Gesetzliche Rentenversicherung (Deutschland)
Dieser Artikel bezieht sich auf die deutsche Rentenversicherung. Für die Schweizer Rentenversicherung siehe: Alters- und Hinterlassenenversicherung. Für die US-amerikanische Rentenversicherung siehe: Social Security
Die gesetzliche Rentenversicherung (RV) in Deutschland ist Bestandteil (Versicherungszweig) der gegliederten Sozialversicherung. Sie findet ihre Grundlage im Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) [1].
Die RV im SGB VI bildet zusammen mit den anderen gesetzlichen Altersvorsorgeformen (Alterssicherung der Landwirte, berufsständische Pflichtversorgung der verkammerten freien Berufe) eine der drei Säulen des deutschen Alterssicherungssystems, neben der betrieblichen/überbetrieblichen/tariflichen Altersversorgung (zweite Säule) und der auf privater Vorsorge aufbauenden Versorgung (gefördert im Rahmen der sog. „Riester-Rente“). Eine Sonderversorgung besteht für die Beamten der öffentlichen Hand.
Träger der Rentenversicherung
Träger der RV sind:
- die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) in Berlin,
- die derzeit 22 Landesversicherungsanstalten (LVA),
- die Seekasse in Hamburg,
- die Bahnversicherungsanstalt in Frankfurt (Main) und
- die Bundesknappschaft in Bochum.
Mit der zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Organisationsreform der Rentenversicherung wurde ein einheitlicher Versichertenbegriff geschaffen und damit die historische Trennung von Angestellten und Arbeitern aufgehoben. Ab dem 01.10.2005 treten die Träger unter dem gemeinsamen Namen der Deutschen Rentenversicherung auf.
Bis dahin war die BfA für die Durchführung der Versicherung für Angestellte, die LVAen für die Arbeiter, die Bundesknappschaft für bergbaulich Beschäftigte, die Bahnversicherungsanstalt für Beschäftigte der Bahn und die Seekasse für Seeleute zuständig.
Die Bundesknappschaft ist zugleich Träger der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung der im Bergbau Beschäftigten und - als Trägerin der Minijob-Zentrale - für die Versicherung der geringfügig Beschäftigten (Minijobs) zuständig. Sowohl Bahnversicherungsanstalt als auch Seekasse führten neben der Arbeiter- auch die Rentenversicherung der Angestellten im Auftrag der BfA durch. Letztere ist Teil der sogenannten See-Sozialversicherung. Die Veranlagung der selbständigen Künstler und Publizisten, für deren Leistungen die BfA zuständig war, erfolgte bei der Künstlersozialkasse als besondere Abteilung der Unfallkasse des Bundes in Wilhelmshaven.
Die Träger der RV werden, wie die übrigen Träger der Sozialversicherung mit Ausnahme der gesetzlichen Unfallversicherung, im Verhältnis 50:50 durch Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten selbstverwaltet (bei der Knappschaft ist das Verhältnis disparitätisch 2/3 Arbeitnehmer zu 1/3 Arbeitgeber) und stehen unter staatlicher Rechtsaufsicht.
Versicherte
In der RV sind alle abhängig beschäftigten Arbeitnehmer einschließlich Auszubildender mit erstmaliger Aufnahme der Arbeitstätigkeit pflichtversichert nach § 1 SGB VI (Zwangsversicherung); darüber hinaus bestimmte Gruppen von Selbständigen (Landwirte, Handwerker, Künstler und Publizisten, Küstenfischer und –schiffer, Seelotsen, Selbständige mit einem Auftraggeber, Hausgewerbetreibende, Ich-AG (siehe § 2 SGB VI)). Daneben ist für Selbständige, die nicht kraft Gesetzes pflichtversichert sind, eine Versicherungspflicht auf Antrag möglich (§ 4 SGB VI). Insbesondere Hausfrauen und nicht versicherungspflichtige Selbständige können sich auch freiwillig versichern, sofern sie die im Gesetz genannten Voraussetzungen erfüllen (§ 7 SGB VI). Für bestimmte Berufsgruppen in Kammerberufen, z.B. Ärzte, Ingenieure, Architekten, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte besteht auf Antrag die Möglichkeit, sich von der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Rentenversicherung befreien zu lassen (§ 6 SGB VI), sofern sie einem berufsständischen Versorgungswerk angehören.
Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung
Die versicherten Risiken der gesetzlichen Rentenversicherung (gRV) sind das Alter, die verminderte Erwerbsfähigkeit und der Tod.
Leistungen der gRV sind
- Rentenzahlungen auf Grund eines dieser Risikofälle
- Altersrenten,
- Erwerbsminderungsrenten sowie
- Hinterbliebenenrenten sowie
- Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Dabei gilt der Grundsatz "Reha vor Rente", d.h. vor Zahlung einer Rente wird versucht, die Erwerbsfähigkeit des/der Versicherten wieder herzustellen. Erst wenn dies tatsächlich nicht möglich ist, erfolgt eine Rentengewährung.
Für die Rentengewährung ist die Erfüllung von
- persönlichen Voraussetzungen (z.B. Erwerbsminderung, Lebensalter, Tod) und
- spezifischen Wartezeiten, also Zeiten der Beitragszahlung zur Rentenversicherung,
vonnöten.
Daneben sind auch bei verschiedenen Renten noch weitere versicherungsrechtliche Voraussetzungen erforderlich. Eine abschlagfreie Altersrente wird nach geltender Rechtslage regelmäßig bei einem Renteneintritt ab dem 65. Lebensjahr gewährt. Eine vorzeitige Inanspruchnahme ist mit dauerhaften Abschlägen von 0,3 Prozentpunkten für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme behaftet.
Begriff Rente
Mit dem Begriff Rente werden in Deutschland allgemein die Leistungsbezüge im Ruhestand aus den gesetzlichen Sozialversicherungssystemen für Pflichtversicherte erfasst.
Die Zahlung der Rente erfolgt durch den jeweiligen Versicherungsträger. Die Zahlungsabwicklung erfolgt u.a. durch den Rentenservice der Deutschen Post AG.
In Deutschland ist die staatliche Altersrente von der Pension abzugrenzen. Pensionäre erhalten ihre Leistungen aus Sonderkassen (Pensionskassen). Als Pensionäre werden nur im Ruhestand befindliche Beamte bezeichnet. Auch in steuerlicher Hinsicht gibt es Unterschiede. Während der Rentner nur den Ertragsanteil zu versteuern hat, sind die Leistungen aus der Pensionskasse in voller Höhe zu versteuerndes Einkommen. In Österreich werden dagegen alle Altersrenten als Pensionen bezeichnet. Zunehmend wird der Begriff Rente auf die sog. Rentenproblematik reduziert.
Die Rente umfasst ein ganzes Bündel an verschiedenen Leistungen. Neben der Altersrente (das ist umgangssprachlich "die Rente") wird auch Witwen-, Witwerrente und Halb-, Vollwaisenrente gezahlt.
Steuerlich ist sie nur teilweise mit dem sog. Ertragsanteil als Einkommen zu berücksichtigen. Dieser Ertragsanteil entspricht einer fiktiven Verzinsung, die von den getätigten Einzahlungen abgezogen wird. Je früher der Versicherte in Rente, desto geringer ist einerseits die absolute Rentenhöhe und desto höher wird der zu versteuernde Ertragsanteil an der monatlichen Altersrente.
Tatsächlich ist dieser zu versteuernde Ertragsanteil nur eine fiktive Größe. Da die Gelder der gesetzlichen Rente aus dem Umlageverfahren kommen (siehe auch Generationenvertrag) und nicht wie bei der privaten Vorsorge nach dem Kapitaldeckungsverfahren, wurden die vergangenen Einzahlungen der jetzigen Leistungsempfänger sofort bei Einzahlung bis auf die sog. Schwankungsreserve verbraucht.
Oft wird der Begriff "Altersrente" verwechselt mit dem Ausscheiden aus dem Berufsleben. Das hat aber nur einen mittelbaren Zusammenhang. Während zum Beispiel das Rentenalter erhöht wird (derzeit 65 Jahre), sinkt das Alter, in dem man aus dem Berufsleben ausscheidet, tendenziell, zur Zeit liegt es teilweise bereits bei einem Alter von 50 Jahren, typisch bei 57 ... 60 Jahren. Um die Lücke zwischen altersbedingtem Ausscheiden aus dem Berufsleben und dem Rentenbezug zu schließen, gibt es zum Beispiel Vorruhestandsregelungen bzw. Sozialhilfe. Weiterhin kann man aber auch während des Bezuges von Altersrente weiterarbeiten, solange die entsprechenden Bedingungen eingehalten werden.
Berechnung der Rentenhöhe
Die Höhe der Altersrente wird nach der Rentenformel berechnet. Diese ist im Sozialgesetzbuch (SGB VI) normiert. Sie berechnet sich aus der Multiplikation der im Laufe des beitragspflichtigen Erwerbslebens kumulierten Entgeltpunkte (Entgeltpunkt ist die Verhältniszahl des persönlichen Arbeitsentgeltes zum Durchschnittsentgelt aller Versicherten eines Kalenderjahres) mit dem sich jährlich in Abhängigkeit der Entwicklung der Bruttolöhne und demographischer Veränderungen anpassenden aktuellen Rentenwert, gegebenenfalls mit Abschlägen bei Inanspruchnahme vor dem 65. Lebensjahr.
Besonderheiten bestehen in der Knappschaftsversicherung (Rentenversicherung der Bergleute).
Der soziale Solidargedanke der RV kommt unter anderem in der Berücksichtigung von Zeitabschnitten ohne Beitragsleistung (z. B. Kindererziehungszeiten, Zeiten zwischen Eintritt der Erwerbsminderung und vollendetem 60. Lebensjahr) zum Ausdruck.
Darüber hinaus erbringen die Träger der RV auch Leistungen im Rahmen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation zur Wiederherstellung bzw. Verbesserung der Erwerbsfähigkeit. Diese Leistungen dienen der Abwendung des versicherten Risikos und können insofern nicht als versicherungsfremd eingestuft werden.
Auf die Berechnung der Rentenhöhe hat zusätzlich der ständige Aufenthaltsort (Wohnsitz) den Rentenempfängers maßgeblich, hierzu wurden auch Versicherungslastregelungen zwischen Staaten getroffen.
Pflichteinzahlungen in die Rentenversicherung
Grundsätzlich wird die Rentenversicherung durch Beiträge finanziert, die je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen werden (Ausnahmen: in der Knappschaftsversicherung trägt der Arbeitgeber zwei Drittel des Beitrags; Selbständige tragen den Beitrag allein (Besonderheiten gibt es in der Künstlersozialversicherung und für geringfügig Beschäftigte). Diese sogenannte paritätische Finanzierung, die auch für die gesetzliche Krankenversicherung gilt, ist betriebswirtschaftlich gesehen allerdings eine Fiktion, da der gesamte Zahlbetrag und nicht etwa nur der Arbeitnehmerbeitrag von diesem erwirtschaftet werden muss. Bei betriebswirtschaftlicher Betrachtung sind daher Arbeitgeberbeiträge dem Bruttoeinkommen des Arbeitnehmers zuzurechnen. Durch eine Ausgliederung und Bezeichnung als Lohnnebenkosten verstellen sie dem Beschäftigten den Blick auf die reale Abgabenquote. Über die Beiträge hinaus decken verschiedene Bundeszuschüsse (etwa ein Viertel der Gesamtfinanzen) und sonstige Einnahmen den Bedarf der Rentenversicherung an auszuzahlenden Mitteln.
Die Finanzierung der Rentenversicherung erfolgt nicht im Kapitaldeckungs-, sondern im Umlageverfahren. Dabei werden laufende Rentenausgaben auf die derzeitigen Beitragszahler umgelegt (Generationenvertrag). Der Beitragssatz wird als Prozentsatz vom Bruttolohneinkommen (Arbeitsentgelt) bis zur Beitragsbemessungsgrenze erhoben, bei Selbständigen vom Erwerbseinkommen; er ist für die Angestellten- und die Arbeiterrentenversicherung gleich hoch (seit dem 01.01.2003 19,5%), für die Knappschaftsversicherung höher (seit dem 01.01.2003 25,9%).
Historische Entwicklung und heutige Situation
Die Verabschiedung des Gesetzes zur Alters- und Invaliditätsversicherung durch den Reichstag des Deutschen Reiches unter Otto von Bismarck bildet die Grundlage der Bismarck’schen Sozialgesetzgebung (24. Mai 1889). Im Rahmen dieser Sozialgesetzgebung wurde die Rentenversicherung (RV) zum 1. Januar 1891 (vgl. RGBl. 1889 I S. 97) erstmals eingeführt.
Wesentliche Reformschritte waren 1911 die Einführung der Hinterbliebenenrenten sowie die Einbeziehung der Angestellten in die Rentenversicherung im Jahre 1911 durch das Versicherungsgesetz für Angestellte, vom 20.12.1911, RGBl. S.989). Das alte System des Ansparens (Kapitalbildung) von Rentenzahlungen auf einem Sparbuch/Konto war infolge der Weltwirtschaftskrise in schwerste Bedrängnis geraten zusammengebrochen.Infolge der Hyperinflation gerieten die ursprünglich auf durch das Anwartschafts- bzw.Kapitaldeckungsverfahren finanzierten Rentenversicherungen unter starken Druck. So waren das Reinvermögen der Deutschen Rentenbank von 2,12 Mrd. RM (im Jahre 1914) binnen eines Jahrzehnts auf einen Rest von nur noch 14,6 % der Summe zusammengeschmolzen. Daher war es notwendig, vom Anwartschaftsdeckungsverfahren auf das Umlageverfahren überzugehen. Dies galt sowohl für die Invalidenversicherung als auch für die Angestelltenversicherung. Während des dritten Reiches kam es zu einer erneuten Umstellung: Um die dauerhafte Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung sicherzustellen, wurde zum Anwartschaftsdeckungsverfahren gewechselt. Erst im Jahre 1957 kam der Übergang zum System der noch heute bestehenden Umlagefinanzierung. Dies führte damals zur sofortigen Rentenerhöhung, jedoch mit dem Nachteil, dass heute für die Rentner keine tatsächlichen Anlagen vorhanden sind. Weitere Maßnahme der Reform von 1957 war die dynamischen Koppelung der Rentenhöhe an die Bruttolohnentwicklung. 1972 kommt es zur Einführung der flexiblen Altersgrenze sowie seit 1992 zum Versuch der Sicherung des von demographischer Entwicklung und wirtschaftlicher Stagnation bedrohten Systems (Rentenproblem). Die Intention der Reichsversicherungsordnung war es, die Rente ohne Ansehen der Person, entsprechend der Anspruchsberechtigung an den Versicherten zu zahlen. Diese so genannte Wertneutralität der Rente wurde erstmals wesentlich verletzt durch die Sozialgesetzgebung der Nazis. Diese Tradition setzte in gewisser Weise die BRD fort, als es um die Entschädigung für ehemalige Häftlinge in KZ und Zuchthäusern zwischen 1933-45 ging, wenn diese Kommunisten waren. Diese Praxis fand vorwiegend in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts Anwendung. Eine unrühmliche Neuauflage der Verletzung des Wertneutralitätsprinzips setzte erst 1990 mit der Deutschen Einheit ein, als massenhaft ex DDR-Bürger Rentenkürzungen in Kauf nehmen mussten - verfassungswidrig, wie erst 1999 und folgende Jahre der BGH fest stellte. Die Wertneutralität ist auch im Sommer 2005 noch nicht hergestellt.
Siehe auch
Literatur
- ISOR e.V. (Hg.), Wertneutralität des Rentenrechts. Strafrente in Deutschland?, Kai Homilius Verlag, Berlin 2. Auflage 2005, ISBN 3-89706-881-8, (Leseprobe)
- H. Grüner / G. Dalichau, Gesetzliche Rentenversicherung. Kommentar, Heidelberg (Loseblatt)
- K. Hauck et al., Sozialgesetzbuch – SGB VI. Kommentar, Berlin (Loseblatt)
- R. Kreikebohm (Hrsg.), SGB VI. Kommentar, 3. Aufl., München 2003
- H.-W. Lueg / B. v. Maydell / F. Ruland (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung, 5 Bde., Berlin (Loseblatt)
- B. Schulin (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts. Bd. 3 Rentenversicherungsrecht, München 1999; Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (Hrsg.)
- Handbuch der Rentenversicherung, Neuwied 1990.
Weblinks
- Private Rentenversicherung Versicherungsvergleich - kostenlos und unverbindlich
- Expertenforum zu allen Fragen der persönlichen Altersvorsorge. Gesetzliche Rente, betriebliche Altersversorgung oder persönliche Vorsorge: Hier antworten erfahrene Beraterinnen und Berater Ihres Rentenversicherungsträgers auf individuelle Fragen.
- Sozialgesetzbuch VI
- Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR)
- Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA)
- Die Landesversicherungsanstalten
- Bundesknappschaft