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Elektrokardiogramm

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Tragbares EKG, in Kombination mit einem Defibrillator, wie im Rettungsdienst gebräuchlich

Das Elektrokardiogramm (abgekürzt EKG) ist die Registrierung der Summe der elektrischen Aktivitäten aller Herzmuskelfasern. Elektrokardiogramm heißt auf Deutsch Herzstromkurve.

Jeder Pumpfunktion des Herzens geht eine elektrische Erregung voraus, die im Normalfall vom Sinusknoten ausgeht und über ein spezielles herzeigenes Erregungsleitungssystem (besteht aus besonderen Herzmuskelzellen) zu den Muskelzellen läuft. Diese elektrischen Potenzialänderungen am Herzen kann man an der Körperoberfläche abgreifen und in der Zeitachse aufzeichnen. Es resultiert ein immer wiederkehrendes ziemlich gleichförmiges Bild der elektrischen Herzaktion. Zu beachten ist jedoch, dass das Oberflächen-EKG nur die elektrische Aktivität des Herzmuskels anzeigt, nicht jedoch die tatsächliche Auswurfleistung widerspiegelt.

Das EKG ist eine sehr einfache, weitgehend ausgereifte und sehr wertvolle Untersuchungsmethode der Kardiologie. Sie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Einthoven, Goldberger, Wilson und anderen entwickelt. Meist wird das EKG vom Arzt noch per Hand ausgewertet. Mittlerweile sind aber auch Computerauswertungen sehr verlässlich.

Seine wichtigste Bedeutung hat das EKG im Nachweis eines frischen Herzinfarktes und von Herzrhythmusstörungen.

Nutzen

Aus einem EKG kann man folgende Vitalparamert ablesen:

  • elektrische Herzachse
  • Herzfrequenz
  • Herzrhythmus
  • Vorhoftätigkeit, Kammertätigkeit
  • Rhythmusstörungen, z.B. Extraschläge (sog. Extrasystolen)
  • Störungen der Erregungsleitung und -ausbreitung, z.B. Schenkelblöcke
  • Störungen der Erregungsrückbildung (sog. Kammerendteilveränderungen)
  • Herzinfarkte
  • Aktivitäten von Herzschrittmachern (z. B. senkrechter Ausschlag; sogenannter "Spike")

des weiteren ergeben sich Hinweise auf eine Vielzahl verschiedener Pathologien:

  • Wandverdickungen des Herzens (anhand verschiedener Indeces)
  • Rechts- und Linksbelastungen des Herzens
  • angeborene Störungen des elektrischen Gefüges
  • Herzbeutel- und evtl. auch Herzmuskelentzündungen
  • sowie auf eine Reihe Pathologien, die nicht immer dem Herzen selbst zuzuordnen sind: z.B. Lungenembolie, Herzbeutelerguss, Lungenemphysem, Elektrolytstörungen u.v.a.

Es ist wichtig, sich vor Augen zu führen, dass nur wenige Veränderungen im EKG für eine bestimmte Erkrankung hochcharakteristisch sind. So gibt es für den Herzinfarkt klare diagnostische Kriterien. Die meisten Veränderungen sind jedoch unspezifisch und verlangen zu ihrer Interpretation neben dem klinischen Kontext meist auch weiterführende Diagnostik. Dies gilt für eine Herzmuskelverdickung ebenso wie für verschiedene Rhythmusstörungen, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Arten

Ruhe-EKG

Das normale Ruhe-EKG wird meist im Liegen angefertigt. Das dauert nur Sekunden, weshalb es auch für Notfälle geeignet ist.

Langzeit-EKG

Geht es dagegen um die Diagnose bei Beschwerden, die nur ab und zu oder bei bestimmten Anläßen auftreten, z.B. manche Herzrhytmusstörungen oder Herzrasen bei Panikattacken, muß der Patient über 24 Stunden oder länger ein tragbares EKG-Gerät bei sich tragen um ein Langzeit-EKG auszuführen.

Belastungs-EKG

Beim Belastungs-EKG sitzt der Patient z.B. auf einem Ergometer - Fahrrad, wobei das EKG bei steigender körperlicher Leistung abgeleitet wird. So kann man z.B. eine vermindert steigerbare Durchblutung und Sauerstoffversorgung (Koronarreserve) des Herzmuskels bei Artheriosklerose der Herzkranzgefäße als Prädisposition zum Herzinfarkt feststellen. Ein intrakardiales EKG kann während einer Herzkatheteruntersuchung im Krankenhaus durchgeführt werden. Dabei wird ein Draht durch Gefäße ins Herz vorgeschoben, mit dem elektrische Erregungen in einzelnen Bereichen des Herzens registriert oder auch zu diagnostischen Zwecken Rhytmusstörungen durch elektrische Stimulation provoziert werden können.

Ableitungen

typisches 6-Kanal-EKG

Bei den Ableitungen nach Einthoven wird die elektrische Potenzialänderung zwischen den Extremitäten gemessen. In der Regel wird diese Ableitung im Ampel-Schema geklebt:

  • Rechter Arm: Rot
  • Linker Arm: Gelb
  • Linkes Bein: Grün

Dabei steht Einthoven I für rechter Arm - linker Arm, Einthoven II für rechter Arm - linkes Bein, und Einthoven III für linker Arm - linkes Bein.

Bei den Ableitungen nach Goldberger werden jeweils zwei Ableitungspunkte nach Einthofen zusammengeschaltet und gegen die verbliebene abgeleitet. Das ist bei avR (augmented versus Right) der rechte Arm, bei avL (augmented versus Left) der linke Arm und bei avF (augmented versus Food) das (linke) Bein.

Bei den unipolaren Brustwandableitungen nach Wilson wird die Elektrode V1 im 4. Interkostalraum (unter der 4. Rippe) rechts neben dem Brustbein angebracht, V2 ebenso links daneben. V4 liegt im 5. ICR in der Medioklavikularlinie, also auf halber Länge des Schlüsselbeins, V3 liegt zwischen V2 und V4 (auf der 5. Rippe). V5 und V6 werden jeweils in den 5. Interkostalraum geklebt, wobei V5 auf der vorderen, V6 auf der mittleren Axilarlinie liegen. Diese Ableitung kann durch die Ableitung V7-V9 ergänzt werden, die auch alle im 5. Interkostalraum liegen. V7 liegt in der hinteren Axilarlinie, V8 in der Scapulalinie und V9 in der Vertebrallinie. Diese zusätzlichen Ableitung werden häufig bei Verdacht auf einen hohen Hinterwandinfarkt verwendet.

Diese Vielzahl verschiedener Ableitungen ist nötig, um Ströme in verschiedenen Richtungen und damit Veränderungen in verschiedenen Bereichen des Herzmuskels zu erfassen. Dies dient zur Lokalisierung von Infarkten und Leitungsblöcken (s.u.). Dabei zeigen die Brustwandableitungen V2 - V6 auf die Vorderwand, I und avL auf die Seitenwand der linken Herzkammer und II, III, avF auf ihre Hinterwand. Die rechte Herzkammer ist allgemein nur selten von Bedeutung.

Datei:EKG Komplex.png
Schematische Darstellung eines EKG mit Bezeichnungen

Nomenklatur und Normwerte

Das EKG wird auf Millimeterpapier aufgezeichnet. Dabei beträgt die Schreibgeschwindigkeit i.a. 50 mm/s und die Amplitude 10 mm/mV. Ein Millimeter (ein kleines Kästchen) entspricht also nach der Seite 0.02 s und in der Höhe 0,1 mV. Die Kurve beginnt traditionell mit einer eckig aussehenden Eichzacke (1 mV über 1 s), an der man die Funktion des Gerätes überprüfen kann.

Bezeichnung und Bedeutung der einzelnen Zacken:

  • P-Welle (max. 0,12 s) entspricht der Vorhoferregung
  • QRS-Komplex (max. 0,12 s) entspricht der Kammererregung wobei mit
    • Q der erste negative Ausschlag
    • R der erste positive Ausschlag und mit
    • S der negative Ausschlag nach der R Zacke bezeichnet wird.
  • T-Welle entspricht der Erregungsrückbildung der Kammer
  • U-Welle, eine nicht konstante Erscheinung nach der T-Welle, z.B. bei Elektrolytstörungen

PQ-Intervall (max. 0,2 s) heißt der Abstand vom Beginn der P-Welle bis zum Beginn der Q-Zacke. QT-Intervall heißt der Abstand vom Beginn der Q-Zacke bis zum Ende der T-Welle. Seine Normobergrenze ist variabel, weil sie mit zunehmender Herzfrequenz abnimmt. Die ST-Strecke sollte keine Hebung über 0,2 mV aufweisen. Ihr Anfangspunkt definiert gleichzeitig die Nullinie im EKG.

Das EKG enthält außerdem immer den Namen des Untersuchten mit Datum und Uhrzeit. Bei heutigen Geräten sind meist auch schon Messungen der Herzfrequenz und oben bezeichneter Strecken oder computererstellter Diagnosen aufgedruckt.

Diagnostik

Man legt sich ein festes Schema zurecht, welche Punkte zur Auswertung eines EKGs abgearbeitet werden müssen, um keine pathologischen Zeichen zu übersehen. Zum Ausmessen der Strecken benutzt man ein EKG-Lineal.

  • Frequenz: regelmäßig ? Normale Geschwindigkeit (60-100/min) ?
  • Sinusrhytmus (P-Wellen vorhanden) ?
  • Lagetyp ? (Überdrehter Typ immer pathologisch)
  • AV-Block ? (PQ-Intervall normal < 0,2s)
  • Schenkelblock ? (QRS-Komplex normal < 0,1s)
  • Infarkt ? (ST-Hebung normal < 0,2mV)
  • T-Welle in I, II und V positiv (sonst nichttransmuraler Infarkt) ?
  • Q-T-Intervall (Schema auf dem EKG-Lineal)

Vorhofflimmern

Ein Vorhofflimmern erkennt man an einer absoluten Arrhytmie der Kammer, die QRS-Komplexe folgen in zufällig wechselnden Zeitabständen aufeinander. Die P-Welle ist nicht vorhanden, stattdessen sieht man ein leichtes Zittern der Grundlinie, das sich allerdings nicht sehr deutlich vom normalen, messbedingten Zittern der Kurve abhebt.

Vorhofflattern

Beim Vorhofflattern sieht man ein sehr charakteristisches Sägezahnmuster in der Grundlinie.

Lagetyp

Mit dem Lagetyp bezeichnet man die Verlaufsrichtung der elektrischen Erregungsausbreitung von der Herzbasis zur Herzspitze relativ zur Körperachse (elektrische Herzachse). Er kann einerseits etwas aussagen über die anatomische Stellung des Herzens im Brustkorb, andererseits über assymetrische Verdickungen des Herzmuskels.

Bei Neugeborenen ist der Steiltyp normal, bei Erwachsenen der Indifferenztyp und im Alter der Linkstyp.

Der Lagetyp wird aus der Fläche der QRS-Komplexe in den Einthofen-Ableitungen (I,II,III) ermittelt, wobei die negative Fläche unter der Nullinie von der positiven Fläche über der Nullinie abgezogen werden muß.

Sind die Einthofen-Ableitungen I, II und III alle positiv, so handelt es sich um einen Indifferenztyp (oder einen Steiltyp, das macht aber in der Bedeutung keinen Unterschied). Ist I negativ, dann ist es ein Rechtstyp. Bei II negativ ist es ein überdrehter Linkstyp, bei III negativ ein Linkstyp.

Vorhofhypertrophie

Eine Hypertrophie des rechten Vorhofs kann durch eine zu hohe, eine Hypertrophie des linken Vorhofs durch eine zu breite und wellige P-Welle auffallen.

Atrioventrikulärer Block

Einen AV-Block Grad I erkennt man an einer Verlängerung des PQ-Intervalls auf über 0,2 ms. Bei Grad II nach Wenckebach wird das PQ-Intervall von Mal zu Mal länger, dann fällt ein QRS-Komplex ganz aus und es folgt eine weitere P-Welle, diesmal mit QRS-Komplex. Bei Grad II Mobitz (benannt nach dem Kardiologen Woldemar Mobitz) folgt regelmäßig nur auf jede zweite oder dritte P-Welle ein QRS-Komplex. Bei Grad III schlagen Vorhof und Kammer unkoordiniert, d.h. die P-Wellen und die restliche Herzaktion folgen nur einem eigenen Rhythmus.

WPW-Syndrom

Die accessorische AV-Überleitung beim WPW-Syndrom äußert sich in einem rampenförmigen Aufstrich der R-Zacke (Delta-Welle).

Schenkelblock

Ein Schenkelblock (komplett bei QRS-Komplexdauer >0.12s oder inkomplett bei QRS-Komplexdauer 0.10s-0.12s) äußert sich in einer doppelten R-Zacke (postive Zacke nach S-Zacke, auch als R' bezeichnet), und zwar beim Rechtsschenkelblock in V1 (M-förmig) und beim Linksschenkelblock in V6 (N-förmig). Beim kompletten Schenkelblock ist außerdem die T-Welle negativ.

Ein EKG mit Linksschenkelblock ist zur Infarktdiagnostik nicht mehr verwertbar.

Ein Hemiblock äußert sich ausschließlich im Lagetyp: Ein überdrehter Linkstyp spricht für einen Linksanterioren Hemiblock, ein überdrehter Rechtstyp für einen Linksposterioren Hemiblock.

Ist die QT-Zeit verlängert, dann resultiert eine vermehrte Anfälligkeit für Rhythmusstörungen.

Herzinfarkt

Ein ausgedehnter frischer Herzinfarkt äußert sich meist in einer ST-Hebung. Die Ableitungen V2, V3 und V4 weisen auf die Vorderwand, Einthoven II, III und AvF auf die Hinterwand, andere Ableitungen auf die Seitenwand. In den jeweils nicht betroffenen Ableitungen erscheint eine korrespondierende ST-Senkung.

Typische Infarkt-Lokalisationen und ihr Abbild im EKG:

Lokalisation und Ableitung

Ausgedehnter Vorderwandinfarkt [aVL, I, II, V1-5]

Anterolateraler Infarkt [aVL, I, V4-6]

Lateraler Infarkt [I, aVL, V6]

Anteroseptaler Infarkt [V1-3]

Septaler Infarkt [V2-4, II, III, aVL]

Hinterwandinfarkt [II, III, aVF]

Posterolateraler Infarkt [II, III, aVF, V5-6]

Kleinere Infarkte können sich im EKG gar nicht oder erst im Verlauf beispielsweise als T-Negativierung zeigen.

Ein alter Infarkt hinterlässt bei der Vorderwand einen R-Verlust, sonst oft eine tiefe Q-Zacke.

Hier die typischen Stadien des Verlaufs eines Myokardinfarktes:

Stadium und Charakteristika

Initial (Minuten) = T-Überhöhung, Übergang in Erstickungs-T

1 = ST-Hebung, Abgang aus absteigendem QRS-Komplex

Zwischenstadium = ST-Hebung, Path. Q-Zacken, Verlust d. R-Progression, terminal-negatives spitzes T

2 = Pardé Q, Q-Zacke persistiert, T-Welle wird tiefer, kleines R

3 = Narbenstadium, ST normal, T wieder positiv, R-Zacke größer

Auch eine Perikarditis kann eine ST-Hebung verursachen, die dann eher geschwungen aussieht.

Elektrolytstörungen

Eine Hypercalciämie äußert sich in einer verkürzten, eine Hypocalciämie in einer verlängerten QT-Strecke. Eine Hyperkaliämie zeigt eine erhöhte T-Welle, eine Hypokaliämie eine ST-Senkung mit U-Welle.

Bei Patienten, die mit Digitalis behandelt werden, sieht man muldenförmige ST-Senkungen.

Geschichte

1882 wurde von Jimmy an einer Dogge das erste Mal ein EKG abgeleitet, indem alle vier Pfoten in leitfähige Silberchloridlösung getaucht wurden.

Einthofen führte das EKG in die Klinik ein, wobei er es zunächst auf eine einzige Ableitung standardisieren wollte, bei der der Patient beide Arme in die Lösung taucht (Einthofen I). Da das nicht ausreichte, kamen Einthofen II und III und später die Goldberger - Ableitungen (1920er Jahre) und die Wilson - Ableitungen (40er Jahre) hinzu.

Literatur