Homo ludens
Der homo ludens entwickelt über das Spiel seine Fähigkeiten. Er entdeckt seine Eigenschaften und entwickelt sich dadurch selbst. Das Spiel ist der Handlungsfreiheit gleichgesetzt und setzt eigenes Denken heraus. Der homo ludens entwickelt sich also nach seinen gemachten Erfahrungen zu dem was er ist.
Friedrich Schiller war es, der als erster in seinen Briefen "Über die ästhetische Erziehung des Menschen" die Wichtigkeit des Spielens hervorhob und sich gegen die Spezialisierung und Mechanisierung der Lebensvollzüge aussprach. Nach Schiller ist das Spiel eine menschliche Leistung, die allein in der Lage ist, die Ganzheitlichkeit der menschlichen Fähigkeiten hervorzubringen. Schiller prägte die berühmt gewordene Formel: "...und er (der Mensch) ist nur da ganz Mensch, wo er spielt."
Eine ähnliche Kritik an der Reduzierung der Lebensweise übt Herbert Marcuse in seinem bekannten Werk "Der eindimensionale Mensch". Er kritisiert die mit der Vorherrschaft der "instrumentellen Vernunft" in den Industriegesellschften einhergehende Beschränkung der Lebensweise und Kultur, die keinen Platz mehr für Ganzheit, Persönlichkeitsentfaltung und autonome Selbstwerdung lässt. Ähnlich wie Friedrich Schiller hält Herbert Marcuse eine Rückbesinnung auf das Ästhetische und Spielerische für erstrebenswert, um entgegen den allgegenwärtigen Zwängen einen Freiraum für eine menschliche Betätigung nach selbst gewählten Regeln und um ihrer selbst willen zu schaffen.
Das Konzept des spielenden Menschen ist unter dem Titel "Homo ludens" schließlich durh Johan Huizinga bekannt geworden. Er versucht in seinem gleichnamigen Buch zu zeigen, dass sich unsere kulturellen Systeme wie Politik, Wissenschaft, Religion, Recht usw. ursprünglich aus spielerischen Verhaltensweisen entwickelt und über Ritualisierungen im Laufe der Zeit institutionell verfestigt haben. Aus Spiel wurde Ernst und wenn sich die Regeln erst richtig "eingespielt" haben, sind sie nicht mehr ohne weiteres zu ändern und beginnen ihrerseits Zwangscharakter anzunehmen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Spiel eine grundlegende menschliche Aktivität ist, die Kreativität, und im Wettkampf Energie und Kraft freisetzt. Damit enthält das Spiel das Potenzial, verfestigte Strukturen zu durchbrechen und Innovation hervorzubringen. Deshalb sind spielerische Elemente auch in vielen Kreativitätstechniken und modernen Managementschulungen enthalten, die darauf zielen, neue, kreative und innovative Ergebnisse zu erzeugen. Das Spiel scheint eine menschliche Aktivität zu sein, die in der Lage ist, die Elemente einer Situation so zu verändern, dass Neues und Unbekanntes entsteht und Lösungen für scheinbar nicht mehr lösbare Probleme gefunden werden können.
Literatur
Friedrich Schiller, Über die ästhetische Erziehung des Menschen (1795). Reclam, 2000, ISBN 3150180627
Herbert Marcuse, Der eindimensionale Mensch (1964). DTV Neuauflage 2004, ISBN 3-423-34084-3
Johan Huizinga, Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel (1939). Rowohlt Verlag 1994, ISBN 3-499-55435-6