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Kraftwerk Niederaußem

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Kraftwerk Niederaußem
KW Niederaußem (2004)
KW Niederaußem (2004)
Lage

Kraftwerk Niederaußem (Nordrhein-Westfalen)
Kraftwerk Niederaußem (Nordrhein-Westfalen)
Koordinaten 50° 59′ 44″ N, 6° 40′ 9″ OKoordinaten: 50° 59′ 44″ N, 6° 40′ 9″ O
Land Deutschland
Daten

Typ Thermisches Kraftwerk / Braunkohlekraftwerk
Primärenergie Fossile Energie
Brennstoff Braunkohle (Rheinisches Braunkohlerevier)
Leistung siehe Tabelle
Betreiber RWE Power
Betriebsaufnahme siehe Tabelle
Website Kw Niederaußem auf rwe.com
Kraftwerk Niederaußem im Rheinischen Braunkohlerevier

Das Kraftwerk Niederaußem ist ein von der RWE Power mit Braunkohle betriebenes Grundlastkraftwerk in Bergheim-Niederaußem (Rhein-Erft-Kreis). Es besteht aus neun Blöcken, die zwischen 1963 und 2003 gebaut wurden. Es hat eine Gesamtleistung von 3.864 MW brutto und 3.627 MW netto.

Zum Kraftwerk gehört der mit 200 Metern höchste Kühlturm der Welt. Es ist eine Station auf der Straße der Energie.

Aufbau und Technische Daten

[1][2]

Block A B C D E F G H K (BoA)
Nominalleistung (elektrisch)
Dampfturbine
2 x 150 MW 300 MW
(2 Kessel)
3 x 300 MW 2 x 600 MW 1000 MW
Inbetriebnahme 1963 1965 1968–1971 1974 2003
Kamin (Höhe) 1 x 100 m 1 x 100 m 3 x 130 m 2 x 160 m -
Kühlturm 6 x 40 m
(Ventilatorkühler)
3 x 106 m
(Naturzug-Naßkühlturm)
2 x 128 m
(Naturzug-Naßkühlturm)
200 m
(Naturzug-Naßkühlturm)

Seit Einführung der Rauchgasreinigung werden die Abgase der Blöcke D-H über die entsprechenden Kühltürme und die Abgase der Blöcke A-C über je 2 198 Meter hohe Schornsteine ins Freie geleitet.

Geschichte und Aufbau des Kraftwerks

Ursprung (Blöcke A – B)

Im Herbst 1960 begannen zwischen Niederaußem und Auenheim die Bauarbeiten für die Blöcke A und B (150 MW) des heutigen Kraftwerks Niederaußem, das als Werk Fortuna IV die früheren Kraftwerke Fortuna I bis III, die „auf der Kohle saßen“, ersetzen sollte. Der Standort wurde wegen der Möglichkeit einer Erweiterung ausgewählt. Die Versorgung mit Braunkohle wird über eigene Bahnlinien (Nord-Süd-Bahn) gewährleistet.

Erweiterungen (Blöcke C – H)

Kraftwerk Niederaußem 2004

Noch bevor die Blöcke A und B 1963 den ersten Strom produzierten, begannen die Bauarbeiten für den ersten 300-Megawatt-Kraftwerksblock Standort Niederaußem. Der Block ging im Sommer 1965 unter großem Interesse der Öffentlichkeit als modernster seiner Art ans Netz. Zwischen 1968 und 1971 entstanden drei weitere Kraftwerksanlagen mit verbesserter Technik.

1974 gingen zwei weitere Blöcke mit jeweils 600 MW ans Netz. Insgesamt wurden damals am Standort Niederaußem mit einer Leistung von 2.700 Megawatt Strom produziert. Durch Verbesserungsmaßnahmen konnte Mitte der 90er Jahre die Leistung noch einmal gesteigert werden.

Um die Grenzwerte der neuen Umweltschutzauflagen zu erreichen, begannen 1986 die Arbeiten für eine Rauchgasentschwefelungsanlage. die seit 1988 in Betrieb ist. Durch die weithin sichtbaren roten Rohre werden die Rauchgase in die Rauchgasentschwefelungsanlage geleitet. Dort werden sie mittels Sprühdüsen mit einer Kalk-Wasser-Suspension beaufschlagt. Der im Rauchgas gebundene Schwefel reagiert mit dem Kalk und fällt schließlich als Gips im Wäschersumpf aus. Erst die gereinigten und abgekühlten Abgase werden dann auf 75 Grad wieder aufgewärmt und entweder durch Schornsteine an die Umwelt abgegeben oder in den Kühlturm eingeleitet, was durch den enormen Sog eine feine Verteilung der Abluft zur Folge hat. Der entstehende Gips wird neben dem Kraftwerk in Auenheim durch die Firma Pro Mineral weiterverarbeitet.

Großbrand

Das brennende Kraftwerk Niederaußem

Ein Zwischenfall im Kraftwerk Niederaußem ereignete sich am 9. Juni 2006. Um 1:15 Uhr fing die Bekohlungsanlage des sich in Revision befindlichen Blockes H Feuer. Das Feuer schlug auf zwei weitere Kraftwerksblöcke über. Später ergriffen die Flammen fast die gesamte Bekohlung des „alten Kraftwerks“. Eine große Rauchwolke stieg auf und zog viele Kilometer Richtung Nord-West.

Die Werkfeuerwehr selbst konnte den Brand nicht löschen, so wurde gegen 3 Uhr Großalarm ausgelöst und die Löschzüge aus der Umgebung sowie Fahrzeuge der Werkfeuerwehr Bayer und Flughafenfeuerwehr Köln/Bonn alarmiert. Zeitweise waren etwa 300 Rettungskräfte aus ganz Nordrhein-Westfalen im Einsatz. Durch die erst kurz vorher erneuerten Brandschutzvorkehrungen konnte eine weitere Flammenausbreitung verhindert werden, trotzdem ging der Sachschaden in den zweistelligen Millionenbereich.

BoA (Block K)

2011 02 09 Kraftwerk Niederaußem BoA BlockK
Kraftwerk Niederaußem Block K BoA Kühlturm

Mit dem Bau des Blocks K (RWE-Bezeichnung BoA = Braunkohlekraftwerk mit optimierter Anlagentechnik) am Kraftwerk Niederaußem entstand zwischen 1997 und 2002 der damals modernste Braunkohlenkraftwerksblock der Welt mit einer Bruttoleistung von 1.012 Megawatt (950 MW netto) und einem höheren Wirkungsgrad (43 %) als andere Anlagen (z. T. lediglich 31 %). RWE investierte in den Bau 1,2 Mrd. Euro. Neben dem neuen Kraftwerksblock entstand der mit 200 Meter Höhe höchste Kühlturm der Welt, der zugleich auch als Kamin für diesen Block dient.

Das Kesselhaus des Blocks K ist mit 172 Metern Höhe [1] das höchste Industriegebäude Deutschlands.

Durch den Ausbau wurde das Kraftwerk in Niederaußem eines der Kohle-Kraftwerke mit dem geringsten spezifischen Brennstoffverbrauch vergleichbarer Anlagen.

Die offizielle Eröffnung des neuen Blocks fand im Sommer 2002 statt. Im Beisein des damaligen NRW-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement und des Bundeskanzlers Gerhard Schröder ging das neue Kraftwerk ans Netz.

Braunkohletrocknungsanlagen

Zwischen Block H und Block K hat RWE Power 2001 eine Versuchsanlage zur Trocknung von Braunkohle errichtet, die aber heute nicht mehr in Betrieb ist. Hier wird auf mechanischem Wege (mit einer hydraulischen Presse) und auf thermischem Wege (durch Erhitzen in einer Wirbelschicht) das Wasser aus der Braunkohle ausgetrieben.[3]

Ab 2006 hat RWE Power östlich der BoA für über 40 Mio EUR eine weitere Wirbelschicht-Trocknungsanlage mit Abwärmetechnik (WTA) als Pilotprojekt zur Trocknung der Rohbraunkohle erbaut. Dazu wird die Abwärme des Kraftwerks genutzt. Man hofft, dass so in den nächsten Jahrzehnten Wirkungsgrade von 48 bis 50 % bei der Braunkohleverstromung erreicht werden können.

Pilotanlage zur CO2-Abscheidung

RWE hat am Standort in Zusammenarbeit mit Linde und BASF eine Pilotanlage zur CO2-Abscheidung aufgebaut.[4] Die Anlage wurde am 18. August 2009 im Beisein von Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers offiziell in Betrieb genommen.[5] Die Anlage, die nach dem Grundprinzip der Aminwäsche funktioniert, scheidet aus einem kleinen Teilstrom des Rauchgases aus dem Block "K" 90% des Kohlendioxids ab. In der Versuchsanlage sollen verschiedene Waschflüssigkeiten getestet und weiterentwickelt sowie Erfahrungen für den späteren Betrieb großtechnischer Anlagen gesammelt werden.

Erweiterungspläne

RWE prüft den Bau von mindestens zwei weiteren BoA-Blöcken am Standort Niederaußem nördlich des bisherigen Betriebsgeländes. Die hierfür notwendige Änderung des Regionalplanes wurde aber bisher nicht eingeleitet.

Umweltauswirkungen

Die Wolken aus den Kühltürmen der Kraftwerke Niederaußem (rechts), Neurath (mitte) und Frimmersdorf (links) über der Wolkenschicht

Kraftwerkskritiker bemängeln am Kraftwerk Niederaußem insbesondere den durch die oben genannte Erweiterung verursachten vermehrten CO2-Ausstoß. Auf der im Mai 2007 vom WWF herausgegebenen Liste der klimaschädlichsten Kraftwerke in der EU rangierte das Kraftwerk auf Rang 3 vor allen anderen deutschen Kraftwerken. Gemäß dieser Studie belegte das Kraftwerk in der Rangliste für den absoluten Kohlenstoffdioxid-Ausstoß 2006 den zweiten Platz in Europa.[6][7]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Broschüre RWE Power: Kraftwerk Niederaußem – Ein Standort voller Energie (Download von fh-meschede.de)
  2. Das Kraftwerk Niederaußem auf www.stadtteilforum-oberaussem.de
  3. Frank Buschsieweke: Dampfwirbelschichttrocknung von Braunkohle, Dissertation, Institut fÄur Verfahrenstechnik und Dampfkesselwesen der Universität Stuttgart, 2006
  4. Pressemitteilung Bundeswirtschaftsministerium fördert Pilotprojekt für eine CO2-Wäsche von RWE Power, BASF und Linde auf rwe.com
  5. RWE Power: Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg und Ministerpräsident Rüttgers nehmen Pilotanlage zur CO2-Wäsche in Betrieb auf rwe.com
  6. Infografik des WWF zum CO2-Ausstoß der 30 klimaschädlichsten Kohlekraftwerke Deutschlands
  7. Dirty Thirty Ranking of the most polluting power stations in Europe. WWF, Mai 2007 (PDF)