Freiheitsgrad
Ein Freiheitsgrad steht allgemein für die Befähigung eines Systems sich gegenüber einer bestimmten Anzahl von Größen, welche der Anzahl der Freiheitsgrade entspricht, unabhängig zu zeigen. Das heißt das System ermöglicht es einer bestimmten Anzahl von Größen unabhängig voneinander zu variieren und legt diese nicht von vornherein fest.
Physik
Unter einem Freiheitsgrad eines physikalischen Systems versteht man eine (verallgemeinerte) Koordinate, mit der das System beschrieben werden kann. Die Zahl der Freiheitsgrade ist eine Systemeigenschaft. Beispielsweise hat ein Massenpunkt drei Freiheitsgrade, die Translationsfreiheitsgrade, also seine drei Raumkoordinaten, ein starrer Körper hingegen sechs, drei Translationsfreiheitsgrade und drei Rotationsfreiheitsgrade, beschrieben durch dessen Drehwinkel.
Thermodynamik
Die Zahl der Freiheitsgrade eines Systems spielt auch in der Thermodynamik eine Rolle, da sich die Energie gleichmäßig auf die einzelnen Freiheitsgrade verteilt. Die Zahl der Freiheitsgrade geht daher auch in die Entropie ein, die ja letztlich ein Maß für die Zahl der erreichbaren Zustände ist. Thermodynamische Systeme haben generell sehr viele Freiheitsgrade, etwa in der Größenordnung von 1023. Es können allerdings viele gleichartige Systeme mit jeweils nur wenigen Freiheitsgraden zustande kommen, zum Beispiel 1023 Atome mit effektiv (s.u.) je drei Freiheitsgraden.
Aufgrund der diskreten Energieniveaus der Quantenmechanik, können bei niedrigen Energien meist nicht alle Freiheitsgrade angeregt werden, da der erste angeregte Zustand bereits eine zu hohe Energie besitzt. Dadurch kann ein System bei einer gegebenen Energie effektiv weniger Freiheitsgrade haben. Zum Beispiel hat ein Atom bei Raumtemperatur effektiv nur die drei Translationsfreiheitsgrade, da die mittlere Energie niedrig genug ist, dass atomare Anregungen praktisch nicht vorkommen.
Ein zweiatomiges Molekül, wie zum Beispiel molekularer Wasserstoff, hat - neben den elektronischen Anregungen - sechs Freiheitsgrade: Drei der Translation, zwei der Rotation (Rotation um die Molekülachse ist aus quantenmechanischen Gründen nicht möglich), und ein Schwingungsfreiheitsgrad, welcher aus der Schwingung der beiden Wasserstoffatome des Moleküls gegeneinander resultiert. Allerdings sind Rotation und Schwingung quantisiert und daher nicht bei allen Temperaturen verfügbar. So verhalten sich die meisten zweiatomigen Gase wie zum Beispiel Wasserstoff, Sauerstoff oder Stickstoff unter Normalbedingungen, als hätten sie nur fünf Freiheitsgrade, was sich am Adiabatenexponenten ablesen lässt. Hingegen weist Kohlendioxid (dreiatomig, linear) sechs Freiheitsgrade auf, da hier der Schwingungsfreiheitsgrad bereits bei Normaltemperatur verfügbar ist. Bei sehr hohen Temperaturen tritt Ionisation auf und die Zahl der Freiheitsgrade steigt stark an.
Komplexere Moleküle haben viel mehr Schwingungsfreiheitsgrade, und liefern somit einen höheren Beitrag zur Entropie.
Die thermodynamischen Freiheitsgrade der Zustandsgröße auf makrospkopischer Ebene, sowohl für Feststoffe als auch für Fluide, kann über die Gibbssche Phasenregel ermittelt werden.
Technik
Bei Gelenken beschreibt Freiheitsgrad die Anzahl und Art der möglichen Bewegungen, die das Gelenk ausführen kann. Dabei stehen die sechs möglichen Freiheitsgrade des oben genannten starren Körpers zur Verfügung. Innerhalb eines Gelenks lassen sich jedoch nur maximal 5 Freiheitsgrade technisch umsetzen.
Die Zahl der Freiheitsgrade eines Systems, das aus vielen Teilsystemen gebildet wird, ist die Summe der Freiheitsgrade der Teilsysteme, sofern diese nicht durch Zwangsbedingungen (z.B. Fahrzeugkupplung: Der Anhänger kann sich nicht unabhängig vom Zugfahrzeug bewegen) eingeschränkt wird.
- Freiheitsgrad >0: beschreibt ein in sich bewegliches System.
- Freiheitsgrad =0: beschreibt ein Statischbestimmtes System.
- Freiheitsgrad <0: steht für überbestimmtes System in dem starke innere Spannungen auftreten können.
Statistik
Die Schätzung von Parametern ist eng verbunden mit der jeweils zur Verfügung stehenden Information. Die formale Anzahl von Informationen, zum Beispiel die Antworten von N Befragten, die zur Schätzung eines Parameters herangezogen werden, ist der Ausgangspunkt für die Festlegung der zur Verfügung stehenden Freiheitsgraden. Im allgemeinen ist die Anzahl der Freiheitsgrade gleich der formalen Anzahl unabhängiger Einzelinformationen minus der Anzahl der in die Berechnung des jeweiligen Parameters eingehenden zusätzlichen Parameter. Wird zum Beispiel die Varianz einer Verteilung mit N Werten geschätzt, dann ist die Anzahl der Freiheitsgrade N-1, da die Formel zur Berechnung von Varianz den Mittelwert m als weiteren Parameter enthält.
Kurz: Anzahl der frei wählbaren Elemente in einer bestimmten Berechnung, zum Beispiel Mittelwert aus 3 Zahlen -> 2 Freiheitsgrade