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Lese- und Rechtschreibstörung

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Das Wort Legasthenie kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Schwierigkeiten mit Worten oder der Sprache“. Die betroffenen Personen (Legastheniker) haben häufig Probleme mit der Umsetzung der gesprochenen zur geschriebenen Sprache. Es wird vermutet, dass bei ihnen die auditive und visuelle Wahrnehmung und Verarbeitung der Sprache und vor allem der Phonetik anders abläuft als bei Nichtlegasthenikern.

Ursprünglich war Legasthenie der nur in der Medizin oder vor allem in der Psychologie benutzte Begriff für eine Lese-Rechtschreib-Schwäche und die daraus resultierenden Probleme. So wurde der Begriff Legasthenie 1916 von dem ungarischen Psychologen Pál Ranschburg geprägt. In der Pädagogik sprach und spricht man eher von einer „isolierten Lese-Rechtschreib-Schwäche“ oder einer „Teilleistungsstörung bei normal begabten Kindern“, um die Diskrepanz zwischen einer ausgesprochen niedrigen Lese- und Schreibleistung und normaler oder sogar oft überdurchschnittlich hoher Intelligenz in Worte zu fassen.

(Die Abkürzung LRS wird im Schulsystem für alle Lese-Rechtschreib-Schwächen verwandt, z. B. auch für alle nichtlegasthenen Leseschwächen bedingt durch Erkrankung, Meningitis, Downsyndrom, Migrantenproblematik, Eltern entstammen einem anderen Herkunftsland usw.)

Heute vermengen sich diese Begriffe oft, da man im Allgemeinen versucht, den ganzen Menschen mit all seinen Stärken und Schwächen zu betrachten und da man erkannt hat, dass vor allem die frühe Förderung aller betroffenen Kinder im Mittelpunkt stehen muss.

Charakteristika

Stärken

Da sich Legasthenie vor allem als Teilleistungsstörung während der Schulzeit zeigt, sind die Stärken legasthener Menschen in vielen Ländern weniger bekannt als ihre Schwächen. Legastheniker sind oft sehr kreativ und haben ein gutes Vorstellungsvermögen. Ihre unkonventionelle Art Aufgaben zu lösen und neue Ideen hervorzubringen, macht sie zu interessanten Zeitgenossen, deren Schicksal davon abhängt, wie sie mit ihren Problemen umgehen lernen. Viele bekannte und erfolgreiche Naturwissenschaftler, Unternehmer oder auch Künstler haben ihre besonderen Fähigkeiten nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Legasthenie entwickeln können. Andere sind damit aber auch schon früh gescheitert.

Schwächen

Frühe Phase: während des Lernens von Lesen und Schreibens (1-3. Klasse) zeigen sich bei manchen Betroffenen Diskrepanzen in dem phonologischen Bewusstsein (gestörtes Lautbewusstsein), sie können nur mit großer Konzentration Buchstaben eindeutig in Laute umsetzen und umgekehrt. Allerdings tritt Legasthenie auch bei Kindern ohne dieses gestörte Lautbewusstsein auf. Hier scheint es sich eher (im späteren Verlauf) um eine Verarbeitungsschwäche visueller Wahrnehmung zu handeln: viele Legastheniker klagen darüber, dass sie ähnlich aussehende Buchstaben nicht unterscheiden können und „anders“ wahrnehmen: das b wird als d gesehen, Wortteile erscheinen rückwärts oder „fangen an zu tanzen“. Lesen, Schreiben und Rechtschreibung, manchmal auch der Umgang mit Zahlen können Probleme bereiten. Nachdem diese Betroffenen nun ganze Worte nicht "abspeichern" können, können sie beim Lesen und Schreiben auch nicht auf "bekannte" Wörter zugreifen - sie müssen sich jedes Wort mühsam "Buchstabe für Buchstabe" zusammenfügen, bis sie schließlich anhand des Wortklanges die Bedeutung erfassen. Diese "Wahrnehmungschwäche", die man sich wie einen fehlenden inneren Bildschirm vorstellen muss, scheint sich manchmal bis zur Pubertät "auszuwachsen", so dass in Folge auch Techniken aus dem NLP helfen können, eine sinnvolle Strategie zu "verankern" (Sehen statt Hören) und verfügbar zu machen. Da man sich auf das "Auswachsen" legasthener Schwierigkeiten leider kaum verlassen kann, sollte man beim Leselernprozess von Anfang an multisensorisch - das heißt unter Einbeziehung aller Sinne - arbeiten. Rhythmisches Mitsprechen, Silbentrennung und Gebärdensprache haben sich auch in hartnäckigen Fällen besonders bewährt, um diese spezifische Verarbeitungs-Schwäche weitgehend kompensieren zu können.

Anhaltende mathematische Probleme können auf eine Dyskalkulie hinweisen. Zu den oft vorkommenden Begleiterscheinungen einer Legasthenie gehören Organisationsprobleme, sowie Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis.

Diese Teilbehinderung tritt bei ungefähr 10 % der Bevölkerung mehr oder weniger stark auf.

Versuch einer Definition

Da Legasthenie mit sehr vielen verschiedenen Begleitsymptomen auftritt, gibt es bis heute keine weltweit anerkannte Definition dazu. Ein legasthenes Kind hat vielleicht nebenbei auch Schwierigkeiten rechts und links zu unterscheiden, seine Schnürsenkel zuzubinden oder mehrere Anweisungen hintereinander zu befolgen und zeigt sich trotzdem schon früh als besonders naturwissenschaftlich, mathematisch oder technisch begabt.

Definition von 1994

Auf die folgende Definition einigten sich die Delegierten der Bildungsministerien der EU-Mitgliedsstaaten bei der Konferenz „Action for Dyslexia“ 1994 im Europäischen Parlament in Brüssel:(Zusammenfassender Bericht von Dr Harry Chasty):

„Legasthenie bedeutet Schwierigkeiten mit der Sprache - mit Buchstaben oder Wörtern - so dass die auffälligsten und hartnäckigsten Probleme beim Lesen und Schreiben auftreten; dazu kommen scheinbar unüberwindliche Rechtschreibschwierigkeiten und Gedächtnisprobleme. Besonders an Sequenzen, wie die Wochentage und die Monate des Jahres, erinnern sich Betroffene schlecht. Die persönliche Organisationsfähigkeit lässt in fast allen Bereichen zu wünschen übrig.“

Eine Definition von Frau Dr. Astrid Kopp - Duller 1995 ”Ein legasthener Mensch, bei guter oder durchschnittlicher Intelligenz, nimmt seine Umwelt differenziert wahr, seine Aufmerksamkeit lässt, wenn er auf Symbole, wie Buchstaben oder Zahlen trifft, nach, da er sie durch seine differenzierten Teilleistungen anders empfindet als nicht legasthene Menschen, dadurch ergeben sich Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens, Schreibens oder Rechnens.”

Behinderung ja oder nein?

Eine andere Art von Lernfähigkeit

Die Einführung der Magnetresonanztomographie (MRT) hat erstmals einen Blick in die Arbeitsweise eines legasthenen Gehirns gegeben. Seitdem plädieren Wissenschaftler dafür, dass man Legastheniker nicht als Menschen mit Lernschwierigkeiten oder gar mit einer Lernbehinderung, sondern eher als Menschen mit einer anderen Art von Lernfähigkeit betrachten sollte, da man eine vorhandene Legasthenie kaum ganz beseitigen kann oder möchte und der Satz „Einmal legasthen, immer legasthen“ eher der Realität entspricht.

Die Diskussion ob man Legasthenie offiziell als „Behinderung“ anerkennen soll oder nicht, wird sehr kontrovers geführt. Meistens geht es dabei um die finanzielle Unterstützung, die von Jugendämtern nur gezahlt werden kann, wenn ein Krankheitsbild (ICD-10 nach der Klassifizierung der Weltgesundheitsorganisation) vorliegt.

Wer einmal miterlebt hat, wie ein Kind trotz größter Bemühungen kaum fähig ist, das Lesen und Schreiben zu lernen, dem wird der Begriff „Lernbehinderung“ ganz angemessen erscheinen. Die Betroffenen selbst erkennen ihre Schwierigkeiten als eine große Behinderung und fühlen sich oft als Versager und Außenseiter in der Schule, die nebenbei auch noch mit psychischen Problemen zu kämpfen haben. Trotzdem sollte man eher von einer Teilleistungsstörung oder wenigstens einer Teilbehinderung sprechen, da außer einem relativ kleinen Bereich, der allerdings gerade die Kulturtechniken Lesen und Schreiben betrifft, alle übrigen kognitiven und körperlichen Fähigkeiten im wesentlichen nicht eingeschränkt sind. Wir wissen heute, dass Menschen verschieden sind und verschiedene Begabungen haben, die vielleicht in unseren Schulsystemen nicht vorkommen, die aber die Individualität eines Menschen ausmachen und vielleicht sogar für die Allgemeinheit von großer Bedeutung sein können.

Menschen mit besonderen Bedürfnissen – LD etc.

In den angelsächsischen Ländern hat der Begriff LD in den letzten Jahren einen großen Wandel mitgemacht. Zuerst wurde er als Synonym für „Learning Disabilty“ (Lernstörung) benutzt, dann für „Learning Difficulties“ (Lernschwierigkeiten) und heute steht er oft für „Learning Differences“ (Lernunterschiede). Man spricht dann auch mit weniger Vorurteilen von „pupils, who learn differently“ (Schülern die „anders“ lernen). In deutschsprachigen Gebieten werden all diese Begriffe heute unter der Bezeichnung „Kinder bzw. Menschen mit besonderen Bedürfnissen“ zusammengefasst.

Therapie und besondere Bedürfnisse

Früher logopädischer Unterricht, multisensorisches Lernmaterial, freundliche Unterstützung in einer entspannten Lernumgebung und nicht zuletzt der Einsatz guter Computerprogramme und die Vermittlung geeigneter Kompensationsstrategien helfen, auch die positiven Seiten einer Legasthenie ans Licht zu bringen und mit den Schwierigkeiten fertig zu werden. Denn eins ist inzwischen erwiesen: "Wer einmal legasthen ist, der bleibt es auch ein Leben lang." Man sollte sich aber weder davon "behindern" lassen, noch sich selbst nur als Legastheniker sehen.

Einige Interventionsprogramme versprechen spektakuläre Erfolge, die man sehr kritisch hinterfragen sollte. Im Allgemeinen kann man nur mit viel Fleiß und mit der entsprechenden therapeutischen Hilfe - besonders auch im Erwachsenenalter - die bestehenden Lese- und Schreibprobleme bewältigen.

Eine Gesellschaft kann auf die besonderen Bedürfnisse einiger ihrer Mitglieder nur optimal eingehen, wenn sie davon weiß, die entsprechenden Schwierigkeiten versteht, menschlich reagiert (Fairständnis!) und auch volkswirtschaftlich einen Nutzen in einer besseren Versorgung dieser Minderheit erkennt. Ein junger Legastheniker sagte dazu vor kurzem: „Wir sind nicht dumm, nur anders. Es lohnt sich für alle, Legastheniker zu fördern und ihnen die entsprechenden Hilfen zur Verfügung zu stellen!“

Zusatz: Im Zusammenhang mit LRS und Legasthenie gibt es derzeit mehrere Ansätze, die die sensorische Aufnahme von Informationen beeinflussen und verbessern helfen. Dies führt automatisch auch zu einer Verbesserten verarbeitung. So ist eine Korrektion einer ggf. vorliegenden Winkelfehlsichtigkeit ein Schlüssel um optischen Störungen entgegenzuwirken. Auch eine Störung der akustischen Wahrnehmung ist mittlerweile diagnostizierbar und auch mit Hilfe des sog. Warnke-Verfahrens (weitere Informationen unter :[1]) therapierbar.

Bekannte und erfolgreiche Legastheniker

Siehe auch

Literatur

Vorlage:Wiktionary1

Institutionen

Informationen