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Edgar Degas

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Selbstporträt mit Bleistifthalter (ca. 1855), 81 × 64,5 cm

Edgar Degas, eigentlich Hilaire Germain Edgar de Gas (* 19. Juli 1834 in Paris; † 27. September 1917 ebenda), war ein französischer Maler und Bildhauer. Er wird häufig zu den Impressionisten gezählt, mit denen er gemeinsam ausstellte. Jedoch unterscheiden sich seine Gemälde von denen des Impressionismus unter anderem durch die exakte Linienführung und die klar strukturierte Bildkomposition. Degas schuf zahlreiche Porträts; daneben konzentrierte er sich auf einige wenige Bildthemen, die er immer wieder variierte: das Ballett, Jockeys und Pferde, das Pariser Nachtleben sowie Frauen bei der Körperpflege. Neben der Ölmalerei und grafischen Techniken widmete er sich der Pastellmalerei, in der er es zu außergewöhnlicher Meisterschaft brachte. Seine Plastiken zeigen eine neue Auffassung von Skulptur.

Leben

Edgar Degas (wozu er seinen Namen später ‚verbürgerlichen‘ sollte) wurde am 19. Juli 1834 als erstes der fünf Kinder von Auguste de Gas und dessen Frau Célestine Musson in Paris geboren. Der Vater, ein gebürtiger Neapolitaner, leitete die Pariser Niederlassung der familieneigenen Bank in Neapel. Die Mutter war kreolischer Abstammung und kam aus New Orleans; sie starb, als der Sohn 13 Jahre alt war. Degas wuchs in einem großbürgerlichen, den Künsten aufgeschlossenen Umfeld auf. Nach dem Besuch des Collège Louis-Le-Grand begann er auf Wunsch des Vaters ein Jura-Studium, das er jedoch schon bald wieder aufgab, um die Künstlerlaufbahn einzuschlagen. Der Vater unterstützte ihn dabei unter anderem, indem er ihm ein geeignetes Atelier zur Verfügung stellte. Ab 1853 nahm Degas Unterricht bei dem Ingres-Schüler Louis Lamothe. 1855 besuchte er für kurze Zeit die École des Beaux-Arts. Danach zog er es vor, seine künstlerische Ausbildung auf eigene Faust weiterzuführen.[1] In den Pariser Museen zeichnete er nach antiken Reliefs sowie nach den Vorlagen alter Meister.

Die Familie Bellelli (1858–1867), 200 × 250 cm
Das Baumwollbüro in New Orleans (1873), 73 × 92 cm

1856 brach Degas zu der für bildende Künstler damals üblichen Studienreise nach Italien auf. Er besuchte zunächst die Verwandten in Neapel und verbrachte darauf rund eineinhalb Jahre in Rom, wo er eifrig zeichnete. Im Juli 1858 setzte er seine Reise fort nach Florenz; hier wohnte er wiederum bei Verwandten, der Familie Bellelli. Er fertigte von den Angehörigen zahlreiche Studien an, die als Grundlage für ein geplantes Gruppenbild dienen sollten.

Im April 1859 kehrte Degas nach Paris zurück. Er hielt nun seine Studienzeit für abgeschlossen und sich selbst für fähig, anspruchsvollere Projekte zu meistern. Mit dem großformatigen Gruppenporträt Die Familie Bellelli stellte er sein Können unter Beweis. Wenn der junge Künstler sich auch in erster Linie als Porträtist verstand, hielt er es doch für unerlässlich, sich auch auf dem Gebiet der Historienmalerei zu bewähren, die in der damaligen Hierarchie der Bildgattungen an erster Stelle stand. Bis 1865 schuf er fünf Historiengemälde; eins davon, die Mittelalterliche Kriegszene, stellte er 1865 im Salon aus, wo es bei Publikum und Kritik wenig Resonanz fand. Dies sowie die Zweifel, die ihm zuvor schon am Wert der Historienmalerei gekommen waren, veranlassten ihn, sich fortan ganz auf Themen des zeitgenössischen Pariser Lebens zu konzentrieren. Hilfreich war ihm dabei der erfahrenere Kollege Édouard Manet, den er bereits Jahre zuvor beim gemeinsamen Kopieren im Louvre kennengelernt hatte. Darüber hinaus kam er in Kontakt mit weiteren modernen Künstlern und Schriftstellern wie Jean Renoir, Paul Cézanne, Pierre-Auguste Renoir und Émile Zola. Von Bedeutung für seine weitere künstlerische Entwicklung wurde vor allem die Bekanntschaft mit dem Schriftsteller und Kunstkritiker Edmond Duranty. Von 1866 bis 1870 stellte er weiterhin alljährlich im Salon aus.

Während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 diente Degas als Artillerist in Paris; aus dieser Zeit sind die ersten Klagen über sein Augenleiden überliefert.[2] Die Wochen der blutigen Pariser Kommune verbrachte er bei Freunden auf dem Land.

1872/73 reiste der Maler nach New Orleans, wo seine zahlreichen Verwandten mütterlicherseits lebten. Auch zwei Brüder hatten sich mittlerweile dort niedergelassen; Mitglieder der Familie waren im Baumwollgeschäft tätig. Während des fünfmonatigen Aufenthalts entstand eine Reihe von Porträts der Angehörigen. Im folgenden Jahr starb der Vater. In der Folge wurde offenbar, dass die Pariser Bank nur durch Schulden über Wasser gehalten worden war und zudem Degas' Bruder René enorme Geschäftsschulden aufgehäuft hatte.[3] Die Bank wurde zwei Jahre später liquidiert, und Degas fühlte sich verpflichtet, für die Schulden des Bruders aufzukommen. Er musste Teile seiner Kunstsammlung verkaufen und seinen Lebensstil einschränken. Seine finanzielle Situation verbesserte sich jedoch in späteren Jahren wieder deutlich, da seine Werke immense Preissteigerungen verzeichneten.

Ab 1874 beteiligte er sich bis 1886 an den jährlichen Ausstellungen der Impressionisten.

Vielfach dienten ihm eigene Fotografien als Malvorlage. Merkmal dieser Schaffensperiode ist die an den Bildrand versetzte und wie auf Alltagsfotos angeschnittene Hauptperson – eine Bildkomposition, die aber auch in den von den Impressionisten geschätzten japanischen Holzschnitten durchwegs üblich ist.

Selbstporträt (1895), Fotografie

In den 1890-er Jahren entwickelte sich Degas zu einem begeisterten Fotografen. Die Ergebnisse stellte er 1895 bei einem Rahmenhändler aus.[4]


Die Sehkraft des Malers ließ mit den Jahren immer mehr nach. Deshalb sah er sich um 1892 gezwungen, die Ölmalerei einzustellen. Gegen 1908 fertigte er seine letzten Pastelle und Zeichnungen an, beschäftigte sich jedoch noch einige Zeit mit Skulpturen.[5] Seine letzten Lebensjahre verbrachte er, vereinsamt und fast blind, in der Obhut einer Nichte. Degas starb am 27. September 1917 an einer Gehirnblutung.[6]

Werk

Degas schuf annähernd 1.200 Werke, von denen hauptsächlich Ballettänzerinnen, Badende und Bilder vom Pferdesport allgemein bekannt sind.


Werke (Auswahl)

  • 1857: Römische Bettlerin
  • 1872: Ballettsaal der Oper in der Rue Peletier
  • 1873: Ballettprobe
  • 1872–1875: Rennpferde in Longchamp
  • 1873–1875: Ballettunterricht
  • 1874: Die Tanzklasse
  • 1876: Der Absinth
  • 1876: Jean de Rasamasur
  • 1890: Die blauen Tänzerinnen

Plastiken

Vierzehnjährige Tänzerin, Bronzeguss von 1922 nach der Originalskulptur von ca. 1879/80. Bronze, teilweise bemalt, mit Tüllrock und Satinband, Höhe mit Sockel 105 cm

Nach Degas’ Tod fand man in seinem Atelier mehr als 150 Plastiken, die meisten in schlechtem Erhaltungszustand.[7] Nur eine davon, die Vierzehnjährige Tänzerin, war jemals öffentlich ausgestellt worden. Die übrigen Plastiken, die Pferde, Tänzerinnen und Badende darstellen, werden in Degas’ spätere Lebensjahre datiert. Vermutlich konzentrierte er sich, nachdem seine nachlassende Sehkraft ihm das Malen unmöglich gemacht hatte, ganz auf dreidimensionale Arbeiten.[8] Die frühere Auffassung, dass ihm die Plastiken als Modelle für Gemälde dienten, wird heute von den meisten Experten nicht mehr geteilt.[9] Degas verwendete für seine Plastiken unterschiedliche Materialien wie Wachs, Ton, Plastilin und Textilien. Dies und die daraus resultierende Mehrfarbigkeit waren der traditionellen Bildhauerei fremd.

Die Vierzehnjährige Tänzerin war von Degas 1881 auf der sechsten Impressionistenausstellung gezeigt worden. Die mit einem echten Röckchen und Tanzschuhen ausgestattet Wachsfigur mit ihren realistischen Gesichtszügen stand außerhalb der etablierten Bildhauerkunst des 19. Jahrhunderts und wurde von den Kritikern unterschiedlich beurteilt. Während die einen ihre „schreckliche Wirklichkeit“ verurteilten, sah der Schriftsteller Joris-Karl Huysmans darin eine zukunftsweisende Auffassung von Skulptur: „[…] alle Ideen des Publikums über Bildhauerei, über diese kalten, leblosen, weißen Erscheinungen, über diese denkwürdigen, seit Jahrhunderten wiederholten schablonenmäßigen Werke werden umgestürzt. Tatsache ist, daß Monsieur Degas die Traditionen der Bildhauerkunst umgestoßen hat […].“[10]

Postum ließen Degas’ Erben von 72 der Plastiken Bronzegüsse in teilweise recht hohen Auflagen anfertigen.

Degas als Sammler

Weitgehend im Verborgenen baute Degas eine bedeutende Kunstsammlung auf. In seinem Nachlass fanden sich über 1.000 Gemälde und Zeichnungen sowie 4.000 Drucke, unter anderem von Ingres, Delacroix, Daumier, aber auch von Zeitgenossen wie Édouard Manet, Paul Cézanne, Paul Gauguin und Mary Cassatt. Die Mehrzahl dieser Werke hatte Degas in den 1890-er Jahren erworben. Hinzu kamen zahlreiche Gemälde, Zeichnungen und Drucke von seiner eigenen Hand.

In den beiden Jahren nach seinem Tod ließen Degas’ Erben die rund 8.000 Objekte versteigern.[11] Zu den Käufern gehörten das Pariser Musée du Louvre sowie die National Gallery und das Victoria and Albert Museum in London.[12]

Rezeption

1912 wurde Degas’ Bild mit dem Titel Danseuses à la barre mit dem höchsten Preis, den jemals ein Werk eines lebenden Künstlers in Frankreich erzielt hatte, verkauft. 2008 erzielte die Gouache Danseuses à la barre bei Christie's, London den bisherigen Weltrekord für eine Papierarbeit mit 13,5 Mio.

Der Bronzeabguss von Degas’ Petite danseuse de 14 ans („Kleine vierzehnjährige Tänzerin“) aus dem Jahr 1922 (Original um 1880) ging im Februar 2009 über das Londoner Auktionshaus Sotheby’s für 13,26 Millionen Pfund (14,4 Millionen Euro) an einen asiatischen Sammler. Dies ist der bei weitem höchste Preis, der je für eine Skulptur aus der Hand eines französischen Impressionisten gezahlt wurde.[13]

Literatur

  • Götz Adriani: Edgar Degas - Pastelle, Ölzkizzen, Zeichnungen. DuMont, Köln 1984, ISBN 3-7701-1552-X
  • Denys Sutton: Edgar Degas. Hirmer Verlag, München 1986, ISBN 3-7774-4270-4
  • Richard Kendall (Hrsg.): Edgar Degas. Leben und Werk in Bildern. Delphin-Verlag, München 1988
  • Angelika Wenzel: Edgar Degas. Prestel, München 2002
  • Bernd Growe: Edgar Degas. Taschen, Köln 2002
  • Werner Hofmann: Degas und sein Jahrhundert. C.H. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-56497-0

Film

  • David Thompson und Ann Turner: The unquiet spirit of Edgar Degas. Dokumentation 65 Min., Arthaus Musik, 2008 (1980), ISBN 978-3-939873-11-2

Einzelnachweise

  1. Götz Adriani: Edgar Degas – Pastelle, Ölskizzen, Zeichnungen, S. 26.
  2. Denys Sutton: Edgar Degas, S. 310.
  3. Werner Hofmann: Degas und sein Jahrhundert, S. 49.
  4. Werner Hofmann: Degas und sein Jahrhundert, S. 316.
  5. Götz Adriani: Edgar Degas – Pastelle, Ölskizzen, Zeichnungen, S. 100.
  6. Werner Hofmann: Degas und sein Jahrhundert, S. 316.
  7. Angela Schneider, Anke Daemgen, Gary Tinterow (Hrsg.): Französische Meisterwerke des 19. Jahrhunderts aus dem Metropolitan Museum of Art, New York (Ausstellungskatalog), S. 141.
  8. Götz Adriani: Edgar Degas – Pastelle, Ölskizzen, Zeichnungen, S. 80.
  9. Angela Schneider, Anke Daemgen, Gary Tinterow (Hrsg.): Französische Meisterwerke des 19. Jahrhunderts aus dem Metropolitan Museum of Art, New York, S. 140.
  10. Zitiert nach: Götz Adriani: Edgar Degas – Pastelle, Ölskizzen, Zeichnungen, S. 82.
  11. The Private Collection of Edgar Degas. Website des Metropolitan Museum of Art, New York.
  12. Denys Sutton: Edgar Degas, S. 308.
  13. Knapp 15 Millionen Euro für eine 14-Jährige. In: Die Welt, 4. Februar 2009
Commons: Edgar Degas – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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