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Purpurküpe

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PURPURKÜPE ( Fermentationsküpe )


Im Januar 2001 gelang es der Autorin (1), eine Purpurküpe nach alter Art mit frischen Murex trunculus ( Hexaplex trunculus L.) herzustellen. Als Anleitung diente John Edmonds’ Monographie (2) zum Thema : „Tyrian or Imperial Purple Dye”. Mehrere Purpurspezialisten, auch John Edmonds selber, waren anwesend bei diesem Seminar, das im Conservatoire des Ocres et Pigments Appliqués in Roussillon, Provence in Frankreich stattfand. Die benötigten Meeresschnecken sind in Südfrankreich auf den lokalen Märkten zu finden, da sie als eine Delikatesse gelten.

Seit dem Fall von Byzanz im Jahre 1453 hat man nicht mehr von Purpurfärbungen im grossen Stil gehört. Rezepte liegen keine vor, wohl aber beschreibt Plinius der Ältere in der „Naturalis Historiae“ (3) seine Beobachtung einer Purpurherstellung. Eine Zusammenfassung dieser Stelle in Deutsch lässt sich in dem Purpur-Beitrag in wikipedia finden:

„Die Purpurschnecken wurden zerstampft (oder die Drüsen herausgeschnitten) und mehrere Tage in Salz gelegt. Danach kochte man die Masse mit Urin solange ein, bis nur noch der sechzehnte Teil übrig blieb. Während des Kochens wurden alle Fleischteile, die an die Oberfläche trieben, entfernt. Die Stoffe konnten dann in die Küpe eingetaucht und gefärbt werden. Erst am Licht entwickelte sich der Küpenfarbstoff in einer Enzymreaktion auf dem Gewebe von gelb nach rot. Dabei entstand ein äußerst unangenehmer Geruch.“

Nach diesem Verfahren ist es kaum möglich, eine Fermentationsküpe mit Schneckenpurpur zu rekonstruieren. Das lange währende Einkochen mit Urin würde den Farbstoff zerstören.

Nachdem die Drüsen herausgeschnitten und in Salz gelegt sind, wird diese Masse unweigerlich purpurn werden. Salz hat hier die Funktion des Konservierens und um die Fliegen abzuhalten, mit denen bei industrieller Verarbeitung und dem warmen Wetter in Phönizien zu rechnen ist. Füllt man mit Wasser auf, kann man Wolle oder Seide zu diesem Zeitpunkt durchaus hineingeben. Sie würden die Farbe unregelmässig ansaugen, aber es wäre nicht die für ihre Schönheit und Haltbarkeit so berühmte Purpurfärbung. Das läuft anders ab.

Die eingesalzene Drüsenmasse wird also mit Wasser aufgefüllt und erwärmt. Die Anwesenheit von Urin hat mit dem pH Wert zu tun. Auch wenn die Färber der Antike keinen pH Messer oder kein pH Papier hatten, wussten sie ganz gewiss die Zeichen des gewünschten Wertes zu erkennen. Anstelle von Urin konnte es natürlich Holzasche o.a. sein. Neuzeitlich ausgedrückt liegt der täglich zu kontrollierende pH Wert bei 8 – 9.

Ganz wichtig ist es, die Temperatur zwischen 40 – 50° C zu halten. Das scheint auch Plinius bemerkt zu haben, denn er sagt: „Man erhitzt sie dann in einem Gefäss aus Blei, rechnet für 100 Amphoren Wasser 500 Pfund Färbemittel und erhitzt sie mit gleichbleibend mässigwarmem Dampf und deswegen in der Röhre eines langen Ofens.“ (4 ) An dieser Stelle kann man sich fragen, ob nicht - aus Unkenntnis der Praktiken -die diversen Übersetzer seines Textes uns falsche Informationen liefern. Es geht nicht ums Kochen sondern ums Erhitzen.

Nach 3 Tagen beginnt die purpurviolette, mit Schneckenresten vermischte Flüssigkeit, ihre Farbe zu verändern: Das Violett wird zunächst grünblau und geht dann auf grün über. In den folgenden Tagen setzt sich die organische Materie am Boden ab. Die darüber stehende Flüssigkeit fängt an sich zu klären. Spätestens wenn die Farbveränderung beginnt, darf kein Licht mehr an die Küpe dringen; denn davon hängt es ab, ob die zu färbende Wolle oder Seide purpurviolett oder purpurblau wird.

Bei einer kleinen Küpe kann man davon ausgehen, dass sie nach 7 Tagen ‚reif’ ist. Plinius spricht von 10 Tagen, was bei grossen Mengen sicher zutrifft. ‚Reif’ bedeutet, das Sediment ist von feiner, Püree ähnlicher Struktur, die Flüssigkeit bleibt nun klar und hellgrün. Ein gewaschener, feuchter Wollfaden, für 4 – 5 Stunden unter Lichtausschluss eingetaucht, wird den Beweis bringen. Er kommt gelb heraus und entwickelt sich in frischem Wasser - immer noch im Dunklen - zu einer schönen purpurvioletten Färbung, die nach Belieben wiederholt und damit vertieft werden kann.

Was ist das Geheimnis für das Gelingen dieser Purpurküpe? Chemisch geht es um die Reduktion des Färbebades, damit der Farbstoff haltbar auf die Faser aufziehen kann. Ausgelöst wird diese Reduktion durch die einsetzende Gährung, besser Fermentation, nach ungefähr drei Tagen. Dafür scheinen die organischen Bestandteile, die zwangsläufig an den Drüsen hängengeblieben sind, verantwortlich zu sein. Bei einer konstanten Temperatur von 40 – 50 Grad C und in der richtigen alkalinen Umgebung haben sie die besten Chancen, vermutlich ein Bakterium zu entwickeln, das – analog zur Waidküpe wie J. Edmonds es herausfand – die Reduktion in Gang bringt. Sie allein macht es möglich, dass der purpurne Farbstoff haltbar auf Wolle oder Seide aufzieht.


( Inge Boesken Kanold )