel elektrischer Schwingkreis:

Spannungsbilanz: Nach dem 2. Kirchhoffschen Satz ist Summe aller Spannungen einer Masche gleich Null.

Der Spannungsabfall am Widerstand R ergibt sich zu UR = i * R. Nach dem Induktionsgesetz ist die Spannung an der Induktivität UL = L * di / dt. Der Ladestrom am Kondensator ist proportional der Spannungsänderung am Kondensator i(t) = C * dy / dt.

Die Anwendung des Maschensatzes führt zunächst zu einer Differenzialgleichung 1. Ordnung:

Setzt man in die DGL für i(t):

ein, dann ergibt sich die Schwingungsgleichung:

Es können Zeitkonstanten wie T1 = R * C und T2² = L * C eingeführt werden. Ersetzt man auch die in der Systembeschreibung übliche Darstellung der Eingangsgröße u(t) und Ausgangsgröße y(t), dann lautet die bekannte DGL für einen Reihenschwingkreis:

oder in allgemeiner Darstellung:

Aus der Mechanik existiert das bekannte Beispiel einer linearen gewöhnlichen DGL eines schwingfähigen Systems mit der Federkraft c, Masse m und Dämpfung d. Eingangsgröße: Kraft F, Ausgangsgröße: Weg x

Es handelt sich hier in beiden Fällen um eine lineare gewöhnliche DGL 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Befinden sich beide Systeme in Ruhe, d. h. die Anfangswerte der Energiespeicher sind Null, dann ist der Verlauf einer Sprungantwort abhängig von der Größe der Koeffizienten a1 und a0, ob der Systemausgang y(t) aperiodisch oder gedämpft schwingend das Niveau des Eingangsprungs u(t) erreicht.

Derartige DGL-en können in eine allgemeine Form beliebiger Ordnung dargestellt werden für die in der Systembeschreibung üblichen Signalbezeichnungen der Ausgangsgröße y(t) und der Eingangsgröße u(t).

Allgemeine Form einer DGL mit konstanten Koeffizienten ai der System-Ausgangsgröße und mit bi der System-Eingangsgröße:


Anmerkungen zur Form einer DGL aus der Sicht der Systemtheorie:

  • Die Koeffizienten der Terme der DGL enthalten die Parameter, aus denen die DGL entstanden ist. Es kann für die verschiedenen Lösungswege der DGL sinvoll sein, den Koeffizienten der höchsten Ableitung an auf 1 zu beziehen, in dem sämtliche Terme durch an dividiert werden.
  • Die Koeffizienten ai beziehen sich auf die Ableitungen der Ausgangsgröße y(t), deren Terme üblicherweise links des Gleichheitszeichen steht.
  • Die Koeffizioenten bi beziehen sich auf die Ableitungen der Eingangsgröße u(t), deren Terme rechts des Gleichheitszeichen steht
  • Die Ein- und Ausgangsgrößen y(t) und u(t) sind die Variablen der DGL.
  • Der höchste Grad der Ableitung von gibt die Anzahl der Speicherelemente des Übertragungssystems wieder. Das Verhältnis der maximalen Ableitungen der Ausgangsgröße zur Eingangsgröße eines Übertragungssystems bezieht sich auf n ≥ m. In der Praxis sind nur Systeme n > m realisierbar.


Lösung gewöhnlicher linearer Differentialgleichungen

  • Die Lösung einer Differentialgleichung erfogt durch Integration.
  • Jede Integration ergibt Integrationskonstanten, deren Anzahl durch die Ordnung der DGL bestimmt ist. Die Lösung einer DGL n-ter Ordnung enthält n voneinander unabhängiger Integrationskonstanten.
  • Als Übertragungsverhalten eines dynamischen Systems bezeichnet man die Bewegung des Ausgangssignals y(t) dieses Systems in Abhängigkeit des Eingangssignals u(t) bei verschwindenden Anfangsbedingungen. Dieses Verhalten wird mit der partikulären Lösung der DGL beschrieben.
Liegen Anfangswerte y(0) bis y(n)(0) der Energiespeicher des Übertragungssystems vor, so wird der homogene Teil der DGL für das Eingangssignal u(t) = 0 gelöst. Die Gesamtlösung der DGL setzt sich für ein gegebenes Eingangssignal u(t) und Anfangswerten y(0) aus der Addition der homogenen Lösung und der partikulären Lösung der inhomogenen DGL zusammen.
In den meisten Anwendungsfällen der Systemanalyse technischer Systeme interessiert die partikuläre Lösung yP(t) der gewöhnlichen DGL.
  • Eine lineare gewöhnliche DGL hat zwei Lösungsanteile:
Die Lösung der homogenen DGL entspricht der freien Bewegung des Systems und ist abhängig von den Anfangswerten y(t = 0) = y(0) zum Zeitpunkt t = 0. Sind keine Anfangswerte gegeben, ist die homogene Lösung der DGL yH = 0.
Die partikuläre Lösung der inhomogenen DGL beschreibt die erzwungene Bewegung des Systems durch das Eingangssignal u(t), das gelegentlich auch als Störglied bezeichnet wird.
Erst die Gesamtlösung der DGL gibt Aufschluß darüber, wie sich bei bekanntem Eingangssignal u(t) und möglichen Anfangswerten y(0) sich das Ausgangssignal y(t) verhält.
  • Das Lösungsschema für gewöhnliche lineare DGL lautet wie folgt:
Die homogene DGL beschreibt das Verhalten ohne Eingangsgröße (also für u(t) = 0), das sog. Eigenverhalten, d.h. das System bleibt ausgehend von den Anfangswerten sich selbst überlassen:
Für diese DGL ist die homogene Lösung für yH(t) zu bestimmen.
  • Das Verfahren der Separation der Variablen auf lineare homogene DGL ist auf DGL 1. Ordnung beschränkt.
  • Mit Hilfe des Exponentialansatzes lassen sich auch DGL höherer Ordnung lösen. Er gilt als universelles Lösungsverfahren für homogene DGL beliebiger Ordnungen mit konstanten Koeffizienten.
Folgender Exponentialalansatz für y(t) liefert Ableitungen der Form:
Die Ableitungen des Lösungsansatzes ergeben sich zu:
Werden diese Ableitungen in die oben stehende homogene DGL eingesetzt, entsteht die charakteristische Gleichung als Polynom n-ter Ordnung:
Damit entsteht die Bestimmungsgleichung für die Eigenwerte von λ.


Beispiel einer DGL 1. Ordnung:

Die DGL der Beschreibung einer elektrischen Beschaltung mit einem Widerstands R im Eingang und einem Kondensator C mit dem Eingangssignal u(t) und dem Ausgangssignal y(t) am Kondensator lautet:

Diese Gleichung wird so umgeformt, dass der Koeffizient der Ableitung R * C = 1 ist, in dem sämtliche Terme der Gleichung durch R*C dividiert werden und die Koeffizienten neu geordnet werden. Damit verschwindet der Koeffizient der Ableitung und wird zu 1.
Die Normalform der inhomogenen DGL 1. Ordnung lautet:


Lösung der DGL 1. Ordnung

Die Gesamtlösung der gewöhnlichen DGL ergibt sich aus der Überlagerung der Systemantworten für die Anfangsbedingung und dem Eingangsignal:

Für die homogene Lösung der DGL wird das Eingangssignal u(t) gleich 0 gesetzt. Die Ausgangsgröße y(t) beschreibt das Verhalten des Systems g(t) für einen Anfangswert y(0) des Systemspeichers zum Zeitpunkt t ≥ 0:

Die homogene Lösung der DGL mit einem Anfangswert y(0) z.B. = 1 = 100 % lautet:

Die partikuläre Lösung der DGL geschieht mit Hilfe des Faltungsintegrals. Das Faltungsintegral beschreibt die Beziehung des Eingangssignals zum Ausgangssignal des Übertragungssystems g(t) im Zeitbereich.

= Faltungsoperator

Das Faltungsintegral der DGL 1. Ordnung lautet:

Die partikuläre Lösung der DGL für einen Einheitssprung 1 für t ≥ 0 als Eingangssignal u(t) lautet:

Es ergeben sich für den normierten Eingangssignal-Sprung 1(t) mit dem Koeffizienten a0 je 3 Fälle des Verhaltens des Ausgangssignal y(t) der homogenen und partikulären Lösung der DGL:

Einfluss Koeffizient a0 Signalverlauf des Ausgangssignals
Koeffizient a0 > 0 yH(t) klingt exponentiell von der Anfangsbedingung y(0) auf 0 ab
yP(t) nähert sich von 0 exponentiell dem Endwert b0 / a0
Koeffizient a0 = 0 yH(t) verbleibt an dem Niveau der Anfangsbedingung y(0)
yP(t) steigt von 0 rampenförmig stetig an
Koeffizient a0 < 0 yH(t) wächst exponetiell über die Anfangsbedingung y(0) hinaus über alle Grenzen
yP(t) wächst von 0 exponentiell über alle Grenzen


Beispiel einer DGL 2. Ordnung:

Eine Differentialgleichung zweiter Ordnung ist eine Erweiterung der DGL erster Ordnung, bei der eine zusätzliche 2. Ableitung der gesuchten Funktion auftritt. Die technische Realisierung entspricht in Abhängigkeit der Koeffizienten ai untereinander einem Übertragungssystem mit 2 in Reihe geschalteten Verzögerungsgliedern 1. Ordnung (2 PT1-Glieder) mit reellen Polen oder einem Schwingungsglied mit konjugiert komplexen Polen und einer Dämpfung 1 > D > 0.

Eine DGL einer elektrischen Schaltung folgender Art ist gegeben:

Diese Gleichung wird so umgeformt, dass der Koeffizient der höchsten Ableitung a2 = 1 ist, indem sämtliche Terme der Gleichung durch a2 dividiert werden und die Koeffizienten neu geordnet werden. Damit verschwindet a2.

Die homogene Lösung der DGL 2. Ordnung lautet:

Die Ableitungen des Exponentialansatz werden in die homogene DGL eingesetzt

Diese charakteristische Gleichung ist für beliebige y erfüllt, wenn das charakteristische Polynom verschwindet.

Die Ermittlung der Eigenwerte (Nullstellen) erfolgt mit der bekannten Lösung der gemischt quadratischen Gleichung:

Für die homogene DGL zweiter Ordnung müssen 2 Anfangswerte y0 und y'0 für die Berechnung der Integrationskonstanten C1 > 0 und C2 > 0 vorgegeben werden, damit die Gleichung gelöst werden kann. Die Integrationskonstanten C errechnen sich durch Vorgabe von Werten y0 und y'0 anstelle von yH(t) der Lösungsgleichung der homogenen DGL 2. Ordnung. Die Lösungsgleichung für y0 wird für t = 0 errechnet und für y'0 werden die Ableitungen für t bestmmt.

Durch die verschiedenen Arten der Lösungen der Wurzel bedingt durch die Größe des Radikanten ergeben sich 3 unterschiedliche Fälle der Eigenwerte λ der DGL wie:

Lösung der homogenen linearen Differenzialgleichung
2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten
Wurzeln (Nullstellen) Anfangswertproblem
Bestimmung C1, C2
Der Radikant > 0 hat 2 reelle Wurzeln

Der Radikant = 0 hat 2 gleiche Wurzeln

Der Radikant < 0 führt zu konjugiert komplexen Wurzeln



Partikuläre Lösung der DGL 2. Ordnung

Die partikuläre Lösung beschreibt das Übertragungsverhalten des Systems als Funktion des Eingangssignals u(t) und ist meist von hauptsächlichem Interesse. Die Anfangsbedingungen y(0) und y'(0) haben dabei den Wert 0.

Die bereits durchgeführte partikulären Lösung der DGL 1. Ordnung erfolgte über das Faltungsintegral. Die Berechnung des Faltungsintegrals ist jedoch aufwendig für Systeme höherer Ordnung. Die Zeitfunktionen g(t) und u(t) können sehr kompliziert werden und damit ist das Faltungsintegral schwierig zu lösen.

Deshalb gestaltet sich der pertikuläre Lösungsweg der DGL über die Laplace-Transformation mit anschließender Rücktransformation einfacher.

Lösung der gegebene DGL 2. Ordnung:

Die Übertragungsfunktion eines Systems entsteht z.B. durch Austausch der zeitabhängigen Terme einer DGL mit den Laplace-Transformierten. Voraussetzung ist, dass die Anfangsbedingung des Systems Null ist. Je nach Grad der Ableitungen einer Funktion y(t) entstehen nach der Transformation folgende Laplace-Transformierte y(s):

Mit den transformierten Termen kann die Übertragungsfunktion des dynamischen Systems G(s) aufgestellt werden:

Polynome einer Übertragungsfunktion werden durch Nullstellenbestimmungen in Grundpolynome Monom, Binom und Trinom zerlegt. Liegen Zahlenwerte der Koeffizienten einer Übertragungsfunktion 2. Ordnung vor, können die Pole (= Nullstellen im Nenner der Übertragungsfunktion) durch die bekannte Formel zur Lösung einer gemischt-quadratischen Gleichung ermittelt werden.

Durch die verschiedenen Arten der Lösungen der Pole bedingt durch die Größe des Radikanten der Wurzel ergeben sich 3 unterschiedliche Fälle der Eigenwerte si der Übertragungsfunktion. Nachfolgend ist eine Korresspondenztabelle des s-Bereichs mit y(s) = u(s) * G(s) und des Zeitbereichs für y(t) für einen tranzformierten Eingangssprung u(t) = 1 → u(s) = 1 / s

Folgende Grundpolynome (Binome und Trinome bei konjugiert komplexen Polen) entstehen in Abhängigkeit der Nullstellen:

Übertragungsfunktion 2. Ordnung
Eingangssprung u(t) = 1 = Multiplikation mit 1/s
Sprungantwort im Zeitbereich Bestimmung der Pole s1 und s2
aus der Polynomdarstellung
Der Radikant > 0 hat 2 reelle Wurzeln



Der Radikant = 0 hat 2 gleiche Wurzeln

Der Radikant < 0 hat konjugiert komplexe Wurzeln



ω0 = Kreisfrequenz (ungedämpft) = 1 / T




Dämpfung D




Die Gesamtlösung einer DGL ergibt sich aus der Überlagerung der Systemantworten auf die Anfangsbedingungen und auf das Eingangssignal:

y(t) = yH(t) + yP(t)


Übertragungsfunktion

Die Übertragungsfunktion ist eine mathematische Beschreibung für das Verhalten eines linearen, zeitinvarianten Systems im Frequenzbereich (s-Bereich) mit der komplexen Variable s. Sie ist in der Regelungstechnik die häufigste Darstellungsform für die Beschreibung des Eingangs- und Ausgangsverhaltens von Übertragungssystemen.

Die Übertragungsfunktion G(s) stellt eine abstrakte, nicht meßbare Beschreibungsform zur mathematischen Behandlung linearer Systeme dar. Setzt man in s = σ + jω den Realteil σ zu Null, so geht die komplexe Übertragungsfunktion G(s) in den komplexen Frequenzgang G(jω) = Re(ω) + jIm(ω) über, der physikalisch interpretiert und gemessen werden kann.

Sämtliche Systemeigenschaften wie die Kriterien der Stabilität, Pole, Nullstellen, Verstärkung und Zeitkonstanten können aus der Übertragungsfunktion abgeleitet werden. Durch die Rücktransformation mittels der Laplace-Transformation kann das zeitliche Verhalten eines Übertragungssystems als Funktion des Eingangssignals berechnet werden.

Der Frequenzgang ist ein Spezialfall der Übertragungsfunktion. Er beschreibt das Ausgangs- Eingangs- Signalverhalten eines Übertragungssystems für ausschließlich periodische sinusförmige Eingangssignale.

Grundlagen der Übertragungsfunktion

Ein lineares Übertragungsglied mit dem Eingangssignal u und Ausgangssignal y.

Wenn die physikalischen Größen des Übertragungssystems bekannt sind, kann für das System die Differentialgleichung aufgestellt werden. Man erhält die Übertragungsfunktion durch die Laplace-Transformation der Differenzialgleichung, die das System beschreibt. Die Übertragungsfunktion ist definiert als das Verhältnis der Laplace-transformierten Ausgangsgröße zur Laplace-transformierten Eingangsgröße.

Durch die Eigenschaft des Laplace-Operators s, der als Faktor mit einem Exponenten stellvertretend für den Grad der Ableitung einer Zeitfunktion steht, bzw. als Quotient mit einem Exponenten für den Grad der Integration einer Zeitfunktion steht, lassen sich Übertragungssysteme im s-Bereich algebraisch berechnen.

Vernetzte Übertragungsglieder z.B. in Serien-, Parallel- und Kreisschschaltung lassen sich einfach algebraisch zusammenfassen zu einer übergeordneten Übertragungsfunktion.

In der Mess-, Steuer,- und Regelungstechnik bedeutet die Anwendung der Übertragungsfunktion wegen der algebraischen Behandlung eine große Vereinfachung des mathematischen Aufwandes, Übertragungssysteme zu berechnen.

Es gibt drei Darstellungsformen der Übertragungsfunktion, die wegen unterschiedlicher Verstärkungsfaktoren beachtet werden müssen:

  • Übertragungsfunktion in der Polynom-Darstellung
Sie entsteht durch die Laplace-Transformation der systembeschreibenden Differenzialgleichung oder durch die Produktbildung einer Reihenschaltung von Einzel-Übertragungssystemen
  • Übertragungsfunktion in der Pole-Nullstellen-Darstellung
Die Polynome im Nenner und Zähler werden durch die Nullstellenberechnung in Produkte zerlegt.
  • Übertragungsfunktion in der Zeitkonstanten-Darstellung, wobei sich die Zeitkonstanten aus den Polen und Nullstellen berechnen.
Diese Darstellungsart wir häufig bei Systemen ohne konjugiert komplexe Pole vorgenommen. Der Vorteil der Zeitkonstanten-Darstellung lioegt darin, dass die proportionale Systemverstärkung K unabhängig von den anderen Systemparametern ist.
Beispiel für eine Identifikation eines PT2-Schwingungsgliedes durch die Amplituden der 1. und 2. Halbwelle

Ist die Differenzialgleichung nicht bekannt, kann die Übertragungsfunktion eines Systems durch empirische Identifizierungsmethoden (Systemidentifikation) meist mit aperiodischen Testsignalen wie z.B. mit der Sprungantwort ermittelt werden.

Eine andere Methode ist die Ermittlung des Frequenzgangs durch Anregung des Systems mit einer variablen Frequenz und Aufzeichnung der Amplitude und Phase am Ausgang des Systems. Der Frequenzgang F(jω) kann einfach in die Übertragungsfunktion G(s) überführt werden.

Bezeichnet man im Zeitbereich die Signaleingangsgröße u(t) und die Ausgangsgröße y(t) dann lautet das Verhalten eines Übertragungssystems G im s-Bereich:

Laplace-Transformation einer linearen gewöhnlichen DGL

Die Übertragungsfunktion entsteht durch die Laplace-Transformation (Integraltransformation) aller zeitabhängigen Terme der System-Differenzialgleichung und beschreibt das Übertragungsverhalten im sogenannten Bild- oder Frequenzbereich („s-Bereich“) mit der der komplexen Variablen s für den Realteil und Imaginärteil: .

Die Übertragungsfunktion eines Systems entsteht z.B. durch Austausch der zeitabhängigen Terme einer Differentialgleichung mit den Laplace-Transformierten. Voraussetzung ist, dass die Anfangsbedingung des Systems Null ist. Je nach Grad der Ableitungen einer Funktion x(t) entstehen nach der Transformation folgende Laplace-Transformierte:

Der Grad der Ableitung im Zeitbereich und die zugehörige Transformierte im Bildbereich kann in dieser Weise beliebig fortgesetzt werden. Der Laplace-Operator s entspricht also der 1. Ableitung einer Funktion f(t), s² entspricht der 2. Ableitung einer Funktion f(t) und so weiter.

Für das Integral gilt die Laplace-Transformierte:

Das dynamische Verhalten von linearen Übertragungssystemen (LZI-Systeme) wird durch gewöhnliche Differenzialgleichungen beschrieben. Der Wert der Ordnung n gibt die höchste Ableitung der Ausgangsgröße y(t) und damit allgemein die Anzahl der Energiespeicher des Übertragungssystems wieder.

Die Differenzialgleichung n-ter Ordnung lautet für ein System mit y(t) als Ausgangssignal und u(t) als Eingangssignal wie folgt:

Falls die Koeffizienten und alle konstant sind, ist die Laplace-Transformation ausführbar. Allgemein gilt für die Signale u(t) und y(t) mit den zu Null gesetzten Anfangsbedingungen:

für alle

lautet die Laplace-Transformierte:


Die Übertragungsfunktion als eine rational gebrochene Funktion in Polynom-Darstellung lautet:

.

Für die regelungstechnische Anwendung wird der Zustand der Energiespeicher zum Zeitpunkt t = 0 als energiefrei angesehen. Damit werden die Anfangswerte des Systems zu Null.


Produktdarstellung der Übertragungsfunktion durch Pole- Nullstellen-Bestimmung

Ob die Polynome einer Übertragungsfunktion durch die Laplace-Transformation der Differentialgleichung entstehen oder durch die Produktbildung von Übertragungsfunktionen, erst durch die Bestimmung von Polen und Nullstellen lassen sich die Polynome einer Übertragungsfunktion in nicht mehr aufspaltbare Grundpolynome 1. und 2. Ordnung (mit konjugiert komplexen Nullstellen) überführen.

Unter der Nullstelle einer Funktion versteht man den Wert, der die Funktion zu Null macht. Die Nullstellen des Nennerpolynoms bezeichnet man mit Polen. Man unterscheidet reale Nullstellen und konjugiert komplexe Nullstellen.

Liegen Zähler- und Nennerpolynome der Übertragungsfunktion vor, müssen erst die Nullstellen bzw. die Pole je nach Grad der Polynome gegebenenfalls mit aufwendigen Rechenverfahren ermittelt werden, um die Polynome in faktorielle Grundglieder zu zerlegen.

Liegen Zahlenwerte für die Koeffizienten des Zähler- und Nennerpolynoms vor, können die Polynome durch Bestimmung der Nullstellen in die Produktdarstellung wie folgt überführt werden.

  • Das Zählerpolynom wird umgeformt, indem es durch den Koeffizienten bm der höchsten Potenz von s dividiert wird, d.h. die höchste Potenz von s erhält damit den Faktor 1. In gleicher Weise wird das Nennerpolynom durch den Koeffizienten an dividiert, indem die höchste Potenz von s ebenfalls den Faktor 1 bekommt. Die Werte der Nullstellen eines Polynoms sind unabhängig davon, mit welchem Faktor das Polynom behandelt wurde.
  • Polynome 2. Ordnung lassen sich mit der bekannten gemischt-quadratischen Gleichung lösen. Für Polynome höherer Ordnung werden die Nullstellen über Rechenprogramme bestimmt. Derartige Rechenprogramme findet man auch im Internet unter dem Suchbegriff „Nullstellen (Lösungen) von Polynomen“ für Polynome 2. bis. 4. Ordnung.


Die Übertragungsfunktion in Pol-Nullstellen-Darstellung lautet unter Berücksichtigung der Koeffizienten bm und an der höchsten Potenzen:

Die zi sind Nullstellen und die pi sind die Pole der Übertragungsfunktion. Bei realen Zahlenwerten stabiler Systeme sind die Pole und Nullstellen immer negativ.

Durch eine Angabe des Verstärkungsfaktors

der Pole und der Nullstellen ist die Übertragungsfunktion vollständig bestimmt.

Diese Darstellungsform ist häufig für die Anwendung von Laplace-Transformationstabellen und Stabilitätsprüfungen der „Internen Stabilität“ optimal.

Produktdarstellung der Übertragungsfunktion mit Zeitkonstanten

Die häufigere Darstellungsform der Übertragungsfunktion bezieht sich auf die Benennung der Zeitkonstanten, die sich aus den Polen und Nullstellen berechnen, indem jedes Produkt (Klammerausdruck) durch die Pole beziehungsweise durch die Nullstellen dividiert wird.

Beispiel:

Diese Darstellung der Übertragungsfunktion mit den Begriffen der Zeitkonstanten (T, Tn, Tv) ist eine übliche Darstellungsform. Das Produkt der Koeffizienten des Zähler- und Nenner-Polynoms wird jeweils zu 1.

Ergeben sich bei einem Polynom 2. Ordnung für die Nullstellenbestimmung neben einem Realteil zusätzlich ein positiver und negativer Imaginärteil, so kann dieses Polynom nicht weiter zerlegt werden.

Der eigentliche Vorteil der Produktdarstellung von Übertragungsfunktionen mittels Nullstellenbestimmung liegt darin, dass praktisch alle vorkommenden regulären (stabilen) und nichtregulären (instabilen) Übertragungsfunktionen bzw. Frequenzgänge von Übertragungsgliedern G auf folgende drei Grundformen 1. und 2. Ordnung geschrieben bzw. zurückgeführt werden können. Stehen die Grundglieder im Zähler, haben sie eine differenzierende Wirkung, stehen sie im Nenner, haben sie eine verzögernde (speichernde) Wirkung:

Typ Übertragungsfunktion Bedeutung im Zähler Bedeutung im Nenner
Differenzierer, D-Glied Integrator, I-Glied
PD-Glied Verzögerung, PT1-Glied
PD2-Glied: für 0 < D < 1
mit konjugiert komplexen Nullstellen
Schwingungsglied PT2-Glied:
für 0 < D < 1
mit konjugiert komplexen Polen
Nichtreguläres System
PD-Glied mit positiver Nullstelle
(hat keine technische Bedeutung)
Instabile Verzögerung PT1-Glied
mit einer positiven Polstelle
Nichtreguläres System
PD-Glied 2. Ordnung
mit einer negativen und positiven Nullstelle
(hat keine technische Bedeutung)
Instabiles Schwingungsglied PT2-Glied
mit einer negativen und positiven Polstelle

Dabei ist T die Zeitkonstante, s die komplexe Frequenz bzw. der Laplace-Operator, D der Dämpfungsgrad. Die Zeitkonstanten im Frequenzbereich entsprechen einer dimensionslosen Zahl.

Prinzipielle Anwendung der Übertragungsfunktion für den Reglerentwurf :

Die Übertragungsfunktion des geschlossenen Regelkreises ergibt sich durch algebraische Berechnung der Regelkreiskomponenten für die Kreis-Schließbedingung. Die sich so ergebenden Polynome der Übertragungsfunktion werden durch Bestimmung der Pole und Nullstellen in die Produktdarstellung überführt. Die Lage der Pole im s-Diagramm bestimmt die Stabilität des Regelkreises.


Rücktransformation in den Zeitbereich

Die Korrespondenztabellen der Laplace-Transformation stellen umfangreiche Kombinationen von Übertragungsfunktionen des s-Bereichs mit den zugehörigen Gleichungen des Zeitbereichs f(t) dar. Diese Korrespondenztabellen können im Fachbuchhandel erworben werden, stehen aber im eingeschränktem Umfang in fast jedem Fachbuch der Mathematik oder der Regelungstechnik zur Verfügung.

Die direkte Übernahme einer Gleichung im Zeitbereich ergibt die Impulsantwort des beschriebenen linearen Übertragungssystems wieder, weil es sich um das Produkt der Eingangsgröße U(s) mit der Übertragungsfunktion G(s) handelt. Die transformierte Impulsfunktion beträgt . Andere definierte typische Eingangssignale u(t) wie die Sprungfunktion, Anstiegsfunktion und Sinusfunktion müssen einer Transformation in den s-Bereich unterzogen werden, bevor das Produkt U(s) * G(s) gebildet werden kann.

  • Verwendung der Laplace-Transformationstabelle
Die Polynomdarstellung der Übertragungsfunktion G(s) wird durch die Nullstellenbestimmung in Grundglieder d.h. in die Produktdarstellung überführt. Für viele Standardfälle in Verbindung mit dem Laplace-transformierten Eingangssignal U(s) ergibt sich die Lösung für das Ausgangssignal des Produktes U(s) * G(s) als Gleichung im Zeitbereich.
Dabei ergeben sich additive Komponenten der Übertragungsfunktion, deren Signalanteile einer Parallelschaltung von Einzelsystemen entsprechen. Die inverse Transformation der additiven Komponenten f(s) in f(t) sind einfach und haben einen hohen Bekanntheitsgrad.

Bei der Partialbruchzerlegung sind 3 Fälle zu unterscheiden:

  • Die Pole sind reell und verschieden
  • Die Pole sind reell und gleich
  • Die Pole sind konjugiert komplex


Durchführung der Partialbruchzerlegung : [1]

Beispiel Übertragungsfunktion ohne differenzielle Anteile (Nullstellen).

Partialbruchzerlegung von Übertragungsfunktionen mit reellen verschiedenen Polen:

Lösung im Zeitbereich:


Anwendungsbeispiel der Partialbruchzerlegung einer Übertragungsfunktion G(s) mit 2 PT1-Gliedern
Das Eingangssignal U(s) (= 1/s) ist ein normierter Eingangssprung f(t) = 1:

Fall: Die Pole sind reell und verschieden!

Das Produkt U(s) * G(s) wird mittels der Partialbruchzerlegung von der Reihendarstellung
der Einzelkomponenten in eine Paralleldarstellung zerlegt:


Die Gleichung der Lösung der Residuen lautet allgemein:


Damit erhält man durch die inverse Transformation einfacher Komponenten des s-Bereichs
die Gleichung der Ausgangsgröße y(t) für den Zeitbereich:

Anmerkung: Die unbekannten Parameter A1 bis An lassen sich auch durch Koeffizientenvergleich ermitteln!


Direkte Anwendung der Laplace-Korrespondenztabelle ohne Partialbruchzerlegung: [2]

Es ist darauf zu achten, dass manche Korrespondenztabellen im s-Bereich in der Pol-Nullstellen-
Darstellung oder Zeitkonstanten-Darstellung definiert sind. Verstärkungsfaktoren werden nicht
transformiert und sind im s-Bereich und Zeitbereich zu berücksichtigen.

Anmerkung: Für a ≠ b gelten auch für Zahlenwerte der Pole und Nullstellen, die sich z. B. nur in der 10. Dezimalstelle nach dem Komma unterscheiden, vorausgesetzt es wird genau gerechnet! Diese Anwendung der Korrespondenztabelle ist erheblich einfacher, als die Ermittlung der Residuen über die Partialbruchzerlegung!


Frequenzgang und Übertragungsfunktion

Die Übertragungsfunktion bestimmt das Eingangs-Ausgangssignal-Verhalten eines Übertragungssystems für beliebige Eingangssignale. Typische aperiodische Eingangssignale als Testsignale sind Sprungfunktion, Anstiegsfunktion und Impulsfunktion. Für diese und andere periodischen zeitabhängigen Signale existieren die zugehörigen Laplace-transformierten Funktionen im s-Bereich in Laplace-Transformations-Tabellen.

Der Frequenzgang eines Übertragungssystems beschreibt das Signalverhalten für eine Erregung des Systemeingangs mit einer sinusförmigen Frequenz.

Die Systemantwort eines zeitabhängigen linearen Systems ist frequenzabhängig phasenverschoben und die Ausgangsamplitude steht frequenzabhängig in einem bestimmten Verhältnis zur Eingangsamplitude.

Der Frequenzgang

ist eine frequenzabhängige komplexe Größe und beschreibt ein Übertragungssystem im eingeschwungenen Zustand. Er definiert das Verhältnis der Ausgangs- zur Eingangsamplitude und berücksichtigt den Phasenwinkel.

Der Frequenzgang ist ein Spezialfall der Übertragungsfunktion. Er kennzeichnet das Verhalten eines Systems mit erzwungener Dauerschwingung und der imaginären Frequenz p = s = j ω. Der Realteil der komplexen Frequenz Ϭ ist gleich Null gesetzt.

Beide mathematischen Begriffe der Übertragungsfunktion und des Frequenzgangs unterscheiden sich nur durch die Entstehungsweise. Sie können je nach Aufgabenstellung als Übertragungsfunktion im s-Bereich s = Ϭ + jω oder als Frequenzgang mit p = jω geschrieben werden.

Der Frequenzgang kann aus der systembeschreibenden Differenzialgleichung, aus der Übertragungsfunktion oder über empirische Messungen eines Hardware-Systems bestimmt werden.

Die Ableitung des Frequenzgangs F(jω) aus der Übertragungsfunktion ist besonders einfach. Der Frequenzgang geht durch den Grenzübergang mit s --> jω aus der Übertragungsfunktion hervor. Es muss nur jω gegen s ausgetauscht werden.

Frequenzgang eines Übertragungssystems in Zeitkonstantendarstellung:

Grafische Darstellung des Frequenzgangs

Ortskurve Der Wert des Frequenzgangs für (jω) ist eine komplexe Größe mit einem Real- und Imaginärteil.

Für die Ermittlung der Ortskurve wird der Frequenzgang in Realteil und Imaginärteil zerlegt und für verschiedene Frequenzen in der Gaußschen Zahlenebene eingetragen.


Bodediagramm Eine häufige Anwendung ist die grafische Beurteilung des Frequenzgangs durch Zerlegung in Betrag und Phase. Dabei werden die Frequenzganggleichungen in Produktform mit "Kompensationsgliedern" z.B. mit dem konjugiert komplexen Wert eines Produktes im Zähler und Nenner so erweitert, dass der Realteil und Imaginärteil getrennt dargestellt werden können.

Es wird eine Wertetabelle aufgestellt, bei der für den Realteil und für den Imaginärteil der Frequenzganggleichung F(jω) mehrere Werte als Funktion der Kreisfrequenz ω berechnet werden.

Der mit Amplitudengang bezeichnete Betrag F(jω) lautet:


Der Phasengang ϕ(jω) lautet:

Prinzipielle Anwendung des Frequenzgangs für den Reglerentwurf:

  • Bodediagramm
Betrag und Phasenwinkel des Frequenzgangs des offenen Kreises werden in 2 getrennten Diagrammen aufgetragen, als Amplitudengang und Phasengang. Ein geschlossener Regelkreis ist stabil, wenn die nacheilende Phasenverschiebung φ vom Ausgangs- zum Eingangssignal des offenen Kreises bei der Kreisverstärkung K = 1 und φ > −180° beträgt.
  • Ortskurve
Die Frequenzganggleichung des offenen Kreises wird nach Realteil und Imaginärteil aufgelöst und in ein Koordinatensystem eingetragen. In Richtung steigender Werte von ω darf der kritische Punkt (-1; j0) auf der linken (negativen) Seite der Achse der Realteile nicht umschlungen bzw. berührt werden, dann ist der geschlossene Regelkreis stabil.


Regelkreis

Datei:Einfacher regelkreis.gif
Blockschaltbild eines einfachen Standardregelkreises, bestehend aus der Regelstrecke, dem Regler und einer negativen Rückkopplung der Regelgröße y (auch Istwert). Die Regelgröße y wird mit der Führungsgröße (Sollwert) w verglichen. Die Regelabweichung e = wy wird dem Regler zugeführt, der daraus entsprechend der gewünschten Dynamik des Regelkreises eine Steuergröße u bildet. Die Störgröße d wirkt meistens auf den Ausgang der Regelstrecke, sie kann aber auch auf verschiedene Teile der Regelstrecke Einfluss nehmen.

Durch die Subtraktion der negativen Rückführung der Regelgröße y(t) von der Führungsgröße w(t) entsteht die Regeldifferenz e(t), die auf den Regler wirkt. Es ist Aufgabe des Reglers, das Zeitverhalten der Regelgröße bezüglich des statischen und dynamischen Verhaltens gemäß den vorgegebenen Anforderungen festzulegen. Zur Erfüllung widersprechender Anforderungen wie gutes Führungs- und Störverhalten sind gegebenenfalls aufwändigere Regelkreisstrukturen erforderlich.

In Bezug auf die gewünschte Stabilität des Regelkreises und weiteren Anforderungen der Dynamik der Regelgröße sind folgende Auslegungstrategien des Reglers zu betrachten:

  • Analyse eines gegebenen Regelkreises:
Erfüllt die Regelgröße die Anforderungen nach Stabilität, Einschwingverhalten (Regelgüte), Störverhalten?
  • Regelstrecke ist gegeben:
Sysnthese der Reglereigenschaften, welche der Regler gemäß der Anforderungen erfüllen muss.
  • Regelstrecke ist gegeben, erhöhte Dynamikforderungen der Regelgröße:
Ist der höhere Aufwand eines Zustandsreglers mit Nutzung der inneren Systemgrößen (Zustandsvariablen) mit der Zustandsrückführung gegenüber einem konventionellen Regler mit Ausgangsrückführung vertretbar?


Spezialregler für gegebene bekannte und unbekannte Regelstrecken

  • Kombinierter Regler mit Vorsteuerung oder Vorfilter,
  • Regler mit Störgrößenaufschaltung,
  • Einzelne Systeme der Regelstrecke sind meßbar:
Kaskadenregler sind Hilfsgrößen-Regler für einen Folgeregelkreis. Sie erfüllen eine bessere Dynamik der Regelgröße und tragen zur Verbesserung des Störverhaltens bei.
  • Regelstrecke mit Totzeit:
Mathematisches Modell der totzeitbehafteten Regelstrecke durch Smith-Prädiktor mit "Totzeit Vorhersage".
  • Regelstrecke unbekannt oder ändert sich:
Adaptiver Regler erforderlich, der die Regelstrecke identifizieren und in bestimmten Grenzen optimal regeln kann.


Stabilität

Bedeutung der Pole und der konjugiert komplexen Polpaare in der linken und rechten s-Halbebene

Interne Stabilität

Wenn die Übertragungsfunktion eines Übertragungssystems oder eines Regelkreises vorliegt:

Die Pole einer Übertragungsfunktion bestimmen die Stabilität und die Geschwindigkeit der Systembewegung. Die Nullstellen einer Übertragungsfunktion haben nur Einfluss auf die Amplituden des Systems.

Ein Übertragungssystem ist intern stabil, wenn alle (Teil-)Übertragungsfunktionen nur Pole in der linken s-Halbebene haben.

Für die asymptotische Stabilität eines linearen Systems n-ter Ordnung ist es notwendig, dass sämtliche Koeffizienten der charakteristischen Gleichung von Null verschieden sind (d. h. alle Terme der Ableitungen müssen vorhanden sein) und ein positives Vorzeichen haben.

Beispiel für die Darstellung der externen Stabilität (BIBO-Stabilität) bei verschiedenen Systemen

Stabilität eines linearen Übertragungssystems

  • Lage aller Pole des Übertragungssystems in der linken s-Halbebene: System ist asymptotisch stabil,
  • Lage eines Poles des Übertragungssystems in der rechten s-Halbebene: System ist instabil,
  • Lage eines Poles des Übertragungssystems auf der imaginären Achse der s-Ebene: System ist grenzstabil,
  • Lage mehrfacher Pole auf der imaginären Achse der s-Ebene: System ist instabil.


Externe Stabilität (BIBO-Stabilität)

Wenn die Hardware eines Übertragungssystems bzw. eines Regelkreises oder eines genauen Modells mit dem Eingangs- und Ausgangssignal vorliegt:

Ein Übertragungssystem gilt als extern stabil, wenn jedes beliebige beschränkte Eingangssignal an dem System auch ein beschränktes Ausgangssignal hervorruft.
(Siehe BIBO-Stabilität)










Bilder auf de.wikipedia


Einzelnachweise

  1. Prof. Dr.-Ing. H. Peter Jörgel, TU Wien: Vorlesungsmanuskript Mess- und Regelungstechnik VT, Kapitel: „Laplace-Transformation“, 164 Seiten, Ausgestellt 2006.
  2. Lutz / Wendt: Taschenbuch der Regelungstechnik, Kapitel: Laplace-Transformation.