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Pruitt-Igoe

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Das Pruitt-Igoe-Wohngebiet in der US-amerikanischen Stadt St. Louis umfasste mehr als 2.000 Sozialwohnungen. Es bestand von den 1950er Jahren bis zum Abriss 1972.

Pruitt-Igoe war ein städtisches Wohnungsbauprojekt in St. Louis, Missouri. Es wird in den USA häufig als Beispiel für Fehlschläge im sozialen Wohnungsbau und der Stadterneuerung verwendet.

Geschichte

Seit 1947 plante die Stadtverwaltung von St. Louis die Neubebauung des heruntergekommenen Wohnviertels DeSoto-Carr im Rahmen einer Flächensanierung. Zunächst lehnte es die Bevölkerung in einer Volksabstimmung ab, dafür öffentliche Gelder auszugeben. Durch den National Housing Act of 1949 wurde dieses Hindernis jedoch aus dem Weg gehoben, da nun Gelder der US-Regierung für derartige Projekte zur Verfügung standen. Die Mitsprache der Bundesregierung brachte es allerdings auch mit sich, dass aus Kostengründen die Siedlungsdichte mehrfach erhöht wurde. Die Großwohnsiedlung wurde ab 1951 schließlich von dem Architekten Minoru Yamasaki (späterer Architekt des World Trade Center) geplant und benannt nach dem afro-amerikanischen Kampfpiloten des II. Weltkriegs Wendell O. Pruitt und dem weißen William L. Igoe, einem ehemaligen Kongressabgeordneten. Dies erklärt sich daraus, dass ursprünglich der Komplex in zwei Abteilungen gegliedert werden sollte, Pruitt für schwarze Einwohner und Igoe für weiße Einwohner. Allerdings fiel in die Bauphase der Schiedsspruch des obersten Gerichtshofes im Fall Brown v. Board of Education 1954, der die Rassentrennungspolitik für illegal erklärte. In der Folge wurde bei der Erstbeziehung im gleichen Jahr ein integrativer Siedlungsansatz verfolgt – es zeigte sich jedoch, dass binnen zwei Jahren alle weißen Einwohner einen Weg fanden, aus Pruitt-Igoe wegzuziehen.

Abriss eines Gebäudes des Pruitt-Igoe-Wohngebietes; der Abriss wurde im Fernsehen übertragen.

Die Siedlung selbst bestand aus 33 je 11-stöckigen Plattenbauten auf einem 23 Hektar großen Areal am Nordrand von St. Louis. Die nächsten Verbindungen waren im Norden die Cass Avenue, im Westen die N. Jefferson Avenue, im Süden der MLK Drive und im Osten die N. 20. Straße. Insgesamt umfasste der Bau 2.870 Wohnungen, die innerhalb von 5 Jahren Bauzeit errichtet wurden. Innerhalb weniger Jahre fiel das Gebiet jedoch ausuferndem Vandalismus zum Opfer - vergleiche dazu auch Broken-Windows-Theorie. Große Teile der Siedlung blieben unbewohnt, und nach mehreren erfolglosen Versuchen der Stadt zur Siedlungsverbesserung wurde letztlich der Abriss beschlossen, der am 16. März 1972 begann.

Grundriss der Großwohnsiedlung inmitten weitläufiger kleinerer Siedlungen

Die Kritik richtet sich schon darauf, dass die direkte Übernahme des Siedlungsschemas aus New York City nicht funktionieren konnte, schon allein wegen der großen sozialen und ökonomischen Unterschiede. Der Architekt Yamasaki soll einiges nicht bedacht haben, so wurden beispielsweise Spielplätze erst aufgrund von Bürgerinitiativen der Einwohner eingerichtet, so wie auch andere grundlegende soziale Infrastruktur durch die Bürger selbst eingerichtet oder angeregt wurden.

Heute befindet sich auf dem Gelände die Gateway Realschule, die einen Schwerpunkt in Wissenschaftsförderung im Bereich der öffentlichen Schulen von St. Louis wahrnimmt.

Gründe für den Misserfolg

Die Gründe für den Fehlschlag der Großwohnsiedlung Pruitt-Igoe werden immer noch kontrovers diskutiert, denn ähnliche Wohnungsbauprojekte in anderen Städten waren erfolgreich. In der Diskussion spielen oft auch ethnische und soziokulturelle Vormeinungen eine Rolle, wobei unklar ist, ob die Argumente auf die besondere Stadtkultur von St. Louis und dessen politisches Umfeld passen. Eine Studie der Harvard-Universität zum öffentlichen Wohnungsbau ist speziell auf Pruitt-Igoe eingegangen.

Während der Präsidentschaft Richard Nixons wurden die Verhältnisse politisch instrumentalisiert und als Beleg genommen, dass Einfluss der Regierung bei der Stadterneuerung grundlegend schädlich sei – letztlich erleichterte es Kürzungen bei Programmen zur dann nur mehr behaupteten Gleichstellung sozialer Schichten. Dem Abriss von Pruitt-Igoe wurde in den amerikanischen Medien besondere Aufmerksamkeit zuteil, und er ist heute als Anti-Schablone Teil der Populärkultur. Der postmoderne Architekt Charles Jencks bemerkte gar, dass der Abriss jenen Tag markiert, als die Nachkriegs-Moderne endete ("the day Modern Architecture died."[1]) Umfassendes Filmmaterial vom Abriss wurde im Film Koyaanisqatsi verarbeitet.

Bilder

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Charles Jencks. The Language of Post-Modern Architecture. Rizzoli. 1977. Page 9.

Literatur

  • Sociological study of Pruitt-Igoe: Lee Rainwater, Behind Ghetto Walls: Black Families in a Federal Slum (Chicago: Aldine Pub. Co., 1970).
  • Elizabeth Birmingham, "Reframing the Ruins: Pruitt-Igoe, Structural Racism, and African American Rhetoric as a Space for Cultural Critique," Positionen 2.2 (1998).
  • "Confessions in Stone" Stranger than Fiction by: Chuck Palahniuk Doubleday, 2004.
  • Comerio, Mary: Pruitt Igoe and Other Stories, JAE, Vol. 34, No. 4, pp. 26-31, 1981.
Commons: Pruitt-Igoe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 38° 38′ 24,5″ N, 90° 12′ 32,3″ W

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