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Blutzuckermessgerät

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BZ-Messgerät mit Teststreifen, Lanzette und Stichhilfe

Ein Blutzuckermessgerät ist ein elektronisches Gerät zur Bestimmung des Glucose-Gehaltes von Blut (Blutzucker, BZ). Hierzu wird eine Blutprobe venös, arteriell bzw. kapillär entnommen und mit Hilfe des Messgerätes untersucht. Im Handel findet sich eine Vielzahl von Geräten mit unterschiedlichen Ausstattungsmerkmalen.[1]

Technik

Die ersten Geräte für den Hausgebrauch bestimmten den Zuckergehalt photometrisch. Dazu wurde ein Blutstropfen auf einem Probenstreifen in einen Strahlengang im Geräteinneren eingebracht. Der Zuckergehalt wurde dann anhand der charakteristischen Lichtabsorption der mit der Glucose reagierenden Teststreifenchemie ermittelt. Diese Lichtabsorption ist von der Glukosekonzentration abhängig.

Bei der heute üblichen amperometrischen Messung wird das Blut im Teststreifen über eine Kapillare zu einem von außen nicht sichtbaren Testfeld eingesaugt. Dort reagiert es mit Glucose-Oxidase und schließt den Kontakt zwischen verschiedenen Elektroden. Das Blutzucker-Messgerät legt an diese Kontakte eine definierte elektrische Spannung und misst im Zeitverlauf die Stromstärke, die durch das Blut geleitet wird. Aus dem Stromstärkenverlauf bestimmt das Gerät dann den Blutzuckerwert.

Es gibt in Deutschland zur Zeit unterschiedlich kalibrierte Blutzuckermessgeräte: die plasmakalibrierten Messgeräte weisen den Blutzuckergehalt im Plasma aus, die Vollblut-kalibrierten Messgeräte entsprechend im Vollblut. Die Plasma-Werte liegen etwa 10 % höher. Die meisten Labor-Messgeräte messen den Blutzucker im Plasma, da diese Werte genauer sind. Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft empfiehlt daher auch eine Umstellung der Blutzuckermessgeräte auf die Plasma-Messung.[2]

Funktionen

Wie alle Geräte der Elektronik werden auch BZ-Messgeräte kontinuierlich weiterentwickelt. Dazu gehört, dass die Geräte kleiner, preiswerter, schneller (Messdauer zwischen 5 und 8 sec.) und insgesamt leistungsfähiger geworden sind: Neben der eigentlichen Blutzuckerbestimmung verfügen moderne Messgeräte über eine Reihe von Sonderfunktionen, die die Handhabung für den Patienten erleichtern sollen. Dazu gehört z.B. eine Beleuchtung der Einführöffnung für die Blutzuckerteststreifen oder des Displays, damit die Messung auch bei schlechten Lichtverhältnissen durchgeführt werden kann. Speziell für sehbehinderte Diabetiker gibt es entweder Geräte mit einer kurzzeitig extragroßen Anzeige der Werte oder aber der Darstellung in Warnfarben bei erhöhtem oder zu niedrigem Blutzucker sowie Geräte mit Voice-Funktion, die die gemessenen Werte zusätzlich zur Anzeige im Display ansagen, entweder in deutscher oder türkischer Sprache.

Viele Geräte verfügen außerdem über eine individuell einstellbare Einnerungsfunktion, die mittels eines Signaltons auf eine ausstehende Messung hinweist. Einzelne Geräte besitzen darüber hinaus eine Vorrichtung, die es ermöglicht, mehrere Teststreifen im Verbund einzulegen, so dass für mehrere aufeinander folgende Messungen (beispielsweise auf Reisen) kein Teststreifenwechsel erforderlich ist. Auch ist heute eine Codierung bei neu angebrochenen Teststreifenpackungen bei den meisten Geräten nicht mehr nötig.

Vor allem aber bieten neuere Geräte diverse Möglichkeiten der Protokollierung, Verarbeitung und Verknüpfung der gemessenen Blutzuckerwerte beispielsweise mit Angaben zur Medikation sowie mit persönlichen Ernährungs- und Bewegungsdaten, die dem Patienten das handschriftliche Führen eines Diabetes-Tagebuches abnehmen und ihm so größere Mobilität und Flexibilität ermöglichen. Es können hunderte einzelner Blutzuckerwerte gespeichert, Durchschnittswerte über mehrere Wochen errechnet und Maximal- bzw. Minimalwerte ausgewiesen werden. Darüber hinaus bieten zahlreiche Messgeräte den Patienten die Möglichkeit, im Rahmen bestimmter Voreinstellungen Angaben zu Mahlzeiten, sportlicher Betätigung oder Informationen zum subjektiven Befinden ("fühle mich unwohl", "Stress") einzugeben.

Eine Vielzahl gängiger Geräte kann inzwischen diese Daten mittels spezieller Medizinsoftware auch über eine USB- oder Infrarotschnittstelle an einen Rechner übertragen; die protokollierten Werte können so beispielsweise in der diabetologischen Praxis oder am heimischen PC ausgelesen werden oder in einem Internetportal in eine vorinstallierte Patientenakte übertragen werden, die auch der behandelnde Arzt einsehen kann. Neben dieser Direktübertragung, bei der das Blutzuckermessgerät unmittelbar an einen Rechner angeschlossen wird, ist seit wenigen Jahren auch eine Übertragung per Handy möglich; ursprünglich in einer 3-Komponenten-Kommunikation vom Messgerät via Bluetooth zu einem mit spezieller Software ausgestatteten Handy und von dort aus an ein online-Diabetes-Tagebuch. Dies ermöglicht eine unmittelbare Kommunikation zwischen Patient und Arzt und z.B. auch eine automatische Benachrichtigung im Notfall.

Sicherheit und Zuverlässigkeit der Geräte ist im Patientenalltag weitgehend gewährleistet[3], wenngleich "die Güte der Messqualität von Geräten verschiedener Hersteller ... eine beachtliche Bandbreite" aufweise[4].

Genauigkeit

Die gesetzlich erlaubte Schwankungsbreite der handelsüblichen Blutzuckermessgeräte zur patientenseitigen Kontrolle liegt bei +/- 11 % von Messung zu Messung[5]. Daher sind Vergleichsmessungen zum Beispiel zum kurzfristigen Blutzuckerverlauf nur eingeschränkt beurteilbar. Zur Diagnostik sind diese Geräte nicht zugelassen.

Zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 1, beim Insulin-behandelten Typ-2-Diabetiker und auch bei der Behandlung des Schwangerschaftsdiabetes sind die Blutzuckerselbstkontrollen unverzichtbar geworden.

Fehlermöglichkeiten

Falsche Messergebnisse können resultieren aus

  • noch Zuckerreste an der Blutentnahmestelle (z. B. von Obst)
  • bei der Blutentnahme aus der Fingerbeere wird bei mangelhaftem Blutfluss der Finger zu sehr „ausgemolken“
  • Teststreifen wurden Feuchtigkeit ausgesetzt (daher Entnahmebehälter unmittelbar wieder verschließen)
  • Teststreifen weit über Haltbarkeit gelagert
  • bei Anbruch einer neuen Packung wurde der Code nicht erneuert (dieses Eich-Prinzip wird zunehmend verlassen)

Kosten und Bedeutung der Blutzuckerselbstkontrolle

Die Kosten für Blutzuckerselbstkontrollen durch den Patienten werden bei insulinpflichtigen Diabetikern von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet[6]. Bei Diabetikern mit einer intensivierten Insulintherapie und einem Bedarf von 5-6 Messungen pro Tag, d.h. 140 Teststreifen pro Monat, entstehen etwa 84 Euro pro Monat, im Jahr etwa 1000 Euro.

Bei nicht-insulinpflichtigen Patienten sollen die Kosten nach Beschluss des G-BA künftig nicht mehr übernommen werden[7]. Die Bewertung durch das IQWiG im Jahr 2009[8], auf die sich der Gemeinsame Bundesausschuss beruft, "...ergab weder für die Blutzuckerselbstmessung noch für die Urinzuckerselbstmessung einen Beleg für einen Nutzen bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, die nicht mit Insulin behandelt werden... Aus den epidemiologischen Studien zur Thematik ergab sich kein Nachweis einer Assoziation der Blutzuckerselbstmessung mit Morbidität und Mortalität."

Die deutschen Diabetesverbände diabetesDE, DDG, VDBD, BVND und DDS werfen dieser Studie jedoch eine "methodisch falsche Gleichsetzung einer (falsch zitierten) Uninferioritätsschwelle mit der klinischen Relevanz" vor und fordern eine Beibehaltung der Verordnung von Blutzuckerteststreifen[9].

Bei nicht-insulinpflichtigen Typ-2-Diabetikern mit durchschnittlich etwa vier Messungen in der Woche (optimal im Sinne einer Selbstkontrolle und in vielen Fällen auch medizinisch sinnvoll sind je nach Medikation, Stoffwechselgüte, Alter, Therapieziele, diabetesbedingte Folgeerkrankungen, Hypoglykämiewahrnehmung usw. Messhäufigkeiten zwischen 2 Mal täglich bis alle 2 Wochen 1 Mal täglich) liegen die Kosten für die benötigten Blutzuckerteststreifen bei etwa 200 Euro im Jahr (varierend zwischen 25 und 500 Euro im Jahr).

Laut dem Gesundheitsbericht Diabetes von 2011 wird die Selbstmessung sowohl für insulinpflichtige als auch für nichtinsulinpflichtige Diabetiker als "wichtiges Element der Diabetestherapie" in allen anerkannten Schulungsprogrammen empfohlen. Laut einer dort zitierten Stellungnahme der Deutschen Diabetes-Gesellschaft und weiterer Verbände sei die Blutzuckerselbstkontrolle auch bei nichtinsulinpflichtigen Typ-2-Diabetikern eine "entscheidende Voraussetzung für die Motivation, Schulung und Therapie des Patienten"[10].

Einzelnachweise

  1. Diabetes Netzwerk Deutschland in Diabetes-News.de
  2. Pressemeldung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (vom 6. Januar 2010)
  3. Stiftung Warentest - Blutzuckermessgeräte in Test 04/2007
  4. diabetesDE: Stellungnahme von diabetesDE zum Arzneiversorgungsvertrag zwischen Apothekerverband und Verband der Ersatzkassen. Anl. 4: Preisregelung für Teststreifen, gültig ab 01.10.10. 15. Dezember 2010, abgerufen am 3. Februar 2011.
  5. Neuerungen in der Blutzuckermessung. In: Presseinformation. BdSN, 17. Mai 2010, abgerufen am 24. Januar 2011.
  6. Zum grundsätzlichen Versorgungsanspruch vgl. SGB V. Abgerufen am 28. Januar 2011. Die Verordnungspraxis differiert je nach KV, vgl. beta-institut gemeinnützige GmbH: Verordnung von Blutzuckerteststreifen. 19. Februar 2010, abgerufen am 28. Januar 2011.
  7. G-BA: Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses. Harn- und Blutzuckerteststreifen bei Diabetes mellitus Typ 2. 9. Februar 2010, abgerufen am 26. Januar 2011.; G-BA: Bekanntmachung des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 91 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. vom 9.Februar 2010. In: Bundesanzeiger. 23. März 2010, S. 1092, abgerufen am 25. Januar 2011.
  8. [1] Abschlussbericht Zuckerselbstmessung bei Diabetes mellitus Typ 2, IQWiG, 14.Oktober 2009
  9. diabetes DE, DDG, VDBD, BVND und DDS: Gemeinsame Stellungnahme von diabetes DE, DDG, VDBD, BVND und DDS zur Änderung der Arzneimittelrichtlinie und der Anlage III "Harn- und Blutzuckerteststreifen bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2". 19. April 2010, abgerufen am 31. Januar 2011.
  10. Bernhard Kulzer: Die psychologische Dimension des Diabetes mellitus. In: Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2011, hrsg. von diabetesDE, ISSN 1614-824X, S. 44–47, hier 43f.