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Johann Wilhelm Trollmann

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Rukeli Trollmann
Daten
Geburtsname Johann Wilhelm Trollmann
Geburtstag 27. Dezember 1907
Geburtsort Wilsche
Todestag 9. Februar 1943
Todesort KZ Neuengamme
Nationalität Deutsch
Gewichtsklasse Halbschwergewicht
Kampfstatistik als Profiboxer
Kämpfe 62
Siege 30
K.-o.-Siege 11
Niederlagen 19
Unentschieden 13

Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann (* 27. Dezember 1907 in Wilsche bei Gifhorn; † 1944 im Außenlager Wittenberge des KZ Neuengamme) war ein sinto-deutscher Boxer.

Werdegang

Johann Trollmann wurde von dem jüdischen Boxer Erich Seelig, dem der deutsche Boxsportverband 1933 die Titel im Halbschwer- und Mittelgewicht aberkannt hatte, trainiert. Am 9. Juni 1933 wurde der Sinto Johann „Gypsy“ Trollmann im Kampf gegen Adolf Witt Deutscher Meister im Halbschwergewicht. Trollmann, der seinen Gegner in puncto Technik, Beweglichkeit und wegen seiner nur 71 kg vor allem an Schnelligkeit überlegen war, besiegte Witt klar. Der Kampf im Jahr zuvor endete unentschieden beziehungsweise nach Punkten über acht Runden, die von Trollmann verloren wurde. Mit diesem Sieg eines Davids über einen Goliath wurde Trollmann nicht nur zum Publikumsliebling, sondern auch zu einem „Sexsymbol“. Da der Boxverband bereits mit Nazis durchsetzt war und Trollmann Sinto war, wollte man den Kampf als „nicht gewertet“ betrachten. Nur die Empörung des Publikums sorgte dafür, dass der Champion auch als solcher ausgerufen wurde. Nach acht Tagen wurde ihm der Titel jedoch wegen „armseligen Verhaltens“ (wohl unter dem Vorwand von Trollmanns Freudentränen nach dem Sieg) wieder aberkannt.

Der Kampf Eder gegen Trollmann

Trollmanns Kampfstil, der Ähnlichkeiten mit dem Muhammad Alis aufwies, erregte in der Zeit des Nationalsozialismus Missfallen. Im Juli 1933 - ein halbes Jahr nach der Machtergreifung der Nazis - trafen die zwei herausragendsten deutschen Boxer Ihrer Gewichtsklassen aufeinander: Gustav Eder im Weltergewicht und sein Kontrahent Johann Wilhelm Trollmann im Mittelgewicht. Dass die beiden Boxer im Sommer 1933 in der Kreuzberger Bockbierbrauerei in Berlin um den Deutschen Weltergewichtstitel von Eder boxten, scheint nur auf den ersten Blick paradox: Eder, der 9 cm kleiner und sechs Kilo leichter als sein Gegner war, sollte das wiederholen, was Trollmann wenige Monate zuvor gegen den größeren und schwereren Boxer Witt erreicht hatte, einen überragenden Sieg erzielen und dadurch die rassische Überlegenheit der Arier gegenüber anderen "minderwertigen Rassen" beweisen. Die beiden Boxer und ihr Kampf wurden instrumentalisiert, um die Thesen der Machthaber zu untermauern. Die Auseinandersetzung der beiden Faustkämpfer, die unter normalen Umständen sehr interessant hätte sein können, entwickelte sich so zur Farce. Trollmann kam mit blondgefärbten Haaren, seine Haut mit weißem Puder bedeckt, als Karikatur eines „arischen“ Boxers in den Ring. Ihm wurden Auflagen gemacht, die ihn in seiner Art der Kampfesführung stark einschränkten. Unter Androhung des Entzugs seiner Boxlizenz war es ihm untersagt, seinen typischen Stil zu kämpfen, dem Gegner tänzelnd kein Ziel zu bieten und auszukontern. So wurde das Aufeinandertreffen zu einer Farce. Auch durfte er beispielsweise keinen Gebrauch von seinem Reichweitenvorteil machen und nicht auf Distanz boxen. Trollmann verlor nach fünf Runden durch K.O. und behielt dadurch noch für wenige Monate seine Boxlizenz. In der Berliner Bockbrauerei wurde kaum gejubelt, da das Publikum spürte, dass auch hier das neue Nazi-Regime seinen Einfluss geltend gemacht hatte.

Die damit beendete Boxkarriere wurde Trollmann im KZ Neuengamme zum Verhängnis, wo er von SS-Leuten immer wieder „herausgefordert“ wurde.[1] Ein Kapo trat gegen Trollmann an und wurde nieder geschlagen. Der Kapo war darüber so erbost, dass er einen Knüppel nahm und Trollmann erschlug.[2]

Gedenken

Johann-Trollmann-Weg in Hannover

Erst 70 Jahre nach Trollmanns Tod wurde sein Meistergürtel vom Bund Deutscher Berufsboxer Ende 2003 symbolisch an seine noch lebenden Verwandten (Louis & Manuel Trollmann) übergeben. Trollmann wurde bereits 1993 offiziell als Deutscher Meister im Halbschwergewicht in die „Riege der Deutschen Meister“ aufgenommen. Im Kreuzkirchenviertel in der Altstadt von Hannover wurde ein kleiner Fußweg zwischen der Kreuzkirche und der Burgstraße nach ihm benannt und 2008 dort ein Stolperstein gelegt.[3] Im Mai 2009 ist auch im Hamburger Schanzenviertel vor dem Portal der Roten Flora ein Stolperstein zur Erinnerung an Trollmann verlegt worden. Trollmann hatte – zuletzt im November 1933 – im historischen Flora-Theater einige seiner Profiboxkämpfe bestritten.

Am 28. Januar 2011 wurde in Berlin-Kreuzberg die Sporthalle der ehemaligen Rosegger-Grundschule am Marheinekeplatz nach Trollmann Johann-Trollmann-Boxcamp benannt.

Trollmanns Bruder Heinrich, genannt Stabeli, wurde 1943 im KZ Auschwitz im Alter von 27 Jahren ermordet. Auch für ihn liegt ein Stolperstein im hannoverschen Johann-Trollmann-Weg.[3]

Literatur und Film

  • Hans Firzlaff: Knock-out: das Leben des deutschen Sinti-Boxers Rukelie Trollmann aus der hannoverschen Altstadt. 2. Aufl., Satire-Verlag, Hannover 1997, ISBN 3-923127-23-6
  • Marko D. Knudsen: Geschichte der Roma. RomaBooks.com, Hamburg, 2002
  • Knud Kohr, Martin Krauß: Kampftage – Die Geschichte des deutschen Berufsboxens. Verlag die Werkstatt, Göttingen, 2000, ISBN 3-89533-309-3
  • Michail Krausnick: Wo sind sie hingekommen? Der unterschlagene Völkermord an den Sinti und Roma. Bleicher, Gerlingen 1995, ISBN 3-88350-038-0, S. 73–79
  • Roger Repplinger: Leg dich, Zigeuner. Die Geschichte von Johann Trollmann und Tull Harder. München: Piper 2008, ISBN 3-492-04902-8
  • Rukelie, Deutschland 2007; Regie: Sabine Neumann, Hauptdarsteller: Stanislav Lisnic, Nora von Waldstätten, Länge: 11 Min

Einzelnachweise

  1. Martin Sonnleitner: Der Stürmer und der Dränger. Spiegel Online, 17. Juni 2008
  2. Hamburger Abendblatt, Artikel Die Qualen eines Boxers vom 14. Februar 2009
  3. a b Patrick Hoffmann: 13 weitere Stolpersteine verlegt, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 23. März 2010, S. 15