Industrie Center Obernburg

Das Industrie Center Obernburg (ICO) ist ein Industriepark am Rande des Rhein-Main-Gebiets, circa 50 km südöstlich von Frankfurt am Main und circa 20 km südlich von Aschaffenburg. Es liegt am östlichen Mainufer gegenüber der Stadt Obernburg am Main. Das Gelände umfasst 175 Hektar mit 65 Gebäuden, die auf den Gemarkungen der Marktgemeinde Elsenfeld und der Stadt Erlenbach am Main liegen. Mehr als 150.000 m² Erweiterungsflächen sind bereits jetzt für neue Ansiedlungen nutzbar. Weitere Industrieflächen von etwa 40 Hektar sollen als Industriepark Erlenbach ebenfalls für eine industrielle Nutzung erschlossen werden.
Das Industrie Center Obernburg verfügt über eine trimodale Verkehrsanbindung (Wasserweg, Schiene, Straße) und ist über die autobahnartig ausgebaute Schnellstraße (B469) gut erreichbar. Ein eigener Bahnhof mit der Haltestelle (Glanzstoffwerke) und einem Industriegleis verbindet den Standort mit dem Schienennetz der Bahn. Eine Anlegestelle am Main verknüpft den Standort mit den Wirtschaftszentren am transeuropäischen Wasserverkehrsnetz sowie mit den nordwesteuropäischen Häfen (den ARA-Häfen) und dem Schwarzen Meer.
Das gemeinsam mit E.on Bayern in Form eines Joint Venture mit der Standortbetreibergesellschaft Mainsite GmbH & Co.KG als "Kraftwerk Obernburg GmbH" geführte Kraftwerk versorgt die am Standort beheimateten Unternehmen mit allen erforderlichen Arten von Energie. Eine nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung betriebene Gasturbine speist seit 1996 den erzeugten Strom in das öffentliche Stromnetz ein und versorgt den Landkreises Miltenberg mit umweltfreundlich gewonnener elektrischer Energie. Die anfallende Wärme nutzen die Standortunternehmen in Form von Dampf zum Betrieb ihrer Produktionsanlagen.
Der große Kamin des Kraftwerks ist 186 Meter hoch.
Geschichte
Gegründet wurde der Standort im Jahr 1924 als Produktionsstätte für textile Viskosegarne der Vereinigte Glanzstoff-Fabriken AG. Die Gründung erfolgte auch, weil das damals strukturschwache Umland vorwiegend ländlich bzw. durch Heimschneiderei geprägt war und in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg unter hoher Arbeitslosigkeit litt. Die Gemeinden des Umlands, aus denen bis heute rund 50% der Belegschaft stammen, erfuhren durch den Industriekomplex eine nachhaltige Aufwertung und starkes personelles wie infrastrukturelles Wachstum. Nach Aufbau der Produktion für textile Viskose begann im Jahr 1938 die Fertigung technischer Viskosegarne, die vorwiegend als Verstärkungsmaterial in der Karkasse von Autoreifen eingesetzt wurde. In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts erweiterte man die Faserproduktion um synthetische Garne wie Polyester und Polyamid. Seit den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhundert entwickelte sich der Standort durch den Ausbau der Produktionskapazitäten zunehmend zur wichtigsten Produktionsstätte von hochwertigen Garnen für technische Anwendungen in Europa. Über viele Jahrzehnte war der Standort der größte Arbeitgeber in der Region Bayerischer Untermain. Die größte Beschäftigtenzahl mit fast 7.000 wurden Mitte der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts erreicht. Hierdurch ist das ICO für die strukturelle wie wirtschaftliche Entwicklung der Standortgemeinden wie des gesamten Raums bis heute von zentraler Bedeutung.
In seiner über 85jährigen Geschichte wechselte der Standort mehrfach im Zuge von Namensänderungen des Mutterkonzerns von Glanzstoff über Enka, Akzo Nobel, Acordis ebenfalls die Bezeichnung, bis im Jahr 2003 der neue Name Industrie Center Obernburg gewählt wurde. Hintergrund für die letzte Änderung war die Aufspaltung der früheren Geschäftsbereiche des Acordis-Konzerns und deren separater Verkauf. Die im ICO beheimateten früheren Konzernbetriebsstätten wurden in rechtlich eigenständige GmbHs umgewandelt mit dem Ziel einer stärkeren Fokussierung auf die jeweiligen Marktsegmente. Nach wie vor ist der Standort in der Bevölkerung des Umlandes immer noch unter den Bezeichnungen „Glanzstoff“, „Akzo Obernburg“ oder "Acordis" ein fester Begriff.
Unternehmen am Standort
Die 30 Unternehmen im Industrie Center Obernburg beschäftigen zusammen rund 2.900 Mitarbeiter (Juli 2010). Neben den aus der früheren Konzernstruktur hervorgegangenen Unternehmen, insgesamt 15, siedelten sich seit 2003 weitere Unternehmen aus den Branchen Medizintechnik, Kunststofftechnologie, Farben und Lacke, Reaktionstechnologie, Logistik, Chemie sowie Industriedienstleistungen im ICO an und nutzen es als Plattform für den Betrieb ihrer Unternehmen.
Einige Unternehmen in Auswahl:
Mainsite GmbH & Co.KG
Die Betreibergesellschaft und Eigentümerin der Immobilien und Gebäude des ICO ist die Mainsite GmbH & Co. KG. Sie stellt den Standortunternehmen eine auf ihre Bedürfnisse maßgeschneiderte Infrastruktur (Energieversorgung, Feuerwehr, Arbeitssicherheit/Gesundheits- und Umweltschutz, Werkschutz usw.) zur Verfügung und bietet verschiedene übergreifende Services wie komplexe technische Dienstleistungen, Analytik und administrative Dienstleistungen an.
Polyamide High Performance GmbH; Polyester High Performance GmbH
Die beiden Gesellschaften produzieren technische Polyamidgarne für Airbags, als Verstärkungsmaterial für Autoreifen, für Schläuche, Fischereinetze etc., sowie technische Polyestergarne für Anwendungen wie Sicherheitsgurte, Breitgewebe, Förderbänder, Segel und Taue, Bautextilien oder Bill Boards.
Enka GmbH & Co.KG
Die Enka GmbH & Co. KG produziert textile Viscosegarne für modische Damenoberbekleidung und Futterstoffe.
Cordenka GmbH
Die Firma Cordenka ist der Marktführer für technisches Rayon, welches zum größten Teil für die Reifenindustrie produziert wird.
Membrana Accurel Systems
Bei Membrana Accurel GmbH werden mikroporöse Polymere und Additive für die Kunststoffindustrie hergestellt.
Colbond Geosynthetics
Die Colbond Geosynthetics GmbH fertigt Erdbaukomponenten und Drainagesysteme.
MAT, Excorlab, AAP mebio
Die Unternehmen Membrane Adsorption Technologies GmbH (MAT) und Excorlab beschäftigen sich mit Membranen für medizinische Anwendungen (Blutreinigung) bzw. Studien im Bereich extrakorporaler Systeme. Ebenfalls im medizinischen Sektor tätig ist das Unternehmen AAP mebio, das sich mit der Herstellung von Knochenersatzsubstanzen beschäftigt.
Hemmelrath Lackfabrik GmbH
Die Hemmelrath Lackfabrik GmbH produziert auf dem Gelände Klarlacke für die Automobilindustrie.
Sonstiges
Bedingt durch seine lange Tradition bietet der Standort baugeschichtlich einige interessante Facetten hinsichtlich Industriearchitektur der vergangenen 80 Jahre und ist daher auch Teil der „Route der Industriekultur Rhein-Main“.[1]
Einzelnachweise
- ↑ Route der Industriekultur (Bayerischer Untermain III). (PDF) Initiative Bayerischer Untermain, März 2006, abgerufen am 13. Juli 2009 (deutsch).
Weblinks
Homepage des Industrie Centers Obernburg
Homepage der Betreibergesellschaft Mainsite Services
Von Glanzstoff zu ICO – Heimat und Verkehrsverein Obernburg
Quellen
O.A.: Glanzstoff 1939–1964, Wuppertal, 1964.
Asperger, Karl-Heinz: Von Glanzstoff zu Enka 1969–1985, Wuppertal, 1990.
Berdami, Thilo: 1924–1999: 75 Jahre Standort Obernburg, Obernburg, 1999, Festschrift zum 75jährigen Bestehen des Standorts Obernburg.
Langenbruch, Theodor: Glanzstoff 1899–1949, Wuppertal, 1985.
Vaubel Ludwig: Glanzstoff-Enka-Aku-Akzo, Unternehmensleitung im nationalen und internationalen Spannungsfeld 1929–1978, Haan, 1986.
Wicht, Wolfgang E.: Glanzstoff, Zur Geschichte der Chemiefaser eines Unternehmens und seiner Arbeiterschaft, Neustadt/Aisch, 1992, Bergische Forschungen Band XXII.
Koordinaten: 49° 49′ 49″ N, 9° 9′ 0″ O