Physiotherapeut
Einleitung
Physiotherapeut/in ist ein Heilberuf.
In Deutschland ist die Ausbildung zum/zur Physiotherapeuten/in seit 1994 durch das Masseur- und Physiotherapeutengesetz(MPhG) geregelt. Bis dahin war in den alten Bundesländern die Bezeichnung "Krankengymnast/in" üblich (vgl. Physiotherapie).
Zu dem MPhG gehört eine Ausbildungs- und Prüfungsverordnung, in der die dreijährige Ausbildung näher geregelt ist. Sie umfasst derzeit 2900 Stunden theoretische und 1600 Stunden praktische Ausbildung. Der Theorie-Unterricht findet nur in staatlich zugelassenen Schulen statt. Der praktische Anteil wird zum Teil in der Schule, zum größten Teil aber in zugelassenen Praktikumseinrichtungen absolviert. Den Abschluß bildet eine staatliche Prüfung (Examen) mit schriftlichem, mündlichem und praktischem Teil.
Geschichte
Altertum bis Neuzeit
Bereits aus der Antike sind uns gezielte gymnastische und diätetische Erziehungsideale überliefert. Die Athleten der antiken Olympischen Spiele hatten speziell ausgebildete Trainer, die über die sogenannte "Körperhygiene" ihrer Schützlinge wachten. Damit taten sie für die Gesundheit und Vitalität der jungen Leute oft mehr als jeder Arzt.
Auch der griechische Arzt Hippokrates und sein späteres römisches Pendant Galen hoben die gesundheitliche Wirkung aller "Leibesübungen" hervor.
Schon früh nutzte man die positiven Beobachtungen zur Gesundheitsberatung der Bevölkerung. Man empfahl regelmäßige Bewegung in Form von Spaziergängen, Schwimmen, Laufen, Reiten, Spielen und Tanzen. Auch die erholsame und heilende Wirkung von Massagen und Heilbädern ist seit der Antike bekannt.
Die Diätetik bezog sich nicht nur auf eine gesunde Ernährung. Ebenso wurde auf ein ausgewogenes Verhältnis von Wachen und Schlafen geachtet.
Bis ins hohe Mittelalter hinein änderte sich daran nicht viel, die "Rezepte" blieben die gleichen.
Eher war es so, dass durch den kirchlichen Einfluß der Körper in Vergessenheit geriet. Als gottesfürchtige Geschöpfe wurde das Leben und Leiden als schicksalhaft betrachtet.
Dies änderte sich erst mit der Renaissance, in der die antiken Ideale wieder erwachten.
Humanismus und Aufklärung
Vom Humanismus beeinflusst rücken jetzt auch Frauen, Kinder und Verkrüppelte mit ihren besonderen Bedürfnissen und Erkrankungen in den Mittelpunkt medizinischer Betrachtung.
Im 18.Jahrhundert begründet der französische Arzt Nicolas Andry die Orthopädie (das "aufrechte Kind"). Er beobachtete systematisch die häufigen Haltungsschwächen und Deformitäten bei Kindern. Er verschrieb spezielle gymnastische Übungen zur Therapie und Prophylaxe.
Der Schweizer Arzt Jean André Venel eröffnete 1780 die erste orthopädische Klinik der Welt in Orbe / Kanton Waadt.
Johann Christoph Friedrich Guts Muths wurde zum Begründer der pädagogischen Gymnastik in Deutschland. Franz Nachtegall (kein Tippfehler!) gründete 1798 in Kopenhagen die "Gymnastische Gesellschaft".
Aus ihren Leibesübungen entwickelte der Schwede Per Henrik Ling eine gezielte therapeutische Gymnastik, die wie heute noch an den "Gebrauchsbewegungen des Alltags" angelehnt war. Dabei kombinierte er seine Behandlungen mit Massagen für spezielle Muskelgruppen.
Industrialisierung und Moderne
Der Berliner Arzt Albert C. Neumann bringt die "schwedische Heilgymnastik" nach Deutschland. Er definiert als erster den Beruf des "Gymnasten" und setzt sich für die berufliche Emanzipation der Frauen ein. 1853 eröffnet er die erste Gymnastenschule für Damen.
Der Schwede Gustaf Zander entwickelt Apparate zum gezielten Muskelaufbau. Sie scheinen ihm notwendig, weil ein Therapeut seine Arbeit "nie Tag aus Tag ein gleich gewissenhaft ausüben kann".
Zudem wuchs jetzt der Bedarf an Behandlungen durch die Kriege (1870/71 , 1914-18 und 1939-45) und infolge der steigenden Arbeits- und Verkehrsunfälle.
Johann Hermann Lubinus gründet die von vielen Fachärzten angesehenen "Lubinus-Schulen". Nun macht die Krankengymnastik erstmals verstärkt mit Patienten aus der Chirurgie und Neurologie Bekanntschaft (Die Kinderlähmung nahm weltweit ein hohes Ausmaß an).
Für die Behandlung von Herz- und Lungenerkrankungen sowie in der Rheumatologie findet auch eine Rückbesinnung zu Heilbädern und der Kneipp-Lehre statt.
Nach der Währungsreform 1948 kam es im Gesundheitswesen zu Sparmaßnahmen, die zu einem deutlichen Stellenabbau führten. Erst mit der Gründung von Landesverbänden konnte sich der Berufsstand wieder besser etablieren und ausbauen. Verträge mit Krankenkassen und eine Vereinheitlichung der Ausbildung machten krankengymnastische Einrichtungen wieder rentabel.
In den 1950er Jahren bildet sich der ZVK (Zentralverband der Krankengymnasten), bis heute der größte aller deutschen Verbände. Durch seine Arbeit gelingt 1959 eine bundesgesetzliche Abgrenzung des "Krankengymnasten" zu anderen ärztlichen Hilfsberufen.
Im Zuge der Wiedervereinigung und der Anpassung an den internationalen Sprachgebrauch kam es 1994 zu einer Novellierung der Berufsgesetze (siehe MPhG). Von nun an heißen die Krankengymnasten "Physiotherapeuten", wie es bereits in der DDR üblich war.
Ausbildung
Aufgrund des permanenten Zuwachses an Heilwissen und Behandlungsalternativen sind die Lehrfächer und das Lernpensum heute sehr umfangreich. Letztendlich dient dies den Patienten, denen dadurch eine große Auswahl an Behandlungsmethoden zur Verfügung steht, die ihnen mehrere Wege zu einem individuell befriedigenden Heilerfolg ermöglichen.
Die schulische Ausbildung umfasst:
- 40 Std. Berufs-, Gesetzes- u. Staatskunde
- 240 Std. Anatomie
- 140 Std. Physiologie
- 30 Std. Allgemeine Krankheitslehre
- 360 Std. Spezielle Krankheitslehre (der Praktikumsfächer)
- 30 Std. Hygiene
- 30 Std. Erste Hilfe /Verbandtechnik
- 40 Std. Angewandte Physik u. Biomechanik
- 20 Std. Sprache u. Schrifttum
- 60 Std. Psychologie / Pädagogik / Soziologie
- 20 Std. Prävention u. Rehabilitation
- 40 Std. Trainigslehre
- 60 Std. Bewegungslehre
- 120 Std. Bewegungserziehung
- 100 Std. Befundaufnahme
- 500 Std. Behandlungstechniken
- 150 Std. Massage
- 60 Std. Elektro-, Licht- u. Strahlentherapie
- 60 Std. Balneo-, Thermo- u. Inhalationstherapie
- 700 Std. Methodische Anwendungen in den praktischen Medizinfächern
Das Praktikum in den medizinischen Einrichtungen umfasst:
- 240 Std. Chirurgie
- 240 Std. Innere Medizin
- 240 Std. Orthopädie
- 240 Std. Neurologie
- 160 Std. Pädiatrie
- 80 Std. Psychiatrie
- 80 Std. Gynäkologie
Fort-und Weiterbildung
Die Entwicklung der Medizin, das ständige Feedback aus der Grundlagenforschung und die permanente Weiterentwicklung der Behandlungsverfahren verändern die Anforderungen in Ausbildung und Berufsalltag in relativ kurzen Abschnitten.
Regelmäßige Fort- und Weiterbildungen sind obligatorisch. Die Berufsverbände (siehe unten), Arbeitsgemeinschaften und Arbeitskreise haben dazu eine Fülle von Angeboten.
Fortbildungskurse frischen die bestehenden Kenntnisse auf. Sie enden zwar nicht mit einer Prüfung, führen aber gegenüber den meisten Ärzten und Patienten zu einer höheren Akzeptanz und mehr Vertrauen.
Weiterbildungsmaßnahmen schließen fast immer mit einer Prüfung ab und führen zu einer Höherqualifizierung. Sie beinhalten immer ein komplettes Behandlungskonzept.
Sie können auch der Spezialisierung zu einer Lehrkraft dienen.
Tätigkeitsbereiche und Aufgaben
In der Chirurgie und Orthopädie geht es meist um postoperative Maßnahmen zur Verbesserung des Allgemeinzustandes und einer frühestmöglichen Mobilisierung des Patienten.
Behandlungen in der Inneren Medizin betreffen überwiegend die sogenannten "Zivilisationskrankheiten" wie etwa Arteriosklerose, Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, Asthma, Bronchitis und Diabetes.
In der Neurologie und Psychiatrie ist eine geduldige, langwierige Behandlung an der Tagesordnung. Neurologische Ausfälle und psychische Störungen sind oft nur schwer reversibel.
Die Pädiatrie dreht sich um Säuglinge bis hin zu Jugendlichen. Für ihre Behandlung sind besondere Kenntnisse in der Entwicklung des Kindes nötig. Die Erkrankungen können aus allen o.g. Bereichen kommen.
In der Gynäkologie geht es um vorbereitende Geburtshilfe und anschließende Wochenbett-Behandlungen.
Berufsverbände
Physiotherapeuten können ihre Interessen von unterschiedlichen Berufsverbänden vertreten lassen. Selbstständige und Angestellte organisieren sich meist getrennt.
Allgemeine Ziele sind
- Mitgestaltung der Gesundheitspolitik
- Förderung der Weiterentwicklung des Berufs
- Zukuntssicherung des gesamten Berufsstandes
- Pflege und Ausbau der internationalen Beziehungen
Verbände