Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten
Der Supreme Court ist im US-amerikanischen Rechtssystem ein oberster Gerichtshof. Diesen gibt es sowohl in jedem einzelnen Bundesstaat als auch auf Bundesebene. Der Supreme Court ist der einzige amerikanische Gerichtshof, der explizit in der Verfassung vorgesehen ist. Zusätzlich richtete der Kongress 13 Appellationsgerichte auf Bundesebene (Federal Courts of Appeals) und – eine Stufe darunter – 95 Bezirksgerichte auf Bundesebene (Federal District Courts) ein. Der Supreme Court oder Oberste Gerichtshof kommt in Washington, D.C. zusammen; die anderen Bundesgerichte sind landesweit auf die Städte verteilt.
Bundesgerichte befassen sich mit Fällen, die die Verfassung, Bundesrecht, Bundesverträge und Seerecht betreffen oder bei den ausländische Bürger oder Regierungen oder die amerikanische Bundesregierung selbst Partei sind. Von wenigen Ausnahmen abgesehen werden nur Berufungsfälle der unteren Gerichte vom Supreme Court verhandelt, wobei zu erwähnen ist, dass das amerikanische Rechtssystem keine strikte Abgrenzung zwischen Berufung und Revision kennt. Bei den meisten dieser Fälle geht es um Streitigkeiten über die Auslegung und Verfassungsmäßigkeit von Handlungen der Exekutive und von Gesetzen, die vom Kongress oder von einzelnen Bundesstaaten verabschiedet wurden.

Verfahrensablauf
Der Verfahrensablauf vor dem Supreme Court ist immer derselbe. Berufungsanträge werden von Anwälten, die eine spezielle Zulassung besitzen müssen, eingereicht. Diese Anträge werden dann von den 9 Richtern geprüft, und anschließend entscheiden sie in einem freien Annahmeverfahren, ob sie den Fall vor Gericht anhören.
Maßgeblich ist dabei allein die richtungweisende Bedeutung der Sache oder ob sie eine ungeklärte Rechtsfrage aufwirft, auf eine möglicherweise fehlerhafte Rechtsanwendung der Vorinstanz im Einzelfall kommt es hingegen nicht an. Entscheiden die Richter, den Fall nicht anzuhören, ist das Verfahren beendet. 90 % der Anträge scheitern bereits hier. Für die zugelassenen Anträge werden mündliche Verhandlungen anberaumt.
Die Mündliche Verhandlung verläuft nach strengen Regeln. Die Richter betreten den Raum in einer zeremoniellen Art und Weise. Wenn die Verhandlung beginnt, klopft der oberste Gerichtsdiener (Marshall) 2 mal mit seinem Hammer auf den Tisch und verkündet:
- "The Honorable, the Chief Justice and the Associate Justices of the Supreme Court of the United States. Oyez, Oyez, Oyez, all persons having buissness before the Honorable, the Supreme Court are admonished to draw near and give their attention, for the Court is now sitting. God save the United States and this Honorable Court."
- "Die Ehrenwerten, der Vorsitzende Richter und die Beigeordneten Richter des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten. Hört, hört, hört [französisch]: Alle Personen, die vor dem Ehrenwerten dem Obersten Gerichtshof ein Anliegen zu unterbreiten haben, sind aufgefordert vorzutreten und sich mit der Sache zu befassen, denn die Sitzung dieses Gerichtshofes ist nun eröffnet. Gott schütze die Vereinigten Staaten und dieses Ehrenwerte Gericht".
Der Chief Justice eröffnet darauf hin die Sitzung und ruft den ersten Fall auf. Nun treten die Anwälte in Aktion. Jeder Anwalt bekommt 30 Minuten Zeit, um am Rednerpult seine Argumente vorzubringen, und sie gegen die Fragen der Richter zu verteidigen (sog. oral arguments). Zeugen werden nicht gehört. Der Chief Justice beendet die Sitzung mit den Worten: "The Case is submitted" ("Der Fall wird zur Entscheidung angenommen").
Danach ziehen sich die Richter zurück und bereden den Fall auf ihren Konferenzen. Es finden einige Probeabstimmungen statt, und am Ende steht die richtige Abstimmung. Ist der Chief Justice in der Mehrheit, so fällt ihm die Aufgabe zu, die Auffassung des Gerichtes zu verfassen, er kann diese Aufgabe jedoch einem der anderen Richter übergeben. Ist er in der Minderheit, so hat er die Pflicht, die Meinung der Minderheit darzustellen, und die Auffassung der Mehrheit wird von dem ältesten Richter der Mehrheit selbst geschrieben oder auch delegiert.
Nachdem der Beschluss sowie eventuelle abweichende Meinungen (dissenting votes) niedergeschrieben sind, werden diese entweder in einer öffentlichen Sitzung vorgelesen oder nur schriftlich abgesetzt. Obwohl das Kollegium des Supreme Courts mehrere Beratungs- und Abstimmungsgänge kennt und die Position beider Fraktionen regelmäßig dargestellt wird, sind die Richter mit Sondervota nicht gerade sparsam. Diese individuell geprägte Rechtskultur weicht etwa von dieser des Bundesverfassungsgerichts ab, die konsensualer auftritt und die selteneren Sondervota bei gravierenden Differenzen oder einem dogmatisch anspruchsvollen Widerstreit niedergeschrieben werden.
Besetzung
Der Präsident der USA nominiert Richterkandidaten, welche dann nach Befragung und Zustimmung durch den US-Senat in ihr Amt berufen werden. Das Gericht setzt sich stets aus acht beigeordneten Richtern (Associate Justices) und einem Vorsitzenden (Chief Justice) zusammen. In der Verfassung heißt es, die Richter sollen im Amt bleiben "during good behaviour", während "guter geistiger Verfassung". Faktisch bewirkt dies eine Ernennung auf Lebenszeit, es gibt keine starre Altersgrenze. Wie alle anderen Richer auch können sie durch das Impeachment-Verfahren durch den Kongress abgesetzt werden. Rücktritte wegen schlechter Gesundheit kommen jedoch regelmäßig vor.
Besonders durch die Benennung relativ junger Richterkandidaten kann ein US-Präsident die politische Richtung der USA weit über seine eigene Amtszeit hinaus beeinflussen. Daher sind diese Berufungen in den letzten Jahrzehnten oft politisch heftig umstritten gewesen.
Derzeitige Mitglieder
(in Klammern, durch welchen Präsidenten wann nominiert)
Vorsitzender
Chief Justice of the United States William H. Rehnquist (Richard Nixon, 1972; als Vorsitzender: Ronald Reagan, 1986)
Beigeordnete Richter
- John Paul Stevens (Gerald Ford, 1975)
- Sandra Day O'Connor (Ronald Reagan, 1986) Am 1.7.2005 zurückgetreten; als Nachfolger wurde Richter John Roberts Jr nominiert
- Antonin Scalia (Ronald Reagan, 1986)
- Anthony M. Kennedy (Ronald Reagan, 1988)
- David H. Souter (George H. W. Bush, 1990)
- Clarence Thomas (George H. W. Bush, 1991)
- Ruth Bader Ginsburg (Bill Clinton, 1993)
- Stephen G. Breyer (Bill Clinton, 1994)
Bedeutende Entscheidungen
Die folgende Tabelle gibt Auskunft über einige bedeutende Fälle, in denen der Supreme Court Recht gesprochen hat. Diese Liste ist selbstverständlich nicht vollständig und wird hoffentlich in der Zukunft länger. Links in der Fall-Spalte verweisen auf die Fallentscheidungen des Gerichts im englischen Original.
Jahr | Fall | Zusammenfassung | |
---|---|---|---|
1803 | Marbury v. Madison |
Der Supreme Court stellt fest, dass er das Recht hat, Gesetze des Kongresses für verfassungswidrig zu erklären. Solche Gesetze müßten nicht aufgehoben werden, sie seien vielmehr nichtig ("a legislative act contrary to the constitution is not law"). | |
1810 | Fletcher v. Peck |
Der Supreme Court stellt fest, dass auch Gesetze der einzelnen Bundesstaaten nicht von der Verfassung abweichen dürfen und notfalls vom Gericht invalidiert werden. | |
1832 | Worcester v. Georgia |
Die Bundesregierung allein ist für die Beziehungen zu den amerikanischen Ureinwohnern zuständig. Bundesstaaten dürfen in deren Angelegenheiten nicht eingreifen. | |
1833 | Barron v. Baltimore |
Die Grundrechte der Bill of Rights sind nicht unbedingt bindend für die einzelnen Bundesstaaten. Dies wurde später mit Hilfe des 14. Verfassungszusatzes aufgehoben. | |
1856 | Dred Scott v. Sandford |
Schwarze können niemals Bürger der Vereinigten Staaten werden, da sie minderwertig sind und sie haben keinerlei Rechte in der Verfassung. Dieses wohl berüchtigtste Urteil in der Gerichtsgeschichte wird oft als eine der Ursachen des amerikanischen Bürgerkriegs angesehen. Durch Verfassungszusätze wurde es aufgehoben. | |
1869 | Texas v. White |
Bundesstaaten ist es nicht erlaubt, sich von den USA loszulösen. | |
1880 | Strauder v. West Virginia |
Schwarze generell von Juries (Geschworenengerichten) auszuschließen ist verfassungswidrig, weil es gegen den 14. Verfassungszusatz verstößt. | |
1896 | Plessy v. Ferguson |
Rassentrennung durch die Staaten ist erlaubt, solange die Einrichtungen für Schwarze und Weiße vergleichbar sind. 1954 aufgehoben. | |
1923 | Meyer v. Nebraska | Das Verbot des Unterrichts einer nicht-englischen Sprache (hier: Deutsch) verstösst gegen das Elternrecht, wie es im 14. Verfassungszusatz grundgelegt ist | |
1954 | Brown v. Board of Education |
Rassentrennung ist verfassungswidrig in allen Fällen. Dieser Fall negiert Plessy v. Ferguson. | |
1963 | Gideon v. Wainwright |
Das Recht auf einen Anwalt ist absolut und hängt auch nicht vom Vermögen des Angeklagten ab. Regierungen müssen Anwälte für solche Fälle bereitstellen, wo der Angeklagte keinen eigenen bezahlen kann. |
|
1965 | Griswold v. Connecticut |
Bundesstaaten können Mittel zur Schwangerschaftsverhütung nicht verbieten, da dies gegen das in der Verfassung implizierte Recht auf Privatsphäre verstößt. | |
1966 | Miranda v. Arizona |
Verdächtige, die von der Polizei vernommen werden, müssen vorher über ihre Rechte informiert werden. | |
1967 | Loving v. Virginia |
Das Verbot von Ehen zwischen Schwarzen und Weißen ist verfassungswidrig. Siehe auch: Mischehe. | |
1972 | Roe v. Wade |
Schwangerschaftsabbruch ist ein Grundrecht als Folge des in der Verfassung implizierten Rechts auf Privatsphäre. | |
1976 | "153" Gregg v. Georgia |
Die Todesstrafe ist nicht per se eine "grausame und ungewöhnliche Strafe" und daher grundsätzlich legal. | |
1986 | Bowers v. Hardwick |
Gesetze gegen Homosexualität sind rechtskräftig, wenn sie Teil der bundesstaatlichen Polizeigewalt darstellen. 2003 aufgehoben. | |
2000 | Bush vs. Gore |
Dieses Urteil ist im Jahr 2000 von vielen Seiten her kritisiert worden. Die Richter entschieden mit 7 zu 2 Stimmen, dass die Nachzählungen im Bundesstaat Florida, nach denen Al Gore der Sieger in diesem Staat und damit Sieger der Präsidentschaftswahlen war, gegen die Verfassung verstießen. Dies hatte zur Folge, dass George W. Bush gegen den Willen der Mehrheit der Amerikaner zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. Auffällig ist, dass die Entscheidung genau im Mehrheitsverhältniss getroffen wurden, dass zwischen republikanischen und demokratischen Richtern besteht (7 republikanische Richter, 2 Demokraten). Daher wurde den Richtern oft eine politische Entscheidung unterstellt. (Mehrheitsführer: William H. Rehnquist, O'Connor, Scalia). | |
2003 | Lawrence v. Texas |
Gesetze gegen Homosexualität sind verfassungswidrig, da sie gegen das in der Verfassung implizierte Recht auf Privatsphäre verstoßen. Dieser Fall negiert Bowers v. Hardwick. | |
2004 | Rasul v. Bush |
Die auf dem US-Stützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba inhaftierten mutmaßlichen Terroristen haben das Recht, vor US-Gerichten gegen ihre Inhaftierung vorzugehen. | |
2004 | Roper v. Simmons |
Mit diesem Urteil entschieden die Richter, dass die Hinrichtung von Minderjährigen gegen die Verfassung verstößt. Mehrheitsführer war Richter Anthony Kennedy, was überraschend war, da er eigentlich zum konservativen Flügel des Gerichtes gezählt wurde. | |
2005 | MGM Studios, Inc. v. Grokster, Ltd. |
Produzenten von Produkten, welche den Verstoss gegen Copyrights unterstützen, können für die Verstösse gegen Copyrights der Benutzer verklagt werden. (Entscheid war einstimmig) |